ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION UNSERER WIRTSCHAFT UND INDUSTRIE

Wir setzen darauf, die industrielle Produktion weiter zu fördern, um soziale Errungenschaften auszubauen und ökologische Ziele zu erreichen.

Die gewerkschaftliche und sozialdemokratische Gestaltung der industriellen Produktion hat unserer Gesellschaft Wohlstand und sozialen Fortschritt gebracht. Hierzu gehören: ein hoher Grad an sozialer Absicherung; weitreichende Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen; die Durchsetzung eines hohen, der Produktivität angepassten Lohnniveaus in der industriellen Produktion; die Arbeitszeitverkürzung in verschiedenen Industriezweigen; und gesellschaftliche Gestaltungsräume durch die Schaffung wirtschaftlichen Mehrwerts. Diese Vorzüge der Industrialisierung wollen wir in die Zukunft retten, wiederbeleben und weiterentwickeln.

Andererseits steht industrielle Produktion bisher in einem ambivalenten Verhältnis zu Umweltschutz und gesellschaftlicher Nachhaltigkeit. Zum einen setzen industrielle Produktionsprozesse und ihre Produkte (z.B. Autos oder Gasturbinenkraftwerke) gemeinsam einen Gutteil der  Treibhausgasemissionen frei. Zum anderen werden auch die Produkte ökologischer Erneuerung (wie Solaranlagen, Elektroautos oder Isolierungsmaterial) in teils ressourcenintensiven und viel CO2-emittierenden industriellen Fertigungsprozessen hergestellt. Wir plädieren deshalb für eine ökologische Transformation der Industrie, in der Schritt für Schritt Wertstoffkreisläufe vervollständigt werden. In einem noch theoretischen, vollständigen Wertstoffkreislauf fallen keine Abfallprodukte mehr an, weil alle Produktionsergebnisse – auch im Falle von Treibhausgas – weiterverwendet bzw. -verarbeitet werden (wobei hierbei die bloße Speicherung von CO2 durch die corbon capture and storage-Methode [CCS] ausgeschlossen ist). Dabei sind Lock-inefffekte unbedingt zu vermeiden. Die umrissene Problemlösung findet demokratisch-sozialistische Antworten in den vielfältigen Ansätzen der ökologischen Industriepolitik:

STAATLICHE ORDNUNGSPOLITIK:

Ökologische Industriepolitik braucht demokratiekonforme Märkte. Um den politischen Willen des nachhaltigen industriellen Wachstums umzusetzen, muss der Staat den Märkten und Unternehmen sozial-ökologische Rahmenbedingungen setzen. Dies betrifft erstens „positive“ und zweitens „negative“ Regulierung. Erstens müssen neue steuerliche Förderungen und staatliche Anschubfinanzierungen in jenen Bereichen geprüft werden, in denen Umwelt- und Menschen-gerechte Rohstoffe oder Produkte verwendet werden, geschlossenen Wertstoffkreisläufe geschaffen werden, Energie eingespart und regenerative Energie eingesetzt wird etc. Hierzu gehört auch staatliche Förderung von neuen, nachhaltigen Produktionsnetzwerken. Zweitens muss in der Breite intensiv geprüft werden, wie Schritt für Schritt neue Ökosteuern und vorher angekündigte Verbote auf klima- und umweltschädliche Materialien, nicht-wiederverwendbare Produkte und hohen Energieausstoß eingeführt werden können. Hierein fällt auch eine technische Prüfung, ob sich ein funktionierender europäischer Emissionshandel neu schaffen lässt – oder ob es alternativer Instrumente bedarf. Konkret muss eine europäische Lösung dafür gefunden werden, dass alle hergestellten Produkte von ihren ProduzentInnen und HändlerInnen in Recycling-Systeme wiedereingespeist werden: Durch eine klare Wiederverwertungsverantwortung können echte Wertstoffkreisläufe etabliert werden.

ÖFFENTLICHE MARKTMACHT:

Die öffentliche Hand und Unternehmen öffentlicher Beteilung investieren jährlich größere dreistellige Milliardenbeträge für die Beschaffung von Produkten aller Art. Circa 230 Milliarden Euro investiert derzeit allein die öffentliche Hand; Unternehmensbeteiligungen ausgenommen. Diese Investitionen werden auf allen föderalen Ebenen sowie in sehr verschiedenen öffentlich-kontrollierten Unternehmen getätigt (von Telekom, Post und Bahn bis zu Stadtwerken und anderen Versorgungsunternehmen). Klar ist deshalb, dass sich nachhaltige Investitionen nicht per bundesweitem Dekret beschließen lassen. Stattdessen muss die öffentliche Expertise für nachhaltige Investmentkriterien gestärkt werden, bestehende Institutionen (wie die EnergieAgentur NRW) gilt es aus- und umzubauen, bundesweit in Gremien vernetzen etc. Das Ziel muss erstens sein, dass die EntscheidungsträgerInnen in allen öffentlich-kontrollierten Institutionen zielgenaue Fachberatung bekommen, wie sie ihre Investitionen Schritt für Schritt nachhaltig gestalten (so dass damit Wertstoffkreisläufe ohne schädlichen Abfallstoffe entstehen). Zweitens müssen wir entschieden am politischen Willen festhalten, dass – trotz teils großer Haushaltsnöte – jede Investition an nachhaltigen Kriterien ausgerichtet wird. Durch diese Nutzung der öffentliche Marktmacht wird ein Sog für die produzierende (und selbst Produkte beschaffende) Industrie sowie andere Wirtschaftsbereiche entstehen: Hierdurch wird der Druck verstärkt, um zu erkennen, dass nur die Orientierung an ökologischen und sozialen Kriterien eine langfristige Wachstumsperspektive bietet.

