ENERGIEWENDE GESTALTEN! ÖKOLOGISCH, ÖKONOMISCHUND SOZIALVERTRÄGLICH

Die Energiewende und die mit ihr verbundene Debatte ist Teil des gesellschaftlichen Alltages geworden. Mit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011, dem daraus folgenden (erneuten) deutschen Ausstieg aus der Kernenergie sowie dem stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien hat sie an Fahrt gewonnen und alle wirtschaftlichen, staatlichen und gesellschaftlichen Akteure erfasst. Die mit ihr verbundenen Ziele sind ehrgeizig: Die langfristige Dekarbonisierung, also CO2-Neutralität, der gesamten Wirtschaftsweise, eine komplette Umstellung des Energiesektors auf erneuerbare Energien, der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie begleitet von einer deut­ lichen Steigerung der Energieeffizienz in den verschiedensten Bereichen von den Privathaushalten über die Wirtschaft bis zum Verkehr sind die Kernpunkte der Energiewende.Die mit der Energiewende verknüpften Herausforderungen sind groß: Es sind nicht nur große Mühen bei Forschung, Umsetzung und Ausbau der technischen Grundlage sowie Infrastruktur notwendig. Zugleich sind das derzeitige Wirtschafts- und Wohlstandsniveau fair zu verteilen und auszubauen, die mit der Wende verbundenen Kosten gerecht zu verteilen sowie der Kern der Ener­ giewende – der Klima- und Umweltschutz – mit allen Faktoren zu verbinden. Insbesondere für die energieintensiven Industriezweige in NRW (Chemie, Metall, Papier, Zement etc.) muss eine Lösung gefunden werden, dass sich die energieintensiven und höchst störanfälligen Produktions­ prozesse an die neuen Energiestrukturen am Markt durch Innovationen behaupten können.Das ist ein Balanceakt, der mit vielen Chancen verbunden ist: Denn die Energiewende kann ein Innovations- und Beschäftigungsmotor sein. Neue Energieformen schaffen etwa Know-how und Arbeitsplätze. Energetische Sanierungen und energieeffiziente Neubauten sorgen für Konjunktur im Handwerk und im Baugewerbe.

Pariser Übereinkommen- zivilisatorischer Meilenstein nutzen

Mit dem multilateralen Übereinkommen wurde eine über 18 Jahre andauernde Verhandlung über die Novellierung des Kyoto Protokolls beendet. Um der Bedrohung der globalen Erderwärmung entgegen zu wirken, wurde im Artikel 2 vereinbart, dass die globale Erderwärmung auf „well below 2°C“ gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten wird, bzw. sollen Anstrengungen unternom­ men werden, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.Diese Ziele halten wir für notwendig und sie müssen die Grundlage für die zukünftige Umwelt- und Klimapolitik sein.In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll Treibhausgasneutralität erreicht werden und Finanz-ströme auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Das Übereinkommen tritt in Kraft, wenn 55 Nationen, welche 55 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, es durch ihre nationalen Parlamente ratifiziert haben Die Ratifizierung durch den deutschen Bundestag wurde im Juli 2016 vom Bundeskabinett initiiert und soll Ende 2016 abgeschlossen werden. Damit könnte das Überein­ kommen früher in Kraft treten, als bisher geplant. Das sozialdemokratische Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit muss die Chance dieses Übereinkommens nutzen und den Klimaschutz vorantreiben. Doch damit die Energiewende gelingen und sich die damit verbundenen Chancen und Potenziale entfalten können, sind die dafür notwendigen Rahmenbedingungen einzurichten. Deshalb forcieren die NRW Jusos die Anerkennung und Umsetzung der folgenden Feststellungen und Maßnahmen in NRW sowie auf allen weiteren politischen Ebenen:

  • Internationaler Verantwortung gerecht werden: Schwellenländer wie China, Indien oder
    Brasilien gehören zu den Hauptproduzenten von Kohlendioxid, doch tatsächlich wurde ein
    Großteil der sich heute in der Atmosphäre befindlichen Treibhausgase von den Industrielän­
    dern ausgestoßen. Hierzu folgt eine internationale Verantwortung sowohl der Industrieländer insgesamt, als auch eine individuelle Verantwortung Deutschlands. Diese Verantwortung muss vor allem den vom Klimawandel stark betroffenen (Entwicklungs-) Ländern gerecht werden,die nicht über die Ressourcen verfügen, die Auswirkungen zu kompensieren. Das heißt konkret:
  • Klimaverträgliche wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen: Die heutigen hohen Emissio­nen von Ländern wie China oder Indien gefährden sämtliche Klimaziele. Hieraus darf allerdings nicht folgen, diesen Staaten eine Entwicklung wie in den Industrieländern mit vergleichbaren Lebensbedingungen zu verwehren. Damit der Spagat aus Emissionsreduktion und Wirtschaft­ sentwicklung gelingt, müssen die Industriestaaten – da es die Möglichkeiten der Entwicklungs- und Schwellenländer übersteigt – mit Technologie und finanziellen Mitteln unterstützen um so auf internationaler Ebene eine klimaverträgliche wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.
  • Klimaflüchtlinge in den Schutz des Asylrechts aufnehmen: In Ländern des globalen und deutlich ärmeren Südens wird das ganze Ausmaß des Klimawandels sichtbar: In vielen Regio­ nen wird es trockener, Regenzeiten verschieben sich oder fallen ganz aus, was Folgenreich für die gesamte Landwirtschaft sowie existenzbedrohend für die dort lebenden Menschen ist. Lebens-räume gehen – auch durch den ansteigenden Meeresspiegel – verloren. Deshalb müssen Klimaflüchtlinge in den Schutz des Asylrechts aufgenommen werden, denn ein drohender Hungertod ist genauso lebensbedrohlich wie Bürgerkrieg oder Verfolgung.

GLOBAL DENKEN – INTERNATIONAL GESTALTEN KLIMA UND ENERGIE MACHEN VOR LÄNDERGRENZEN KEINEN HALT. DAHER IST ES WICHTIG IN DER INTERNATIONALEN GEMEINSCHAFT FÜR DIE FOLGENDEN ZIELE UND EINE ERFOLGREICHE ENERGIEWENDE EINZUTRETEN.

  • Einheitliche und verbindliche Linie auf Ebene der Europäischen Union: Mit dem beschlos­senen Ausstieg aus der Kernenergie und dem schrittweise Rückzug aus der Stein- und Braun­ kohle strebt die Bundesrepublik den zeitgleichen nationalen Abgang zweier Energieformen an.Anders ist es im europäischen Ausland, wo teils verstärkt auf Nuklearenergie gesetzt (wie in Frankreich und Großbritannien) oder an der Kohleverstromung bisher perspektivisch festge­ halten wird (z.B. in Polen). Vor dem Hintergrund des europäischen Emissionshandels reduziert die BRD mit ihren Maßnahmen zwar auf nationaler Ebene den CO2-Ausstoß, jedoch nicht innerhalb der EU. Der Verbrauch wird lediglich geografisch verschoben. Hier braucht es eine gesamteuropäische, verbindliche Lösung.
  • Eine starke Wirtschaft braucht Versorgungssicherheit: Ohne Wind und Sonne produzieren Photovoltaik und Windkraftanlagen keine Energie. Schon eine zehntel Sekunde andauernde Stromschwankung führt in vielen Produktionszweigen zu enormen Produktionsausfällen und Stillständen und damit zu einem Wettbewerbsnachteil sowie volkswirtschaftlichen Schaden. Deshalb braucht es mittelfristig wirtschaftlich arbeitende und flexible Reserve-Kraftwerke und Energieformen, die die Produktionsschwankungen von erneuerbaren Energien kompensie­ ren. Ein Ausgleich von Verbrauchs- und Erzeugungsschwankungen lässt sich mittelfristig mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien über den aktuellen Bedarf hinaus und einem deutli­ chen Ausbau der Stromspeicherfähigkeiten erreichen. Die eröffnet zudem Spielräume für eine Versorgung des Wohnungs- und Verkehrssektors mit Strom und Wasserstoff. Ein Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Kohle muss schrittweise mit einer klaren Zielvorgabe erfolgen. Ein Ausstieg aus der besonders umwelt- und klimaschädlichen Braunkohle muss dabei zuerst erfol­ gen. 2025 muss dabei das letzte Braunkohlekraftwerk vom Netz gehen. Die Stromerzeugung aus Steinkohle wird für einen Übergangszeitraum noch benötigt, bis dann 2040 auch das letzte Steinkohlekraftwerk vom Netz geht. Dieser Ausstiegsprozess ist notwendig, um die im Pariser Abkommen formulierten Ziele erreichen zu können.
  • Europaweiter Ausstieg aus der Kernkraftenergie und -industrie: Fukushima und Tschernobyl haben es gezeigt – Kernenergie bleibt gefährlich und hat im Falle eines GAUs erhebliche Konse­ quenzen auf Leben und Umwelt. Doch auch im „reibungslosen“ Ablauf der Energiegewinnung in dieser Form bleiben viele Fragen offen, wie bspw. die bis heute ungeklärte Endlagerung.Deshalb ist ein europaweiter Konsens notwendig, der nicht nur den Ausstieg aus der Kernener­ gie-, sondern auch aus der Industrie, also bspw. der Brennelemente-Herstellung und Urananrei­ cherung, beinhaltet. Zudem ist jegliche öffentliche Förderung dieser Energieform einzustellen.

