Progressive Sportpolitik: Wie Sportpolitik neu gedacht werden muss!

Warum Sport wichtig ist:

Wie alle Bereiche hat auch der Bereich Sport während der Corona-Pandemie der letzten Jahre stark gelitten. Nicht nur, dass viele Sportvereine auf breiter Basis einen Mitgliederschwund von mehreren Prozentpunkten zu verzeichnen hatten. Auch die finanzielle Lage der Sportvereine wurde auf eine harte Probe gestellt. Unter den staatlichen Restriktionen war es Sportvereinen nicht immer möglich, ihr bisheriges Angebot normal fortsetzen zu können. Die Pandemie hat allen dabei viel abverlangt.

In 2023 gibt es jedoch einen Lichtblick: Mit Überwinden der Corona-Pandemie steigen erfreulicherweise wieder die Mitgliederzahlen in den verschiedenen Sportbereichen und die Sportvereine nehmen ihre Arbeit wieder auf.

Allerdings stellt die Corona-Pandemie nicht das einzige Problem dar, mit dem Sportvereine in der nahen Vergangenheit konfrontiert waren. Die Finanzierung ist meist nicht ausreichend, die Anzahl der Ehrenamtler*innen sinkt und insbesondere Nischensportarten finden meist wenig Betrachtung sowohl im öffentlichen als auch im politischen Diskurs.

Doch dabei ist die Funktion von Sport so wichtig, neben den offensichtlichen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, die in allen Lebensbereichen, egal ob im Kindes-, Erwachsenen oder Seniorenalter, einen Einfluss hat. Sport bringt die Möglichkeit mit zu verbinden, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hintergrund. Es gibt die Chance, einen diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, Menschen zu sensibilisieren, Awareness zu schaffen und Akzeptanz in den Vordergrund zu stellen. Allerdings möchten wir auch nicht verkennen, dass Vereine und ihre Strukturen gewisse Hierarchien und Machtstrukturen mitbringen. Insbesondere diese sind kritisch zu betrachten.

Daher braucht der Sportbereich neue progressive Ideen, um die positiven Möglichkeiten zu nutzen und Verbundenheit und Gerechtigkeit zu schaffen.

Was aktuelle schiefläuft und was wir verbessern wollen:

Mehr Geld für den Sport:

Die Finanzierung von Sport ist mangelhaft. Viele Sporthallen sind sanierungs- & renovierungsbedürftig. Allerdings gibt es bei den Sportstätten Unterschiede: Einerseits die städtischen Sportstätten, beispielsweise Turnhallen, die von den jeweiligen Kommunen finanziert werden. Andererseits die vereinseigenen Sportstätten, die i.d.R von den finanziellen Möglichkeiten der Sportvereine oder befristeten Förderungsprogrammen abhängen.

Bezüglich der städtischen Sporteinrichtungen liegt hier ein ähnliches Problem vor, wie bei den Schulen bzw. der generellen städtischen Infrastruktur. Ist eine Kommune finanziell schlecht aufgestellt, zum Beispiel wenn sie sich in einer Haushaltssperre befindet, wie es beispielsweisen in vielen Städten des Ruhrgebiets der Fall ist, haben die örtlichen Entscheidungsgremien kaum Möglichkeiten Mittel zur Verfügung zu stellen. Anhand dieses Beispiels wird erneut deutlich, wie wichtig eine Entschuldung der Kommunen durch den Bund ist.

Die vereinseigenen Sporteinrichtungen befinden sich in unterschiedlichen Zuständen. Grund dafür sind die unterschiedlichen finanziellen Gegebenheiten eines Sportvereins, die i.d.R. von Mitgliederzahl und damit den Mitgliedsbeiträgen abhängen. Das Thema Sponsoring beispielsweise durch Unternehmen spielt in den meisten Vereinen entweder keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Dies hat zur Folge, dass insbesondere finanziell schlechter aufgestellte Vereine auf Förderprogramme angewiesen sind. Ein Beispiel für ein Förderprogramm des Landes NRW aus dem Jahr 2019 ist das Förderprogramm „Moderne Sportstätte 2022“ oder „Soforthilfe Sport 2023“. Bereits die Titel dieser Programme machen das Problem deutlich: die Befristung. Die Förderprogramme sind auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, was insbesondere Investitionen, die Folgefinanzierungen brauchen, schwierig macht. Daher fordern wir: unbefristete Förderprogramme. Denn nur dadurch werden langfristige Planungen überhaupt möglich. Die Ausstattung der Sportvereine sollte nicht ständig von einem jährlichen Budgetwechsel abhängen. Mit langfristigen Finanzierungsprogrammen würde auch Nischensportarten die Möglichkeit gegeben, sich besser zu etablieren.

