Reproduktive Selbstbestimmung – Jetzt!

Ob man einen Kinderwunsch hat oder aber ganz bewusst Kinder für sich selbst ausschließt, ist eine sehr persönliche Entscheidung. Und genauso persönlich wie die Entscheidung an sich, sollte auch der Weg zur Erfüllung dieser aussehen. Das entspricht jedoch bei weitem nicht der Realität. Schon seit langem kritisieren wir Jusos in diesem Zusammenhang die restriktiven Gesetze bei Abtreibungen, die in Deutschland noch immer im Strafgesetzbuch geregelt sind. Doch müssen wir uns vor Augen führen, dass wir als feministischer Verband einem Problem anheim fallen, das auch die politische Linke betrifft: Wenn unter reproduktiver Selbstbestimmung lediglich das Recht auf Abtreibung verstanden wird, blenden wir einen großen Teil der Debatte aus. Dieser Lücke möchte sich der vorliegende Antrag widmen und formuliert deshalb grundlegende Perspektiven zum Thema reproduktive Selbstbestimmung jenseits unserer bereits gefassten Beschlusslagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Ausdrücklicher Teil der reproduktiven Selbstbestimmung ist nämlich jede prinzipiell denkbare Möglichkeit zur Erfüllung des eigenen Kinderwunsches oder auch zur Erfüllung der eigenen Sterilität. Auch die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag die Diskussion um reproduktive Selbstbestimmung gelegt. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang für uns bleibt jedoch: Die verschiedenen Themen von Leihmutterschaft, Eizellspende und Sterilisierung, dürfen von der Regierungskoalition nicht als Nebelkerze benutzt werden, um die längst überfällige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu verhindern! Wir stehen diesbezüglich weiter hinter unserer Forderung: Abtreibungsparagraphen raus aus dem Strafgesetzbuch!

Unerfüllter Kinderwunsch – Weg mit dem Tabu! 

Eine Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die zuerst 2014 veröffentlicht und 2020 durch neue Zahlen aktualisiert wurde, zeigt, dass das Thema unerfüllter Kinderwunsch noch immer ein großes Tabu innerhalb unserer Gesellschaft darstellt. So gaben nur rund 25 Prozent der Befragten an Fachärzt*innen aufgesucht zu haben, um eine organische Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch abklären zu lassen. Gleichzeitig werden vor allem von Männern Angebote der Unterstützung häufig als Risiko der Stigmatisierung wahrgenommen; folglich bleibt die Debatte über ungewollte Kinderwünsche meist selbst im privatesten Kreis der Betroffenen ein Tabu. Auch dies führt bei den Betroffenen dazu, dass sie sich alleine mit den Konsequenzen ihres unerfüllten Kinderwunsches sehen, welches rein statistisch gesprochen meist zum Nachteil von Frauen ausgelegt wird: So konnte die Studie belegen, dass ungewollt kinderlose Frauen und Männer im zunehmenden Alter dazu tendieren die Ursache primär bei der Frau selbst zu suchen, selbst wenn dies gar nicht einer getroffenen Diagnose entspricht. Nicht zuletzt stellt das ein Symptom der patriarchalen Abwertung von Frauen, die keine Mütter sind/sein können dar. Für gewollt kinderlose Frauen bedeutet dies häufig, dass ihnen mögliche Sterilisationen abgesprochen werden, für ungewollt Kinderlose hingegen die Wahrnehmung das eigene Frausein sei ‚beschädigt‘. Und auch für 56 Prozent aller kinderlosen Männer gilt noch immer die Aussage „Vaterschaft gehört zum Mannsein dazu“.

Besonders auch für trans Personen ist das Thema reproduktive Rechte mit einer besonderen Brisanz verbunden. Denn für sie ist die ungewollte Kinderlosigkeit häufig noch mit transfeindlichen Stigmata innerhalb der Gesellschaft verbunden.

