Klimaprotest ist kein Verbrechen!

Der klimapolitische Diskurs der letzten Monate ist geschädigt durch billige konservative Meinungsmache. Diese fällt zu Lasten derer, die sich für einen konsequenten Klimaschutz einsetzen – es werden jene kriminalisiert und stigmatisiert, die mit allen friedlichen Mitteln versuchen, die Öffentlichkeit für Klimaschutz zu sensibilisieren.

Die historische Notwendigkeit zivilen Ungehorsams 

Die Praxis des zivilen Ungehorsams hat eine lange, erfolgreiche Tradition; nicht nur in Deutschland haben zivilgesellschaftliche Bewegungen ihre Ziele gegen eine rückschrittliche Politik ihrer Zeit durchsetzen können. Feministische und antirassistische Bewegungen machten mithilfe zivilen Ungehorsams auf drängende Missstände ihrer Zeit aufmerksam. Zivilen Ungehorsam zeichnet sein gewaltfreier Charakter aus. Prominente Beispiele für erfolgreiche Akte zivilen Ungehorsams finden sich im Kampf für das Frauenwahlrecht, gegen rassistische Gesetze, für die Rechte queerer Menschen. All diese Bewegungen haben durch die bewusste Missachtung einer Gesetzgebung, die Menschen über Jahrzehnte und Jahrhunderte unterdrückt und geschadet hat, Veränderungen bewirkt. Sie mussten Repressionen, Hass und Gewalt erfahren von einem System, das sich nicht nur gegen ihre Ziele, sondern auch gezielt gegen sie als Menschen gerichtet hat.

Polizeigewalt auf Kundgebungen und Demonstrationen in Deutschland richtet sich – historisch gewachsen – in der Tendenz gegen progressive Kräfte, die gegen Herrschaftsverhältnisse und gerade auch umweltpolitische Schieflagen demonstrieren. Auf Demonstrationen der Anti-Atomkraftbewegung, für die prominente Beispiele in den 1970er und 1980er Jahren liegen, ging die Polizei häufig mit extremer Gewalt gegen die Protestierenden vor. So setzten sich beispielsweise am 28. Februar 1981 zehntausende Demonstrierende in Brokdorf über ein Demonstrationsverbot hinweg, das aufgrund erwarteter Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und Polizei verhängt wurde – unrechtmäßigerweise, wie das Bundesverfassungsgericht einige Jahre später urteilte.

Die Klimabewegung hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten international eine zentrale Rolle bei der Schaffung von Bewusstsein für den klimapolitischen Handlungsdrang gespielt. Konservative Kräfte haben stets versucht, dieses Bewusstsein zu verhindern oder zumindest zu unterdrücken. Seitdem der Klimaschutz durch öffentliche Proteste wieder eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Diskurs spielt, werden Gruppierungen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, immer wieder zur Zielscheibe der politischen Gegner*innen einer klimagerechten Welt. Denn diese würde zwangsweise dazu führen, dass die Kapitalist*innen weder Mensch noch Natur in dieser Form ausbeuten dürfen, wie sie es derzeit tun. Es war die Klimabewegung, die sich der staatlichen Durchsetzung von Profitgier und Konzerninteressen in Lützerath entgegengestellt hat. Auch dort begegnete ihr der deutsche Staat mit überschießender Polizeigewalt statt Verhältnismäßigkeit.

Wir erkennen den zivilen Ungehorsam verschiedener Gruppierungen in der Klimabewegung als solchen an und verurteilen ungerechtfertigte Kriminalisierungsversuche des konservativen Lagers, die einzig und allein die Delegitimation der Ziele der Bewegung unter dem Deckmantel einer “Law and Order”- Politik zum Ziel haben. Die Bezeichnung von Aktivist*innen als “Klimaterroristen” stellt etwa eine falsche und schwerwiegende Anschuldigung dar, die Klimaprotest als gefährlich und antidemokratisch darstellen will. Statt den Klimaprotest zu delegitimieren, solidarisieren wir uns mit der Klimabewegung und ihren Zielen. Wir wollen zurückkehren zu einem sachlichen Diskurs darüber, wie wir Klimagerechtigkeit erreichen können und weg von autoritärer Delegitimierung des Klimaprotests.

