Neuer Informatikunterricht: Von der Black Box zur White Box

Da unsere Gesellschaft zunehmend digitaler wird, stellen sich Individuen vermehrt digi­talen Herausforderungen in allen Lebensbereichen. Smartphones und das Internet sind neuerdings per Sprache bedienbar, Arbeitsabläufe in der Industrie funktionieren voll-, teilautomatisch oder sogar mit der Unterstützung einer künstlichen Intelligenz und auch aus der Wissenschaft ist IT nicht wegzudenken. Die Entwicklung neuer Technologien und Produkte passiert rasend schnell; was auf der Strecke bleibt, sind die Kenntnisse über diese Technologien bei uns allen. Aus diesem Grund fordern wir unabhängig von Klas­senstufe und Schulform einen neuen Informatikunterricht, der innovativ und über Fächergrenzen hinaus gestaltet ist. Damit die Black-Box für uns alle zur White-Box wird!

Der neue Informatikunterricht soll durch folgende Aspekte gekennzeichnet sein:

  • Digitalisierungsspezifische Themen soll es in allen Fächern und in allen Klassen­stufen geben.
  • Der Informatikunterricht soll in der Sekundarstufe 1 als Pflichtfach angeboten werden. [1]
  • Für die Vermittlung von Informatik ist die Verwendung von „high-end“-Hardware nicht unbedingt notwendig. Sie ist als ein weiteres Kriterium nach der flächendeckenden Ver­sorgung mit schnellem Internet zu sehen. Hierbei erfordert es die aktuellen Standards der Endgeräte zu berücksichtigen und diese für alle Schüler*innen finanziell gewährleisten zu können. Mit dem Ziel, dass allen Schüler*innen des Informatikunterrichts diese Endgeräte für die komplette Bearbeitungszeit der Aufgaben zu Verfügung stehen.
  • Das problemlösend orientierte und forschende Lernen ist der beste Weg, sich ab­strakten und komplexen Konzepten zu nähern, deshalb sollte der neue Informatik­unterricht verstärkt auf diese Konzepte setzen.

Die Informatik darf nicht länger ein Nischenfach bleiben. Wir halten es für notwendig, dass der Informatikunterricht schon in der Sekundarstufe I stattfindet. Dafür ist es not­wendig, dass ein Lehrplan für die gesamte Sekundarstufe I erstellt wird. Die Bildungs­standards der Gesellschaft für Informatik könnten hier als Grundlage dienen.

Zur Vermittlung der notwendigen Kompetenzen sind Lehrkräfte während ihrer Ausbildung und in Ausübung ihrer Tätigkeit in verpflichtend durchzuführenden Lehrgängen auszubilden.
und der Kapazität an Lehrkräften. Im Jahr 2018 waren 3097 Informatiklehrer*innen in NRW beschäftigt, davon unterrichten zwei Drittel an Gymnasien und Berufskollegs. Es wurden 243.000 Stunden Unterricht erteilt; andere Ne­benfächer wie Physik oder Geschichte haben drei Mal so viele erteilte Stunden. Somit müsste die aktuelle Anzahl an Lehrkräften mindestens verdoppelt werden, um das Fach als Nebenfach zu führen. Es kommt hinzu, dass etwa die Hälfte der Informatiklehrer*in­nen über 50 sind. Im Jahr 2017 haben deutschlandweit nur 184 neue Informatiklehrer*innen die Prüfung abgelegt. Wenn diese Tendenz für die nächsten 15 Jahre erhalten bleibt, werden allein in NRW alle deutschlandweit ausgebildeten In­formatiklehrer*innen benötigt. Um mehr ausgebildete Informatiklehrkräfte zu bekommen, muss das Fach Informatik fürs Lehramt an mehr Hochschulen angeboten werden.

Themen der digitalen Gesellschaft haben Einfluss auf alle Lebensbereiche. Aus diesem Grund haben diese auch einen Einfluss auf Schulfächer wie Mathematik, Naturwissen­schaften, Philosophie/Ethik sowie Politik/Sozialwissenschaften und sollten deshalb in ebendiesen Lehrplänen Beachtung finden. In der Kunst findet die Digitalisierung durch Film, Fotografie und Mixed-Media Einzug, in Fach Deutsch verändert sie die In­formationsdarbietung in Medien und in Erdkunde ist bereits ein ganzes Themenfeld der Globalisierung und Digitalisierung gewidmet. Diese Entwicklungen sollten weiter vor­angetrieben werden und sich auch auf die oben genannten Fächer erweitern. In jedem Unterrichtsfach müssen Schüler*innen die digitalen Skills beigebracht bekommen, die sie zu einer zeitgemäßen Anwendung der Lerninhalte brauchen. Dazu gehört der grundlegende Umgang mit Office-Programmen genauso wie Fragen des Datenschutzes oder der ethischen Herausforderungen von Digitalisierung und Internet, die für die heutige Generation bereits allgegenwärtig sind. Um guten Unterricht in diesem Sinne zu ermöglichen, fordern wir zudem eine kontinuierliche Weiterbildung im Bereich der digitalen Gesellschaft. Wir wünschen uns mehr zielgerich­tete und aktuelle Forschung zu diesen Themen in der Didaktik. Um die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken müssen alle Fachlehrkräfte weitergebildet werden. Zudem muss das Thema Medienkompetenz in der Lehrkräfteausbildung etabliert werden. Das Land NRW hat entsprechende verpflichtende Angebote für Lehrkräfte zu schaffen.

[1] Pflichtfach bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass das Fach irgendwann in der Sekundarstufe 1 unterrichtet werden muss; Musik ist damit genauso ein Pflichtfach wie Deutsch.