Gegen jeden Antisemitismus! Erinnern und Handeln- ein Positionspapier

Rund 70 Jahre nach der endgültigen militärischen Zerschlagung des deutschen Faschismus und dem Ende des zweiten Weltkrieges bricht sich ein kontinuierlich brodelnder Antisemitismus mit neuer Kraft die Bahn. Die letzten Überlenden der Shoah müssen miterleben, wie in Deutschland „Juden ins Gas!“ skandiert wird und jüdische Menschen auf offener Straße angegriffen werden. Gleichzeitig steht Israel als Schutzraum für von Antisemitismus Verfolgte unter ständiger Attacke – sowohl militärisch, als auch medial. Zeit sich als sozialistischer Verband deutlich zu positionieren.

Kein Vergeben! Kein Vergessen!

In wenigen Jahren wird es keine Zeitzeug*innen mehr geben, die von den Schrecken des Faschismus berichten können. Ebenso werden auch die letzten Täter*innen dieser Zeit gestorben sein – nicht wenige ohne jemals irgendeine Strafe erhalten zu haben. Für zukünftige Generationen wird die Zeit der NS-Herrschaft immer weiter zurückliegen. Die Aufgabe der Jugend die Grauen der Shoah in Erinnerung zu halten und den Faschismus zu entlarven, wird somit auf Menschen übertragen, die nach 1945 geboren wurden. Aus Zeug*innen müssen Zeug*innen von Zeug*innen werden. Dies darf niemals dazu führen, dass die Opfer vergessen werden oder den Täter*innen vergeben wird! Es ist geschehen und es kann wieder geschehen. Der Schwur, dass sich Auschwitz nie wiederholen darf, muss als gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, von der sich niemand ausnehmen kann, verstanden werden.

Es darf auch nicht in Vergessenheit geraten, welche Kontinuitäten es nach dem Nationalsozialismus in Politik und Gesellschaft gegeben hat. In deutschen Behörden saßen noch lange nach 1945 die Täter*innen der NS-Zeit, deutsche Firmen, die direkt oder indirekt an der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie beteiligt waren und/oder Zwangsarbeiter*innen beschäftigt hatten, existieren oft weiter – häufig ohne jemals die eigene Vergangenheit aufgearbeitet zu haben. Auch in der Politik gab es eindeutige Kontinuitäten.

Nie wieder Auschwitz! Nie wieder Holocaust!Antisemitismus in jeder Form den Kampf ansagen!

Antisemitismus gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur in der radikalen Rechten. Wirre, aber stets antisemitische Verschwörungstheorien finden sich bis weit in die deutsche Friedensbewegung und selbsternannte Linke. Manchmal zeigt sich der Antisemitismus offensichtlich, wenn beispielsweise von einer „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ gesprochen wird, manchmal fließen antisemitische Vorurteile nur subtil in Aussagen oder in Berichterstattungen ein, wenn z.B. das pluralistische Israel mit dem südafrikanischen Apartheidregime verglichen wird oder an die historische Erfahrung appelliert wird und Handlungen Israels mit denen Nazideutschlands verglichen werden. Antisemitismus ist dort, wo Menschen bei Nachrichten über jeden Krieg gelangweilt wegschalten, aber sobald der „Jude unter den Staaten“ beteiligt ist, empört auf die Straße gehen. An Stammtischen, in Internetforen und in den etabliertesten Medien – überall ist er zu finden. Es wird von „Antisemitismuskeule“ gefaselt und mit sarrazinscher Logik das gesagt, von dem behauptet wird man dürfe es nicht sagen. Wir stellen uns gegen jeden Antisemitismus – egal in welcher Form er auftritt. Wir widersprechen den Parolen und lassen uns nicht von vermeintlich einfachen Lösungen beeindrucken.

 

Solidarität mit Israel! Kein Frieden mit dem Terror!

