Schutz vor Gewalt? – für eine bessere Finanzierung von Frauenhäusern

„Für die Frauenhäuser stehen im Landeshaushalt 1,85 Millionen Euro weniger zur Verfügung.“ Dieser Satz zierte den Untertitel eines Artikels der Rheinischen Post vom 18.11.2022. Die Landesregierung legte Ende 2022 einen neuen Haushaltsbeschluss vor, nach welchem sämtlichen Frauenhäusern in NRW Gelder gestrichen werden sollen. Argumentiert wird, dass es sich rein um bürokratische Anpassungen, beziehungsweise um eine langfristige Verstätigung der Landesmittel für die Unterstützung der landesweiten Hilf- und Aufnahmestellen für Frauen handelt. Demnach stünden ab 2023 insgesamt 9 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2020.[1] Von außen betrachtet mag sich dies sehr positiv anhören. Mehr Geld – also alles gut? Doch so einfach ist es nicht. Frauenhäuser in ganz NRW können sich nicht selbst über Spenden finanzieren. Dafür ist der Geldfluss deutlich zu gering. Sie sind also unbedingt auf Mittel des Landes und der Kommunen angewiesen. Zweitere haben selbst zunehmend immer größere Finanzierungsprobleme und müssen auch heute schon in den verschiedensten Bereichen Einsparungen vornehmen. Das größte Problem liegt vor allem darin, dass es keine Pflichtfinanzierung für die Arbeit der Frauenhäuser gibt. Dies bedeutet, dass die gesamte Struktur abhängig von den jeweiligen Haushaltsbeschlüssen der Landes- und Kommunalregierung ist.

Deutschland hat sich ebenso wie viele andere Staaten der Istanbuler Konvention angeschlossen und damit klare Ziele für eine starke Frauenhausstruktur formuliert. Von diesen Zielen sind wir heute jedoch noch weit entfernt. Angesichts der immer drastischeren Entwicklungen der letzten Jahre ist dies unter keinen Umständen hinzunehmen. In den letzten fünf Jahren stieg die Anzahl der erfassten Straftaten, bei welchen das Gewaltschutzgesetz Anwendung fand, um 11 Prozent.[2] In vollen Zahlen sind dies 6587 erfasste Fälle von Gewalt gegen Frauen. Insgesamt waren davon über 91,7 Prozent männliche Täter. Dabei ist es unabdinglich auf die hohe Dunkelziffer der Fälle hinzuweisen, welche erst gar nicht zur Anzeige gebracht werden, ferner überhaupt auffallen. Für viele Frauen, egal ob jung oder in langen Beziehungen, gehört Gewalt und die Angst vor dieser immer noch zum Alltag. Erst seit 1997 gilt die Vergewaltigung in der Ehe als Straftat. 138 Abgeordnete stimmten damals gegen die Gesetzesänderung.[3] Auch heute gehören noch Politiker*innen, welche dagegen stimmten, dem Bundestag an. Das Bundeskriminalamt verzeichnet zudem täglich mindestens einen versuchten Tötungsdelikt an Frauen in Deutschland, welcher explizit als Femizid identifiziert werden kann.[4] Alleine in diesem Jahr gab es in Deutschland schon 58 Tötungsdelikte dieser Art. Und auch hier wird die Dunkelziffer höher sein. Femizide sind jedoch nur die Spitze einer langen Liste von Gewalt, welcher Frauen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind. Gewalt fängt nicht erst bei physischen Tätlichkeiten an, sondern kann sich ebenso psychisch, durch narzisstisches und manipulatives Verhalten ausdrücken. Diese Form der Gewalt betrifft noch deutlich mehr Frauen und noch viel weniger dieser Fälle werden zur Anzeige gebracht.

Jetzt ist also mitnichten die Zeit, finanzielle Mittel für Frauenhäuser zu kürzen, noch eine grundsätzlich festgelegte Finanzierung aufzuschieben. Täglich werden Frauen an Hilfestellen abgewiesen, weil es keine freien Plätze gibt, oder müssen auf Hilfe verzichten, da sie keine Ansprechpartner*innen aufsuchen können. Nach aktueller Informationslage fehlen in NRW über 1000 Plätze in Frauenhäusern.[6] Wir müssen etwas dagegen tun, dass jede Woche Frauen in Deutschland Opfer von Gewalt, oder sogar getötet werden. Zögern gehört in die Vergangenheit.

Aus diesem Grund fordern wir:

  1. Die Etablierung des Drei-Säulen-Modells für die Frauenhausfinanzierung, wie es der Verband der autonomen Frauenhäuser seit Jahren fordert.
  2. Die Umsetzung der Istanbul Konvention insbesondere in Hinblick auf den Ausbau der bisher fehlenden Frauenhausplätze.

  3. Ausfinanzierung unbefristeter Arbeitsstellen zur Verhinderung eines Personalmangels
  4. Ausweitung der Kontakt- und Aufnahmemöglichkeiten auf 24 Stunden und 7 Tage die Woche.
  5. Flächendeckende Werbematerialien und Informationstafeln, zur Bekanntmachung des Hilfsangebotes

 

[1] https://rp-online.de/nrw/landespolitik/finanzierung-der-frauenhaeuser-sorgt-fuer-streit_aid-80137295

[2] https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/frauensenatorin-fordert-mehr-geld-vom-bund-fuer-frauenhaeuser-19025864.html

[3] https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/vergewaltigung-in-der-ehe-in-ehelicher-zuneigung-und-opferbereitschaft-91544500.html#:~:text=Für%20diese%20Änderung%20stimmten%20471,nicht%20als%20Straftat%20zu%20betrachten.

[4] https://www.ndr.de/kultur/Femizide-in-Deutschland-Fallzahlen-gehen-2021-leicht-zurueck,femizid100.html

[5] https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-06/umfrage-frauen-maenner-gewalt-homosexualitaet-plan-international-deutschland

[6] https://www.ksta.de/politik/nrw-politik/nrw-fehlen-mehr-als-1000-plaetze-in-frauenhaeusern-485766