Im Namen der Rose: Auftakt für eine jungsozialistische Biodiversitätsstrategie

Der Verlust der natürlichen Vielfalt und die Vernichtung unserer eigenen Lebensgrundlagen ist als generelles Problem unserer Zeit schon lange bekannt. Im Jahr 2019 veröffentlichte allerdings der Biodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Platform for Biodiversity and Ecosystem Services) der Vereinten Nationen seinen Global Assessment Report, in dem deutlich wurde, wie drastisch sich der durch den Menschen herbeigeführte Biodiversitätsverlust in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat: Allein bei den Wirbeltierarten gab es einen Rückgang um 60 % seit 1979. In der Wissenschaft wird inzwischen davon ausgegangen, dass wir uns momentan im größten Massensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Mio. Jahren befinden. Gründe dafür sind vor allem eine intensivere Landnutzung, der Klimawandel, ein höherer Anteil von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre und die Stickstoffbelastung in Gewässern durch Überdüngung und Abgase. Zur intensiveren Landnutzung zählen vor allem die Forst- und die Landwirtschaft, bei welchen im Folgenden die Probleme analysiert und Lösungsansätze vorgestellt werden sollen.

Unsere Wälder durch eine größere Diversität weniger anfällig machen

Die globale Erwärmung ist eine große Herausforderung für unsere heimischen Wälder. Längere Trockenperioden, wärmere Sommer und allgemein sich verändernde jahreszeitliche Bedingungen setzen ihnen nicht nur direkt zu, sondern sie begünstigen auch Schädlinge wie den Borkenkäfer. Dabei lenkt dies nur den Blick auf ein altes Problem, mit dem unsere Wälder konfrontiert sind: Die fehlende Diversität der Baumbestände zugunsten der Forstwirtschaft. Auch wenn dieses Problem schon länger bekannt ist und inzwischen andere Strategien angewandt werden, ist ein großer Teil unserer Wälder durchsetzt von Monokulturen, meist Fichtenbestand. Daher bietet der Befall durch den Borkenkäfer u.a. auch eine Chance, den Wald durchmischter zu gestalten und dadurch widerstandsfähiger gegen Schädlinge zu machen. Um gleichzeitig den sich verändernden klimatischen Bedingungen und den in Mitteleuropa heimischen Waldgesellschaften gerecht zu werden, fordern wir:

  • Für die Aufforstung der Wälder in öffentlicher Hand sollen vorrangig Laubbäume, darunter besonders Buchen und Eichen, genutzt werden. Mischwaldbestände sind ebenfalls reinen Nadelholzbeständen vorzuziehen. Aufgrund der klimatischen Veränderungen sollen besonders trockenheitsempfindliche Arten vermieden werden. Es sollen bei der Auswahl der Bäume, Baumarten genutzt werden, die an die sich verändernden bzw. zukünftigen klimatischen Bedingungen und an das hiesige Ökosystem angepasst sind.
  • Es wäre falsch, alle freien Flächen von jetzt auf gleich mit sogenannten “Waldbaumarten” zuzupflastern. Lichtungen und die langsame Entwicklung durch Pionierbaumarten sind für das Ökosystem Wald ebenfalls von Bedeutung – nicht nur das Endprodukt, der „fertige“ Wald.
  • Gleichzeitig stellen wir die grundsätzliche forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes nicht infrage. Eine regionale Forstwirtschaft ist nachhaltiger, als Holz aus fernen Ländern importieren zu müssen. Diese darf aber nicht nur wirtschaftlich sein, sondern muss auch den Ansprüchen der Menschen und Tiere, die im und um den Wald leben, gerecht werden. Das Land NRW ist dazu angehalten, ein solches Konzept zu entwickeln. Langfristig hilft dies auch der Forstwirtschaft, mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen besser umgehen zu können.
  • Die zügige Schaffung eines Nationalparks Teutoburger Wald mit Einbezug der britischen Truppenübungsplätze in der Senne.