Israel ist eine historische Notwendigkeit. Die Shoah war der unfassbare Gipfel einer jahrtausendlangen Geschichte der Verfolgung und Unterdrückung der Jüdinnen und Juden in Deutschland und Europa. Der Mord an 6 Millionen Jüdinnen_Juden hat es unverzichtbar gemacht einen Schutzraum für von Antisemitismus Verfolgte zu schaffen. Aber seit Staatsgründung wird Israel immer wieder angegriffen. Vornehmlich islamistische Terrororganisationen bedrohen und attackieren Israel und träumen von judenfreien Ländern. Israel hat wie jeder andere Staat ein Recht sich gegen solche Aggressionen zu verteidigen – auch militärisch. Die Hoffnung auf ein friedliches

Zusammenleben aller Menschen in Israel, Palästina und der Umgebung und eine

Zwei-Staaten-Lösung als möglicher Beginn eines solchen Zusammenlebens, kann es mit diesem antisemitischen Terror nicht geben – das Ende der Herrschaft der Hamas und des Einflusses anderer Terrororganisationen, wie der Hisbollah, sind zwingende Voraussetzungen. Die regressiven Bestrebungen der Fatah zu einer Einheitsregierung mit der Hamas sind falsche Schritte.

Unsere kritische Solidarität gilt ferner allen sozialistischen, demokratischen und emanzipatorischen Organisationen in Israel und den arabischen Ländern, die unter dem Terror leiden und sich für eine stabile Zwei-Staaten-Lösung und ein dauerhaft friedliches Zusammenleben in Israel, Palästina und der Region einsetzen. Dies bedeutet für uns doppelte Solidarität.

Nein, nein, das ist nicht der Sozialismus! – Verkürzte Kapitalismuskritik entlarven

In der deutschen und europäischen Linken bzw. neuen Bewegungen mit „linkem Anstrich“ tritt Antisemitismus oft versteckt als Israelkritik oder – noch dezenter – eine gespiegelte Variante in Form von verkürzter Kapitalismuskritik auf. Niemand hat sich diese so sehr auf die Fahnen geschrieben, wie die Bewegung „Occuppy“ mit ihrer „We are the 99%“ Parole. Die Annahme, dass „the 1%“ an den Missständen der Gesellschaft Schuld ist, personalisiert das wahre Problem: Den Kapitalismus. Es wird zu „denen da oben“ abgegrenzt, die angeblich allen Einfluss haben – hätten sie ihn nicht, wäre die Welt in Ordnung. Dieses Szenario öffnet Tür und Tor für Antisemitismus von Verschwörungen über eine jüdische Weltherrschaft bis zu Kritik an einzelnen – meist jüdischen – Banken und ihrer angeblichen Schuld an Armut und Krise. Doch es ist grundlegend falsch. Die kapitalistische „Logik“ funktioniert in allen Bereichen des Lebens und beschränkt sich nicht auf Menschen in führenden Positionen. Unsere sozialistische Alternative zu den bestehenden Verhältnisse setzt mit der antikapitalistischen Kritik tiefer an. Solange die Kapitalakkumulierung weiterhin Ziel jeder Produktion und Handlung ist, wird es Ausbeute geben. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die ihren Fokus auf das allgemeine Wohl aller in der Gesellschaft legt. Dieses Ziel lässt sich durch Bildung und aktive Politik erreichen, nicht durch die Entmachtung weniger unter Beibehaltung der bestehenden Umstände.

Erinnern und Handeln!

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist weiterhin verbreitet. Neben Antisemitismus finden sich Rassismus, Sexismus, Homo- und Trans*phobie, Antiziganismus und weitere menschenverachtende Einstellungen in allen sozialen Schichten. Wir sind Antifaschistinnen und Antifaschisten und wehren uns gegen diesen Hass und die Zustände, in denen er Boden gewinnen kann. Wir schreiten aktiv ein, wenn wir ihn erkennen und lassen nicht zu, dass er sich ausbreitet. Wenn Menschen in der Uni, im Betrieb, in der Schule oder im Freundeskreis andere Menschen beleidigen, weil sie nicht in ihr Weltbild passen, reagieren wir. Wenn Nazis angreifen, schreiten wir ein. Unser Ziel – die sozialistische Gesellschaft der Freien und Gleichen – erreichen wir durch Bildung und Aufklärung, durch gelebte Solidarität und unsere tägliche politische Arbeit. Dafür dürfen wir die Opfer des Faschismus nie vergessen. Ausdrücklich unterstützen wir die Arbeit, die in Bildungs- und Gedenkstätten geleistet wird und setzen uns dafür ein, dass die historische Sensibilisierung für den Holocaust wieder in die Gesellschaft getragen wird.

Wir fordern den Landesvorstand der NRW-Jusos auf, gemeinsam mit anderen politischen, gewerkschaftlichen und religiösen Gruppen in Nordrhein-Westfalen einen intensiven Austausch über den Umgang mit Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu führen.