FCK Bodyshaming – Wir sagen der Diskriminierung den Kampf an!

Das Streben nach einem ‚idealen‘ oder ‚perfekten‘ Körper ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Gerade die (sozialen) Medien konfrontieren und alle immer wieder mit (vermeintlich) makellosem Äußeren und tragen wesentlich dazu bei, dass sich stereotype Vorstellungen darüber, wie ein Körper auszusehen hat, in den Köpfen der Menschen festsetzen. Solche konstruierten Idealbilder werden dadurch in weiten Teilen der Gesellschaft zum wesentlichen Maßstab verklärt, an dem sich jede und jeder messen lassen muss. Inwiefern es dieses Ideal in der Wirklichkeit überhaupt gibt oder geben kann, spielt dabei zumeist keine Rolle.

Wer der Vorstellung eines ‚perfekten‘ Körpers nicht entspricht, wird im Alltag entweder ignoriert, schräg angeschaut oder sogar offen diskriminiert – egal ob in der Freizeit, im Berufsleben oder anderswo. Das sogenannte Bodyshaming, also die Ausgrenzung und Benachteiligung aufgrund körperlicher Merkmale, kann in allen Lebensbereichen vorkommen und eine erhebliche mentale Belastung für Betroffene darstellen. Studien zeigen, dass Bodyshaming gerade unter jungen Menschen verbreitet ist und dass vor allem Frauen betroffen sind (vgl. Gam et al. 2020; Saxena, Mathur, Jain 2020). Die Folgen können von geringerem Selbstwertgefühl und Schamgefühl unter Betroffenen bis hin zu ernsthaften und bedrohlichen, gesundheitlichen Problemen reichen (vgl. Incollingo Rodriguez, Heldreth, Tomiyama 2016).

Gerade Personen mit Übergewicht werden von ihren Mitmenschen häufig abgelehnt und ihnen werden Eigenschaften zugeschrieben, die negativ besetzt sind. So gelten sie in breiten Bevölkerungsschichten als weniger produktiv und leistungsfähig. Die Forschung konnte dahingehend beispielsweise zeigen, dass Personen, gerade Frauen, mit höherem Body-Mass-Index oder Personen, die von Personaler*innen allgemein als ‚weniger attraktiv‘ betrachtet werden, im Berufsleben häufiger diskriminiert werden. Einerseits verfügen sie oftmals über ein geringeres Einkommen und einen schlechteren sozialen Status als Normalgewichtige, andererseits sind ihnen Wege zu höher qualifizierten Tätigkeiten und in besser entlohnte Positionen häufig versperrt (vgl. Tyrrell et al. 2016). Häufig werden entsprechende Menschen schon im Bewerbungsprozess benachteiligt und seltener bei Stellenausschreibungen berücksichtigt (vgl. BMBF 2012; BMC Public Health 2012). An dieser Stelle ist zu betonen, dass wir uns der Problematisierung des Body-Mass-Index als Instrument zur (medizinischen) Bewertung menschlicher Körper bewusst sind, die Kritik am BMI teilen und uns mittelfristig für adäquatere Instrumente ohne normative Vorannahmen aussprechen. Die Verwendung des BMI in diesem Antrag entspringt lediglich der publizierten Studienlage, auf welcher dieser Antrag basiert und findet somit Raum in unserer Begründung.

Auch in der Modeindustrie spielt Bodyshaming eine Rolle. Zwar wird sogenannte ‚Plus-Size‘-Mode und generell andere Konfektionsgrößen von immer mehr Modeketten angeboten, jedoch ist diese oft nur im Online-Handel verfügbar. In den Geschäften hingegen sucht man Mode außerhalb einer einst definierten Norm meist vergebens. Somit wird Bekleidung, die von einem nicht-unerheblichen Anteil der Bevölkerung benötigt wird, in eine Nische gedrängt und der Eindruck, dass es sich um keine „normale“ Mode handelt, wird verstärkt. Da in Deutschland mehr als 50% der Bevölkerung einen BMI von über 25 haben, kann von einer Nische jedoch keine Rede sein und das Angebot entspricht keineswegs der Lebensrealität.

Insbesondere für junge Menschen ist es sehr schwierig, ‚Plus-Size‘-Kleidung und generell andere Konfektionsgrößen offline zu erwerben. In vielen Innenstädten und Einkaufzentren diese Kleidung nur in speziell darauf ausgerichteten Läden verkauft. Diese haben in der Regel eine eher ältere Zielgruppe. Kleidung, die den aktuellen Modetrends junger Menschen entspricht, wird nicht ausreichend in besagten Größen angeboten. In der Folge können junge Menschen mit Körperformen außerhalb ebendieser Normen nicht in gleichem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben wie ihre Mitmenschen.