Kinderwunsch erfüllbar machen – mit Leihmutterschaft und Eizellspende  

Die Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegt eindrücklich, dass viele ungewollt Kinderlose auf verschiedene Weise den Versuch unternehmen ihren Kinderwunsch zu ermöglichen. Aktuell stehen ungewollt Kinderlosen in Deutschland dafür verschiedene Wege zur Verfügung. So etwa die künstliche Befruchtung als In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der Eizellen und Sperma entnommen werden, welche dann im Labor zur Befruchtung genutzt werden um sie nach erfolgreichem Wachstum der ungewollt kinderlosen Frau oder Person mit Uterus wieder einzusetzen. Ist die Qualität der Spermien nicht ausreichend für dieses Verfahren, ist auch eine zusätzliche Samenspende denkbar. Eine andere Möglichkeit stellt die Samenspende dar, die von Paaren genutzt wird, bei denen der Mann steril ist oder aber die für lesbische Paare notwendig ist. Bei einer Samenspende ist eine künstliche Befruchtung wie zuvor beschrieben möglich, aber auch eine Insemination. Darüber hinaus können hormonelle Behandlungen und Stimulationen helfen den Kinderwunsch zu erfüllen. Für Frauen und Menschen mit Uterus, die steril sind, kommen diese Möglichkeiten mit unter nicht in Frage. Möglich ist dann etwa die Embryonenspende. Bei der Embryonenspende werden Embryonen, die von anderen nach einer Kinderwunschbehandlung nicht mehr genutzt wurden, gespendet und in die Betroffenen eingesetzt. Außerdem könnten eigene vor Jahren eingefrorene Eizellen genutzt werden um mit einer IVF eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Auch wenn sowohl die Krankenkassen solche Eingriffe zum Teil übernehmen als auch die Länder sie bezuschussen, entscheiden vor allem die finanziellen Mittel der Betroffenen, ob und wie der Kinderwunsch erfüllt werden kann. Noch immer genießen verheiratete Paare finanzielle Privilegien und erhalten mehr Zuschüsse, während nicht verheiratete Paare oder einzelne Personen hohe Summen zahlen müssen. So werden auch heute noch traditionelle Familienbilder über andere gestellt und die finanziellen Mittel der Betroffenen bleiben der entscheidende Faktor bei der künstlichen Befruchtung. Kommen diese Möglichkeiten nicht in Frage oder bleiben erfolglos, bleibt in Deutschland zumeist nur die Adoption übrig. Denn die Eizellspende, ebenso wie die Leihmutterschaft, sind in Deutschland nicht erlaubt.

Leihmutterschaft ermöglichen! 

Für schwule Männer, genauso wie für unfruchtbare Frauen und Menschen mit Uterus, gibt es in verschiedenen Ländern die Möglichkeit der Leihmutterschaft. Dabei werden einer so genannten Leihmutter gespendete Eizellen oder Eizellen der ungewollt Kinderlosen, die zuvor via IVF befruchtet wurden, eingesetzt. Mit diesem Verfahren besteht dann keine biologische Verwandtschaft zwischen der Leihmutter und dem gezeugten Kind. In Deutschland ist dieses Verfahren auf Grund des Gesetzes zum Schutz von Ebryonen (ESchG) verboten, denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 des ESchG wird mit Freiheitsstrafe bestraft, wer bei einer Leihmutter „eine künstliche Befruchtung“ unternimmt oder „einen menschlichen Embryo“ überträgt. Dieses Gesetz richtet sich dabei also ausdrücklich gegen die ausführenden Mediziner*innen und nicht gegen die Leihmutter oder die Person(en), die Eltern werden möchten. Doch dieses Gesetz heißt nicht, dass es in Deutschland keine durch Leihmütter ausgetragenen Kinder gibt! Denn wer es sich leisten kann, nimmt Angebote von Leihmüttervermittler*innen an. Diese Börsen stellen Kontakte zu Kinderwunschzentren etwa in den USA oder Indien her, wo die Leihmutterschaft erlaubt und (besser oder schlechter) gesetzlich geregelt ist. So wird der Kinderwunsch also auch zur ökonomischen Frage. Schließlich ist es so, dass die besten Chancen auf die Erfüllung jene haben, die über die in Deutschland zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Finanzierungen der Krankenkassen hinaus, eigenständig Geld in die Hand nehmen können. Des Weiteren ist zu bedenken, dass auch so ein Ungleichgewicht im internationalen Sinn mit den aktuellen Verhältnissen der Leihmutterschaft reproduziert wird. In Deutschland werden häufig Leihmütter aus Schwellen- und Entwicklungsländern beauftragt, da es dort günstigere Angebote gibt als in den USA. Ein derartiges Verhältnis von Auftraggebende aus dem wohlhabenden Deutschland und den weniger wohlhabenden Anbieter*innen gilt es zu überwinden. Ein solcher Tourismus für die Inanspruchnahme von Leihmutterschaft kann auch gesetzlich umgangen werden, etwa durch Regelungen die die Wohndauer der werdenden Eltern betreffen.