Die Kriminalisierung der Klimabewegung und des Klimaprotests als solchem ist nicht verhältnismäßig und eine Ausprägung der Gewaltspirale, die nicht zuletzt durch politisch initiierte Razzien zu gesellschaftlicher Stimmung und Stigmatisierungen gegen Aktivist*innen führt. Eine sprachliche Eskalation in Form der Bezeichnung von Aktivist*innen als “Klimaterroristen” trägt dieser Stigmatisierung – die auch im polizeilichen Umgang mit den Aktivist*innen Anklang zu finden scheint – zusätzlich bei. Es steht für uns fest, dass der politisierte Einsatz der Exekutive gegen Klimaaktivist*innen, zum Beispiel in Form von nur schwer begründbaren Razzien, Präventivhaft und unbegründbar eingesetzten Schmerzgriffen, zu verurteilen ist.

Die Räumung von Lützerath, die weitreichende Unzugänglichkeit politischer Kräfte für die Anliegen der Klimabewegung, die um sich greifende “Klima ja, aber so nicht”- Haltung, die verheerende Folgen für Mensch und Natur, allen voran jene im globalen Süden bedeutet, und die Debatte über die Sinnhaftigkeit einzelner Protestaktionen für den Klimaschutz sind einige der jüngsten Beispiele dafür, in welche Schieflage der Diskurs der deutschen Öffentlichkeit über Klimafragen geraten ist.

Wir wollen den bisherigen Erfolg dieser Denunziationen und Ablenkungen nicht weiter hinnehmen. Deshalb fordern wir: Schluss mit der Kriminalisierung des Klimaprotests, Solidarität mit der Klimabewegung!

Die „Letzte Generation“ ist keine kriminelle Vereinigung

Hitzig diskutiert wurde in den vergangenen Monaten, ob es sich bei der letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelt. Die Norm weist eine lange Geschichte als Mittel zur Verfolgung oppositioneller Gruppen auf.  Vorherige Normen richteten sich speziell gegen Vereinigungen mit politischer Ausrichtung. Wer nach dem heutigen § 129 StGB Mitglied einer kriminellen Vereinigung wird oder sie anderweitig unterstützt, macht sich nicht nur strafbar, sondern kann bereits im Verdachtsfall Objekt verschiedener Ermittlungsmaßnahmen, etwa der Telekommunikationsüberwachung, werden. So kam es Ende letzten Jahres bundesweit zu Hausdurchsuchungen bei Personen, die der Gruppe „Letzte Generation“ zugeordnet wurden. § 129 StGB, an den dabei angeknüpft wurde, ist auch heute keinesfalls eine unproblematische Norm. Sie knüpft mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht an Verhaltensweisen an, die für sich genommen die Rechtsgüter von Personen verletzen. Stattdessen wird der strafbare Bereich zeitlich vorverlagert. Ab wann eine Unterstützungshandlung vorliegt, ob hierfür bereits Spenden ausreichen, wird vom Gesetz dabei nicht näher konkretisiert. Jenseits des Verbesserungsbedarfs an der Norm selbst gilt es festzustellen, dass die „Letzte Generation“ keine kriminelle Vereinigung in diesem Sinne darstellt. So ist eine Vereinigung nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB vom Tatbestand ausgeschlossen, wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist. Etwaige Straftaten der „Letzten Generation“ erreichen nicht die Erheblichkeitsgrenze, die aus der Ausnahmevorschrift gefolgert wird. Kennzeichnend für ihr Erscheinungsbild sind schließlich nach wie vor die Straßenblockaden. Zudem sind etwaige strafbare Handlungen gerade nicht das Hauptziel der Bewegung, die in erster Linie eine klimafreundlichere Politik erreichen will. Selbst die Staatsanwaltschaft Berlin stellte in einem Beschluss bereits fest, dass die Anliegen der Aktivist*innen „im Einklang mit der Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen stehen”. Schutzzweck der Norm bilden die öffentliche Sicherheit und der innere Frieden. Diese Rechtsgüter sind bedroht, wenn Vereinigungen ein Klima der Angst schaffen, nicht aber, wenn sie sich fürs Klima auf die Straße kleben. Grundlegende Rechtsgüter wie Leib und Leben werden dabei nicht angegriffen. Die Strafverfolgungsbehörden bewegen sich über die Grenzen des § 129 StGB hinaus, wenn sie Wohnungsdurchsuchungen wegen einer mutmaßlichen Mitgliedschaft zur „Letzten Generation“ durchführen. Für die Stigmatisierung von ihnen, der „Letzten Generation“ und den Klimaprotesten insgesamt bedarf es dabei gar nicht erst einer tatsächlichen Strafbarkeit. Bereits die Ermittlungen, die Prüfung des Verdachts, der viele Monate dauern kann, beeinträchtigen die Grundrechte der Betroffenen erheblich und können zu einer gesellschaftlichen Distanzierung von der Gruppe und ihren berechtigten Anliegen führen. Schon das Ermittlungsverfahren hat somit fatale Wirkungen.

