Für einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt – für anonymisierte Bewerbungen

Teilhabe und Partizipation ist immer noch eines der wichtigsten Instrumente auf dem Weg zu einer gerechten und emanzipierten Gesellschaft. Im Sinne des Primats der Erwerbsarbeit ist die Teilhabe und Partizipation am Erwerbsleben zentral. Neben dem Finanziellen Auskommen sichert es im besten Fall Sicherheit in der Lebensplanung und stellt einen wesentlichen Weg zur gesellschaftlichen Integration dar. Der gerechte Zugang zur Erwerbsarbeit ist jedoch noch lange nicht gesichert. Insbesondere ein diskriminierungsfreier Zugang ist nicht gegeben. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll einen gesetzlichen Rahmen für die Bekämpfung von diskriminierender Ungleichbehandlung gesteckt. Diesen gilt es nun konsequent umzusetzen. Die Anonymisierung von Bewerbungsunterlagen ist hierbei ein wichtiger Schritt. Andere Länder konnten bereits gute Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungen sammeln.
Sowohl in den USA wie auch in Großbritannien ist es üblich, Bewerbungsschreiben ohne Foto abzusenden. Anonyme Bewerbungen, ohne Hinweise auf Alter, Nationalität usw. sollen hierbei Chancengleichheit für BewerberInnen und ArbeitgeberInnen sichern. Auch in Frankreich sowie in der Schweiz wird die gesetzliche Anonymisierung von Bewerbungen angestrebt und zur Zeit in einigen ausgewählten Unternehmen getestet. Was in anderen Ländern schon lange Gang und Gäbe ist, muss auch in Deutschland endlich umgesetzt werden. Wir brauchen einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt. Wir brauchen anonymisierte Bewerbungen.

Gegen die Schere im Kopf

Noch immer urteilen deutscher Personaler am liebsten an Hand des Bewerbungsfotos und haben dabei Stereotype und Vorurteile im Kopf. Alltagsrassismus im Hinblick auf den „falschen“ Nachnamen, Wohnort und Hautfarbe tun ihr Übriges. Sicher, Unternehmen schreiben sich schicke Begriffe wie „Diversity Management“ auf die Fahnen und Loben die Bereicherung, die eine vielfältige Belegschaft bietet. Trotz aller Bemühungen sind nur in den wenigsten Unternehmen gesellschaftlich repräsentative Belegschaften zu finden. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Frauen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit ausländisch klingenden Namen oder Aussehen werden jedoch noch immer systematisch diskriminiert. Studien zeigen, dass Bewerber mit nordafrikanischer Herkunft fünfmal so schlechte Chancen auf einen Job haben wie die Gesamtbevölkerung haben. Forscher der Universität Konstanz haben in einem Feldversuch über 1000 Bewerbungen auf Praktikumsstellen für Wirtschaftsstudenten verschickt. Die Bewerbungsunterlagen waren inhaltlich gleichwertig – aber per Zufall wurde ihnen jeweils ein deutscher oder türkischer Name zugeordnet. Bewerber mit türkischem Namen erhielten weniger positive Antworten.
Besondere Schwierigkeiten stellen sicherlich für Menschen, die mit Mehrfachdiskriminierung zu kämpfen haben – etwa wenn eine junge Frau türkischer Herkunft mit Kopftuch und schlechten Deutschkenntnissen einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung nicht erhält. Dort kommen Geschlecht, Herkunft, Alter und Religion der Betroffenen als Gründe für eine Diskriminierung zusammen. Spätestens beim Bewerbungsgespräch kommen sich Arbeitgeber und Bewerber dann doch wieder nahe. Trotz nur geringer Validität von Bewerbungsgesprächen für die Vorhersage von beruflichem Erfolg möchte kaum ein Arbeitgeber auf ein persönliches Kennenlernen vor Einstellung verzichten. Eine erste Hürde ist zu diesem Zeitpunkt bereits genommen, und die „Schere im Kopf“ konnte in einer ersten Instanz ausgeschaltet werden. Und wenn man einem Menschen persönlich gegenübersteht hat schon so manches Vorurteil seine Macht verloren.
Im August 2010 startet ein Pilot-Projekt einiger großer deutscher Unternehmen, beispielsweise Procter & Gamble und LOréal, anhand welchem sie beweisen wollten, dass Selbstverpflichtungen ausreichen würden. Aus langjähriger und leidvoller Erfahrung wissen wir jedoch: Freiwillige Selbstverpflichtungen
bringen jedoch nur selten den gewünschten Effekt. Wir brauchen eine allgemeinverbindliche gesetzliche Lösung, die keine Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder körperlicher Beeinträchtigung zulässt und qualifikatorische Merkmale in den Vordergrund stellt. Deshalb sollen folgende Punkte nicht mehr auf einen Lebenslauf oder ein Bewerbungsschreiben gehören:

•Name
•Staatsangehörigkeit
•Geschlecht
•Religion
•Alter/Geburtsdatum/Geburtsort
•Berufe der Eltern
•Foto