Im Falle der Leihmutterschaft endet der steinige Weg zum eigenen Kind aber nicht, selbst wenn man das Geld hat, um im Ausland eine passende Leihmutter zu finden. Denn dann ist das Abstammungsrecht noch zu bedenken. Nach dem deutschen Abstammungsrecht ist jene Person als Mutter anzusehen, welche das Kind ausgetragen hat. Wenn ein Kind kurz nach der Geburt nach Deutschland gebracht wird, gilt als so genannter gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes Deutschland und damit das deutsche Abstammungsrecht, das keine Leihmutterschaft vorsieht. So kommt es zur irrsinnigen Situation, dass die Leihmutter (die nicht biologisch mit dem ausgetragenen Kind verwandt ist und nach etwa US-amerikanischem Gesetz somit auch nicht Mutter des Kindes im Sinne der Abstammung) als Mutter in einer deutschen Geburtsurkunde aufgeführt wird. Diesem Problem widmete sich die Rechtssprechung bereits und entschied, dass im Falle von Leihmutterschaft das Abstammungsrecht des Landes der Leihmutter anerkannt werden kann, wenn festzustellen ist, dass die Menschenwürde der Leihmutter nicht verletzt wurde, etwa weil sie nicht zur Leihmutterschaft gezwungen wurde. Das bedeutet zusammengefasst: Das deutsche Abstammungsrecht sieht keine Leihmutterschaft vor, doch durch Entscheidungen des Familiengerichts (die bindend für Gerichte und Verwaltungsbehörden sind) können Eltern, deren Kind durch Leihmutterschaft im Ausland geboren wurde ihre eigene Elternschaft anerkennen lassen, wenn sie Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde aus dem Geburtsland des Kindes vorlegen können. Trotzdem bleibt jedoch das Risiko, dass ein Standesamt die Auffassung vertritt, dass das deutsche Abstammungsrecht gilt, in welchem Falle dann ein Adoptionsverfahren angestrengt werden muss. Bis ein Verfahren abgeschlossen ist, ist die Einreise des Kindes nach Deutschland nicht ohne weiteres möglich, da das Kind kein Recht auf einen deutschen Pass hat.

Die Frage bleibt: Warum ist eine Leihmutterschaft in Deutschland illegal? Die Antwort ändert sich je nachdem, wem man diese Frage stellt. So argumentieren einige mit der Gefahr der Ausbeutung der Leihmutter, denn in den meisten Fällen wird diese finanziell entschädigt. Doch was ist an diesem Argument dran?

