ZUKUNFT STATT GRENZEN – WIR INVESTIEREN IN DIE INTEGRATIONSGESELLSCHAFT

Terrorismus, Kriege, bittere Armut, Klimawandel: Die Welt des frühen 21. Jahrhunderts ist eine Welt voll unüberschaubarer Krisen. Als Folge dieser Krisen befinden sich mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass globale Migrations­ bewegungen langfristig anhalten werden.Gleichzeitig erleben wir in unserer Wohlstandsgesellschaft eine gegenläufige Entwicklung. Der demografische Wandel führt dazu, dass dem Arbeitsmarkt mittelfristig Fachkräfte fehlen werden und es gerade im ländlichen Raum immer schwieriger wird, Strukturen aufrecht zu erhalten. Beglei­ tet wird diese Entwicklung von einem sozialen Auseinanderbrechen der Gesellschaft und – seit der einschneidenden schwarz-gelben Politik der 1980er Jahre – teil- und schrittweisen Rückzug des Staates aus seinen Kernaufgaben.Wenn die Gesellschaft es also schafft, Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nach Deutschland kommen, zu integrieren, ist das nicht nur die Erfüllung unserer menschlichen Pflicht
– schon gar nicht ist es eine barmherzige Geste, die mit der Arroganz der oben stehenden vollzogen wird –, sondern eine Chance für die gesamte Gesellschaft. Also sowohl für Eingewanderte als auch schon lange in Deutschland Ansässige.Damit das gelingen kann, ist eine progressive staatliche Integrationspolitik notwendig. Derzeit wirkt der Staat an vielen Stellen überfordert und handelt in vielen Integrationsbelangen eher improvisiernd als geplant. Wir wollen Strukturen schaffen, die ohne Improvisation Integration für alle Menschen ermöglicht, die durch Einwanderung zu uns gelangen.Bedenkt man, dass nicht alle geflüchteten Menschen dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, brau­ chen wir Integrationsstrukturen für mindestens eine Million einwandernde Menschen im Jahr. Das heißt natürlich nicht, dass das Asylrecht auf eine Million Menschen begrenzt wird. Das Asylrecht muss ein unangetastetes individuelles Recht bleiben. Sollte also durch stärkere Fluchtbewegungen die Zahl der Einwander*innen steigen, bedarf es zusätzliche improvisierte Strukturen. Aber wir können nicht länger zusehen, wie der Staat soweit kaputt gespart wird, dass eine staatlich koordi­ nierte Integrationspolitik nur mit Improvisation möglich ist. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, der ohne Improvisation mindestens einer Million Menschen im Jahr Integrationsstrukturen bietet. Die politisch Konservativen diskutieren das Thema Integration als selbstständige Aufgabevon Eingewanderten. Das konservative Integrationsdogma lautet „Anpassung sonst Strafe“. Dieses Motto hilft vielleicht um an Stammtischen Stimmung zu machen, der vor uns liegenden Aufgabe wird es nicht gerecht. Funktionierende Integration hat drei Dimensionen: Da in unserer Gesell­ schaft Anerkennung und sozialer Aufstieg nach wie vor in erster Linie über die Erwerbstätigkeit generiert werden, ist die Herstellung einer materiellen Aufstiegs- und Teilhabeperspektive zentraler Bestandteil gelingender Integration. Die zweite Dimension ist die institutionelle Anerkennung.Wer anerkannter Teil einer demokratischen Gesellschaft sein will, braucht ein politisches Mitsprache und-gestaltungsrecht. Als dritte Dimension ist ebenfalls die Anerkennung individueller Identität und die Akzeptanz kollektiver Identitäten und Symbolik im engen sozialen Umfeld von wesent­ licher Bedeutung. Diese drei Dimensionen bilden die Grundlage, auf der wir in diesem Antrag politische Forderungen als Rahmenbedingung funktionierender Integration entwickeln wollen.Schlüssel in allen drei Dimensionen ist die Sprache. Nur wer sich verständigen kann, hat die Chance auf wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg, auf politische Mitgestaltung und auf Kontakt im engen sozialen Umfeld. Um Integration zu stärken, muss der Spracherwerb im Zentrum stehen.Um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, brauchen wir einenhandlungsfähigen Staat, der bereit ist, in die Zukunft der Gesellschaft zu investieren. Die konser­ vative Politik der Schwarzen Null schwächt die Wirtschaft und lässt die Gesellschaft zunehmend auseinanderbrechen. Gerade mit Blick auf die anstehende Transformation in eine digital-technisierte Wirtschaft und den damit verbundenen sozialen Risiken brauchen wir Innovation und Wachstum. Und der Blick in die Geschichte zeigt: Immer, wenn technologische Innovation zu wirtschaftlichem Aufschwung geführt hat, hatte ein aktiver Staat die Finger im Spiel. Halten wir weiter an den konservativen Dogmen von Schwarzen Nullen, Schuldenbremsen und Austerität fest, vererben wir den kommenden Generationen wenig Spielraum für innovative wirtschaftliche Ideen, eine marode Infrastruktur, einen handlungsunfähigen Sozialstaat und Kommunen, die nur noch verwalten und nicht mehr gestalten.Das betrifft auch die Integration: Nur mit massiven staatlichen Investitionen ist diese große Aufgabe möglich. Aber diese Investitionen sind kein zum Fenster rausgeworfenes Geld, sondern die Grund­ lage dafür, dass wir eine zukunftsfähige Gesellschaft mitgestalten. Klar ist aber auch: Die Herausfor­ derungen sind in ganz Europa zu groß, als dass sie allein von Nationalstaaten gelöst werden könnten.Deshalb ist der Vorstoß des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi, europäische Integrations-Anleihen einzuführen, unterstützenswert.In den Debatten um Flucht und Integration wird zumeist wie selbstverständlich von einer Gruppe junger Männer ausgegangen, die ihre Familien zurückgelassen haben und nach Europa geflüch­ tet sind. Dass Frauen ein Drittel aller geflüchteten Menschen ausmachen wird sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in Maßnahmen der Unterbringung und Integration meist vergessen. Frauenspezifische Problemen der Flucht – wie sexualisierte Gewalt und damit einher­ gehend fehlende Schutzräume in Unterbringungssituationen – wird wenig Beachtung gezollt.Dies gilt auch für die Gruppe der geflüchteten Menschen mit LSBTTI*-Hintergrund und ihr Bedarf an besonderen Schutzräumen und Ansprechpersonen. Darüber hinaus werden auch geflüchtete Männer aufgrund der ihnen zugeschriebenen Geschlechterrolle täglich mit rassisti­ schen Vorurteilen konfrontiert, was ebenfalls ein genderspezifisches Problem der Flucht darstellt.Sie müssen in allen Bereichen der Integration querschnittsartig mitgedacht werden. Wir fordern:

  • Die Gesundheitskarte muss endlich allen Geflüchteten zur Verfügung stehen, um vor allem Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, den Zugang zu ärztlichen Untersuchungen zu erleichtern.
  • Die EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33), die im Juli 2013 in Kraft getreten ist, soll diesen Frauen einen besonderen Schutz zusichern. Um für diese Frauen aber auch wirklich bundesweit auf Basis einer Rechtsgrundlage besseren Schutz zu gewährleisten, muss sie endlich in nationalstaat­ liches Recht umgesetzt werden.

