Gute Ausbildung, gute Arbeit, gute Pflege!

Gute Ausbildung, gute Arbeit, gute Pflege!

Gute Ausbildung, gute Arbeit, gute Pflege!
Das Thema Pflege und der sogenannte Pflegenotstand sind in den letzten Monaten regelmäßiger Bestandteil der medialen Berichterstattung und der politischen Diskussion. Dabei wird vor allem auf die vielen unbesetzten Stellen in der Pflege und die oftmals schlechten Arbeitsbedingungen der Pfleger*innen hingewiesen. Abgesehen von der schon aktuell dramatischen Situation muss dabei auch beachtet werden, dass mit dem demographischen Wandel und angesichts der Tatsache, dass Menschen in unserer Gesellschaft statistisch immer älter werden, der Anteil der pflegebedürftigen Menschen und die Lebensphase, in der Menschen tendenziell pflegebedürftig sind, größer werden. Gerade auch mit Blick auf die Zukunft droht sich also die momentane Situation nicht zu entschärfen, sondern im Gegenteil noch zu verschärfen. Überlastung und prekäre Bedingungen in der Pflege sind dabei keinesfalls erst gestern aufgetaucht, die aktuellen Entwicklungen sind insbesondere auch das Ergebnis von Fehlentwicklungen und Versäumnissen von politischer Seite in der Vergangenheit. Die grundlegend neue Gestaltung der Pflege ist dringend notwendig. Dabei ist es gerade Aufgabe der SPD als Teil der Bundesregierung, die politischen Antworten aktiv mitzugestalten und ein Bild davon zu zeichnen, wie Pflege in Zukunft aussehen soll. Klar ist dabei, dass sich gute Pflege und gute Arbeitsbedingungen in der Pflege gegenseitig bedingen.
Die aktuelle Situation in der Pflege
Der Mangel an Pflegekräften
Das zentrale Problem im Bereich der Pflege ist der zahlenmäßige Mangel an Pflegekräften. 35 000 Stellen in der Pflege sind derzeit nach Angaben der Bundesregierung unbesetzt. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass Krankenhäuser gezwungen sind, einige Betten, ganze Stationen oder sogar ganze Operationssäle zu schließen. Zum anderen wirkt sich diese Situation natürlich auf den Alltag in der Pflege und dabei insbesondere auch auf den Berufsalltag der Pfleger*innen aus. Dass es weniger Pfleger*innen gibt, als gebraucht werden, hat vielschichtige Gründe. Insgesamt sind nur wenige Menschen nach einer Berufsausbildung auch langfristig in der Pflege tätig. Verantwortlich dafür sind vor allem die vielfach schlechten Arbeitsbedingungen. Schon grundsätzlich stellt die Pflege durch ihren Charakter als Schichtdienst eine enorme Belastung für die Beschäftigten dar und kann Grund für eine schlechte Vereinbarkeit zum Beispiel von Familie und Beruf sein. Eine zusätzliche Steigerung der Belastung liegt vor allem an dem aktuellen Mangel an Pflegekräften und der Tatsache, dass oft zu wenige Pflegekräfte für die Pflege von vielen Menschen verantwortlich sind. Das Ausbleiben von Pausen, Überstunden und das kurzfristige Einspringen etwa aufgrund von Ausfällen gehören zum Alltag. Es fallen außerdem viele Tätigkeiten an, die nicht zum Kernbereich der Pflege gehören und Zeit für die eigentlich erforderliche Pflege rauben.
Besonders frustrierend und belastend ist für viele Pfleger*innen dabei, dass sie aufgrund der Überarbeitung und der Unterbesetzung zu wenig Zeit für die Pflege der einzelnen Patient*innen haben. Dadurch können sie ihrem eigenen Anspruch, sich um andere Menschen zu kümmern und diese zu pflegen, damit es ihnen besser geht, nicht gerecht werden. Die Motivation und die Freude an der eigenen Arbeit, sowie die Gewissheit gute Arbeit geleistet zu haben gehen so oft vollständig verloren. Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege bedeuten vor allem auch die Zeit und die Ressourcen für gute Pflege. Das nicht genügend Ressourcen für gute Pflege zur Verfügung stehen, stellt für viele Pfleger*innen eine psychische Belastung dar und verhindert einen motivierenden Arbeitsalltag.