REKOMMUNALISIERUNG:

Aus verschiedenen Gründen haben Kommunen in den letzten Jahren begonnen, vormals öffentliche Unternehmen wieder zurückzukaufen – oder zwischenzeitlich privat erbrachte Aufgaben jetzt durch öffentliche Träger zu erbringen. Diese Entwicklung ist sehr positiv und muss forciert werden. Denn öffentliche Betriebe können so zu sozial-ökologischen Vorreiterinnen werden, die zeigen, dass sich nachhaltige Bilanzgewinne mit qualitativ hochwertiger öffentlicher Daseinsvorsorge und nachhaltigem Wirtschaften verbinden lassen.

FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSFÖRDERUNG:

Die meisten (technischen, gesellschaftlichen etc.) Innovationen sind nicht auf dem freien Markt entstanden, sondern in öffentlichen oder privaten Institutionen, die von den Rahmenvorgaben einer öffentlichen Forschungspolitik profitiert haben. An diese Erfahrung gilt es anzuknüpfen, um den Innovationsbedarf für die ökologische Transformation unserer Industrie zu decken. Genauso braucht es aber eine Akzeptanz für neue Produktionsverfahren in der Bevölkerung. Klar ist dabei: Forschungsvorhaben einzustellen kann auch bedeuten, die theoretische Chance auf neue Verfahren aufzugeben, die vielleicht in einem zweiten Schritt Probleme lösen können. Denkbare Mechanismen der Forschungspolitik sind: Toprunner-Programme, Förderprogramme, Steuerrabatte etc. Es geht um die folgenden Kernbereiche:

I. Effizienz:

Die meisten Produktionsstätten und Bestandskraftwerke haben einen geringen Wirkungsgrad. Deshalb gilt es weiterhin, Treibhausgas- und Ressourcen-schonende Produktionsverfahren sozialverträglich zu fördern – und nicht nachhaltige Technologie von den Märkten zu drängen.

II. Verbesserte und neue Speichertechnologien:

Eine Schlüsselaufgabe zur Bewältigung der Energiewende besteht in der Entwicklung neuer und der Weiterentwicklung bestehender Speichertechnologien oder hierfür hilfreichen Technologien (wie Brennstoffzellen). Hier gibt es viele technologische Ansätze, aber es fehlt bisher an Marktreife oder großflächiger Markteinführung, die mit umfangreichen Förderprogrammen hergestellt werden sollte.

III. Lifescience & Nanotechnologien:

Dieser Bereich der Biowirtschaft bietet große Potenziale, aber auch bisher unbekannte Risiken. Weiße Gentechnik kann umweltschonende Produktion – auf Bakterienbasis – ermöglichen. Nanotechnologien bringen neue, förderliche Produkteigenschaften hervor. Gerade hierbei können jedoch neue Giftstoffe auftauchen, die über verschiedenste Wege in die Umwelt gelangen können. Deshalb bedarf es effektiver Test- und Zulassungsverfahren. Zukunftsfähig können die Nanotechnologien dann werden, wenn es zu Produkten führt, deren Nutzung ebenfalls nach ökologischen Kriterien und in geschlossenen Kreisläufen erfolgt.

IV. Bioplastiken:

Ziel muss sein, Plastikproduktion auf nachhaltige Rohstoffe umzustellen: Nicht Jute statt Plastik, sondern Plastik aus Jute. Mit der Entwicklung von Bioplastiken darf aber die Wegwerfkultur nicht noch weiter gefördert werden. Für wertige, langlebige Anwendungsbereiche, bei denen der Einsatz von Kunststoffen sinnvoll ist, können Bioplastiken eine gute Alternative sein. Der Einsatz von Bioplastik darf ebenfalls nicht zu gezieltem Anbau von Bio-Rohstoffen anstatt Lebensmittel führen.

V. Chemische Industrie:

Die Erzeugung chemischer Grundstoffe aus fossilen Rohstoffen ist mit hohem Energieaufwand verbunden und beinhaltet erhebliche, nicht kalkulierbare Risiken, sodass nicht nur unter dem Aspekt der Rohstoffknappheit Bedingungen geschaffen werden müssen, die den Ausstieg aus der „fossilen“ Chemie ermöglichen. Eine Umstellung auf Verfahren der Biochemie ist zu fördern.

VI. Produktionsverfahren:

Auch traditionelle Branchen, wie etwa der Maschinenbau, sollen für energieeffiziente Produktionsverfahren und Produkte sorgen. Gleichzeitig muss dabei die Rohstoffproduktivität gesteigert werden und Transportwege reduziert oder auf ökologische vorteilhafte Transportwege verlagert werden.

LEITMÄRKTE UND MODELLPROJEKTE/NACHHALTIGE REGIONEN:

Ob im Bereich der Brennstoffzellen, Lifescience, Bioplastiken oder Querschnittsbereichen wie der Kreislaufwirtschaft – ein effektiver Mechanismus der öffentlichen Förderung von Entwicklung und nachhaltiger Produktion ist die Einrichtung von Leitmärkten. Wir brauchen innovationsfördernde Angebotspolitik von links: Mit öffentlichen Zuschüssen sollten in einer Region kleine und  mittelständische Unternehmen, Großunternehmen sowie Gewerkschaften mit Forschungsinstitutionen und Hochschulen zusammengeführt werden, um Entwicklungen in einem Bereich voranzutreiben.