Lützerath als Symbol wahrnehmen – Klimapolitische Wende, jetzt!

In Lützerath haben sich bis zu 35.000 Menschen versammelt, um gegen die Entscheidung der NRW-Landesregierung über Lützerath zu demonstrieren. Gegen jetzt bestehende Gesetze zu demonstrieren zeigt, dass die Enttäuschung der Bevölkerung über die Klimapolitik dieser und der vergangenen Legislaturen nun ausbricht. Die klimapolitische Stagnation bringt nicht nur Enttäuschung mit sich, sondern führt uns in eine große Gefahr. Unser CO2-Budget ist mittlerweile sehr begrenzt, ab 01/2023 nur 25 Mio t CO2, um die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten. Wichtig ist das Verständnis diese Grenze nicht als “Ziel” anzusehen, wie gewisse Politiker*innen es vermarkten, sondern eine Voraussetzung, um die künftigen Generationen vor klimatischen Katastrophen zu schützen. In diesem Antrag sollen der selbsternannte “Klimakanzler” Olaf Scholz und die handelnde Bundesregierung sowie die SPD aufgerüttelt und auf den klimapolitisch richtigen Pfad gebracht werden. Besonders im Bereich Verkehr, Gebäude, Energie und Produktion sollen klimafreundliche Leitlinien vorgestellt werden. Außerdem sollen Konzepte wie der CO2-Emissionshandel und die CO2-Steuer unter die Lupe genommen werden. Zudem muss über die Kommunikation und die Aufklärung der Zivilbevölkerung hingewiesen werden, welche die stattgefundenen Hinterzimmergespräche nur schwer nachvollziehen kann. Wir müssen Transparenz in der Politik schaffen und die enttäuschten Menschen nicht diskreditieren, sondern ihnen zuhören. Die Lützerath-Demonstration ist ein Resultat aus der Perspektivlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, gegen die die Regierung nicht entgegenwirkt. Die 1,5°C-Grenze wurde noch nicht überschritten, es besteht also noch Hoffnung und Handlungsspielraum. Das müssen wir als SPD auch vermitteln und umsetzen.

Die 1,5°C-Grenze und die Kohle unter Lützerath

Es gab Unklarheit bzgl. der Studienlage, die sich mit der Energieversorgung, also dem Strombedarf und der schon verfügbaren Kohle im rheinischen Revier, auseinandersetzt. Die DIW Studie von 2022 schreibt dazu, dass der Erhalt von Lützerath möglich wäre, etwa durch die Abbaggerung der Außengebiete von Garzweiler II. Die Aurora Studie von 2022 kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass der Erhalt möglich wäre. Die BET Studie von 2022, welche die Zahlen von RWE selbst zur Bewertung nutzt, kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Unter anderem seien Sicherheitsmaßnahmen, wie etwa die Steile an den Grenzgebieten, nicht berücksichtigt worden. Nichtsdestotrotz steht fest, dass auch mit dem Erhalt von Lützerath und geringerem Strombedarf die Fördermenge für die 1,5°C-Grenze überschritten werden würde, wie die DIW Studie von 2023 zeigt. Lässt man also alle weiteren Punkte außer Acht, könnte man zu dem Schluss kommen, es stehe Aussage gegen Aussage. Jedoch ist dies nur eine Sichtweise der Argumentation und berücksichtigt dabei nicht, dass die fossile Industrie Tatsachen verschleiert und von der Abbagerung Lützeraths profitiert, gemäß dem Artikel Science 2023. Ohne die Kohle unter Lützerath können die Kraftwerke noch vier bis fünf Jahre betrieben werden. Der Deal mit der NRW-Regierung sieht vor, dass nach 2030 die Kohle unter Lützerath, sofern der Energiebedarf besteht, weiter gefördert wird. Die Braunkohle unter Lützerath ist also weder gefördert noch verfeuert worden, es besteht demnach noch Hoffnung, die 1,5°C-Grenze und damit das Ziel der Ampel-Regierung, bis 2030 klimaneutral zu sein, einzuhalten. Noch besteht also die Möglichkeit, politisch etwas zu bewirken. Deshalb fordern wir:

  • Die 1,5°C-Grenze darf nicht überschritten werden. Dafür sollten die Kohleverstromung und der nationale, kurzfristige Strombedarf keine Schranke sein. Das setzt eine starke Verringerung des CO2-Ausstoßes voraus, der in dem NRW-RWE Deal nicht vereinbart wurde. RWE muss also sowohl 2030 endgültig aus der Kohle raus und darf bis dahin höchstens so viel verstromen, wie der Handlungsspielraum vor dem Deal war. Dazu müssen die zum Teil von RWE billig eingekauften CO2-Zertifikate aus der Vergangenheit gelöscht werden.
  • Der Energiebedarf muss drastisch gesenkt werden, besonders in den Sektoren Verkehr und Gebäude.
    • Mobilität: Bis 2030 soll Deutschland das klimafreundlichste und engmaschigste Mobilitätsangebot weltweit bieten. Dabei gilt es die soziale Dimension von Mobilität und die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen sowohl in Ballungszentren als auch in weniger besiedelten Räumen mitzudenken. Unser langfristiges Ziel bleibt der ticketlose ÖPNV.
    • Wohnen: Bis 2030 soll die öffentliche Hand massiv in den Wohnungsbau investieren. Das ist sowohl für die Ballungsräume mit ihrem Wohnungsmangel als auch für weniger dicht besiedelte Räume relevant, in denen etwa Smart-Home-Lösungen einen besseren Zugang zu medizinischer Infrastruktur ermöglichen können.