Wir fordern,

  • Den Wortlaut von § 129 Abs. 1 StGB dahingehend zu konkretisieren, dass es sich bei den angestrebten Straftaten um schwere Straftaten im Sinne von § 100a Abs. 2 StPO handeln muss.
  • In § 129 StGB näher zu bestimmen, wann eine strafbare Unterstützungshandlung vorliegt.
  • Die „Letzte Generation“ nicht als vermeintliche kriminelle Vereinigung zu stigmatisieren.

Der Präventivgewahrsam: Überbordende Befugnisse zur Gefahrenabwehr

Eine polizeiliche Maßnahme, die sich im Umgang mit Klimaaktivist*innen großer Beliebtheit erfreut ist der Präventivgewahrsam. So wurden Ende 2022 bereits einige Aktivist*innen in Bayern fast einen Monat lang auf diesem Wege inhaftiert. Dabei lohnt es sich, einen kritischen Blick in die Polizeigesetze zu werfen: Mit dem Präventivgewahrsam kann eine Person vorsorglich in Haft genommen werden. Die Freiheitsentziehung erfolgt dann nicht, um eine Strafe wegen begangener Taten zu vollziehen, sondern um potenzielle künftige Straftaten zu verhindern. Im Gegensatz zu einer Haftstrafe geht dem Präventivgewahrsam damit auch kein Strafverfahren voraus, in dem sich die Betroffenen umfassend verteidigen können. Eine Freiheitsentziehung stellt jedoch einen der schwerwiegendsten staatlichen Eingriffe dar und unterliegt hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die konkreten Voraussetzungen (beispielsweise, wann es einer richterlichen Anordnung bedarf) und das zeitliche Ausmaß des Präventivgewahrsams hängen von den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes ab. Die Ausweitung der Befugnis zum Präventivgewahrsam in zahlreichen Bundesländern betrachten wir kritisch. Beispielsweise konnten in NRW Personen zunächst höchstens bis zum Ende des Tages nach der Ingewahrsamnahme festgehalten werden. Mit dem Sicherheitspaket I im Jahr 2018 wurde die Maximaldauer auf 28 Tage erweitert. In Bayern ist zurzeit eine Präventivhaft von bis zu 30 Tagen vorgesehen, die um einen weiteren Monat verlängert werden kann. Hessen (6 Tage), Brandenburg (4 Tage) und Berlin (2 Tage) zeigen jedoch, dass eine deutlich kürzere Haftdauer für eine effektive Gefahrenabwehr ausreicht. Während eines solchen mehrtägigen Gewahrsams ist es schließlich möglich, mildere Maßnahmen, beispielsweise solche zur Aufenthaltsüberwachung oder Observation bereitzustellen. Etwa in Fällen häuslicher Gewalt kann auch eine präventive Haft von mehreren Tagen durchaus sinnvoll und gerechtfertigt sein. Auf diesem Wege wird den gefährdeten Frauen ausreichend Zeit verschafft, um sich eine neue Unterkunft zu suchen. Eine Dauer, die wenige Tage überschreitet, kann für den Präventivgewahrsam hingegen nicht zulässig sein. Schließlich ist Zweck der Maßnahme die Verhinderung konkreter, in einer bestimmten kurzen Zeitspanne drohender Straftaten. Andernfalls verwischen die Ermächtigungsgrundlagen in den Polizeigesetzen die Grenze zur repressiven Strafverfolgung und bieten ein erhebliches Missbrauchsrisiko dafür, zum allgemeinen Abschreckungsinstrument zu werden.