Neben den Förderungen der Sportvereine ist es aber ebenso wichtig, die individuellen finanziellen Gegebenheiten von Menschen im Auge zu behalten. Denn nicht alle können es sich leisten die Beiträge eines Sportvereins zu bezahlen. Dies macht insbesondere den Einstieg schwierig und führt dazu das einige Sportarten großteils von Menschen mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten und somit entsprechenden Privilegien ausgeführt werden. Sport darf dabei nicht zum Luxus werden! Daher fordern wir als Sofortmaßnahme: Das erste Jahr im Sportverein muss beitragsfrei sein. Damit dies aber nicht auf Kosten der Vereine geht, müssen die Beitragssätze vom Staat finanziert werden. Es bestehen bereits einzelne Unterstützungsprogramme, allerdings müssen diese vereinfacht und stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, sodass mehr Menschen sie nutzen können. Denn für uns ist klar: Sport darf keine Frage vom Geldbeutel sein!

Ehrenamt stärken:

Unabhängig von den finanziellen Gegebenheiten leben die Sportvereine vor allem von Menschen, die sich in diesen engagieren. Viele Menschen sind in ihrem täglichen Leben vor allem in Sportvereinen organisiert und engagieren sich dort ehrenamtlich. Diese ehrenamtliche Aufgabe ist mit großem Fleiß und zeitlichem Aufwand verbunden, weshalb insbesondere diese Beachtung erfahren müssen. Die ehrenamtliche Arbeit in Sportvereine, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen muss mehr Wertschätzung erfahren.

Allerdings gehört auch zur Wahrheit dazu, dass viele, insbesondere kleine Sportvereine Personalprobleme haben. Insbesondere im Jugendbereich fehlt es oft an Nachwuchs, was teilweise auch Ergebnis der demografischen Entwicklung ist. Durch fehlende Übungsleitende muss die Taktung von Trainings verringert werden oder gewisse Angebote fallen komplett weg. Dieser Entwicklung müssen wir uns entgegenstellen und das Ehrenamt attraktiver gestalten.

Auch um Ehrenamtler*innen besser miteinzubeziehen, ist eine aktive Zusammenarbeit mit dem Landessportbund (LSB) und insbesondere der Sportjugend NRW wichtig. Trotz der Tatsache das der LSB überparteilich organisiert ist, ist es wichtig, die Bedürfnisse von Sportler*innen und Ehrenamtler*innen zu betrachten und in aktiven Austausch zu treten.

Grundwerte im Sport stärken:

Akzeptanz stärken

Sport und auch das Vereinsleben bietet die Möglichkeit Akzeptanz in jeglichen Lebensabschnitten zu stärken. Insbesondere im Kinder- & Jugendbereich sollte hier ein besonderer Fokus liegen. Bei gemeinsamer sportlicher Aktivität spielen äußere Merkmale meist keine Rolle. Diese Gegebenheiten gilt es zu nutzen. Sowohl während des Sportes selbst als auch im allgemeinen Vereinsleben müssen Diskriminierungsformen wie Sexismus, Rassismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit, Klassismus etc. thematisiert und ihnen entgegengewirkt werden. Hier ist es besonders wichtig Diskriminierungssensibilität zu fördern.

