Das Desaster von Kopenhagen – Wie weiter in der internationalen Klimapolitik?

Vom 7. bis zum 18. Dezember 2009 fand in Kopenhagen die 15. Klimakonferenz der Vertragsstaatender United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) statt. Bestandteil des Zusammentreffens war unter anderem die Notwendigkeit zum Beschluss eines Kyoto-Folgeabkommens. Das Kyoto-Protokoll ist das internationale Übereinkommen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zum Umgang mit dem Klimawandel. Die diversen Mechanismen des Kyoto-Prozesses, wie beispielsweise der Emissionszertifikathandel oder die Förderung von Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern (CDMs), gelten derzeit nur für den Zeitraum von 2008 bis 2012. Das Ergebnis der Konferenz von Kopenhagen ist, trotz aller Relativierungsversuche von Seiten
der schwarz-gelben Bundesregierung und auch von UN-VertreterInnen, desaströs. Das erzielte Minimalergebnis ist äußerst unbefriedigend und ernüchternd. Dieser Meinung schließen sich auch zahlreiche NGOs (bspw. Germanwatch, Greenpeace, NABU) an. Nach dem Wiedereintritt der USA in die Verhandlungen wurden an die Konferenz große Erwartungen geknüpft. Diese haben sich leider nicht erfüllt. Die Chance auf ein neues internationales Klimaschutzabkommen
wurde vorerst vertan, in erster Linie weil die USA und China auf vielfältige Art und Weise blockiert haben. Zusätzlich hat die Weltwirtschaftskrise und die daraus
resultierenden ökonomischen Verwerfungen bei vielen Akteuren dazu geführt, dass wieder das althergebrachte Denkmuster Klimaschutz = wirtschaftsfeindlich grassierte. Die vom Ökonomen Stern 2006 bewiesene Feststellung das entschiedene Treibhausgasreduktionen auf lange Sicht ökonomisch günstiger sind, als die Klimafolgekosten zu tragen, war anscheinend wieder aus den Köpfen der Staats- und Regierungschefs verflogen. Notwendig ist ein solches internationales Klimaschutzabkommen aufgrund der globalen, klimatologischen Veränderungen, die zuletzt der Bericht des Weltklimarats (Intergouvernmental Panel on Climate Change – IPCC) im Jahr 2007 prognostiziert hat. Wissenschaftlicher Konsens ist demnach, dass die Konzentration von Treibhausgasen in der
Erdatmosphäre durch den Einfluss des Menschen in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen ist. Diese Veränderungen in der Erdatmosphäre führen zu einer Erwärmung der Erde, dem sogenannten anthropogenen Treibhauseffekt. Als Konsequenz dieser Entwicklung wird von einer Zunahme der Oberflächentemperatur und einem Anstieg des Meeresspiegels ausgegangen. Diese gravierenden Veränderungen werden in verschiedenen Szenarien
zusammengefasst, die auch das Gefährdungspotential für die diversen Regionen der Welt vorhersagen. Demnach werden wir im Verlaufe dieses Jahrhunderts verstärkt extreme Wetterereignisse (wie Hitzewellen, Stürme, massive Niederschläge) und die daraus resultierenden Konsequenzen wie Überschwemmungen, Desertifikation und Waldbrände erleben. Darüber hinaus gefährdet der Klimawandel diverse Ökosysteme weltweit wie beispielsweise Korallenriffe, Regenwälder, Arktis und Antarktis sowie die subpolaren Regionen der nördlichen Halbkugel. Um diese Entwicklungen begrenzen zu können (eine Verhinderung ist aufgrund
der 150-jährigen Industrialisierung nicht mehr möglich) bedarf es einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf maximal +2 Grad Celsius. Als Konsequenz aus diesen Veränderungen unseres natürlichen Lebensraums wird es zunehmend zu klimabedingten Katastrophen und den Verlust von Menschenleben kommen. Zusätzlich verstärken sich die Wanderungsbewegungen der Menschen in den bedrohten Weltregionen hin zu den vergleichsweise sicheren Ländern. Bereits jetzt planen ganze Inselstaaten im Südpazifik die Umsiedlung ihrer gesamten Bevölkerung – in diesem Fall entweder auf höher gelegenere Inseln oder nach Australien. Auch für Europa werden, besonders aus dem Gebiet der Sahelzone massive Flüchtlingsströme erwartet. Um mit diesen gewaltigen ökologischen und sozialen Konsequenzen umgehen zu können bedarf es zwingend einer international koordinierten Vorgehensweise. Den westlichen Industrieländern und Japan kommt hierbei die primäre Reduktionsverantwortung zu, weil diese den Klimawandel maßgeblich verursacht haben. Erst in den letzten Jahren erreichten Schwellenländer wie China bei ihrem gesamtwirtschaftlichen Treibhausgasausstoß ähnliche Werte wie bspw. die USA. Relevanter sind jedoch die pro Kopf-Emissionen der einzelnen Länder. Derzeit verursacht jeder Mensch aus den USA ca. 23,55 