Der Wald braucht unsere internationale Solidarität

Die Beziehung zwischen Wald und Klimawandel ist jedoch nicht nur einseitig, im Gegenteil: Die ungehemmte Abholzung vor allem des tropischen Regenwalds und der sibirischen Taiga befeuert die globale Erwärmung immens. Darunter leidet zusätzlich die lokale Bevölkerung, indem sie von der Holzindustrie ausgenutzt und sie und der Wald gegeneinander ausgespielt werden. Wir Jusos sprechen uns entschieden gegen diese Ausbeutung von Mensch und Natur durch Unternehmen aus, die nur den kurzfristigen Profit vor Augen haben, aber an Nachhaltigkeit nicht interessiert sind. Wir fordern daher:

  • Die Förderung lokaler Umweltschutzprojekte durch die Entwicklungshilfe, die die vor Ort lebenden Menschen und ihre Interessen mit einbezieht. Beispielsweise kann ein nachhaltig aufgebauter Tourismus eine wirtschaftliche Überlebensgrundlage fernab der Holzindustrie liefern.
  • Internationaler Druck durch wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen seitens Deutschlands und der Europäischen Union für Länder, die massive Abholzungen durchführen sowie eine wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung für ebensolche Länder, die stattdessen zum Erhalt der Wälder beitragen, zu diesem Zweck muss die Nachverfolgbarkeit über die Herkunft und die Abbaubedingungen des Holzes drastisch verbessert werden und für Verbraucher*innen transparent gestaltet werden. Grundlage der Entscheidungen für Sanktionen oder Förderungen sollen Analysen und Berichte des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) der Vereinten Nationen darstellen.
  • Wir fordern entwaldungsfreie Lieferketten, um Wälder auf der ganzen Welt zu schützen. Es muss endlich Schluss sein mit freiwilligen Selbstverpflichtungen, die nicht eingehalten werden. Unternehmen müssen zur Verantwortung gezogen werden! Wir unterstützen daher den Gesetzesentwurf der S&D-Fraktion im EU-Parlament, der regelmäßige Berichte, mehr Transparenz und Haftung für Unternehmen fordert, die Wälder und andere Biotope bei der Produktion ihrer Produkte nicht schützen. Es ist die Pflicht der Unternehmen, sich nicht aus der Verantwortung zu ziehen, wenn sie in anderen Ländern Schäden anrichten und von deren Standort profitieren. Die EU-Kommission darf nicht erneut vor der Wirtschaftslobby einknicken!

Zum Schutz der biologischen Vielfalt: EU-Agrarsubventionen reformieren

Neben dem Waldsterben wurden in der breiten Öffentlichkeit der letzten Jahre zwei weitere Verluste von biologischer Vielfalt viel diskutiert: Das Insekten- sowie das Vogelsterben. Allein in Deutschland ist in den letzten 30 Jahren die Insektenbiomasse um teilweise mehr als 70 % zurückgegangen. Da Insekten die Nahrungsgrundlage vieler anderer Lebewesen, u.a. vieler Vogelarten, sind, ist ihr Rückgang besonders besorgniserregend. Ursachen hierfür sind zu einem großen Teil in der Landwirtschaft zu finden. Die Art und Weise, nach welchen Kriterien die Europäische Union Agrarsubventionen verteilt, fördert vor allem große Flächen mit monokulturellem Anbau. Dabei sind gerade kleinteilige, abwechslungsreiche Landschaften notwendig, um den Ansprüchen unterschiedlich angepasster Arten gerecht zu werden. Auch die weiterhin übermäßige Nutzung von Pestiziden und Insektiziden trägt zum Verlust der Artenvielfalt bei. Aber auch in den Städten kann noch viel für Insekten und andere Tiere getan werden. Deshalb fordern wir:

  • Eine schnelle und weitreichende Reform der EU-Agrarsubventionen weg von großflächigen Monokulturen und hin zu kleinteiligen, vielseitigen Anbaumethoden. Dabei ist außerdem auf Blühstreifen für Insekten und Gehölze an den Feldrändern als Brutplätze für Vögel zu achten.
  • Eine starke Einschränkung von Pestiziden und Insektiziden bis hin zum völligen Verbot, vor allem bei der präventiven und großflächigen Nutzung muss dabei zügig gehandelt werden. Als Alternative sollen natürliche Fressfeinde von Schädlingen genutzt werden. Auch hier hilft eine Verringerung von Monokulturen, da diese besonders anfällig für Schädlinge und Krankheiten sind.
  • In Städten soll darauf geachtet werden, dass sich ein Park oder Grünzug nicht immer durch “englischen Rasen” auszeichnen muss. Auch hier gilt es, Blühwiesen zu fördern. Desweiteren wollen wir uns für eine Ausweitung von Urban Gardening Projekten starkmachen.