Wir fordern daher:

  • Der Präventivgewahrsam sollte in allen Bundesländern eine Maximaldauer von 48 Stunden nicht überschreiten.
  • Die Anordnung des Präventivgewahrsams soll nur unter den engen Voraussetzungen erfolgen können, etwa wenn dies erforderlich ist, um Leib oder Leben einer Person zu schützen.

Schmerzgriffe: Eine polizeiliche Praxis am Rande der Legalität

Schmerzgriffe sind ein Sammelbegriff für verschiedene Techniken, die durch körperliche Einwirkung auf schmerzempfindliche Körperstellen starke Schmerzen erzeugen und so den Willen der Betroffenen beugen sollen. Unmittelbares Ziel ihrer Anwendung ist der Schmerz selbst, der erreichen soll, dass die Betroffenen polizeilichen Anweisungen folgen. Anders verhält es sich beim Wegtragen von Blockierer*innen, das in aller Regel keine Schmerzen verursacht bzw. nur solche, die unbeabsichtigte Nebenfolge des Tragens sind. In den sozialen Medien kursierten in diesem Jahr Videos, die offenbar polizeiliche Anwendungen von Schmerzgriffen gegenüber Klimaaktivist*innen zeigten und nun Gegenstand von Gerichtsverfahren sind. Schließlich ist das Zufügen von Schmerzen nur in dem Maße erlaubt, wie es erforderlich ist. Auch wenn sie die Vollstreckung einer polizeilichen Maßnahme beschleunigen oder vereinfachen, reicht das zu ihrer Legalität lange nicht aus. Solange beispielsweise eine Sitzblockade auch durch das Wegtragen der Blockierer*innen mit Hilfe mehrerer Polizist*innen beendet werden kann, bedarf es keiner Zufügung von Schmerzen. Schmerzgriffe sind dann schlicht unverhältnismäßig und rechtswidrig. Das gebietet das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das menschenrechtliche Folterverbot. Aber auch die Versammlungsfreiheit verlangt das Unterlassen von Schmerzgriffen: Videos wie die bereits Erwähnten erzeugen den Eindruck, bei der Teilnahme an einer Demonstration mit körperlicher Misshandlung rechnen zu müssen und schreckt von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit ab.

Deshalb fordern wir:

  • Schmerzgriffe dürfen nicht zum Standardrepertoire polizeilicher Maßnahmen werden. Allenfalls wenn sie zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter zwingend erforderlich sind, kann eine Anwendung gerechtfertigt sein.
  • Der verhältnismäßige Umgang mit friedlichen Demonstrationen, wie beispielsweise durch Kooperation von Versammlungslagen oder dem Wegtragen von Aktivist*innen muss tiefgreifender in der polizeilichen Aus- und Fortbildungspraxis etabliert werden.

Die volle Härte des Gesetzes?

Im Zuge der zunehmenden Bedeutung der Klimabewegung und der Forderungen nach konkreten Maßnahmen zum Schutz des Klimas werden Aktivist*innen immer häufiger mit polizeilichen Maßnahmen und juristischen Einschränkungen konfrontiert. Dies umfasst unter anderem die Anwendung von präventivem Gewahrsam, Hausdurchsuchungen, Strafverfahren aufgrund von Blockadeaktionen oder das Verhängen von hohen Bußgeldern. Diese repressiven Maßnahmen können dazu führen, dass Aktivist*innen eingeschüchtert werden, ihre Aktivitäten einschränken oder von weiterem Engagement absehen.

Gewaltbereiter Protest steht nicht im Einklang mit den demokratischen Grundwerten und dem Rechtsstaat. Die Klimabewegung selbst hat sich jedoch wiederholt von jeglicher Form von Gewalt distanziert und betont, dass ihr Engagement auf gewaltlosem zivilem Ungehorsam basiert. Es ist wichtig, diese Abgrenzung deutlich zu machen und zu betonen, dass gewaltbereiter Protest nicht mit den Anliegen und Zielen der Klimabewegung in Verbindung gebracht werden sollte.