Energiesektor nicht isoliert betrachten – alle Lebensbereiche berücksichtigen:
Das Ziel, bis 2020 den CO2-Ausstoß innerhalb der BRD um 40% unterhalb des Niveaus von 1990 zu reduzieren, darf nicht nur auf den Schultern der Energiewirtschaft realisiert werden.
Auch die größten Energieverbraucher, also die Wirtschaft, die Privathaushalte und der Verkehrs­ sektor, müssen ihren Beitrag leisten. Energieeffiziente Produktionsverfahren, die nicht nur den CO2-Ausstoß sondern auch die Stromkosten für das jeweilige Unternehmen senken können, sind zu fördern. Energetische Sanierungen bspw. mit effizienter Wärmedämmung, Passivhaus-Standard und Demand Response in Kombination mit einem effizienten Energiesystem mit der Nutzung von lokalen erneuerbaren Quellen, industrieller Abwärme und Wärme aus etwa Kraft-Wärme-Koppe­ lung (KWK) etwa in Fernwärme- und Fernkältenetzten statt Heizanlagen auf Basis von Öl und Gas sind im Rahmen eines staatlichen Förderprogramms zu unterstützen. Ziel muss es sein, den gesamten Gebäudebestand mit zeitgemäßer Dämm- und Heiztechnik auszurüsten.Die Energiewende braucht Akzeptanz auf allen Seiten: Stromtrassen, Wind- und Photovoltaik-anlagen, Konverter usw. – um die Energiewende umsetzen zu können, muss die Netzinfrastruktur im großen Umfang ausgebaut werden. Das spüren wir an vielen Projekten im gesamten Bundesge­ biet, die von erheblichen Protesten von BürgerInnen, organisierten Interessen und Entscheidungs­ trägerInnen begleitet werden. Hier muss ein energiepolitischer Mittelweg gefunden werden, der die Notwendigkeit der Energiewende und das berechtigte Interesse der Bürgerinnen und Bürger hinreichend würdigt. Diese Konflikte lassen sich u.a. durch dialogorientierte Beteiligungsverfahren lösen. Durch die Mitwirkung von den genannten AkteurInnen ist es in anderen Konflikten gelun­ gen, qualitativ bessere Entscheidungen zu entwickeln und mehr Legitimität und in der Folge mehr Akzeptanz zu erlangen. Diese und weitere Instrumente sollen verstärkt genutzt werden.“ „Zudem ist auch ein Wandel im Individualverkehr selbst notwendig: Dies bedeutet den Abschied von Benzin und Diesel und den Umstieg auf Autos, die mit Strom, Wasserstoff und einem kleinen Teil mit Biokraftstoffen betrieben werden – bei entsprechend strengen Verbrauchs- und Emissionsvorgaben.“ Die Energiewende braucht eine Verkehrswende: E-Mobilität, ÖPNV-Ausbau, Fahrradtrassen und -autobahnen – neue Mobilität bietet viele Vorteile gegenüber dem Individualverkehr. Sie reduziert etwa die Umweltbelastung, gerade in den Innenstädten, und kann bei einem massiven Ausbau die soziale Teilhabe und Mobilität einer Gesellschaft insgesamt erhöhen. Deshalb brauchen wir einen Wandel von der Auto- hin zur Fahrrad-, Bus- und Bahnrepublik welche wir durch