Dem enormen Arbeitspensum und Stress wird im Gegenzug häufig nicht mal eine angemessene Wertschätzung entgegengebracht. Mangelnde Anerkennung findet zum Beispiel im Krankenhausalltag statt, der oftmals sehr hierarchisch organisiert ist und wo sich eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Pfleger*innen und Ärzt*innen als schwierig erweisen kann.
Auch außerhalb der Klinik unter anderem von Seiten der Politik, aus dem sozialen Umfeld und von Angehörigen der Pflegebedürftigen wird Pfleger*innen oftmals nicht ausreichend Wertschätzung und Anerkennung entgegengebracht. Die schlechten Bedingungen der Pflegeberufe hören jedoch nicht mit dem Arbeitsalltag auf. Die Entlohnung für Pfleger*innen ist gerade auch verglichen mit anderen Berufsgruppen zu gering. Dies betrifft vor allem Pfleger*innen ohne Weiterbildung und diejenigen auf peripheren Stationen. Längst nicht alle Pflegekräfte werden nach einem Tarifvertrag bezahlt. In der Altenpflege etwa sind 80 Prozent der Beschäftigten nicht tarifgebunden.
Die mangelnde, auch finanzielle Wertschätzung der Pflegeberufe wird auch dann deutlich, wenn man die Bedingungen im internationalen Vergleich betrachtet. Angesichts dessen verwundert es auch nicht, dass laut EU-Mobilitätsstatistik mehr Menschen ihren Berufsabschluss als examinierte Pflegekraft im europäischen Ausland anerkennen lassen als umgekehrt. Viele Pflegekräfte, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind, kehren zudem nach einiger Zeit wieder zurück.
Abseits der oftmals schlechten Arbeitsbedingungen sind es häufig auch mangelnde Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, weswegen Pfleger*innen ihrem Beruf den Rücken kehren. Zum Beispiel die Weiterbildung im Bereich der Intensivpflege wird vielfach aus Kostengründen verhindert, Hoffnungen werden gemacht und schließlich enttäuscht. Es fehlt somit an einer Perspektive, im Laufe des Berufslebens auch neue Wege in der Pflege zu gehen, die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern oder höhere Qualifikationen zu erreichen.
Nicht zuletzt hat einen maßgeblichen Effekt darauf, dass nicht alle, die eine Ausbildung in der Pflege machen, auch langfristig dort arbeiten, auch die Tatsache, dass viele junge Menschen die Berufsausbildung lediglich als Überbrückung nutzen, häufig um danach noch ein Medizinstudium aufzunehmen. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten oder den festgelegten Anforderungen nicht entsprechen.
Die unterschiedlichen Gründe für fehlendes Personal bedingen und verstärken sich zum Teil gegenseitig. So führt der Mangel an Pflegekräften zu einer Verschlechterung der Bedingungen, diese gesteigerte Belastung sorgt im Anschluss wieder dafür, dass Pfleger*innen aufhören, in ihrem Beruf zu arbeiten. Nicht zuletzt dieser Teufelskreis macht deutlich, wie wichtig umfangreiche Reformen und ein Umdenken von Seiten der Beteiligten und der Politik ist, um die Weichen für gute Arbeit in der Pflege und damit auch zukunftsfähige und gute Pflege zu verwirklichen.
Aktuelle politische Entwicklungen im Pflegebereich
Nicht zuletzt im letzten Jahr haben die Aktualität und Brisanz des Themenkomplexes Pflege dazu geführt, dass Reformen angestoßen wurden oder in der nächsten Zeit auf den Weg gebracht werden sollen.
