Ich sehe was, was du nicht siehst

46,8 Millionen Personen in Deutschland tragen eine Brille. Die meisten davon müssen für ihre Sehhilfe selbst aufkommen, da die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Sehhilfen bei Erwachsenen nur unter strengen Voraussetzungen übernehmen. Diese Tatsache stellt in vielen Fällen eine finanzielle Belastung dar. Davon sind insbesondere einkommensschwache Familien, Studierende, Auszubildende, Arbeitssuchende und Rentner*innen betroffen. Wir sollten uns daher nicht damit abfinden, dass der Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung vom individuellen Einkommen abhängt.

Bis 2003 wurden die Kosten für gesundheitlich notwendige Sehhilfen von den gesetzlichen Krankenkassen in voller Höhe übernommen. Danach wurde die Gesetzgebung geändert, sodass Sehhilfen jetzt nur noch unter strengen Voraussetzungen bezahlt werden.

Die Änderung basiert dabei nicht auf gesundheitlichen Erkenntnissen, sondern auf der Tatsache, dass die Versicherungen das Geld für die Kostenerstattungen einsparen wollen.

Dabei sind Sehhilfen gesundheitlich notwendige Hilfsmittel. Menschen mit einer Sehschwäche können darauf nicht verzichten und Krankenkassen sollten dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für Brillen bei Erwachsenen nur, wenn die Sehschärfe nach der Korrektur maximal 30 % beträgt, ein Refraktionsfehler von mindestens sechs Dioptrien bei Kurz- oder Weitsichtigkeit (Myopie und Hyperopie) oder von mindestens vier Dioptrien bei einer Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) nachgewiesen wird.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag entstehen allerdings schon bei geringerer Sehschwäche. Eine Sehhilfe wird von Ärzt*innen und Optiker*innen bereits ab einem Refraktionsfehler von 0,25 Dioptrien verordnet. Daher sollten auch die Krankenkassen bereits ab diesen geringen Werten die Kosten für eine Sehhilfe übernehmen.

Dazu kommt, dass im Fall einer Kostenerstattung nur Festbeträge für Brillengläser gezahlt werden. Die tatsächlichen Kosten übersteigen diese Sätze aber in den meisten Fällen und der über die Festbeträge hinausgehende Betrag muss selbst gezahlt werden. Diese Handhabung führt dazu, dass Personen, die eine Erstattung erhalten, dennoch einen hohen Eigenanteil leisten müssen.

Bei den Mehrkosten handelt es sich hauptsächlich um die Entspiegelung und die Härtung von Brillengläsern. Beide Maßnahmen sind aus gesundheitlichen Gesichtspunkten unbedingt notwendig. Es handelt sich also nicht um Schönheitsmaßnahmen, sondern um eine grundlegende medizinische Versorgung. Daher müssen auch diese Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Die Regelung betrifft dabei nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder unter 18 Jahren, da die Festbeträge auch bei der Kostenerstattung von Sehhilfen bei Kindern Anwendung finden.

Außerdem werden Brillengestelle bei Erwachsenen grundsätzlich nicht übernommen. Beitragszahler*innen müssen also auch diese Kosten in voller Höhe tragen, obwohl die Aufwendungen bei einer Sehschwäche unvermeidbar sind.

Ein deutlicher Unterschied zeigt sich bei der Thematik zwischen den privaten und den gesetzlichen Krankenversicherungen. Die privaten Krankenkassen erstatten in den meisten Fällen die Kosten für eine Sehhilfe bei Erwachsenen in voller Höhe, während die gesetzlichen Versicherungen häufig gar keine Kosten übernehmen. Auf diese Weise wird die Ungleichheit zwischen privater und gesetzlicher Versicherung weiter verstärkt.

Eine weitere Problematik ergibt sich bei der Verordnung von Schulsportbrillen. Dies ist bisher nur für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren möglich. Die Teilnahme am Sportunterricht für Personen, die 18 Jahre und älter sind, sollte jedoch weiterhin auch mit Sehhilfen möglich sein. Daher sollten Schulsportbrillen auch für Personen, die bereits 18 Jahre alt, aber noch schulpflichtig sind, in den Kassenleistungen enthalten sein.

Für uns sind Sehhilfen ein Grundrecht, da sie zur grundlegenden medizinischen Versorgung gehören. Jede Person in Deutschland muss ohne finanzielle Hürden das Recht auf eine Sehhilfe haben.

Daher fordern wir:

  • Eine Änderung des §33 im fünften Sozialgesetzbuch und der Hilfsmittelrichtlinien, sodass die Kosten für verordnete Brillengläser für Erwachsene unabhängig von der Stärke und Sehbeeinträchtigung von den gesetzlichen Krankenkassen in voller Höhe übernommen werden
  • Übernahme der Kosten für ein Brillengestell alle fünf Jahre unabhängig vom Alter
  • Wegfall der Festbeträge für Brillengläser, sodass auch komplexere, entspiegelte und gehärtete Gläser bezahlt werden
  • Übernahme der Kosten für eine Sportbrille