Es ist für das Klima nicht entscheidend, ob die Braunkohle nach 2030 nicht mehr hier, sondern woanders verstromt wird. RWE handelt jetzt schon mit den CO2-Zertifikaten und verkauft sie ins Ausland. Das EU-Recht hat einen speziellen Passus, der es ermöglicht, die überschüssigen CO2-Zertifikate zu löschen. Das deutsche Recht erlaubt es aber nicht, so viele zu löschen, wie es nach EU-Recht möglich wäre. Die Berechnung der richtigen Menge wurde verkompliziert.

  • Deshalb fordern wir eine Vereinfachung der Berechnung des Gutachtens und eine Reform des deutschen Gesetzes, welche im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel ist.

Ausbau der Erneuerbaren Energien

  • Wir brauchen einen sofortigen Aktionsplan bezüglich einer Offensive im Ausbau erneuerbarer Energien. Dafür sollen auch Investor*innen stärker subventioniert werden, die Forschung in diesem Thema Investitionszuschüsse bekommen und internationale Strategien zum Pariser Abkommen umgesetzt werden.
  • Es braucht einen Abbau bürokratischer Hürden, wenn es um den Bau und den Nutzen von erneuerbaren Energien geht. Jahrelange Diskussionen bis zur Umsetzung des Ausbaus müssen aufhören.
  • Wir müssen den gesetzlich festgelegten Mindestabstand von Windrädern verringern. Die 10-H-Regel und der Abstand von 1000 m sind ein Hindernis dieses Ziels und müssen reformiert werden. Um die Klimaneutralität 2030 zu erreichen, muss jetzt aktiv in den Ausbau von On- und Offshore- Anlagen investiert werden.
  • Solaranlagen im privaten und öffentlichen Sektor müssen attraktiver werden. Zudem müssen Solarpanels auf neuen und öffentlichen Gebäuden, wo eine entsprechende Effizienz gegeben ist, verpflichtend sein, aber dadurch entstanden Kosten dürfen nicht auf Mieter*innen umgelegt werden. Solarpanels können klimafreundlich recycled und durch das Repowering von PV an bestimmten Standorten effizienter werden. Deshalb müssen Investor*innen, die in diesem Sektor arbeiten, zusätzlich gefördert werden. Ebenso müsste gesetzlich geregelt werden, dass bestimmte Anteile an recycelten Materialien wieder verwendet werden sollten.
  • Die Anschaffung kleiner Speicheranlagen für den Einsatz etwa im Wohnhaus muss subventioniert werden. Langfristig sollte eine technisch sinnvolle, zentrale Speicherquelle ausgebaut werden. Das Speichern von Energie muss hierbei subventioniert und für die Verbrauchenden finanziell attraktiver gestaltet werden. Dazu müssen Abgaben und Umlagen bezüglich der Speicherung und Beziehung von Strom aus den Netzen neu geordnet werden, sodass eine Doppelbelastung von Stromspeichern vermieden wird.
  • Die Produktion von Photovoltaik-Anlagen in Deutschland und Europa muss durch staatliche Anreize ausgebaut werden. Dafür muss Deutschland sicherstellen, dass an den Produktionsstandorten die Arbeitsbedingungen sozialgerecht, sowie die Herstellung möglichst klima- und umweltfreundlich sind.
  • Wir fordern den Ausbau intelligenter Stromzähler. Mit ihnen kann der Stromverbrauch effizienter gestaltet und erneuerbare Energie besser eingesetzt werden.

Klimaneutrale Produktion

Um bundesweit das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen auch die Herstellung und der Transport aller Konsumgüter auf Verfahren umgestellt werden, die ohne eine Netto-Emission von CO2 auskommen. Deswegen fordern wir:

  • NRW braucht ein Zukunftskonzept für die Industrie als Grundlage für eine tiefgreifende Debatte um die Gestaltung der nationalen Energiewende voranzutreiben. Dabei muss die Politik die Bereitschaft zur klimaneutralen Produktion fördern, erweitern und durch breite Investitionen in Forschung auf die Industrie in NRW ausweiten. Wir fordern eine staatliche Förderung der Entwicklung von klimaneutralen Produktionsverfahren in allen Wirtschaftsbereichen.
  • Wir fordern, dass die Interessen von sozialer Absicherung und ökologischer Nachhaltigkeit vereint und zukunftsorientierte Arbeitsmarktperspektiven für die Industrie aufgezeigt werden. Des Weiteren wollen wir die Abwendung von der Idee der sozialpolitischen Einzelmaßnahmen als Grundstein für den Transformationsprozess.
  • Wir brauchen eine sozialpolitische Absicherung, vor allem durch eine Stärkung von Aus- und Weiterbildung. Dafür halten wir die Einführung einer umlagefinanzierten Ausbildungsplatzgarantie, die allen Jugendlichen das Recht auf eine betriebliche Ausbildung zusichert, für geboten. Gemeinsam mit den DGB Gewerkschaften kämpfen wir für gute Ausbildung im ganzen Land!
  • Außerdem werden Netzwerke, die den Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und Betrieben herstellen, benötigt, die finanziell gestärkt werden sollten.