Warum ‚Plus-Size‘-Mode und generell andere Konfektionsgrößen nur so selten vor Ort in den Stores angeboten wird, ist schwer nachzuvollziehen. Der Markt für große Größen wächst, immer mehr Modeketten erkennen diesen Trend und bieten eigene ‚Plus-Size‘-Kollektionen an. Im Vereinten Königreich wird zum Beispiel mit einem jährlichen Wachstum dieses Marktes von 5-6% gerechnet. Dort und in anderen Ländern, wie beispielsweise den USA, haben die Kollektionen auch bereits ihren Weg in die lokalen Geschäfte gefunden. In Deutschland ist dies bisher allerdings kaum zu beobachten und Konsumenten sind hierzulande nach wie vor darauf angewiesen, ihre Kleidung in entsprechenden Größen online zu erwerben. Dies führt zum einen zu den bereits beschriebenen Diskriminierungserfahrungen, und schwächt gleichzeitig den lokalen Einzelhandel. All das müsste nicht sein. Der Schritt vom Onlineverkauf in den Einzelhandel ist machbar und längst überfällig.

Neben der Verfügbarkeit ist der Erwerb der Plus-Size Mode auch eine finanzielle Frage. Unter anderem durch das geringe Angebot und die Zusatzkosten einer Online-Bestellung ist die Plus-Size Mode vergleichsweise teuer und die Möglichkeit, erschwinglich die Mode Second Hand zu erwerben, stark eingeschränkt.

Doch Bodyshaming hört mit dem Sachverhalt der Mode nicht auf und der Ausschluss bestimmter Körperformen durchzieht nahezu alle Gesellschaftsbereiche. Der Ausschluss findet statt, wenn Lokale, Theater oder Kinos gemieden werden, weil die Sitzgelegenheiten für breitere Körper zu eng sind oder Sorge besteht, dass sie nicht stabil genug sind. Der Zugang zu Fahrgeschäften bleibt verwehrt, weil die Sitze auf eine zu enge vermeintliche Körpernorm ausgelegt sind, die Bügel nicht schließen, oder der Gurt ein Stück zu kurz ist. Nicht selten ist es der Fall, dass die angebotenen Testsitze nicht den Maßen der Sitze im Fahrgeschäft entsprechen oder gar keine vorhanden sind. Erneut wird es zur finanziellen Frage, wenn die Sitze in Bus und Bahn so eng sind, dass Menschen, die nicht der konstruierten Norm entsprechen, sich gezwungen sehen, zwei Sitze buchen zu müssen und die entsprechenden Mehrkosten zu tragen.

Obwohl Bodyshaming ein lange bestehendes, gesamtgesellschaftliches Problem darstellt, wurde seitens der Politik bisher wenig bis gar nichts unternommen, um gegen Diskriminierung aufgrund körperlicher Merkmale vorzugehen. Wir stehen für eine solidarische und diskriminierungsfreie Gesellschaft, in der Bodyshaming keinen Platz hat.

Wir erachten deshalb einen grundlegenden Wandel des gesellschaftlichen Verhältnisses zu Körpern und Körperformen als dringend notwendig. Body Positivity begreifen wir hierbei als die Akzeptanz von allen Körpern sowie ein wertfreies Bewusstsein für die Verschiedenheit von Körpern in allen Lebensbereichen. Die Schaffung eines größeren Bewusstseins für die sozialen, mentalen und körperlichen Folgen für die Betroffenen von Bodyshaming ist hierbei elementar, um die Gesellschaft für diese Form der Diskriminierung mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf Betroffene zu sensibilisieren. Dies schließt auch die stärkere Aufklärungsarbeit zu Formen von Diskriminierung in Schulen mit ein. Dabei begreifen wir Bodyshaming intersektional, das bedeutet, dass Bodyshaming häufig in Kombination mit anderen Diskriminierungsformen wie zum Beispiel Sexismus, Rassismus, Klassismus und Ableismus auftritt und ein Aspekt von verschiedensten diskriminierenden Handlungen und Äußerungen sein kann. Deshalb fordern wir:

  • Eine Prüfung rechtlicher Möglichkeiten, Benachteiligungen aufgrund von körperlichen Merkmalen auszuschließen und die Etablierung von Sanktionsmöglichkeiten, sofern diesem Grundsatz zuwidergehandelt wird.
  • Eine Gesetzesanpassung, die Modeketten und -Händler dazu verpflichtet, ein bereits bestehendes oder zukünftig geschaffenes Sortiment für alle Konfektionsgrößen außerhalb einer einst definierten Norm nicht ausschließlich online, sondern auch offline anzubieten.