In vielen Ländern wird bereits seit vielen Jahren eine Trennung in Behandlungspflege und Betreuungspflege praktiziert. Auch in Deutschland ist der Trend hin zu einer Aufteilung der Aufgaben der Pflegenden in einen schlechter bezahlten Betreuungspflegeanteil und einen besser bezahlten Behandlungspflegeanteil in einigen Einrichtungen je nach Träger*in in vollem Gange. Die Betreuungspflege wird dabei von Menschen, die einen Bundesfreiwilligendienst oder ein FSJ absolvieren oder von Pflegehilfskräften nach wenigen Monaten Ausbildung durchgeführt. Sie umfasst dabei Unterstützung, Hilfe oder Übernahme bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Wohingegen die Behandlungspflege die Durchführung (insbesondere ärztlich angeordneter) diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen umfasst, wie zum Beispiel Wundversorgung, Blutzuckerkontrollen oder Medikamentengaben. Die Behandlungspflege wird im Idealfall von examinierten, das heißt fertig ausgebildeten Pflegekräften durchgeführt.
Dieser Trend wirft viele Fragen auf: Kann eine Aufteilung der Tätigkeiten für die Pflegenden eine Entlastung und mehr Zeit für andere Tätigkeiten bedeuten? Oder dient sie vordringlich der Entlastung der Krankenhauskassen? Nimmt sie den Pflegenden wohlmöglich sogar die Chance, die Pflegebedürftigen ganzheitlich zu versorgen?
Das neue Pflegeberufegesetz
Eine große Reform wurde bereits im Jahr 2017 durch die letzte Regierungskoalition verabschiedet. Diese betrifft die Ausbildungsstruktur in der Pflege. Bislang war die Pflege in Deutschland in die Bereiche Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Kinderkrankenpflege gegliedert. Diese Struktur der dementsprechend drei unterschiedlichen Berufsausbildungen wurde für die Zukunft jedoch grundlegend durch das im Juli 2017 beschlossene und 2020 in Kraft tretende neue Pflegeberufegesetz geändert.
Durch dieses werden die drei genannten Berufsausbildungen zusammengelegt. Auszubildende haben nach dem zweiten Ausbildungsjahr die Möglichkeit der Spezialisierung entweder zur*zum Altenpfleger*in oder zur*zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in. Alternativ kann auch ein generalisierter Abschluss mit dem Titel Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann erreicht werden. Zudem sollen durch das neue Gesetz mehr und bessere Umschulungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Reform enthält auch Festlegungen für die Anerkennung internationaler Berufsabschlüsse und zu einem berufsqualifizierenden Studiengang für die Pflege. Zur Umsetzung der grundlegenden Umstrukturierung wurde eine Fachkommission eingesetzt, die die Rahmenlehrpläne und Rahmenausbildungspläne entwickelt.
Ziel dieser umfangreichen Reform ist insgesamt eine Aufwertung des Berufsabschlusses vor allem auch in Bezug auf die Altenpflege. Diese Aufwertung soll auch dadurch stattfinden, dass diejenigen Aufgaben, die nur durch examinierte Pflegekräfte ausgeführt werden dürfen, sogenannte Vorbehaltsaufgaben, definiert werden. Außerdem soll mit der Zusammenlegung der unterschiedlichen Berufsausbildungen der Tatsache Rechnung getragen werde, dass es in der Praxis ohnehin oftmals zu Überschneidungen zwischen den unterschiedlichen Pflegeberufen kommt.
Neben den strukturellen Änderungen der Berufsausbildung wird durch das neue Pflegeberufegesetz auch festgelegt, dass es in Zukunft kein Schulgeld mehr geben darf und dass die Auszubildenden einen Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung haben. Es soll in die Pflegeschulen investiert werden und auch mehr Praxisanleitung im Betrieb umgesetzt werden. Insgesamt soll das neue Gesetz also eine bessere Anpassung an die Realität in den Pflegeberufen bewirken und zudem die Ausbildung und die Pflegeberufe aufwerten und attraktiver gestalten.
