Kranplätze müssen verdichtet sein – Für einen richtigen sozialen Wohnbau in NRW

Allgemein zur jetzigen Lage in NRW
Als größtes Flächenland steht NRW vor der schwierigen Aufgabe, sowohl Großstädte als auch ländlicheren Raum wohnungspolitisch bedienen zu müssen. Es kann deshalb nicht nur die eine Lösung in der Wohnungspolitik geben, die alle Probleme über unser gesamtes Bundesland verteilt in den Griff bekommt. Zu unterschiedlich sind die Problemfelder, denen wir gegenüberstehen. Während in einigen Städten im Ruhrgebiet viel Leerstand und relativ günstige Mietpreise zu beobachten sind, leiden insbesondere Studierendenstädte (inklusive deren Speckgürtel) unter massivem Wohnungsmangel und steigenden Preisen.
Grundsätzlich kennt die Entwicklung der Mietpreise, egal ob in der Stadt oder auf dem Land nur eine Richtung: Nach oben. Einige sind der Meinung, dies sei nicht flächendeckend ein Problem, denn immerhin liege die durchschnittliche Mietpreisentwicklung noch unterhalb der Inflationsrate. Die Inflationsrate ist für Mieter*innen jedoch nicht das entscheidende Kriterium. Für sie zählt nur die Summe, von der sie die Mieten bezahlen müssen, sprich das verfügbare Einkommen. Dieses Verhältnis, vom verfügbaren Einkommen zu den Mietausgaben, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv zu Ungunsten von Mieter*innen verändert. Viele Menschen geben also anteilsmäßig immer mehr ihres Einkommens für Miete aus und haben dementsprechend immer weniger für Kleidung, Essen oder sonstigen Konsum. Durchschnittlich geben Menschen in Deutschland etwa 35% für ihre Wohnung aus. Besonders hoch ist der Anteil für Wohnungsausgaben in Städten mit vielen Niedrigverdienenden. Aber auch in Studierendenstädten wie Münster oder Aachen ist dieser Wert besonders hoch. In Köln geben Menschen im Schnitt etwa 43% ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aus.
Es scheint nicht verwunderlich, dass dieser Trend die soziale Spaltung in der Gesellschaft noch verstärkt. Die Schere in der Einkommens- und Vermögensverteilung geht schon immer weiter auseinander. Diese Spaltung wird schließlich noch dadurch verstärkt, dass die unteren Einkommensklassen anteilig immer mehr ihres schon niedrigen Einkommens für ihre Miete aufbringen müssen. Das birgt eine Menge sozialen Sprengstoff, weswegen wir der Meinung sind, dass sich in der Wohnungspolitik eine Menge ändern muss.
Die Politik hat diese Notwendigkeit bisher nicht in ausreichendem Maße erkannt. In NRW hat sich der preisgebundene Mietwohnungsbestand in zwanzig Jahren von 1997 bis 2016 nahezu halbiert. Stattdessen werden Wohnungen immer mehr als Finanzinvestitionen gesehen. Während früher Wohnungsunternehmen Banken benötigt haben, um ihre Projekte zu finanzieren, benötigen heute Finanzinvestor*innen den Wohnungsmarkt für ertragreiche Anlagemöglichkeiten.
Das Problem der Privatisierungen von Wohnungsbaugesellschaften – Was machen wir nun?
Im Zuge der neoliberalen Politik der „geistig-moralischen Wende“ der Regierungen Kohl in den 80ern und 90er Jahren der Republik unter der der Überschrift „Der Staat im Ausverkauf“ entschlossen sich viele Kommunen ihre kommunalen Betriebe privatisieren. Viele städtische Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgungsunternehmen, Abfallwirtschaftsbetriebe und der ÖPNV waren von solchen Privatisierungen betroffen. Auch im gleichen ideologischem Zuge beschloss die Schwarz-Gelbe Landesregierung unter Rüttgers im Jahr 2006 die Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen kurz LEG unter Protest der SPD und DGB zu privatisieren. Die LEG war im Juni 2008 an den Immobilienfonds der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs, Whitehall