Für das Chaos in der Organisation der Asylpolitik ist unter anderem das fehlendeEinwanderungsgesetz verantwortlich. Die Einwanderungsregeln der Bundesrepublik sind zu komplex, sodass viele Einwanderungswillige den Weg über das Asylrecht versuchen. Dort abgelehnt,werden sie abgeschoben, obwohl sie eine Bereicherung wären. Deshalb ist ein Einwanderungsgesetz,das Einwanderung abseits des Asylrechts ermöglicht und ordnet, längst überfällig. Dieses Einwan­ derungsgesetz darf allerdings kein Eliten-Programm werden, das nur Einwanderung für Spitzen­ fachkräfte ermöglicht.

OHNE GERECHTERE ASYLPOLITIK GIBT ES KEINE INTEGRATION

Damit die Integration geflüchteter Menschen gelingen kann, bedarf es zunächst einergerechteren europäischen Asylpolitik. Die abgeschottete Festung Europa ist der Grund, dass laut IOM Global Report in den letzten 20 Jahren mehr als 60 000 Menschen an den europäischen Außengrenzen gestorben sind. Damit ist die Grenze Europas die gefährlichste und tödlichste Gren­ ze der Welt. Diese Abschottung muss beendet werden.Wir fordern:

  • Die bereits bestehenden Möglichkeiten der legalen Einreise in die Europäische Union wie der Familiennachzug müssen ausgebaut und neue Möglichkeiten, wie die Vergabe humanitärer Visa,müssen geschaffen werden.
  • Auch eine unentgeltliche und uneigennützige Fluchthilfe darf nicht weiter unter das Verbrechen des „Schleusens“ gefasst werden. Wir brauchen eine umfassende Entkriminalisierung.
  • Mit der Deklarierung immer weiterer „sicherer Herkunftsstaaten“ versucht die Bundesregierung Menschen aus Herkunftsstaaten mit geringerer Asyl-Anerkennungsquote den Zugang zu Asyl nahezu unmöglich zu machen. Das Asylrecht muss ein individuelles Recht bleiben. Das Prinzip der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist abzuschaffen.
  • Eine europäische Seenotrettung, die, gemeinsam von allen Mitgliedsstaaten finanziert und vom Europäischen Parlament legitimiert, nicht nur direkt vor der europäischen Küste, sondern im gesamten Mittelmeer gekenterte Menschen aufsammelt, muss geschaffen werden.
  • Das seit März 2016 bestehende Abkommen zwischen der EU und der Türkei zur Rückführung von Geflüchteten stellt keine menschenwürdige Lösung dar. Das Abkommen muss aufgekündigt und der Türkei der Status als „sicherer Drittstaat“ aberkannt werden.
  • Das Dublin-Abkommen ist gescheitert. Wir brauchen eine gerechte Verteilung von geflüchteten Menschen in der gesamten Europäischen Union. Das Hin- und Herschieben von geflüchteten Menschen zwischen den EU-Staaten ist menschenunwürdig und widerspricht dem Gedanken eines gemeinsamen europäischen Schutzraums für Asylsuchende.
  • Fluchtursachen müssen bekämpft werden. Die riesigen Geflüchteten-Unterkünfte in den syri­ schen Anrainerstaaten sind stark unterfinanziert. Ein erster Schritt wäre es, diese Unterkünfte mit ausreichend Ressourcen auszustatten und so die Menschen zu unterstützen, die auf eine schnelle Rückkehr nach Syrien hoffen. Mittelfristig dürfen sich Deutschland und die EU aber nicht darauf ausruhen, diese Unterkünfte zu unterstützen – in der Hoffnung, dass dann keine Menschen mehr nach Europa fliehen.Wichtigstes Instrument ist, die europäische Entwicklungs­ politik auszubauen. In Deutschland ist der Anteil an Entwicklungsausgaben zwar gestiegen, aber nur, weil Ausgaben für geflüchtete Menschen in Deutschland mit eingerechnet wurden. Diese Schönrechnerei muss unterbunden und ausreichend Geld für nachhaltige Entwicklungspolitikbereitgestellt werden. Wenn Mittel zur Entwicklungszusammenarbeit nur in Verknüpfung mit einem Abschiebeabkommen bereitgestellt werden, ist das höchst zynisch. Solche Abkommen etwa mit nordafrikanischen Ländern oder Afghanistan, wo die Sicherheits- und Menschen­ rechtslage schwierig ist, müssen beendet werden.
  • Wer Integration will, der kann nicht gleichzeitig eine „Kultur der Abschiebung“ fordern. Trotz­ dem werden vor allem Möglichkeiten diskutiert, wie die Bleibeperspektive geflüchteter Menschen zum Beispiel durch sichere Herkunftsländer und schnellere Prüfungsverfahren verschlechtert werden kann. Wir wollen uns aber nicht am Wettbewerb der nackten Abschiebezahlen beteili­ gen, sondern die Einzelfallprüfung für jede*n Schutzsuchende*n stärken. Denn oftmals ist die genaue Menschenrechtslage in den Herkunftsländern der Menschen ungewiss: Verfolgung von Homosexuellen*, Frauen*, religiösen und ethnischen Minderheiten, sowie die politische Verfol­ gung Andersdenkender ist oft nur schwierig einzuschätzen. Häufig sind es Menschen, die hier seit Jahren in einem festen sozialen Umfeld leben, den dann der Aufenthaltsstatus entzogen wird,weil sie volljährig geworden sind oder sich der Status ihres Landes geändert hat. Das bedeutet die jahrelange Integrationsarbeit ohne Not zu zerstören. Diese Praxis kann bei den Betroffenen nicht folgenlos bleiben. So führt eine Abschiebung oft auch zu schweren psychischen Proble­ men bis hin zum – dokumentierten – Suizid. Wir schlagen deshalb vor, dass zur Prüfung eines Abschiebeantrags auch der bereits bewältigte Integrationsprozess, sowie das soziale Umfeld des Geflüchteten herangezogen wird. Gescheiterte Asylverfahren führen Menschen in die Illegalität und damit in soziale Notlagen, wie Obdachlosigkeit oder Schwarzarbeit. Wir wollen außerdem,dass die Praxis der Abschiebehaft gestoppt wird. Der Freiheitsentzug von Asylsuchenden ist qualitativ und quantitativ unverhältnismäßig. Qualitativ wird die Praxis der Abschiebehaft von Menschenrechtsorganisationen seit Jahren kritisiert. Da die Abschiebehaft rechtlich nicht als Strafe gilt, haben unzulässig in Haft Genommene kein Recht auf Schadensersatz. Dabei ist die Fehleinschätzung bei Asylverfahren besonders hoch. Es reicht ein bloßer Verdacht, dass sich der Geflüchtete der Abschiebung widersetzen könnte. Die in Haft Genommenen müssen auch ihre eigenen Haftkosten selbst tragen. Bei einer durchschnittlichen Haftzeit von drei Monaten kommen so Kosten von über 30.000 Euro zusammen. Quantitativ ist Abschiebehaft unver­ hältnismäßig, da das einzige Abschiebegefängnis NRWs in Büren tatsächlich nur einhundert Menschen Platz bietet. Für diese rechtlichen „Härtefälle“ müssen sich auch andere Lösungen finden. Deshalb können und sollten wir gänzlich auf Abschiebehaft verzichten. Das Abschie­ begefängnis in Büren darf nicht ausgebaut, sondern muss schnellstmöglich geschlossen werden.

UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE GEFLÜCHTETE – EIN GANZ BESONDERER SCHUTZ

Eine ganz besondere Herausforderung stellt die Betreuung und die Integration von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten dar. Viele von ihnen wissen nicht, was aus ihren Eltern und ihrer Familie geworden ist, weil sie entweder alleine auf die Flucht geschickt wurden oder sich während
der Flucht aus den Augen verloren haben. Wenn es nicht von Anfang an gelingt, Traumata von der Flucht zu behandeln und eine Perspektive in die Gesellschaft zu eröffnen, schafft man sehenden Auges eine neue Generation dauerhaft Ausgegrenzter.Wir fordern:

  • Integration findet für Minderjährige in erster Linie in der Schule statt. Der Zugang zur Schule muss schneller und vor allem unabhängig vom Aufenthaltsstatus erfolgen.
  • In riesigen Massenunterkünften kann der besondere Schutz, den Kinder und Jugendliche ohne Kontakt zur eigenen Familie brauchen, schnell unter die Räder geraten. Deshalb sind gerade für unbegleitete minderjährige Geflüchtete kleinere Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunter­ künfte zu bevorzugen.
  • Besonders unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind nach der Flucht auf psychologi­ sche Betreuung angewiesen. Darauf haben sie bislang kein grundsätzliches Recht. Das muss sich ändern. Gerade was die medizinische Versorgung betrifft, sind unbegleitet minderjährige Geflüchtete gegenüber gesetzlich krankenversicherten Kindern erheblich schlechter gestellt. In medizinischen Fragen sollte nicht der Aufenthaltstitel, sondern das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen.
  • Die Aussetzung des Familiennachzugs auch bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ist schlichtweg unmenschlich. Diese Aussetzung muss zurückgenommen werden.
  • Die meisten unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten haben kein rechtsmäßiges Aufenthalts-recht und sind in Deutschland nur geduldet. Um nicht in ständiger Angst vor Abschiebungen zu leben, müssen sie schnell einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Um dabei in den komplizier­ ten Fragen des Asylrechts nicht allein gelassen zu werden, muss ihnen eine Ergänzungspfleger*in
    (z.B. eine Rechtsanwält*in) zur Verfügung gestellt werden. Um das Kindeswohl auch rechtlich in den Mittelpunkt zu stellen, muss auch klar sein: Solange das Aufenthaltsrecht nicht geklärt ist,gilt das Jugendhilferecht vor den Asylgesetzgebungen.
  • Die Zusammenführung von auf der Flucht getrennten Familien ist elementar. Deshalb muss die Vernetzung der Träger von Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften mit den Such­ diensten der Hilfsorganisationen verbessert und von der Politik mehr unterstützt werden.
  • Zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter steht noch immer zu wenig Geld zur Verfügung. Hier müssen die Bundesmittel aufgestockt werden.
  • Es gibt gute Projekte, in denen Familien unbegleitete minderjährige Geflüchtete bei sich aufneh­ men. Das ist weder für die Familien noch für die geflüchteten Kinder eine einfache Angelegenheit und erfordert viel Empathie auf beiden Seiten. Aber in solchen Projekten steckt ein großen Inte­ grationspotenzial. Deshalb braucht es eine angemessene materielle Förderung solcher Projekte.

AKTIVE ARBEITSMARKTPOLITIK – GUTE QUALIFIKATION UND ARBEIT FÜR ALLE!

Eine fortschrittliche Einwanderungsgesellschaft muss allen Menschen eine Perspektive bieten.Der Anspruch der Sozialdemokratie muss dabei sein, Abstiegsängste bei der arbeitnehmenden Mittelschicht auszuräumen; Langzeitarbeitslosen endlich neue Perspektiven zu bieten; und jungen Menschen sowie Einwander*innen flexible Einstiege zu ermöglichen – vor allem in Aus- und Weiterbildungsprogramme. Es gibt bereits vielfältige erfolgsversprechende Ansätze. Schluss sein muss jedoch mit der politischen Mangelverwaltung, die sich gerade in den politisch „langen bleiernen Jahren“ der schwarzen-gelben Bundesregierungen unter Helmut Kohl durchgesetzt hat. Politik und Wirtschaft müssen endlich klotzen, statt kleckern! Wir brauchen massive Zukunftsinvestitionen,um allen Menschen in unserer wohlhabenden, technologisch fortgeschrittenen Gesellschaft eine Perspektive zu geben. Umfangreiche, kostenintensive Programme zur Berufsbildung und Arbeits­ marktintegration sind dabei alles andere als illusorisch, sondern aus volkswirtschaftlicher Sicht die beste, weil rentabelste Investition, die möglich ist.Wir fordern:

  • Schluss mit dem Dogma des bedingungslosen Sparens. Wir brauchen ein Arbeitsmarkt-Investitionspaket.
  • Die betriebliche Mitbestimmung bei Einstellungen und Ausbildungen muss st舐ker wahr­ genommen und gesetzlich ausgebaut werden: Solidarische Initiativen der Besch臟tigten, die Einwander*innen oder Langzeitarbeitslosen einen Einstieg in Ausbildung und Beruf geben wollen, sind ein guter Weg. Klar ist: Wenn Menschen neu auf unserem Arbeitsmarkt sind oder seit L舅gerem nicht arbeiten konnten dann ist ihre Integration in Ausbildung und Beruf aufw舅diger. Unternehmen wollen kapitalistischer Logik folgend diesen Mehraufwand und entsprechende Mehrkosten vermeiden. Umso entschiedener müssen wir dafür streiten, dass Unternehmen gesellschaftlich stärker in die Verantwortung genommen werden, wenn es um Ausbildung und Arbeitsmarktintegration geht.
  • Die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, haben mit dem Konzept eines Integrationsjah­ res (für Einwander*innen und Langzeitarbeitslose) bereits ein tarifpolitisches Ausrufezeichen gesetzt. Solche Ansätze gilt es auf allen Ebenen zu unterstützen (gesetzlich; durch Ausweitung bestehender Förderprogramme etc.).
  • Eine Förderung (und falls notwendig: Verpflichtung) betrieblicher Integrationsarbeit sollte durch öffentliche Fortbildungsprogramme gewährleistet werden.
  • Insbesondere junge Mädchen aus geflüchteten Familien müssen gezielt gefördert und durch Coaching-Programme mit der Vielfalt des deutschen Arbeitsmarktes vertraut gemacht werden.Auch in Programmen wie dem Girls Day oder Förderprogrammen für Frauen in MINT-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) sollen sie Einblicke in Berufsfelder bekommen, zu denen der Zugang sonst erschwert ist.
  • Der aktuell verfolgte Ansatz der schnellstmöglichen Erfassung von schulischen und beruflichen Kenntnissen ist richtig. Die Anfänge, die mit den Integration Points in NRW geschaffen wurden,müssen schnellstmöglich flächendeckend umgesetzt werden. Zentral ist, dass das Arbeits- und Bildungsprofiling von Fachleuten durchgeführt wird. Alle Menschen, die zu uns kommen,müssen dabei gleich behandelt werden. Eine Bestenauslese ist ebenso inakzeptabel wie die Qualifikationserfassung durch Nicht-Fachleute. Im Zusammenhang mit der Erfassung beruf­ licher und schulischer Qualifizierung muss eine vereinfachte Anerkennung (von Abschlüssen etc.) erfolgen – damit allen Einwander*innen zielgerichtete Angebote gemacht werden können.
  • Wir brauchen konkrete Schritte, um schnellstmöglich eine flächendeckende Ausbildungsum­ lage durchzusetzen: Seit Jahren sind die angebotenen Ausbildungsplätze rückläufig – sogar in vielen wirtschaftlich erfolgreichen Regionen. Gleichzeitig klagen Unternehmensverbände und Betriebe abstrakt über angeblichen „Fachkräftemangel“. Tatsächlich werden wirtschaftliches Wachstum in Boom- Branchen sowie die Auswirkungen des demografischen Wandels in den nächsten Jahrzehnten zu einem hohen Arbeits- und Fachkräftebedarf führen. In der aktuel­ len Situation tun die Unternehmen aber alles andere, als sich für ihren zukünftigen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu rüsten. Sie akkumulieren lieber kurzfristige Gewinne als für die Zukunft gute Ausbildungsplätze und Weiterbildungsstrukturen zu schaffen. Weil die kapitalisti­ sche Akkumulationslogik – in eigentlich selbstzerstörerischer Manier – Zukunftsinvestitionen systematisch vermeidet, müssen gewerkschaftlicher Arbeitskampf und politische Initiativen der Sozialdemokratie eine gesellschaftlich verantwortliche Lösung erstreiten: Durch die schrittweise Einführung regionaler Ausbildungsumlagen, die alle Betriebe in die organisatorische und finan­ zielle Verantwortung für die vor Ort gesellschaftlich notwendigen Ausbildungsplätze zwingen,kann bei der Berufsausbildung das Gemeinwohl gegenüber kurzfristigen Profitinteressen die Oberhand behalten.
  • Wir müssen Kapazitäten massiv ausweiten: Eine Einwanderungsgesellschaft kann sich keine Behörden leisten, die häufig mehr als ein Jahr brauchen, um Menschen einen Aufenthaltssta­ tus zu gewähren, der ihnen ermöglicht, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Deswegen müssen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), in den Landes- und kommuna­ len Behörden sowie Arbeitsagenturen und Jobcentern viele neue Stellen geschaffen werden, um Menschen schnell zu versorgen: mit Dokumenten, zielgerichteten Informationen, zugeteilten Sprach- und Integrationskursen.
  • Unserer wohlhabenden Gesellschaft ist es absolut unwürdig, aktuell mehr als einer Million Langzeitarbeitslosen keine Perspektive anzubieten. Weil die Steuerungsfähigkeit des allgemei­ nen Arbeitsmarktes gerade in einem offenen Einwanderungsland nicht ausreichen wird, um den beruflich aktuell ausgeschlossenen Menschen eine Perspektive zu bieten, brauchen wir endlich einen sozialen Arbeitsmarkt. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene muss die Politik gemeinsam mit der Zivilgesellschaft – mit Gewerkschaften, NGOs, gemeinnützigen Unterneh­ men, Vereinen etc. – gesellschaftliche Arbeitsfelder definieren, in denen wertvolle Arbeit vom Markt nicht geleistet werden kann. Um diese Aufgaben zu erfüllen, müssen würdige soziale Arbeitsplätze geschaffen werden, die Menschen einen Neustart mit Perspektiven ermöglichen.Entsprechende Konzepte müssen schnellstens erarbeitet werden. Finanzielle Mittel sind von öffentlichen Programmen zu gewährleisten.
  • Eine demografisch tendenziell schrumpfende Wohlstandsgesellschaft kann sich keine jungen Menschen leisten oder wschen, die keinen guten Platz im Arbeitsleben finden oder im Bildungssystem keine Chance sehen. Neben den zu schaffenden regionalen Ausbildungsum­ lagen, deren Schritt-für-Schritt-Realisierung etwas Zeit braucht, muss die öffentliche Hand schnelle Zusatzangebote ermöglichen, um den Weg in selbstbestimmte Berufstätigkeit zu unter­ stützen. Das erfolgreiche neue Übergangssystem „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KaoA) in NRW sollte dafür massiv ausgebaut werden.

BILDUNG ALS MENSCHENRECHT VERWIRKLICHEN – SYSTEME ÖFFNEN UND FLEXIBILISIEREN!

Für alle Menschen führt der Weg in ein selbstbestimmtes Leben über Bildung. Ein
demokratisches Einwanderungsland muss dem Menschenrecht daher höchste Priorität geben.
Es geht um Allgemein- wie Fachwissen, die Selbstverwirklichung der Menschen und ein tieferes
Bewusstsein einer demokratischen Gesellschaft. Dass Bildung dabei auch die Arbeitstätigkeit in
einer hochprofessionalisierten, durchrationalisierten Wirtschaft und Gesellschaft ermöglicht, ist nur
eine Teilfunktion der Bildung.
Strukturell gilt für das gesamte Bildungssystem, was für den Teilbereich der beruflichen Bildung
bereits ausgeführt wurde: Ein offenes Einwanderungsland muss die dauerhaft vorgehaltenen Kapa­
zitäten massiv ausbauen.
Wir fordern:

  • Der Trend, Schulen zu schließen und Lehrer*innenstellen höchstens auf unterem Niveau zu stabilisieren, muss umgekehrt werden. Die Einstellung neuer Lehrer*innen und pädagogischer sowie verwalterischer Fachkräfte darf nicht an leeren Kassen scheitern. Deswegen muss das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik schnellstmöglich aufgehoben werden, damit der Bund Geld für Stellen zur Verfügung stellen kann.
  • Das Erlenen von Sprache ist elementar. Deshalb müssen auch die Schulen nachrüsten: Deutsch als Zweit-/Fremdsprache muss zu einer echten Lehramtsbefähigung aufgewertet und zu einem vollwertigen Lehramtsfach in der Lehrkräfteausbildung aufgebaut werden. Außerdem müssen Schulen die durchgängige Sprachbildung als verpflichtenden Bestandteil aller Fächer ansehen.
  • Mehr Lehr- und andere Fachkräfte werden sowohl an allgemeinbildenden, berufsbildenden und Volkshochschulen gebraucht. Wichtig ist, dass politisch das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ von Anfang an Gültigkeit besitzt: Es ist nicht hinnehmbar, wenn die fachqualifizierte Sprachvermittlung durch prekäre Beschäftigung gewährleistet wird.
  • Die in den Schulen eingerichteten Willkommensklassen für geflüchtete Kinder und Jugendliche müssen auf die individuellen Erfahrungen, die die Schüler*innen von der Flucht mitbringen,eingehen können und dürfen deshalb eine maximale Größe von 12 Schüler*innen haben.
  • Die kommunalen Erfahrungen zeigen: Gerade Einwander*innen, die vor Krieg, Not und Elend geflohen sind, finden bei uns meistens ein längerfristigeres Zuhause – auch dann, wenn ihnen offiziell kein dauerhafter Aufenthaltstitel gewährt wurde. Deswegen dürfen Fragen des Status- bzw. Aufenthaltstitels nicht mehr darüber entscheiden, wer bei uns Zugang zu Bildung und Arbeit bekommt. Die wichtigste Schlussfolgerung: Alle Einwander*nnen müssen von Anfang an einen Rechtsanspruch auf deutschen Sprachunterricht haben. Das heißt auch: Alle Asylbewerber*innen müssen das Recht auf einen Integrationskurs vor der Anerkennung haben,da die Zeit von der Ankunft in Deutschland bis zur ihrer Anerkennung sinnvoll gestaltet werden muss. Wenn die Perspektivlosigkeit erst einsetzt, ist es schwierig die Menschen wieder zu moti­ vieren. Durch den schnelleren Zugang zu Sprach- und Integrationskursen sind die Menschen sechs bzw. neun Monate beschäftigt und können in der Zeit die deutsche Sprache zu erlernen,damit im Anschluss ein aufbauender Kurs besucht werden kann. Jedoch fehlen Kurse, die über einen B1 Abschluss hinaus gehen. Ausbildungen und ein Studium kann erst bei einem Sprachni­ veau von B2 / C1 begonnen werden. Je früher die Menschen die Chance bekommen die Sprache zu erlernen, desto schneller können sie nach ihrer Anerkennung in den Arbeitsmarkt integriert werden. So lässt sich vermeiden, dass Einwander*innen, die fachlich mehr können aber die deut­ sche Sprache nicht beherrschen, als Hilfskräfte eingesetzt werden.
  • Die Vernetzung zwischen den Kommunen und den Sprach- und Integrationskursanbieter*innen muss verbessert werden. Die Integrationskurse dürfen nur von Pädagog*innen durchgeführt werden,sodass die Qualität der Kurse mehr oder weniger gleich ist. Es müssen jedoch allgemeine Standards für Lehrkräfte für alle anderen Kurse erstellt werden.
  • Gerade jungen Menschen, die zu uns kommen, müssen wir mehr Bildungschancen und flexibleEinstiege ermöglichen. Um Bildungsabschlüsse nachzuholen und an Hochschulen einen Einstieg zu finden, müssen sie einen einfachen Zugang zum BAföG-System bekommen. Darüber hinaus braucht es eine Vereinfachung bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse auch ohne Nachweise. An Hochschulen und Berufsschulen müssen zudem flexible Einstiegsprogramme für Neuankömmlinge geschaffen werden. An Berufsschulen fängt dies damit an, dass Geflüch­tete zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr bundesweit eine gesetzliche Zugangsberechtigung brauchen. An Hochschulen soll ein modularisiertes, teils anrechenbares Zusatzprogramm zur Sprachvermittlung und Institutionenlehre angeboten werden.
  • Bildungspolitik beginnt in der Kindertagesstätte. Wir brauchen Investitionen in frühkindliche Bildung. Dafür brauchen wir ein Bundesprogramm zur Schaffung neuer Kita-Plätze und zur Einstellung weiterer Erzieher*innen. Für Erzieher*innen müssen Weiterbildungsangebote zur Sprachvermittlung und zum Umgang mit traumatisierten Kindern geschaffen werden.
  • Weiterhin müssen wir auch spezielle Bildungsangebote für ältere Geflüchtete und auch Analphabet*innen schaffen, die ihren Bedürfnissen angepasst sind. Denn nur so gelingt es diesen Menschen eine neue Chance zu bieten.

INTEGRATION GIBT ES NUR VOR ORT – STARKE KOMMUNEN STATT PRIVATISIERUNGEN KOMMUNALER AUFGABEN AN DAS EHRENAMT!

Praktisch ist Integration ein Thema des nahen sozialen Umfelds. Deshalb ist auch keine politische
Ebene so wichtig wie die Kommune. Von der Erstunterkunft bis zur
strategischen Stadtplanung haben die Kommunen die Möglichkeit, Ghettoisierung und Parallelge­
sellschaften zu verhindern. Über den Bau und die Unterhaltung von Schulen und die kommunale
Wirtschaftsförderung wird in den Kommunen mitentschieden, ob Einwander*innen eine Aufstiegs­
perspektive finden. Und in den Kommunen wird das Ehrenamt koordiniert.
Über die ehrenamtliche Arbeit entstehen persönliche Kontakte und Freundschaften, die den Schlüs­
sel zur Integration der Geflüchteten darstellen. Wo wäre ist man besser integriert, als in Mitte von
Freund*innen? Im gesamten Bundesgebiet haben sich im vergangenen Jahr Freiwillige um Hilfsor­
ganisationen oder autonom organisiert. Sie haben ein Netz an Hilfsangeboten geschaffen, das von
der Begleitung bei Behördengängen über Kleiderkammern und Sprachkurse, bis hin zu Fahrdien­
sten und Sozialberatung reicht. Der Hauptteil der ehrenamtlich Tätigen investiert dabei fünf bis
zehn Wochenstunden in die Arbeit mit Geflüchteten.
Diese Hilfsbereitschaft ist beispielhaft und bewundernswert, allerdings darf vor dem
Hintergrund dieser positiven Entwicklung die Rolle des Staates nicht vernachlässigt
werden. Es ist aus unserer Sicht Kernaufgabe des Staates, Migrationsbewegungen zu steuern und
zu integrieren. Fehlende Strukturen, undurchsichtige bürokratische Hürden und lange Wartezeiten,
welche die Notwendigkeit einer so großen zivilgesellschaftlichen Unterstützung erst erforderlich
gemacht haben, dürfen nicht als billige Lösung dienen. Ehrenamtliche Strukturen können nicht der
kostenlose Ersatz für staatliche Integrationsmaßnahmen sein. Die urstaatlichen Aufgaben der Inte­
grationspolitik dürfen nicht privatisiert werden. Stattdessen muss der Staat durch die Schaffung von
hauptamtlichen Stellen die ehrenamtliche Struktur stützen. Denn aus sozialdemokratischer Sicht
bedeutet die Unterstützung des Ehrenamtes gleichzeitig eine Stärkung des Ehrenamtes.
Wir fordern:

  • Gute Arbeit vor Ort gibt es nur in starken Kommunen. Damit die Kommunen ihre Integrati­ onsarbeit leisten können, brauchen sie finanziellen Spielraum. Da die Integration die elementare Aufgabe der Kommunen in der Einwanderungs- und Asylpolitik ist, müssen alle anderen Kosten von Bund und Land übernommen werden.
  • Ehrenamtlichkeit darf nicht Hauptamtlichkeit ersetzen. Wir wollen einen starken Staat, der seine Aufgaben nicht privatisiert oder in ehrenamtliche Hände gibt. Trotzdem ist die ehren­ amtliche Geflüchtetenhilfe ein wichtiger Baustein im Integrationsprozess. Doch statt Perso­ nen wollen wir Projekte fördern, denn Ehrenamtlichkeit ist auf gute Bedingungen angewiesen.Deshalb wollen wir auch keine Sozialgeschenke für Ehrenamtliche, die das Ehrenamt in der Geflüchtetenhilfe einseitig honorieren, sondern breit die finanzielle Ausstattung der einzelnen Projekte stärken. Ehrenamtliche Hilfe ist nicht bezahlbar. Die Bedingungen, unter der sie statt­ finden muss, aber schon. Gerade im Bereich des Versicherungsschutzes von ehrenamtlichen Kräften muss mehr Aufklärung und Hilfe von staatlicher Seite betrieben werden. Oft sind die bürokratischen Hürden hier sehr hoch, sodass interessante und wichtige Projekte bürgerlichen Engagements scheitern.
  • Wir wollen Verwaltungsstrukturen schaffen, die ehrenamtliche Arbeit vernetzen und ausbau­ en. Über Ehrenamtskoordinator*innen und Quatiersmanager*innen sollen unter demokra­ tischer Mitwirkungen der Bürger*innen soziale Strukturen im Stadtteil wiederbelebt werden.Die oder der Ehrenamtskoordinator*in soll einen Budgetrahmen für Miniprojekte verwalten und für ehrenamtliche Arbeit ansprechbar sein, um Projekte zu vernetzen oder in rechtlichen Fragen weiterhelfen zu können. Damit die Arbeit aber auch vor Ort im Stadtteil ankommt, sind Quatiersmanager*innen notwendig, die als eine Verwaltungsaußenstelle im Stadtteil agieren.Sie sollen die Bewohnerschaft im Quatier vernetzen und unterschiedliche Interessengruppen und lokale Akteure im Mitwirkungsprozess einbinden. Durch Orte der Begegnung kann so ein Miteinander besonders in problematischen Stadtteilen entstehen, wo andere Sozialsstrukturen,wie beispielsweise Vereine oder Kirchen, weggebrochen sind. Durch wechselnde, mobile Ange­ bote sollen zudem die Beteiligungshemmschwelle möglichst niedrig gehalten werden. Um die Kommunen bei der Finanzierung solcher Stellen nicht alleine zu lassen, wird ein Landespro­ gramm zur Unterstützung benötigt.
  • Gerade in den Kommunen stoßen viele Öffentlich Bedienstete an ihre Belastungsgrenze.Kommunale Verwaltungen dürfen bei immer mehr Aufgaben personell nicht mehr an der Unter­ kante besetzt sein. Starke Kommunen gibt es nur mit einer Stärkung des Öffentlichen Dienstes.Es muss eine ausreichende Betreuung und Hilfestellung für Asylbewerber*innen sichergestellt werden. Diese kann nur geleistet werden, wenn das Verhältnis eine Sozialarbeiter*in / eine Verwaltungsfachkraft für 60 Asylbewerber*innen nicht überschreitet.
  • Vereine aus Kultur und Sport leisten eine hervorragende Integrationsarbeit. Unterstützungen wie die unbürokratische Einmalförderung über 500 Euro des Landes NRW an Sportvereine,die Projekte mit Geflüchteten initiieren, haben die Vereine darin unterstützt, Startgelder zu finanzieren oder die sportliche Erstausstattung bereit zu stellen. Solche Unterstützungen gilt es fortzuführen und auszubauen.
  • Die Aufgabe der Integration wird essentiell von der Frage der Unterbringung bestimmt. Zentra­ le Unterbringung in Massenunterkünften fördert die Exklusion von Geflüchteten, da nahezu keine Kontakte zur ansässigen Bevölkerung bestehen. Dabei ist aber auch zu beachten, dass der Kontakt zu anderen Geflüchteten für die Bewältigung von Traumata, aber auch des Alltags förderlich sein kann.
  • Wer dezentrale Unterbringung fordert, muss dann aber konsequenterweise auch Mobilität garantieren. Wir brauchen einen ÖPNV, der auch außerhalb der Zentren für eine gute Mobilität sorgt und der für Geflüchtete über vergünstigte Angebote wie Sozialtickets attraktiv wird.
  • Frauen machen ein Drittel aller Geflüchteten aus und trotzdem gibt es für sie in vielen Unter­ bringungen weder Rückzugsräume noch getrennte Sanitäranlagen. Gerade für Frauen, die schon auf der Flucht sexualisierte Gewalt erfahren haben, sich vor Ort in Situationen befinden, die Schutzräume verlangen oder für Frauen, die zum Stillen ihrer Säuglinge Ruhe brauchen, sind diese Verhältnisse unzumutbar. Gewaltschutzkonzepte wie zum Beispiel das des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sollen in allen Erstaufnahmeeinrichtungen eingerichtet werden. Die Posi­ tionierung gegen Gewalt soll nicht nur im Leitfaden der Unterkunft verankert und damit für alle Bewohner*innen verpflichtend sein, sondern auch Mitarbeiter*innen sollen für genderspezifische Probleme wie sexualisierte Gewalt und Diskriminierung sensibilisiert werden. Des Weiteren bedarf es eines flächendeckenden und sichtbaren Beratungsangebotes für Frauen, das Themen wie sexualisierte Gewalt, aber auch Arbeitssuche, Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf behandelt.
  • Sexuelle Orientierungen und queere Identitäten können ein Fluchtgrund sein. Viele lesbisch,schwule, bisexuelle, transsexueller, transgender oder intersexuelle Menschen werden in ihren Heimatländern deshalb verfolgt und suchen jetzt Schutz. Aber auch für sie fehlt es in Unter­ künften an Schutzräumen, sensibilisierten Personal und Beratung. Auch in Unterkünften in Deutschland kommt es durch Personal zu Diskriminierung oder durch homophobe Einstellun­ gen der DolmetscherInnen zu verhindertem Asyl. Für Geflüchtete mit LSBTTI*-Hintergrund müssen ebenfalls Gewaltschutzkonzepte in Einrichtungen etabliert werden. Ein Wohnsitzauf­ lage löst das Problem von Ghettoisierung nicht. Im Gegenteil: Menschen in strukturschwache Regionen abzuschieben generiert erst recht Perspektivlosigkeit und schafft Desintegration und Parallelgesellschaften. Stattdessen wird ein gezieltes Investitionsprogramm in kleinere und mitt­ lere Kommunen zur Schaffung von Arbeits- und Integrationsangeboten benötigt, damit beson­ ders diese Kommunen für Einwander*innen attraktiv werden.

