Decolonize NRW

Die deutsche Kolonialgeschichte ist weder aufgearbeitet, noch befasst man sich mit existierenden Kolonialitäten, die rassistische und neokoloniale Verhältnisse weiterhin zementieren. Der Begriff Klonialitäten beschreibt die kolonialen Denk- und Handlungsmuster, welche anhaltend unsere Gesellschaft und Institutionen prägen. Zu einem antirassistischen Grundverständnis gehört ebenfalls die historische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte und die daraus resultierende Ableitung politischer Forderungen, die Dekolonialisierungsaspekte in den Blick nimmt. Es sind vor allem Betroffene, wie beispielsweise Nachfahren der ermordeten Herero und Nama, die für eine konsequente Aufarbeitung und Entschädigung deutscher Kolonialverbrechen kämpfen. Diese Kämpfe müssen auch wir als Jungsozialist*innen sehen und in unseren antirassistischen Kampf einbetten. Auch in NRW gibt es zahlreiche „Decolonize-Initiativen“ – wie zum Beispiel „Decolonize-Cologne“ -, die auf die städtische Kolonialvergangenheit und fortführende Kolonialitäten aufmerksam machen. Dabei nehmen die Organisationen vor allem strukturelle und institutionelle Aspekte unter die Lupe, die auch wir – zum Beispiel im Kontext der Bildungsinstitutionen – für uns definiert haben.

Wir NRW Jusos müssen uns als Verbündete der verschiedenen „Decolonize-Initiativen“ verstehen. Denn Kolonialitäten sind in Deutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfalen allgegenwärtig.

Es kann nicht sein, dass dieses Land sich weltweit für seine erinnerungspolitischen Errungenschaften beklatschen lässt und dabei einen großen erinnerungspolitischen Aspekt bisher völlig außen vorlässt. Eine kritische Untersuchung des Ausmaßes der Gewaltmethoden in den kolonialisierten Gebieten Afrikas und Asiens sowie eine wissenschaftliche Auseinandersetzung blieben bis heute fast vollständig aus. Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts mit schätzungsweise 100.000 Opfern wurde überhaupt erst 2015 von der BRD als Völkermord anerkannt. Reparationszahlungen hat es bis heute nicht gegeben.

Als Verbündete – und um unserer Verantwortung gerecht zu werden -, sollten wir uns verpflichten jegliche Kolonialitäten zu durchbrechen. Deshalb schließen und den Forderungen der wichtigen Initiativen an und fordern wir: in NRW die Rückgabe der gestohlenen Kunstwerke, Kulturgüter und insbesondere die Rückgabe der entwendeten Gebeine. Als hierfür geeignet betrachten wir die postkoloniale Provenienzforschung, welche sich unteranderem mit der Erforschung der Herkunft und Eigentümer:innenschaft von Sammlungen und (Kunst-) Objekten beschäftigt. Jedoch fehlen der postkolonialen Provenienzforschung ausreichende Mittel, um die umfangreichen Kataloge zu analysieren. Somit verlangen wir eine deutliche Aufstockung von Finanzmitteln. Hier darf die Untersuchung von Sammlungen und (Kunst-) Objekten nicht auf bestimmte Zeitintervalle oder geografische Herkunft eingeschränkt werden, denn auch (Kunst-) Objekte aus Naturkundemuseen oder Archäologischen Museen entstammen kolonialen Kontexten. Besonders relevant sind hier auch die Vernetzung und Kontaktaufnahme mit den wahren Eigentümer:innen. Rückgaben dürfen nicht an immer noch aufzufindenden neokolonialen Verhältnissen scheitern. Dahingehende rassistische Narrative, die Herkunftsregionen, den Erhalt und die Pflege der (Kunst-) Objekte kategorisch absprechen, gehören dekonstruiert. Des Weiteren verlangen wir eine intensive Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte sowie die finanzielle und ideelle Förderung von Initiativen, Bildungsinstitutionen und Projekten, die sich dafür einsetzen. Zusätzlich unterstützen wir die Forderung von „Decolonize-Initiativen“ in diesem Kontext problematische Straßennamen Und Institutionen zu überprüfen und umzubenennen. Die deutsche Kolonialgeschichte soll einen größeren Stellenwert in der schulischen und akademischen Ausbildung erhalten, dazu schlagen wir Bildungsfahrten, Workshops und die Zusammenarbeit mit genannten Organisationen vor. Wir fordern außerdem, dass Sprache aus der Kolonialzeit geächtet wird und unterstützen ausdrücklich die Forderungen der Initiative N-Wort stoppen und werden uns dafür einsetzen, dass das N-Wort und weitere kolonial konnotierte Begriffe unabhängig von einem historischen oder dokumentarischen Kontext geächtet und somit nicht weiter reproduziert werden.

Forderungen  

Zur Realisierung einer neuen – antirassistischen – Erinnerungspolitik, bedarf es einigen konkreten Maßnahmen zur Förderung der wissenschaftlichen Aufarbeitung der deutschen kolonialen Vergangenheit. Deshalb fordern wir als NRW Jusos:

  • Finanzielle Unterstützung für bestehende Initiativen zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit.
  • Um eine Rückgabe gestohlener Kulturgüter zu ermöglichen, soll im Besonderen der Bereich der postkolonialen Provenienzforschung gefördert werden und die Mittelvergabe nicht auf eine spezifische Zeitspanne oder Region begrenzt werden.
  • Die Förderung von Projekten in der Wissenschaft, die sich mit der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzen. Damit sind explizit Wissenschaftsfelder gemeint, die sich mit Rassismus, der Kolonialzeit und ihren Auswirkungen bis heute beschäftigen, wie z.B. die Soziologie, Biologie, Politikwissenschaften, Medizin oder Geschichtswissenschaften.
  • Rückgabe aller gestohlenen Kunstwerke, Kulturgüter und Gebeine.
  • Reparationszahlungen durch den Bund an die Herero und Nama.
  • Umbenennung aller problematischen Straßennamen und Institutionen
  • kontextunabhängige Ächtung des N-Wortes und weiterer kolonial konnotierter Begriffe, um eine Reproduktion menschenfeindlicher Bilder und Stereotype zu verhindern.