Neue Personaluntergrenzen
Eine Stellschraube, an der bereits in der Vergangenheit gedreht werden sollte, sind Personaluntergrenzen für die Pflege in Krankenhäusern. Der Bundestag hatte den Verbänden Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) aufgetragen, bis Juni 2018 Personaluntergrenzen für sogenannte und nicht näher definierte pflegeintensive Bereiche festzulegen. Diese sollten im Januar 2019 dann in Kraft treten. Die Erarbeitung der Untergrenzen durch die genannten Verbände ist gescheitert. Auch wenn wir die Aushandlung und Umsetzung von Personaluntergrenzen für dringend notwendig halten, ist das Scheitern der Verhandlungen zu begrüßen. Bedenkt man, welche Akteur*innen in den Prozess eingebunden waren, durften keine substanzielle Verbesserungen erwartet werden. Das Scheitern eröffnet den Weg für die im Koalitionsvertrag von SPD und Union geplante Erhebung von Untergrenzen für alle bettenführenden Stationen, dabei muss die Seite der Pflegekräfte, insbesondere durch Vertreter*innen aus Gewerkschaften, unbedingt eingebunden werde.
Konzertierte Aktion Pflege
Das aktuelle wohl größte politische Projekt ist die konzertierte Aktion Pflege. Die konzertierte Aktion Pflege ist in Zusammenarbeit des Gesundheitsministeriums, Arbeitsministeriums und des Familienministeriums entstanden und wurde Anfang Juli vorgestellt. Im Rahmen der Aktion soll innerhalb eines Jahres ein Plan gegen den Pflegenotstand ausgearbeitet werden. Beteiligte der Initiative sind neben Bund und Ländern Verbände, Kirchen, Pflege- und Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, die Bundesagentur für Arbeit und weitere Sozialpartner*innen, die in fünf Arbeitsgruppen konkrete Maßnahmen entwickeln. Grundsätzliches Ziel der Initiative ist es, mehr Menschen dazu zu bewegen, in der Pflege zu arbeiten. Dafür sollen der Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften verbessert, die Pflegekräfte entlastet und die Pflegeausbildung gestärkt werden. Unter anderem soll auf höhere Löhne, etwa durch mehr Tarifbindung, und die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland gesetzt werden. Außerdem sollen Menschen zurückgewonnen werden, die aus der Pflege ausgestiegen sind. Im Zuge der Maßnahmen soll mehr Geld in die Pflege gesteckt werden.
Was zu tun ist
Auch wenn die Pläne der Bundesregierung zumindest den Eindruck erwecken, als wäre damit die Notwendigkeit von sowohl kurzfristigen Maßnahmen wie auch von grundlegenden Änderungen endlich erkannt worden, so müssen wir den angestoßenen Prozess doch kritisch begleiten.
Natürlich ist es sinnvoll, möglichst viele Akteur*innen an einen Tisch zu bekommen und ein gemeinsames Konzept für die Bekämpfung des Pflegenotstandes zu entwickeln, wie es aktuell durch die konzertierte Aktion Pflege geschieht. Insbesondere die Interessen der Pflegekräfte selbst, zum Beispiel vertreten durch die Gewerkschaften, müssen in diesem Prozess jedoch besonders im Fokus stehen.