FÜR EINE NEUE ÄRA DES SOZIALEN WOHNUNGSBAUS

Die erfolgreiche Geschichte des öffentlichen Wohnungsbaus in der Bundesrepublik hat ein jähes Ende gefunden, als in den 1980er Jahren mit dem neoliberalen Wandel der Wirtschaftspolitik die erfolgreichen Programme aus ideologischen Gründen eingestellt wurden. Heute spüren wir die Folgen: Bis 2020 müssen jährlich zirka 140 000 Wohnungen gebaut werden, um der steigenden Nachfrage nach Wohnraum vor allem in Ballungs- und Universitätszentren zu begegnen. Davon sind 80 000 Sozialwohnungen und 60 000 Wohneinheiten im „bezahlbaren Preissegment“ zu bauen.Dabei gibt es jedoch starke Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen je nachdem ob unterm Strich mehr Menschen zu- oder wegziehen. Folglich gibt es nicht eine einheitliche Lösung, die für alle passt. Idealerweise sollte die öffentliche Hand deshalb ein mehr als ausreichendes Angebot vorhalten und Leerstand als Puffer nicht kritisch gesehen werden. Jedenfalls erscheint dieser nicht so kritisch, wie die akute Wohnungsnot oder Kaufkraftverluste bei Arbeitnehmer*innen infolge rasant steigender Immobilienpreise. Wichtig ist die Erschließung neuen Baulands und vor allem die Verhinderung von Schweinezyklen, also Zeitverzögerungen bei der Anpassung des Angebots an den Markt. Der Mangel an sozialem Wohnraum ist vor allem aus dem Grund entstanden, weil die öffentliche Hand in den letzten 30 Jahren dazu tendierte, sich prozyklisch zu verhalten, also die Marktentwicklungen zu duplizieren. Sie hat in Krisenzeiten zur kurzfristigen Haushaltskonsolidie­ rung kommunale Wohnungen verkauft, als die Preise im Keller waren. Nun, wo die Mietpreise in die Höhe geschossen sind, rückt die Rekommunalisierung derWohnungwirtschaft wieder auf die Tagesordnung.Die Pleite der gewerkschaftseigenen „Neuen Heimat“-Wohnungsgesellschaft im Jahre 1989 war ebenso ein Schlag für das Ziel langfristig günstigen Wohnraum bereitzustellen.Freie Wohnungsmärkte verhalten sich aufgrund des Zustroms von spekulativem Kapital stark prozyklisch. Sobald an einem bestimmten Ort steigende reale Nachfrage prognostiziert wird, tritt ein spekulativer Herdentrieb ein. Kapital fließt zu und auf einen Schlag wird eine große Anzahl an Luxuswohnungen in Auftrag gegeben, weil diese Projekte die größte Profitmarge versprechen. Die Schaffung von sozialem und bezahlbarem Wohnbestand kommt in dieser Phase zu kurz. Deshalb muss die öffentliche Hand im Bereich des sozialen Wohnungsbau wieder handlungsfähig werden.Ein wichtiger Indikator ist hierbei, ob es bei einem gegebenen Angebot und einer gegebenen Nachfrage für Antragsteller*innen möglich ist, in angemessener Zeit eine Wohnung anmieten zu können. Der entscheidende Vorteil von Antragsfristen als Gleichgewichtsindikator anstatt Preisen liegt in folgendem Zusammenhang begründet: Wenn der Staat Wohnraumangebot und Wohn-raumnachfrage ausgleichen soll, dann fällt so die Rolle der Spekulationskasse der Anleger*innen weg. Oder mit anderen Worten: Steigende Nachfrage zieht kein spekulatives Kapital an, weil Wohnungen in der staatlichen Wohnraumverwaltung nicht mit Geld erworben werden, sondern per Antragsstellung. Nicht mehr die Preisentwicklung ist der Indikator dafür, ob Angebot und Nach­ frage in einem Gleichgewicht zueinander stehen, sondern die Frist zwischen Antragsstellung und Antragsbewilligung.Wir fordern:

  • Die Privatisierung öffentlicher Wohnungssubstanz zur kurzfristigen Bausubstanz ist zu vermei­ den. Mittelfristig muss auch eine Rekommunalisierung von Wohnungseigentum das Ziel sein.Instrumente sind öffentliche Wohnungsgesellschaften. Auch im sozialen Wohnungsbau gilt, dass soziale Teilhabe am besten gegen steigende Mieten schützt. Deshalb unterstützen wir insebeson­ dere genossenschaftliche Wohnungsbaumodelle. Bei der Erweiterung des sozialen Wohnungs­ bestandes ist auf Barrierefreiheit und demografiefeste Baussubstanz zu achten.
  • In Bedarfsregionen sind Mittel und Wege zu berücksichtigen, wie auch neues Land erschlossen werden kann.
  • Mittels geeigneter Indikatorenmodelle ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in verschiedenen Regionen zu prüfen. Hier ist nicht etwa nur die ortsübliche Miete oder der Grund­ stückpreis ein Thema, sondern es müssen auch Test durchgeführt werden, ob es für Menschen in prekären Situationen möglich, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Geeignete Indikatoren­ modell können zum Beispiel auf Antragsfristen basieren, die mittels Testanmietungen ermittelt werden.
  • Puffer: Grundsätzlich gilt ein Richtwert, dass – regional differenziert – 30 Prozent der neugebau­ ten Wohnungen im 5-Jahresmittel dem öffentlichen sozialen Wohnungsbau zugerechnet werden müssen.

WEHRHAFTE DEMOKRATIE – KEINEN METER DEN RECHTEN!

Integration heißt, einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen. Dafür
brauchen wir eine neue Diskussion über die Werte unserer demokratischen Gesellschaft. Das betrifft
nicht nur Menschen, die neu zu uns kommen, sondern vor allem auch viele Menschen, die schon
lange hier leben.
Die Demokratie war seit Bestehen der Bundesrepublik wohl noch nie in einer solchen
Gefahr wie heute: Rechte Meinungen verfassen sich immer weiter in der Mitte der
Gesellschaft, rechte Gewalt gehört mehr und mehr zur Tagesordnung und eine rechte Partei wird
in den Parlamenten immer einflussreicher. Statt Diskussionen über „sichere Herkunftsländer“ brau­
chen wir eine Diskussion über Deutschland als sicheres Ankunftsland.
Für uns ist klar: Sozialdemokratische Politik wird sich von der Zunahme rechter
Meinungen nicht erpressen lassen. Wir stehen klar zu einer liberalen, offenen und
multikulturellen Gesellschaft und wir werden kein Stück zurückweichen von unserer
Haltung zu einem vereinten und friedlichen Europa. Wir werden für die Demokratie
kämpfen.
Das bedeutet auch Menschen, die den Glauben an die Demokratie verloren haben,
zurückzugewinnen. Menschen, die aus welchen Gründen auch immer den Glauben an die Demo­
kratie verloren haben, zurückzugewinnen, heißt aber ausdrücklich nicht, sich in die Arenen der
Rechten zu begeben. Es gibt keine berechtigten Ängste vor Überfremdung. Wer sich so auf die
Sprache und Narrative der Rechten einlässt, stärkt sie damit nur.
Stattdessen brauchen wir eine eigene Vision einer starken und offenen Integrationsgesellschaft, eine
Erneuerung des sozialdemokratischen
Aufstiegsversprechens. Der Dreiklang unseres Kampfes gegen Rechts lautet:
Investitionen in Aufstiegsperspektiven, Demokratie lernen bedeutet Demokratie zu leben und
keinen Platz für menschenfeindliche Thesen.
Wir fordern:

  • Zu guter Schulpolitik gehört guter Demokratieunterricht. Oft mangelt es bei den Schüler*innen und späteren Erwachsenen an Grundkenntnissen über das demokratische System, weil Politik- oder Sozialwissenschaftsunterricht oft als erstes gekürzt oder fachfremd unterrichtet werden.Hier brauchen wir dringend ein Umdenken in der Bildungspolitik und eine Stärkung der Gesell­ schaftswissenschaften um ethische Diskurse erlernen und führen zu können. In NRW war es die schwarz-gelbe Landesregierung, die mit ihrer G8-Schulreform an Gymnasien die Mittelstufe gekürzt und damit in erster Linie den gesellschaftskundlichen Unterricht geschwächt hat. Die Erziehung zur mündigen Bürger*in und nicht die Vorbereitung auf die eigene wirtschaftliche Verwertbarkeit muss das Kernziel schulischer Bildung sein.
  • Demokratiekompetenz muss fächerübergreifend gefördert werden. Wirtschaftsunterricht beispielsweise darf nicht normative Diskussionen vernachlässigen und die eigene wirtschaftliche Situation alternativlos erscheinen lassen.
  • Die antirassistische und antisexistische Wertevermittlung sollte dabei ebenso im Fokus stehen,wie eine Vermittlung demokratischer Praxis inner- und außerhalb des Unterrichtes. Das Landesprogramm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist dabei ein guter Ansatz­ punkt, muss aber weiterentwickelt werden, da hier keine Kontrollmechanismus des Programm­ auftrages nach Erteilung des Schultitels bestehen.
  • Demokratie lernen heißt in erster Linie, Demokratie anzuwenden. Partizipation von Schüler*innen an Entscheidungen der Schule muss eine Leitlinie aller Schulen sein. Deshalb ist eine konsequente Umsetzung der Drittelparität unerlässlich, um Schüler*innen-Vertretungen das Mitbestimmungsrecht der Schüler*innen an Schulen institutionell zu verankern.
  • Gendersensible Wertevermittlung muss für unsere gesamte Gesellschaft verstärkt werden. Durch sexistische Werbung in Medien oder abwertende Sprüche auf dem Schulhof, in denen Frauen lediglich ein Objekt darstellen, wird heranwachsenden Jungen ein Frauenbild vermittelt, das eindimensional, abwertend und alle andere als gleichgestellt ist. Für eine gendersensible und emanzipative Wertevermittlung muss das Bildungssystem eine tragende Rolle spielen.
  • Es braucht dringend eine Reform des Wahlrechtes um möglichst viele Menschen an demokra­ tischen Prozessen zu beteiligen. Wer in Deutschland lebt, der muss auch kommunal mitbestim­ men dürfen. Außerdem treten wir für eine Absenkung des Wahlalters auf allen Ebenen auf 16 Jahre ein, damit diejenigen früh mit ihren demokratischen Rechten und Pflichten in Berührung kommen, die später mit politischen Entscheidungen leben müssen.
  • Nirgendwo ist unsere demokratische Gesellschaft so lebendig und erfahrbar wie in der Vereins­ landschaft. Sie bilden den wirksamsten Schutz gegen antidemokratische Strukturen. Der Staat darf sich dabei aber nicht aus seiner Verantwortung verabschieden: Es war wichtig, dass die Bundesfördermittel im Programm „Demokratie leben“ für kommunale Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus verdoppelt wurden, aber es braucht dort auch eine langfristige Finan­ zierungsperspektive. Die Etablierung von demokratischen Netzwerken vor Ort dauert Jahre und darf nicht dem Wohlgefallen wechselnder Regierungskonstellationen ausgesetzt werden.
  • Besonders stark tritt der öffentliche Hass in sozialen Netzwerken zu Tage. In Postings, Kommen­ taren oder Blog-Beiträgen werden vermehrt Menschen oder Menschengruppen angegriffen,beleidigt oder bedroht. Dieser unregulierte Hass tritt nicht mehr nur in eher geschlossenen Räumen wie Foren oder Online-Chats auf, sondern auch in aller Öffentlichkeit auf Twitter oder den Pinnwänden bei Facebook. Die gefühlte Anonymität der einzelnen Teilnehmer*innen führt zu einer vollkommenen Entgrenzung des Hasses und jegliche Hemmungen fallen. Der Hass wird jedoch nicht mehr nur unter Pseudonymen geteilt, sondern immer mehr unter den Klar­ namen der jeweils Beteiligten. Diskussionen werden durch einen fehlenden direkten Kontakt zum Gegenüber entmenschlicht und entgrenzt. Die Hass-Postings übertreten hierbei häufig die Grenzen der Meinungsfreiheit. Straftatbestände der Beleidigung, Volksverhetzung oder gar das Anstiften zu Straftaten sind anzutreffen. Obwohl hier eine klare Verletzung von geltendem Recht auftritt, unternehmen die Betreiber der Portale, etwa Facebook oder Twitter, nichts gegen diese Vorkommnisse. Die Unternehmen ziehen sich häufig hinter der Argumentation zurück, dass die Beiträge in ihrem Herkunftsland (den USA) nicht illegal sind. Auch nach einer Meldung der Postings durch Nutzer wird nichts unternommen. Das rechtliche Mittel der Anzeige ist bei der Masse der Gesetzesverstöße mühselig und langwierig. Im Internet gelten die gleichen Geset­ ze wie in der analogen Welt. Soziale Netzwerke sind mit öffentlichen Räumen gleichzusetzen.De facto sind Äußerungen, die auf diesem Plattformen getätigt werden, mit Äußerungen in der analogen Öffentlichkeit gleich. Aus diesem Grund müssen sie auch gleich und konsequent verfolgt werden. In der Öffentlichkeit muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass es auch in sozialen Netzwerken eine Grenze zwischen Meinungsäußerungen und Straftaten gibt.Ein leichteres Anzeigen von online begangenen Straftaten kann hierbei ein erstes Schritt sein.Es müssen aber auch die Betreiber der Netzwerke verstärkt in die Pflicht genommen werden.Sie müssen dazu gedrängt werden, dass bei Meldungen oder Löschanträgen das nationale Recht beachtet wird. Ein Zurückziehen hinter das nationale Recht des Herkunftslandes darf hierbei keine Ausrede mehr sein. Eine Lösung kann es nur europäisch geben.
  • Dem Problem des Rechtsterrorismus wird zu wenig Beachtung geschenkt. Es braucht einen handlungsfähigen demokratischen Staat, der aus den rechtsterroristischen Verbrechen der letz­ ten Jahre gelernt hat. Rechter Terror muss als solcher benannt und konsequent geahndet werden,wofür eine enge Zusammenarbeit der ermittelnden Behörden erforderlich ist. Dabei muss eine strenge demokratische, transparente und unabhängige Kontrolle gewährleistet sein. Auftreten­ de Fälle von Rassismus und Menschenfeindlichkeit innerhalb der Behörden müssen ebenfalls demokratisch, transparent und unabhängig untersucht und sanktioniert werden können. Die vor uns liegenden Aufgaben sind groß und die politischen Debatten, die wir darüber führen müssen,werden schwierig. Aber es ist umso wichtiger: Die Zukunft Deutschlands und die Zukunft Euro­ pas darf nicht die Abschottung sein. Wir wollen eine offene, eine mutige, eine gerechte und eine zukunftsfähige Gesellschaft. Deshalb werden wir kämpfen: Für eine gute Zukunft statt Grenzen.