t CO2 pro Kopf und Jahr, aus Deutschland ca. 12,3 t, aus China ca. 3,1 t (IPCC 2007) und für den größten Teil Afrikas liegt dieser bei unter 1 Tonne pro Jahr. Laut den Erkenntnissen der Wissenschaft ist jedoch ein maximaler Treibhausgasausstoß von 2 t pro Kopf und Jahr (bei steigender Weltbevölkerung) für das Klima verträglich (IPCC 2007). Hieraus ergibt sich eine gewaltige Herausforderung für die globale Gerechtigkeit. Es muss parallel sichergestellt werden, dass sich alle Länder der Welt und gerade die Entwicklungsländer schnell und nachhaltig wirtschaftlich entwickeln können. Gleichzeitig sollte idealerweise der Treibhausgasausstoß dieser Ländern nicht im selben Maße anwachsen, wie dies bei der Industrialisierung der westlichen Welt geschehen ist. Außerdem müssen die Industrieländer des Westens den Versuch unternehmen, ihre Treibhausgasemissionen drastisch zu senken ohne das dafür gewichtige Abstriche beim Lebensstandard gemacht werden müssen. Für die Frage der globalen Gerechtigkeit ist außerdem entscheidend, ob die westlichen Industrieländer gewillt sind für die Klimafolgekosten Verantwortung zu übernehmen. Als Hauptverursacher des Klimawandels bis dato werden sie die geringsten Auswirkungen zu erleiden haben und haben sowieso auch die Finanzmittel um sich auf eine veränderliche Umwelt einzustellen (Deichbau, Klimaanlagen, Hausbau, etc.). Die Entwicklungs- und Schwellenländer, besonders der Äquatorregion, haben am wenigsten zum Klimawandel beigetragen, haben die schwersten Folgen zu erwarten und gleichzeitig die geringsten Finanzmittel
um auf die bevorstehenden Entwicklungen reagieren zu können. Aus diesem Grund bedarf es einer globalen Zusammenarbeit die den Namen auch verdient
und sich im Gedanken der internationalen Solidarität vollzieht. Das Kyoto-Protokoll stellte einen ersten Schritt in dieser Entwicklung dar, ist jedoch nicht frei von Fehlern und die enthaltenen Verpflichtungen sind alles andere als radikal. Nach derzeitigem Stand der Dinge werden zahlreiche Länder wie bspw. Kanada, Japan, Spanien, Österreich und Australien ihre Reduktionsziele deutlich verfehlen. Die USA, als bis vor kurzem größter Treibhausgasemittent der Welt, haben während der Amtszeit von George W. Bush das Kyoto-Protokoll erst gar nicht ratifiziert und sich am Gesamtprozess nicht mehr beteiligt. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls haben sich die partizipierenden Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2012 um 5,2 Prozent unter den Referenzwert von 1990 zu reduzieren. Europaweit müssen die Emissionen um 8 Prozent sinken und Deutschland zählt mit einem Reduktionsziel von 21 Prozent zu den Vorreitern. Dieser Wert wurde – begünstigt durch das Negativwachstum im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise – 2009 erstmals erreicht bzw. sogar überschritten. Dies ist ein großer Erfolg der rot-grünen Politik von 1998 bis 2005 und ein ebenso großer Erfolg für die SPD in der großen Koalition. Seitdem das Kyoto-Protokoll am 16. Februar 2005 in Kraft getreten ist, konnten jedoch weder die Klimakonferenz in Bali 2007, noch die letzte Konferenz in Kopenhagen 2009 substantielle Fortschritte auf dem Weg zu einem Kyoto-Folgeabkommen erreichen. Die sogenannten „Copenhagen Accords“ (eine unverbindliche, politische Schlusserklärung) wurde von der Konferenz lediglich „zur Kenntnis“ genommen. Enthalten sind die Feststellung, dass die Erderwärmung bis 2050 auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden muss und die Zusage, dass die Entwicklungsländer von den Industrieländern Finanzhilfe zum Umgang mit den Klimafolgen erhalten. Wie erwähnt: alles unverbindlich. Das hatte bereits den „Vorteil“, dass Angela Merkel von den ursprünglich zugesagten 420 Millionen Euro für Klimafolgekosten in Entwicklungsländern jetzt erst mal nur 70 Millionen überweist. Ein klarer Bruch ihres eigenen, international abgegeben Versprechens, die Demaskierung der „Klima-Kanzlerin“ und eine Schande für Deutschland auf globaler Ebene! Das Hauptziel der Konferenz, nämlich die verbindliche Festlegung individueller Treibhausgasreduktionsziele für alle Länder, wurde nicht erreicht. Was also sind nach der Ernüchterung von Kopenhagen die notwendigen Schritte und Ziele um in der Klimapolitik wieder voran zu kommen? Die grundsätzlichen Anforderungen und Erkenntnisse bleiben bestehen:

– Die internationale Staatengemeinschaft kann nur als Ganzes der Jahrtausendherausforderung des globalen Klimawandels entgegentreten. Für ein globales Problem braucht es globale Lösungen.