Der Ausstieg bis 2030 und die Arbeitnehmenden

Das Thema ,,Lützerath bleibt” löste auch zurecht bei Arbeitnehmenden von RWE große Sorgen in Bezug auf ihre Beschäftigungssicherheit und Existenzen aus. Gemeinsam an der Seite der Gewerkschaften muss es für uns ein Selbstverständnis sein, sich mit den Beschäftigten zu solidarisieren. Die Interessen von Arbeitnehmenden und Umweltschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Stattdessen müssen die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit benannt und RWE bei ihrer kapitalistischen Profitmaximierung auf Kosten der Arbeitnehmenden gestoppt werden. Mit den Gesetzen zum Kohleausstieg im Jahr 2030 für Tagebaue im rheinischen Revier wurden weitgehend umfängliche Vereinbarungen zwischen Bund, RWE und den Arbeitnehmenden getroffen. Um den vorgezogenen Ausstieg nachhaltig zu gestalten, wurden Um- und Weiterbildungen sowie Übereinkommen zum vorzeitigen Ruhestand geregelt, etwa Ausgleichszahlungen für die Abschläge bei der Rente. Dieser Fahrplan soll sicherstellen, dass keine Arbeitnehmenden fallen gelassen werden. Ihre soziale Sicherheit darf nicht gefährdet werden. Mit Blick auf die bestehenden Vereinbarungen und der Notwendigkeit, das 1,5 Grad Ziel einzuhalten und der gleichzeitigen Verantwortung für einen erfolgreichen Strukturwandel, fordern wir:

  • Das Jahr 2030 bleibt als Ausstiegsdatum bei reduzierter Abbaumenge bestehen. Auch wenn weniger Braunkohle abgebaut wird, als derzeit vereinbart wurde, dürfen keine Arbeitnehmenden in Unwissenheit gelassen und ihre Arbeitsplätze einfach abgebaut werden. Die ausgehandelten Verträge, welche die soziale Sicherheit der Arbeitnehmenden sichern, müssen auch mit dem Ausstieg 2030 und reduzierter Abbaumenge gelten.
  • Für uns muss im Sinne unseres sozialistischen Selbstverständnis klar sein, dass der Kampf gegen die Klimakrise ein antikapitalistischer ist und wir weiterhin im Austausch mit den Gewerkschaften an deren Seite für die Sicherheit von  Arbeitnehmenden kämpfen.

Finanzierung

Das Ziel der Klimaneutralität ist nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand zu erreichen. Berücksichtigt man jedoch, dass die Kosten für Folgeschäden der Klimakatastrophe, etwa durch Naturkatastrophen, stetig ansteigen, bleibt Prävention die beste Lösung. Die Dividende aus Schulden, welche für das Erreichen der Klimaneutralität gemacht wurden, sind geringere Kosten für Klimakatastrophen-Anpassungen in der Zukunft. Deshalb fordern wir:

  • Die Schuldenbremse muss wieder aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen gestrichen werden. Der Fiskalpakt der Europäischen Union muss aufgekündigt und neu verhandelt werden mit dem Ziel, fiskalische Stabilität nicht mehr gegen Innovationsfähigkeit auszuspielen.
  • Die Abschaffung aller klimaschädlichen Subventionen.
  • Eine steuerliche Mehrbelastung für hohe Einkommen, Vermögen und Kapital zu Gunsten der klimapolitischen Wende.

Sozialgerechte und transparente Klimapolitik

Um Klimaschutz sozialgerecht zu gestalten, müssen die Menschen berücksichtigt werden, die sich wegen finanzieller und/oder zeitlicher Ressourcen keine klimafreundlichen Alternativprodukte leisten können. Ebenso muss für die Klimakatastrophe sensibilisiert und über globale, sowie intersektionale Aspekte aufgeklärt werden. Die Klimafreundlichkeit von Produkten muss für die Verbrauchenden transparent sein. Daher fordern wir:

  • Anreize durch steuerliche Bevorteilung von klimafreundlichen Produkten.
  • Eine klare, genormte Kennzeichnung klimafreundlicher Produkte mit einheitlichen Standards und Definitionen.
  • Die Stärkung des Wissens und des Bewusstseins um die Klimakrise und die Existenz um klimafreundliche Alternativen zu Konsumprodukten durch staatliche Kampagnen.
  • Wir fordern eine sozialgerechte Klimapolitik, die insbesondere die Auswirkungen des Klimawandel und der politischen Maßnahmen für armutsbetroffene Menschen mitdenkt und armutsbetroffene Menschen vor diesen Folgen schützt.