Real Estate Funds, verkauft worden. Der Gesamtkaufpreis für die LEG mit ihren 93 000 Wohnungen lag bei 787,1 Millionen Euro. Seit 2011 ist die LEG ein börsennotiertes Unternehmen und agiert dementsprechend als gewinnorientiertes Unternehmen. Die Mieter und Beschäftigten der LEG sollten laut Landesregierung mit einer Sozialcharta mindestens zehn Jahre lang vor Kündigungen und unverhältnismäßigen Mietpreiserhöhungen geschützt werden. Diese Sozialcharta läuft im August 2018 aus und die Zukunft für der 300.000 Mieter*innen und 1000 Beschäftigte ist ungewiss. Begründet wurden diese Privatisierungen durch die Annahme, dass privatisierte Dienstleistungen grundsätzlich besser, billiger und bürger*innennäher mache. Ein riesiger Irrglaube, wenn man sich drei große Problemfelder anschaut.
Erstens schafft es der jetzige private „Wohnungsmarkt“ in keinster Weise die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Viele Menschen leiden am angespannten Wohnungsmarkt in großen Teilen Nordrhein-Westfalens, die in diesem Zuge von Verdrängungsprozessen außerhalb einiger Städte vertrieben werden und zu einem Ungleichgewicht innerhalb einiger Viertel führen. Hier liegt ein systematisches Marktversagen vor, da hier oft keine staatlichen Steuerinstrumente mehr vorliegen, um die Lage zu verbessern.
Zweitens habe sich die Lage der Mieter*innen bei Privatisierungen deutlich verschlechtert. Im Fall der Privatisierung der LEG hat sich die Lage der Mieter*innen deutlich verschlechtert. Seit dem Verkauf der LEG häuften sich die Beschwerden bei Mieter*vereinigungen. Mieter*innen müssen nach der Privatisierung nun mehr Miete zahlen, Sanierungen und Instandhaltungen wurden zurückgefahren. Die LEG kommt hier leider nur auf rund 8,59 € pro Quadratmeter. Ein sehr niedriger Wert im Branchenvergleich, wo Wohnungsgenossenschaften nicht selten mehr als das Doppelte für Sanierungen ausgeben. Das führt mancherorts zu sichtbaren Mängeln in den Wohnungen und an den Gebäuden. Im frei finanzierten Bestand erhöhte die LEG die Mieten 2017 überdurchschnittlich um 4,1 %. Weiterhin wurden frühere Mieter*innenbüros durch fernliegende Hotlines ersetzt, wodurch die Bindung zu den Mieter*innen schlicht fehlt. Eine Aufnahme des Problems der 130.000 Wohnungen ist zwar möglich, aber viele Handlungsmöglichkeiten bleiben den Call-Center Mitarbeiter*innen nicht übrig. Dadurch bleiben auch dringende Anliegen der Mieter*innen auf der Strecke liegen. Am Ende stehe allein die Rendite für den neuen Besitzer*innen im Vordergrund und nicht das Gemeinwohl. Die CDU/FDP-Landesregierung hat ihre sozialen Versprechungen und ihre Begründungen und „Vorteile“ für einer Privatisierung gegenüber den Mietern nicht eingehalten.
Drittens sieht die Zukunft für die zirka 1000 Beschäftigen ungewiss aus, da die nun auslaufende Sozialcharta für viele offene Fragezeichen übrig bleiben, denn betriebsbedingte Kündigungen sind bei den Sparmaßnahmen der letzten Jahre nicht ausgeschlossen.
An sich ist das Beispiel der LEG ein Paradebeispiel für viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die im Zuge der Privatisierungswelle durch kurzsichtiges sanieren eigener Haushalte sich beschnitten haben, als eigenständiger Akteur auf dem Wohnungsmarkt zu agieren. Sie müssen nun oft zuschauen, wie Mieter*innen ausgebeutet werden, ganze Straßenzüge verkommen und der Wohnungsmarkt dafür sorgt, dass Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen aus ihren Vierteln verdrängt werden und sich das soziale Gleichgewicht in einigen Vierteln und Stadtteilen nachhaltig zum Schlechteren entwickelt.
In diesem Zuge fordern wir auf Kommunal- und Landesebene folgende Maßnahmen:

 

    • Stopp des Verkaufs von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und insbesondere das Verbot im Falle einer ausschließlichen Haushaltskonsolidierungsmaßnahme

 

    • Die Ausreichende finanzielle Ausstattung von bestehenden Wohnungsbaugesellschaften, um als wahrnehmbarer Player agieren zu können

 

    • Die Beibehaltung der Gemeinnützigkeit und Stopp des Profits

 

    • Die Verstaatlichung/Wiederaufkauf der LEG auf Landesebene bei gleichzeitiger Neugründung einer eigenen landesweiten Wohnungsbaugesellschaft, um hier den Neubau von Wohnungen vorantreiben zu können.

 

    • Die Verstaatlichung/Wiederaufkauf von Wohnungsbaugesellschaften auf kommunaler Ebene

 

    • Verzicht von Mietpreiserhöhungen für Mieter*innen bei Wiederaufkauf von Wohnungsbaugesellschaften seitens des Landes oder der Kommune

 

    • Verzicht von Kündigungen von Mitarbeiter*innen bei Wiederaufkauf von Wohnungsbaugesellschaften seitens des Landes oder der Kommune

 

Öffentlich geförderten Wohnbau und Quartiermanagement – für eine inklusive Stadt
In NRW geht der Bestand an öffentlich gefördertem Wohnraum momentan jedes Jahr um 10.000 Wohneinheiten zurück. Seit der Jahrtausendwende sank die Zahl der geförderten Wohnungen um fast 50%, von damals ca. 900.000 Wohneinheiten sind heute noch 470.000 vorhanden. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Nach 20-25 Jahren fällt der öffentlich geförderte Wohnraum aus der Preisbindung und der Neubau dieser Wohnungen wurde bisher vernachlässigt. Wohnbauunternehmen und Investor*Innen können sich im Übrigen auch vorzeitig aus der Bindung rauskaufen. Für Nordrhein-Westfalen ist diese Entwicklung fatal, da die Mieten in den Ballungsräumen steigen laut dem ehemaligen Bauminister Michael Groschek rund die Hälfte aller Einwohner*Innen in NRW ein Anrecht auf öffentlich geförderten Wohnraum hätten.
Fällt öffentlich geförderter Wohnraum aus der Preisbindung, steigen die Mietpreise zur Renditesteigerung der Wohnbauunternehmen rasch an und eine Verdrängung von Menschen mit geringem Einkommen findet statt. Auch mit Hilfe sogenannter Luxussanierungen schaffen es diese Unternehmen, „unrentables Klientel“ aus ihren Wohnungen zu Verdrängen und zur Freude ihrer Aktionär*innen für einkommensstärkere Mieter*innen verfügbar zu machen. Daran ändert auch die momentane Mietpreisbremse nichts.
Der Bund wird in den nächsten Jahren mehr Geld für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen und auch die Landesregierung hat sich bereits auf die Fahnen geschrieben, für mehr öffentlich geförderten Wohnraum zu sorgen. Es ist jedoch fraglich, ob die Maßnahmen zu wirklichen Verbesserungen führen, oder nur der jetzige Status Quo zementiert wird. Wenn sich an der bisherigen Förderpraxis nichts ändert und Wohnungen nach verhältnismäßig kurzen Zeiträumen aus der Preisbindung fallen, wird sich an der Kernproblematik nichts ändern: Statt öffentlich gefördertem Wohnraum für Bedürftige handelt es sich nur um Wohnbauförderung mit sozialer Zwischennutzung.
Weiterhin findet im Regelfall soziale Durchmischung in den Städten nicht statt. Stadtteile und vor Allem Quartiere sind in vielen Fällen nur von einem sozialen Milieu bewohnt. Auch finden vermehrt Abschottungstendenzen von Besserverdienenden zu Geringverdienenden statt, gerade in Form sogenannter „gated communities“ äußert sich dies am drastischsten.
Um die Wohnbauentwicklung wirklich sozial zu gestalten, sehen wir daher folgende Maßnahmen für zwingend erforderlich an:

 

    • Die von der öffentlichen Hand ausgegebenen Mittel für den öffentlich geförderten Wohnraum sollen nicht länger an privatwirtschaftliche Unternehmen gehen, sondern fast ausschließlich dazu genutzt werden, wieder einen kommunalen Wohnungsbestand mit einer dauerhaften Preisbindung aufzubauen. Dabei orientieren wir uns besonders gerne am „roten“ Wien. 32% aller Wohnungen sind dort nämlich noch in kommunaler Hand, 26% immerhin im Besitz gemeinnütziger Wohnbauunternehmen.

 

    • Die Preisbindung für privatwirtschaftliche Unternehmen muss auf mindestens 50 Jahre hochgesetzt werden.

 

    • Zum Ziele der sozialen Durchmischung muss auf jeder städtischen Fläche mit Hilfe einer flexiblen Quote öffentlich geförderter Wohnraum geschaffen werden. Die Höhe der Quote richtet sich nach den gängigen Sozialindikatoren und dem bereits vorhandenen geförderten Wohnraum in einem Areal. Dies soll im Endeffekt für mehr bezahlbaren Wohnraum in den „besseren“ Gegend einer Stadt sorgen. Sozialer Segregation kann damit zumindest etwas entgegengewirkt werden.

 

    • Förderung von Wohnbaugenoss*innenschaften, auch im Sinne von Quartiersgenoss*innenschaften, und der Wohnungsgemeinützigkeit.

 

    • Die Mietpreisbremse muss stärker angezogen werden!

 

    • Mit verstärktem Zugriff auf das Instrument der Milieuschutzsatzungen muss Verdrängungen von Mieter*Innen entgegengewirkt werden. Mit Hilfe von Zweckentfremdungssatzungen muss dafür gesorgt werden, dass bei der jetzigen angespannten Wohnraumlage Wohnraum auch Wohnraum bleibt.

 

    • Bei der Schaffung von Wohnraum müssen auch die besonderen Bedürfnisse etwa von Auszubildenden, Student*innen, Senior*innen, Familien und Menschen mit Beeinträchtigungen hinreichend berücksichtigt werden. Auch unkonventionelle Wohnkonzepte wie etwa Mehrgenerationenhäuser sollen zum Zwecke der Förderung der Durchmischung explizit gefördert werden.

 

    • Leerstehende Wohnungen sind beliebte Spekulationsobjekte. Dem muss mit entschiedeneren Sanktionen Einhalt geboten werden. Leerstand darf sich nicht mehr lohnen!

 

    • Weiterentwicklung des Städtebauförderungsprogramms “Soziale Stadt” Ermöglichung von punktuellerer Förderungen einzelner Quartiere in Stadtteilen, die normalerweise nicht die Förderkriterien des Programms erfüllen. Damit muss insbesondere das Quartiersmanagement gestärkt werden. Auf Basis des aktuellsten Forschungsstands in der sozialen Arbeit und der Soziologie wird somit eine tragfähige soziale Infrastruktur gefördert.

 

Fazit
Der Weg zu einem Nordrhein-Westfalen in dem es nicht mehr der Geldbeutel entscheidet, über den Wohnort oder Viertel entscheidet, ist ein sehr Langer. Nichtsdestotrotz müssen Lösungen her, die einerseits kommunal und landesweit umgesetzt werden müssten. Dazu benötigt es eine Menge Geld und einen großen Mut vieler einzelnen kommunalen und landesweiten Mandatsträger*innen diese Generationenaufgabe zu bewältigen und genauso wie die Genoss*innen in Wien sich sozialpolitisch zu verewigen. Denn die Soziale Frage und insbesondere die Frage um sozialen Wohnraum in einer sozialen Stadt lässt sich nicht dem freien Markt beantworten, sondern durch klare und strikte Maßnahmen seitens des Staates.