Massive repressive Maßnahmen gegen die gesamte Klimabewegung sind daher das falsche Mittel, um mit den legitimen Anliegen der Aktivist*innen umzugehen. Eine solche Vorgehensweise kann nicht nur das Vertrauen in den Rechtsstaat und die demokratischen Institutionen untergraben, sondern auch zu einer weiteren Polarisierung und Eskalation führen.

Mitte Dezember 2022 durchsuchte die Polizei bundesweit Wohnungen von Mitgliedern der „Letzten Generation“. Der Verdacht: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Beispiele für solche Vereinigungen sind Drogenkartelle, mafiöse Gruppen oder rechtsradikale Rockbands. Im frappierenden Unterschied dazu bedroht die „Letzte Generation“ keine Menschenleben, sondern will sie gerade schützen und zu diesem Zweck auf Ihre Forderung stärkerer Klimaschutzmaßnahmen hinweisen. Dem begegnete der Staat in den letzten Monaten mit drakonischen Maßnahmen und stellte sein breites Instrumentarium zur Schau. Mit der „vollen Härte des Rechtsstaates“ (noch so eine Floskel aus der Hölle) wird nun offenbar gegen Klimaaktivist*innen vorgegangen. Doch was den Rechtsstaat auszeichnet, ist nicht seine „volle Härte“, sondern seine Verhältnismäßigkeit. Und die lassen einige Akteur*innen gerade vermissen.

Beispielsweise in NRW nehmen repressive Maßnahmen gegenüber Klimaaktivist*innen zu. Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in NRW infolge der Einführung eines eigenen Landesversammlungsgesetzes sind symptomatisch für diese politische Reaktion. Hierzu zählt etwa ein pauschales Versammlungsverbot auf Autobahnen oder ein äußerst unklar definiertes Einschüchterungs- und Uniformierungsverbot. Der Gesetzgeber hat es verpasst, die Versammlungsfreiheit zu stärken und anstelle dessen juristisch und politisch umstrittene unbestimmte Rechtsbegriffe oder Pauschalisierungen in den Gesetzestext aufgenommen, die ein Einfallstor dafür bilden, gerade auch den Protest von Klimabewegungen unverhältnismäßig einzuschränken.

Die weißen Overalls, die seit Jahren bei den Klimaprotesten genutzt werden, stellt das Versammlungsgesetz NRW historisch in eine Reihe mit uniformierten Aufmärschen von SA und SS. Dabei attestiert das Gesetz ihnen wie auch Marschtritt und Trommelschlagen eine „suggestiv-militante, aggressionsstimulierende und einschüchternde Wirkung”. Die weißen Overalls sollen also militantes Auftreten oder eine aggressive bzw. einschüchternde Wirkung haben – Fackelmärsche in T-Shirts der Partei “Der Dritte Weg” wie in Plauen im Jahr 2019 aber nicht? Rechtsnormen, die derart unbestimmt sind, tragen nicht dazu bei, eines der wichtigsten Güter unserer Demokratie – die Versammlungsfreiheit – zu schützen. Auch das pauschale Versammlungsverbot auf Autobahnen richtet sich eindeutig gegen Aktivist*innen, die dort protestieren, um auf die sich zuspitzende Klimakrise aufmerksam zu machen.

Es kann nicht sein, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ungerechtfertigt so weitgehend einschränkt und dabei Klimaprotestierende in eine Reihe mit demokratiefeindlichen Bestrebungen gestellt werden.

Daher fordern wir:

  • Die Vermeidung unverhältnismäßiger repressiver Maßnahmen gegenüber Klimaaktivist*innen, die das Vertrauen in den Rechtsstaat und die demokratischen Institutionen untergraben und zu weiterer Polarisierung führen können.
  • Eine Überarbeitung der Versammlungsgesetze auf Landesebene, um die Versammlungsfreiheit zu stärken und unbestimmte Rechtsbegriffe oder Pauschalisierungen zu vermeiden, die den Protest der Klimabewegungen unverhältnismäßig einschränken könnten.
  • Die Sensibilisierung der zuständigen Behörden für die Bedeutung des Schutzes des Versammlungsrechts und den respektvollen Umgang mit Klimaaktivist*innen.
  • Die Schulung von Polizeibeamt*innen im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen gewaltbereitem Verhalten und legitimen Ausdrucksformen des Klimaprotests.