Zunächst einmal sollten sich die Modelle dieser Entschädigung vor Augen geführt werden. In den USA etwa erhält eine Leihmutter finanzielle Mittel, welche die für die Schwangerschaft notwendige medizinische Versorgung gewährleisten. Darüber hinaus wird in der Regel Geld vorgesehen für Ausgaben wie Schwangerschaftskleidung und ähnliches. Zusätzliches Geld wird als Entschädigung für die körperlichen Risiken verstanden, denn zweifelsohne stellt sowohl eine für die Leihmutterschaft erforderliche (missglückte) IVF, als auch eine Schwangerschaft und Geburt erhebliche Belastungen für die Schwangere dar. In welcher Höhe es gezahlt wird, kann in Absprache zwischen der Leihmutter und den intendierten Eltern festgelegt werden, durchschnittlich kann von etwa 25.000 Dollar ausgegangen werden. Natürlich entscheidet auch eine etwaige Obergrenze an Schwangerschaften darüber, wie viel Geld die Leihmutter durch ihre Schwangerschaft(en) verdienen kann. In den USA gibt es eine solche Obergrenze gesetzlich nicht, die meisten ärztlichen Praxen, die sich auf Kinderwunsch und Leihmutterschaft spezialisiert haben, legen jedoch eine maximale Obergrenze von sechs Schwangerschaften fest. Dabei berücksichtigt werden jedoch auch eigene Schwangerschaften. Dieser Prozess legt für viele die Gefahr nahe, dass besonders Frauen und Menschen mit Uterus, die in finanzieller Not stecken die Möglichkeit der Leihmutterschaft für sich in Betracht ziehen. In diesem Zusammenhang ist jedoch ganz klar zu sagen, dass eine Legalisierung von Leihmutterschaft mit einer Reihe von Gesetzen einher gehen müsste, die dieses Risiko minimieren. Denkbar wären etwa gesetzliche Obergrenzen der Schwangerschaften festzulegen sowie Voruntersuchungen und Gespräche, die die Motive der möglichen Leihmutter genauestens untersuchen. So gilt in den USA etwa, dass Personen, die Leihmutter werden wollen, ein gewisses Alter haben müssen, ihre Gesundheit wird strengstens begutachtet und ebenso ist dort eine Leihmutterschaft ausgeschlossen für Frauen und Menschen mit Uterus, die Sozialhilfe erhalten. Gleichzeitig sind auch Modelle der Leihmutterschaft ganz ohne Bezahlung möglich. In dieser Form hat Portugal die Leihmutterschaft legalisiert und gleichzeitig festgelegt, dass diese Art der Kindeszeugung nur als letzter Ausweg auf Grund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme gewählt werden darf. Die Leihmutterschaft kann in Portugal also nur kostenlos vereinbart werden, wodurch das Risiko der finanziellen Ausbeutung ausgeschlossen werden soll, denn das Angebot sich für eine Leihmutterschaft zur Verfügung zu stellen muss in Portugal aus altruistischen Motiven heraus geschehen.

Ein weiteres Argument, das Gegner*innen der Leihmutterschaft anführen, ist das Wohle des Kindes. Auch dieser Argumentation ist heftig zu widersprechen, denn es liegt viel mehr nahe, dass die unklare Rechtslage in Deutschland stand jetzt zu Prozessen führen, die auch die betreffenden Kinder in Mitleidenschaft ziehen können, wenn etwa die Abstammung nicht anerkannt wird. Fest steht: Beim Thema Leihmutterschaft sollte das Wohl der austragenden Schwangeren im Fokus stehen. Und in diesem Zusammenhang gilt: Sofern ausreichende Regularien vorliegen, die eine Freiwilligkeit der Leihmutter weitestgehend garantieren, ist dieses Wohl als erfüllt zu sehen. Klar ist hier: Eine Legalisierung der Leihmutterschaft würde unter anderem dem Wohl der austragenden Person zugute kommen, wie schon der deutsche Ethikrat feststellte. Dieser argumentierte, dass das größere Risiko für Leihmütter bestünde, die in Ländern ohne umfangreiche gesetzliche Rahmenbedingungen ein Kind austrügen (wie etwa in Indien) und kam in Abwägung aller Argumente zu dem Ergebnis, dass Leihmutterschaft in Deutschland zulässig sein sollte.

Bei einer Legalisierung der Leihmutterschaft muss stets das Wohl der Leihmutter im Mittelpunkt stehen. Dabei müssen nicht nur die physischen Risiken, die mit einer Schwangerschaft einhergehen, sondern auch die psychischen Risiken abgewogen werden. Denn eine Schwangerschaft und Geburt kann durchaus eine immense Belastung darstellen.