Vor allem die Personalbemessung stellt für uns eine Stellschraube dar, mittels derer eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflegenden erreicht werden kann. Durch die Schaffung hoher Personaluntergrenzen können Pfleger*innen unmittelbar entlastet werden. Die Argumente für eine Steuerung durch die Personalbemessung gehen jedoch darüber hinaus. Personaluntergrenzen dienen nicht nur der Sicherung von guten Arbeitsbedingungen. Sie können auch der Gefährdung von Pflegebedürftigen, zum Beispiel durch zu langes Warten auf Unterstützung oder die Entstehung von Fehlern durch Unterbesetzung, Übermüdung oder Eile vorbeugen. Auch eine gesundheitliche Gefährdung der Pfleger*innen etwa in Form von dauerhafter Überlastung selbst kann so zum Teil verhindert werden. Wir fordern eine bundeseinheitliche gesetzliche Festlegung von Personaluntergrenzen. Diese muss an den Bedarf der Patient*innen angeknüpft werden. Denn nur wenn genug Zeit für eine bedarfsdeckende Versorgung und Pflege der*des Einzelnen bleibt, besteht auch die Chance, dass der Pflegeberuf wieder erfüllend für alle Arbeitnehmer*innen in diesem Bereich wird. Neben Zeit für die Pflege selbst, muss auch ausreichend Zeit für die Ausbildung d.h. für die Praxisanleitung von neuen Pflegekräften sein, dies muss unbedingt auch in der Bemessung von Personaluntergrenzen berücksichtigt werden. Praxisanleiter*innen sollen im Vorfeld mit ihren Schüler*innen zusammen in die Dienste eingeplant werden. Damit Praxisanleiter*innen keine Mehrarbeit haben, sollte im Vorfeld bei der Dienstplanung freie Zeit zur Praxisanleitung, abgestimmt auf Einsatzzeit der Schülerin/des Schülers, berücksichtigt und ausgeschrieben werden. Wir fordern außerdem nicht stationsgebundene sog. ’freie Praxisanleiter*innen‘, damit es durch Anleitungen nicht zu Pflegengpässen kommt und auf Stationen aushelfen können, wo nicht genügend Praxisanleiter*innen vorhanden sind oder aufgrund von Personalmangels keine Anleitungen möglich sind. Da es häufig auch vorkommt, das Stationen über keine oder abwesende Praxisanleiter*innen verfügen, muss eine Quote geschaffen werden, wie viele Mitarbeiter*innen zu Praxisanleiter*innen qualifiziert werden müssen.
Für die erhöhte Verantwortung fordern wir eine angemessene Vergütungssteigerung für Praxisanleiter*innen.
Wir fordern außerdem, dass der Mehraufwand, der in besonderen Krisensituationen, wie bei der Sterbebegleitung oder zum Beispiel bei Krisen, die durch psychische Erkrankungen entstehen können sowie in akuten Notfallsituationen eine ausreichende Abdeckung des Pflegebedarfs gewährleistet wird. Es darf nicht länger zum Standard gehören, dass in allen diesen, in der Pflege durchaus erwartbaren Situationen Menschen extrem kurzfristig einspringen müssen, um den normalen Ablauf sicherzustellen. Bei der Forderung nach der Schaffung von Personaluntergrenzen ist klar, dass bei aktuell schon zahlreichen unbesetzten Stellen in der Pflege in der Folge auch die Schließung von Betten oder Stationen möglich sind. Jedoch würde ein einfaches „Weiter so“ die aktuelle Belastung der Pfleger*innen aufrechterhalten und damit auch weiterhin dazu führen, dass Beschäftigte aus Pflegeberufen aussteigen. Außerdem sind Personaluntergrenzen ein geeignetes Mittel, um Druck auf Einrichtungen auszuüben. Durch die Schließung von Stationen oder Betten entstehen mitunter enorme Einnahmeausfälle, weswegen ein weiterer Anreiz entstehen kann, den Alltag in der Pflege zu verbessern.
Wie beschrieben gibt es eine Entwicklung dahingehend, dass Betreuungs- und Behandlungspflege auf unterschiedliche Menschen verteilt werden. Hier muss jedoch ganz deutlich gesagt werden, dass es keine Lösung ist, dem Pflegenotstand durch die Schaffung gering qualifizierter Jobs zu begegnen. Die Schaffung von prekärer Beschäftigung löst keine Probleme, im Gegenteil. Auch angesichts der aktuell neu entflammten Diskussion um die Einführung einer Dienstpflicht ist es notwendig zu betonen, dass der Mangel an Pflegekräften nicht durch Freiwilligen- oder Pflichtdienstleistende beseitigt wird. Wir lehnen diesen Versuch, durch ungelernte Kräfte den Druck auf Fachkräfte zu erhöhen, entschieden ab. Unser Ziel ist es, im Pflegebereich umfänglich gute Arbeitsplätze zu schaffen, die auch qualitativ hochwertige Pflege ermöglichen. Deshalb ist auch eine hohe Qualität der Ausbildung wichtig. Es gilt: Mehr Skill-Labs führen zu mehr Sicherheit bei den Auszubildenden und weniger Unfällen auf Station.