gezielte Förde­ rung (z.Bsp.: Kaufprämien für Pedelecs und E-Bikes, Kostenlosen Nahverkehr). erreichen“ ein.Forschung intensivieren, neue Technologien fördern: Als Wissenschaftsstandort gibt es in NRW bereits viele Forschungsinstitute und Lehrstühle, die sich mit den technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Fragestellungen im Zuge der Energiewende beschäftigen. Die Forschungser­gebnisse und Innovationen, die von diesen Forschungsstätten und Hochschulen ausgehen, tragen maßgeblich zum Gelingen der Energiewende bei. Hier sind Land und Bund aufgefordert, in den Erhalt und Ausbau solcher Forschungsprogramme zu investieren. Mittelfristig sorgen fossile Ener­ gieträger für Versorgungs- und Netzsicherheit. Langfristig sollen effiziente Speichertechnologien sowie weitere Energieformen an ihre Stelle treten. Deshalb muss die Entwicklung von Technolo­ gien wie etwa power to gas, Pumpenspeicher-Werke, Geothermie oder Meeresturbinen gefördert sowie in ein nationales Gesamtenergiekonzept eingeführt werden, was Faktoren wie Netzstabilität,Versorgungssicherheit aber auch Bezahlbarkeit berücksichtigt. Nur mit effizienten und wirtschaft­ lich zu betreibenden Speichertechnologien ist die anvisierte Vollversorgung der Bundesrepublik durch erneuerbare Energien möglich. Sie schaffen Spielräume zum Ausgleich von Verbrauchs- und Erzeugungsschwankungen, lassen die Entwicklung von Windkraft und Photovoltaik zu den tragen­ den Säulen unserer Stromerzeugung zu und ermöglichen den erwähnten, schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis zur Mitte des laufenden Jahrhunderts.“Die Regionen nicht vergessen Strukturwandel statt Strukturbrhe: Aktuelle Regionen mit Energiestandorten von (Reserve-)Kraftwerken, die mit auslaufenden fossilen Energieträgern produzieren, dürfen im Rahmen der Energiewende nicht vergessen werden. Hier ist es wichtig,Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen geordneten Strukturwandel zulassen und keinen sozi­ al katastrophalen Strukturbruch provozieren. Einerseits braucht die Energiewirtschaft an diesen Standorten ein solides finanzielles Fundament, was auch anschließend den Rückbau von Strukturen wie Tagebaue und Co. zulässt. Andererseits sind Neuansiedlungen gewerblicher und wirtschaftliche Art und damit verbundene Entwicklungen von Land, Bund und Europa aktiv zu fördern.Damit die Energiewende gelingt, muss sie ökologisch, ökonomisch und sozialverträglich gestaltet werden. Nur so kann sie weiter von einer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz profitieren und die mit ihr verbundenen Chancen und Potenziale in Fortschritt, Beschäftigung und Umweltschutz entfalten.
Deshalb sagen die Jusos NRW:Energiewende gestalten! ökologisch, ökonomisch und sozialverträglich