– Auf der 16. Conference of the Parties, also der nächsten UN-Klimakonferenz (in Cancun, Mexiko) muss erneut versucht werden ein Kyoto-Folgeabkommen mit verbindlichen Treibhausgasreduktionszielen zu verabschieden.
– Parallel zu den Entwicklungen auf globaler Ebene muss auf supranationaler (EU), nationaler und kommunaler Ebene weiter für einen bestmöglichen Klimaschutz gearbeitet werden. Nur weil es kein internationales Abkommen gibt, verschwinden die gewaltigen Herausforderungen und Aufgaben nicht was andere Handlungsebenen nötig macht.
– Die Verpflichtung zur Armutsbeseitigung, Förderung der Gleichberechtigung und Durchsetzung einer nachhaltigen Entwicklung bei gleichzeitiger Emissionsreduzierung erfordert konkrete Schritte zur stärkeren Einbeziehung einer sozialen Dimension während der Implementierungsphase von wirtschaftlichen Instrumenten für umweltverträgliche Entwicklung (CDM), Gemeinsame Umsetzung (JI) und Emissionshandel (ETS).

Basierend auf diesen Erkenntnissen und Annahmen fordern die Jusos die SPD und alle ihre verantwortlichen VertreterInnen auf:
• mit aller Kraft auf das Zustandekommen eines Kyoto-Folgeabkommens mit verbindlichen Treibhausgasreduktionszielen hinzuarbeiten; bis 2020 muss der
Treibhausgasausstoß aller Industrieländer um 30 Prozent sinken                                                                                                                                                                               • die Position der Bundesrepublik Deutschland dahingehend zu Verstehen, dass wir weiterhin eine weltweite Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen und das parteiinterne Ziel einer 40%-igen Reduktion bis 2020 zur allgemeingültigen Zielvorstellung ohne Hintertür in Deutschland wird
• in Zusammenarbeit mit der EU und den weiteren Industrielländern eine gangbare Lösung zur Einbeziehung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei den
Treibhausgasreduktionen und dem Emissionszertifikathandel zu sorgen; dabei sollten die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Verantwortung durch proportional weitaus größere Reduktionen gerecht werden
• für das Ziel einer Treibhausgasreduktion um mindestens 80% bis 2050 für die Industrieländer einzutreten
• darauf hinzuarbeiten, dass zukünftig als entscheidender Maßstab der pro Kopf Treibhausgasausstoß der Bevölkerung gewählt wird; Ziel muss sein, diesen Ausstoß bis 2050 auf 2 t pro Kopf und Jahr zu begrenzen
• für die bessere Finanzausstattung des Klimafolgenfonds zu werben und selbst größere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen
• den Emissionszertifikathandel schnellstmöglich zu einem funktionierenden Mechanismus zu machen und die Versteigerung der Zertifikate signifikant zu
beschleunigen
• auf EU-, nationaler und kommunaler Ebene alle sinnvollen Maßnahmen zum Klimaschutz voranzutreiben auch wenn es auf internationaler Ebene nicht zu einer Einigung kommt
• weiterhin die Steigerung der Energieeffizienz und die Energiewende hin zu erneuerbaren Energie zu fördern
• als deutliches Zeichen für Deutschlands Bekenntnis zum Klimaschutz, sollte die SPD darauf hinarbeiten das folgender Satz in Art. 20 a des Grundgesetzes aufgenommen wird: “Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beinhaltet in besonderem Maße auch den Schutz des Klimas als Grundvoraussetzung für alles menschliche, tierische und pflanzliche Leben auf unserem Planeten.“
• sich für die Einbeziehung von Armutsbeseitigung und Schaffung guter Arbeitsplätze in Strategien zur Anpassung an den Klimawandel einzusetzen. Hierzu gehören die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte, menschenwürdige Arbeit, soziale Sicherung, Bildung, Zugang zu Gesundheitsdiensten und die gerechte Verteilung von Gewinnen und Lasten.
• beim globalen Klimaschutz vor allem auch dafür zu sorgen, dass die soziale Verantwortung wahrgenommen wird. Die Klimarahmenkonvention hat auch im
Hinblick auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ein eindeutiges Mandat. Denn Umweltpolitik ist gerade erst aus der soziale Verantwortung heraus geboren worden.