Geburtsversorgung sichern – Existenznot von Hebammen bekämpfen

Eine ausgiebige Betreuung durch eine Hebamme ist für Gebärende und ihr eigenes Wohlbefinden während der Geburt von hoher Bedeutung. Diese Bedeutsamkeit greift auch die S3-Leitlinie auf, welche empfiehlt, dass Gebärende ab der aktiven Eröffnungsphase[1] durch eine Hebamme Eins-zu-Eins betreut werden müssen. Mithilfe einer Eins-zu-Eins-Begleitung, welche mindestens zu 80% der Zeit erfolgen soll, werden zahlreiche Vorteile für Gebärende ermöglicht. Hierzu gehört auch, dass Gebärende durch die geburtsbegleitende Hebamme die beste emotionale Unterstützung, sowie kontinuierlich weitere Informationen über den eigenen Geburtsfortschritt erhalten. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass eine umfassende Betreuung zu mehr vaginalen Geburten und zu weniger Kaiserschnitten führt.

Allerdings kann aktuell das empfohlene Betreuungsmodell in vielen Fällen in Krankenhäusern nicht ausgeführt werden. Dieses liegt, unter anderem, dem ständig wachsenden Personalmangel in der Geburtshilfe zugrunde. Woraufhin immer mehr Gebärende zur gleichen Zeit betreut werden müssen. Dementsprechend sind Entbindende auch immer häufiger und länger während der Geburt auf sich allein gestellt. Des Weiteren löst der stetig wachsende Personalmangel zunehmend Versorgungsengpässe in der stationären Hebammenversorgung aus. Insbesondere freiberufliche Hebammen, welche Geburtshilfe anbieten, scheiden immer häufiger aus dem Berufsfeld aus.

Der wachsende Personalmangel in der Geburtshilfe wird insbesondere durch die gesetzlich vorgeschriebene Berufshaftpflichtproblematik für Beleghebammen begünstigt. Während die Haftpflichtbeiträge in den letzten Jahren rasant gestiegen sind, zogen die Vergütungen für Geburtsbegleitungen kaum nach. An dieser Stelle ist zu beobachten, dass freiberufliche Hebammen, welche zusätzlich Geburtshilfe anbieten am stärksten von hohen Haftpflichtbeiträgen betroffen sind. Für diese Berufsgruppe werden monatlich Beiträge von bis zu 900€ und mehr fällig. Zwar können freiberufliche Hebammen einen Antrag auf einen Sicherstellungszuschlag stellen. Jedoch kann dieser nur rückwirkend bewilligt werden. Anders formuliert, freiberufliche Hebammen müssen zunächst in Vorleistung gehen. Des Weiteren kann die gesetzlich vereinbarte Mindestmenge in der Geburtshilfe nicht von jeder Hebamme erreicht werden, weswegen nicht jede ein Recht auf den Sicherstellungszuschlag erhält. Überdies hinaus ist anzumerken, dass Privatpatient*innen nicht mit in die Berechnung der Mindestmenge mit einfließen.

Die hohen Haftpflichtbeiträge führen zunehmend dazu, dass viele Hebammen ihre eigene Existenz nicht mehr durch ihr generiertes Einkommen sichern können. Im Zuge dessen scheiden immer mehr freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, aus ihrem Beruf aus. Gleichzeitig erhöht sich hierdurch für die verbliebenen Geburtshelfer*innen die Arbeitsbelastung, die wiederum zu weiteren Berufsaustritten führt. Aufgrund dieser benannten Faktoren wird der Beruf für potenzielle Berufseinsteiger*innen stetig unattraktiver. Weswegen die Hebammenversorgung in Deutschland nach aktuellem Stand nicht zukunftsfest ist.

Hebammen muss es ermöglicht werden von ihrer erbrachten Arbeit ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Damit dieses jedoch erreicht werden kann, bedarf es einer umfassenden Lösung der Berufshaftpflichtproblematik, welche über die bisherigen Ansätze hinausgeht.

Aufgrund dessen fordern wir:

  • eine garantierte Gewährleistung des Sicherstellungszuschlags für Hebammen, die Geburtshilfe anbieten
  • Die Entwicklung und Einführung von Lösungsansätzen bzgl. der Hebammenhaftpflichtproblematik
  • Zusätzliche Strategien, um den Beruf attraktiver und zugänglicher für Schüler*innen zu machen.
  • eine Anpassung der Vergütungen für Geburtsbegleitungen an die Inflation

[1] Die aktive Eröffnungsphase beginnt, wenn der Muttermund 5cm weit geöffnet ist und regelmäßig Wehen zeigen, dass die Geburt weiter voranschreitet