Die Wertschätzung und Anerkennung der Pflegeberufe wird keinesfalls nur, aber auch durch finanzielle Aspekte beeinflusst. Zu begrüßen ist deshalb das Ziel, mehr Tarifbindung im Bereich der Pflege zu erreichen. Es müssen endlich auch für diesen Bereich Flächentarifverträge ausgehandelt werden, die für alle in der Pflege Beschäftigten gelten. Im Rahmen dieser Tarifverträge muss das von allen Seiten verkündete Ziel, die Pflege aufzuwerten, auch finanziell deutlich werden. Dies darf allerdings nicht nur eine Phrase bleiben. Hierfür gilt es sich vor allem mit den Gewerkschaften zu solidarisieren und an ihrer Seite zu streiten. Insbesondere die Arbeitgeber*innen dürfen nicht negativ auf den Organisationsgrad der Beschäftigten einwirken. Mehr und bessere Tarifverträge können dazu beitragen, dass die Pflegeberufe attraktiver werden und sich mehr Menschen dafür entscheiden. In der Pflege-Ausbildung muss sichergestellt werden, dass die noch einzuführende Mindestausbildungsvergütung wirklich für alle gilt, die ausgebildet werden.
Wertschätzung wird jedoch nicht alleine durch finanzielle Aufwertung geleistet. Neben einer Sensibilisierung für den Beitrag von Pflegekräften zur medizinischen Versorgung und den Arbeitsalltag in der Pflege muss das Ziel auch sein, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die Zusammenarbeit und das Klima zwischen den unterschiedlichen Beschäftigtengruppen zu verbessern. Hier soll ein partnerschaftlicher Umgang gefördert werden, bei dem auch das Bewusstsein herrscht, dass zu einer gelingenden und guten Versorgung von Patient*innen der Beitrag aller Beteiligten gleichermaßen von Bedeutung ist.
Die Reform der Berufsausbildung mit dem Ziel, den Beruf aufzuwerten und festzulegen, für welche Tätigkeiten eine solche Ausbildung Voraussetzung ist, macht ein grundsätzliches Umdenken deutlich. Insbesondere die Forderung nach einer angemessenen Ausbildungsvergütung und die Abschaffung des Schulgeldes begrüßen wir ausdrücklich. In der Umsetzung bleibt es aber abzuwarten und kritisch zu bewerten, ob damit auch eine ausreichende Höhe der Ausbildungsvergütung sichergestellt wird.
Ein wichtiger Baustein im Zusammenhang mit der Reform der Berufsausbildung ist auch die Schaffung von Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Zu einer guten und attraktiven Arbeit gehört auch, dass die Beschäftigten sich weiter qualifizieren und spezialisieren können. Deswegen müssen solche Wege auch allen Beschäftigten offenstehen und dürfen nicht etwa an der Finanzierung scheitern. Um den Quereinstieg für Menschen mit Berufserfahrung in die Pflege zu erleichtern, sollen Externenprüfung in der Altenpflege zugelassen werden. Dieses kann unter anderem durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband geleistet werden.
Es bleibt viel zu tun, um dem Pflegenotstand zu begegnen und in Zukunft gute Arbeit in der Pflege zu verwirklichen. Für langfristig gute Bedingungen braucht es auch insgesamt Veränderungen im Gesundheitssystem dahingehend, dass nicht mehr der Profit, sondern die gute Versorgung der Menschen im Vordergrund steht. Dafür müssen wir Jusos und dafür muss die Sozialdemokratie zusammen mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften streiten.