Geflüchtete gleichberechtigt unterstützen

Die aktuelle Ausnahmesituation führt uns vor Augen, wie gesamteuropäische Zusammenarbeit und die erheblich vereinfachten rechtlichen Umstände für Geflüchtete aus der Ukraine dazu beitragen, den Geflüchteten eine sichere Zukunft und die bestmögliche Perspektive innerhalb des Ankunftslandes zu bieten.

Gleichzeitig erleben wir eine in der jüngsten Geschichte nahezu einzigartige Solidarität aus der Gesellschaft, eine enorm hohe Spendenbereitschaft und private Bereitstellung von Wohnraum für die Geflüchteten. Wir konnten aber auch feststellen, zu welchen Problemen und Missständen gerade die private Wohnungs- und Hilfsvermittlung, ohne staatliche Stellen führen können. Gerade für Frauen* führt dies zu erheblichen Problemen, da zwischen dubiosen und seriösen Angeboten nicht unterschieden werden kann.

Der Umgang mit den als weiß und christlich gelesenen ukrainischen Geflüchteten zeigt, wie klare rechtliche Vorgaben, einfache Verfahren und gesamtgesellschaftliche Solidarität zu einer menschenwürdigen Migrationspolitik führen.

Leider stellen wir aber fest, dass in vielen Bereichen der deutschen und europäischen Asylpolitik genau diese Voraussetzungen fehlen. Menschen, die aus ähnlich drastischen Gründen aus anderen Regionen der Welt vor kriegerischer Auseinandersetzung fliehen müssen, erfahren viel weniger Unterstützung und bekommen beispielsweise nur mangelhafte Unterkünfte und weniger finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Auch der Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt und zu Bildung wird ihnen in vielen Fällen verwehrt.

Noch immer ertrinken regelmäßig Menschen im Mittelmeer. Der deutsche und europäische Umgang mit privater Seenotrettung ist nicht nur unwürdig, sondern auch schlicht illegal. Die Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache, könnte in keinem stärkeren Widerspruch zu der Rechtsordnung und den Grundwerten der Europäischen Union stehen.

Immer noch harren Menschen an der Grenze zwischen Belarus und Polen aus, die Lukaschenko einfliegen ließ und die jetzt im Grenzgebiet de facto gefangen sind. Auch Berichte über People of Color, die aus der Ukraine flüchten und in Polen rassistische Vereitelungsversuche ihrer Flucht erfahren, verurteilen wir entschieden. Einen solchen Doppelstandard hinsichtlich der völkerrechtlich gesicherten Rechte von Geflüchteten ist, insbesondere innerhalb der Europäischen Union, nicht hinnehmbar.

Auch die Menschen, die bereits in Deutschland sind, müssen unterstützt werden. Dazu müssen ausreichende Integrations- und Bildungsangebote gemacht werden und der Übergang in den nationalen Arbeitsmarkt wesentlich erleichtert werden. Zentrales Element dabei ist vor allem die zeitnahe und qualifikationsnahe Anerkennung von Abschlüssen aus dem Herkunftsland der Geflüchteten. Genauso muss für jüngere Menschen gelten, dass angefangene Ausbildungen und Studiengänge in Deutschland zu Ende gebracht werden können.
Das Klima großer Teile der deutschen Gesellschaft im Kontext der Geflüchtetenpolitik, war in den letzten Jahren von Desinteresse geprägt. Weder wurde sich mit den hinter den verschiedenen Fluchtbewegungen liegenden Ursachen und dem Anteil Deutschlands und der EU an diesen Ursachen ausreichend beschäftigt, noch wurden Hilfs- und Förderungsprogramme in Deutschland im ausreichenden Rahmen unterstützt. Das Problem heißt Rassismus. Geflüchtete werden so ungleich behandelt, weil sie weiß oder nicht weiß sind. Die menschenverachtende Geflüchtetenpolitik der EU stößt auf Desinteresse, weil die Menschen, die an den Grenzen sterben und Gewalt erfahren, nicht weiß sind. Es ist gut und wichtig, dass bei mit dem russischen Angriffskrieg und bei ukrainischen Geflüchteten ein neuer Kurs in der Geflüchtetenpolitik möglich gemacht wurde.

Der jetzige Perspektivwechsel auf Geflüchtete und Fluchtursachen, muss sich über die aktuelle Krise hinaus und über die europäischen Grenzen hinweg erstrecken. Dazu können und werden auch wir als Verband und Partei unseren Beitrag leisten.

Wir als Jusos stehen solidarisch mit allen Menschen, die fliehen müssen!

Deswegen fordern wir:

  • den Druck auf alle EU- Staaten zu erhöhen, schutzsuchende Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion über die Grenzen zu lassen. Dabei gilt es alle Regulierungsmöglichkeiten auszuschöpfen und neue zu installieren.
  • die Erarbeitung und Durchsetzung einer europäischen Gesamtlösung zur Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten. Bis dahin darf sich Deutschland nicht hinter der Suche nach einer solchen Lösung verstecken, sondern muss eigenständig und gegebenenfalls mit einem kooperativen Teil der EU die menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten gewährleisten. Zustände wie in Auffanglagern in Griechenland wie auf Lesbos darf es nicht mehr geben.
  • eine veränderte Konzeptionierung der Seenotrettung im Mittelmeer. Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache und Frontex sind schnellstmöglich zu beenden. Übergangsweise muss die private Seenotrettung mit allen Mitteln unterstützt werden, bis eine neue europäische Seenotrettungsbehörde aufgebaut wurde, die der strengen Kontrolle der europäischen Institutionen unterliegt.
  • die Empfehlung der Europäischen Kommission zur Anerkennung der Qualifikation von Menschen, die vor der Invasion Russlands in die Ukraine fliehen, auf Geflüchtete von außerhalb der Ukraine auszuweiten und die bisherigen Regelungen zur Anerkennung von Qualifikationen aus den Herkunftsländern der Geflüchteten dementsprechend zu evaluieren und zu verändern.
  • dass jungen Menschen es ermöglicht wird, bereits gestartete Ausbildungen und Studiengänge in Deutschland zu Ende zu bringen und somit bereits erhaltene Leistungen in einem bestimmten Rahmen anerkennt werden.
  • dass Deutschland sich seiner besonderen Verantwortung bei der Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan bewusst wird und Kapazitäten und Strukturen schafft, um eine maximale Anzahl von Geflüchteten aus Afghanistan aufzunehmen. Diese Anzahl muss weit über die angekündigten 5000 hinausgehen.
  • die Einrichtung einer staatlichen Stelle auf Landesebene NRW, die die Vermittlung von privaten Wohnungsangeboten an Geflüchtete koordiniert.
    Sowie den kostenfreien und barrierefreien Zugang zu Sprachkursen unabhängig der Herkunft oder des Aufenthaltsstatus.