Dazu müssen deutschlandweit einheitliche Regelungen für Vereine geschaffen werden, um die Partizipation von INTA Personen zu gewährleisten

Dies gilt auch insbesondere für die Vereinsstrukturen. Hier muss es das Ziel sein Diversität zu fördern und insbesondere marginalisierte Gruppen vermehrt zu unterstützten. Um dies zu ändern ist es ebenso wichtig sportliche Angebote, als auch Weiterbildungsangebote für Ehrenamtliche sowie alle Mitglieder des Sportvereins zu schaffen. Insbesondere sportspezifische Seminare beispielsweise zu Inklusion oder Antirassismus im Sport muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Feminismus im Sport:

Zwar gewinnt der Frauensport in letzter Zeit immer mehr an Aufmerksamkeit und an Prestige, die Debatte um Geschlechtergleichstellung im Sport ist aber längst nicht abgeschlossen.
Besonders in Sportarten wie im Fußball merkt man immer wieder, wie Mädchen- und Frauenmannschaften anders behandelt werden als Jungs- und Männermannschaften.
So werden in vielen Vereinen die Frauenmannschaften hinter die der Männer gestellt, müssen zu undankbaren Zeiten trainieren, bekommen weniger Platz zum trainieren oder sterben aus, da sich nicht mehr genug Spieler*innen finden. Diese Umgangsweise festigt veraltete Strukturen, die bestimmte Sportarten nur für ein Geschlecht vorsehen. Keine Sportart ist für ein bestimmtes Geschlecht gemacht. Daher ist es wichtig, dass vor allem Geschlechter, die in Sportvereinen unterrepräsentiert sind, die nötige Förderung erhalten und Geschlechtergleichstellung auch im Sport gelebt wird. Das sieht vor, dass stereotypische Denkweisen abgelegt werden und keine geschlechtliche Bevorzugung bei der Ausübung des Sportes stattfindet.

Awareness schaffen

Ergänzend zur allgemeinen Sensibilisierung gegen jegliche Diskriminierungsformen ist es besonders wichtig Awareness zu schaffen. Denn auch Vereine sind meist hierarchisch organisiert und somit nicht frei von möglichem übergriffigem und diskriminierendem Verhalten. Vereine inklusive ihrer sportlichen Angebote müssen es zum Ziel haben safer spaces zu werden und allen Menschen Teilhabe an ihren Angeboten zu gewährleisten.

Neben diesen grundsätzlichen Aspekten zur Förderung von Awareness, müssen einige Bereiche gesondert betrachtet werden. Auch während der jeweiligen Sportangebote besteht ein Machtverhältnis zwischen Teilnehmenden und Trainer*in. Daher müssen insbesondere die Trainer*innen ihrer Verantwortung gerecht werden und mögliches übergriffiges Verhalten von anderen Trainer*innen gegenüber Teilnehmenden melden. Aus dem Grund ist es richtig, dass das Landeskinderschutz NRW vorsieht, dass Vereine, die Angebote für Kinder und Jugendliche vorhalten, ein entsprechendes Schutzkonzept erstellen müssen. Damit eine möglichst große Sicherheit für die Kinder und Jugendlichen hergestellt werden kann, braucht es größere Förderungen für Weiterbildungsmaßnahmen und Sensibilierungs- und Präventionsangeboten. Um diese Sensibilisierung zu erhöhen und auch Teilnehmende zu schulen, ist ein Ausbau von Programmen gegen sexualisierte Gewalt zwingend notwendig. Auch wenn bereits einige Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, wie die regelmäßige Verpflichtung der Trainer*innen ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, müssen diese Maßnahmen durch Aufklärungsarbeit und damit einhergehende erhöhte Sensibilität im gesamten Sport ergänzend werden. Zusätzlich sind weitere präventive Maßnahmen denkbar. Daher ist es besonders wichtig, dass diese ebenfalls entsprechend gefördert werden.

Sportpolitik neu denken:

All diese Ideen sollen Anstöße sein, wie Sportpolitik neu gedacht werden kann. Wir müssen es schaffen, neben den klassischen Sportarten auch Nischensportarten und den Breitensport nicht zu vergessen. Eine langfristige dauerhafte Finanzierung unterstützt die Vereine, verstärkte Unterstützung der Ehrenamtler*innen, sowie mehr Programme gegen Diskriminierung und für mehr Awareness fördern den Sport langfristig. Dies geschieht jedoch nur mit guter finanzieller Ausstattung und einer modernen, auf die Zukunft ausgerichteten Sportpolitik. Insbesondere in Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen muss Sport zum Brücken bauen genutzt werden, denn Sport ist für alle da!