In Anbetracht aller Argumente fordern wir deshalb:

  • Die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland unter Festlegung bestimmter Maßstäbe die sowohl das physische als psychische Wohl der Leihmutter immer in den Fokus der einzelnen Situation setzen. Diese Maßstäbe stellen sicher, dass die patriarchale und kapitalistische Ausbeutung der Gebärenden minimiert wird.
  • In Konsequenz die Änderung des Abstammungsrechts in Hinblick auf Leihmutterschaft.

 
Eizellspenden ermöglichen! 

Eine weitere Kinderwunschbehandlung, die im Ausland auf verschiedene Weise legalisiert ist, ist die Eizellspende. Bei dieser werden der spendenden Person nach einer hormonellen Behandlung gereifte Eizellen entnommen, die dann für eine Kinderwunschbehandlung mit IVF einer anderen Frau oder Person mit Uterus eingesetzt werden können. Dieser Prozess bedeutet also, dass die austragende schwangere Person keine biologische Verwandtschaft mit dem späteren Kind hat. Die Eizellspende ist insofern als Pendant zur Samenspende zu verstehen, mit dem Unterschied, dass letztere in Deutschland legal ist. Der Grund dafür liegt abermals im Embryonenschutzgesetz. Dieses regelt, dass einer Frau oder Person mit Uterus nur eigene Eizellen wieder eingesetzt werden dürfen; auch hier richtet sich die Strafbarkeit dabei gegen die Mediziner*innen. Für die ungewollt Kinderlosen in Deutschland, die auf eine Eizellspende angewiesen sind, bedeutet auch dieser Fall vor allem wieder finanziellen Aufwand. Denn die Eizellspende ist in vielen Ländern in der EU legal und kann in Anspruch genommen werden, wenn die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden sind. So kann eine Eizellspende etwa in Belgien, Polen, Tschechien oder Österreich stattfinden, wenn die erforderlichen Kosten von 7.500-9.000 Euro erbracht werden können. Auch bei der Argumentation gegen die Eizellspende fällt oftmals das Argument der finanziellen Ausbeutung von der spendenden Person. Genauso wie bei der Leihmutterschaft ist hier jedoch anzuführen, dass mit einer Legalisierung eine umfangreiche Regulierung der Auswahl der spendenden Person erfolgen muss.

In einem Punkt unterscheidet sich der Fall der Eizellspende beträchtlich von der Leihmutterschaft: Denn das Kind hat eine biologische Verwandtschaft zu der Person, die die Eizelle gespendet hat. Interessenverbände von mit Samenspenden gezeugten Kindern kämpfen (nicht nur in Deutschland) seit Jahren für das Recht auf das Wissen über die eigene Abstammung. Und klar sein muss: Auch im Fall einer Eizellspende muss dieses Recht gestärkt und anerkannt werden! Etwa Österreich hat hier eine Regelung gefunden, die genau dies gewährleisten soll: Dort haben Kinder, die durch eine gespendete Eizelle gezeugt wurden, das Recht mit 14 Jahren den Namen der biologischen Mutter zu erfahren.

Wir fordern:

  • Die Legalisierung der Eizellspende mit der Einführung notwendiger Gesetze und Verordnungen, die das Risiko der Ausbeutung minimieren.
  • Die Einführung des Rechts des gezeugten Kindes die Identität der spendenden Person zu erfahren um sich über die eigene Abstammung zu informieren.
  • Eine gleiche finanzielle Unterstützung für alle Menschen mit Kinderwunsch, unabhängig von ihrem Familienstand.

 
Kein Kinderwunsch? – Kein Problem! 

Genauso wie die Möglichkeit der Erfüllung des Kinderwunsches gehört zur reproduktiven Selbstbestimmung auch die Gewährleistung der Kinderlosigkeit, wenn dies gewünscht ist. Neben dem Recht auf Abtreibung umfasst dies selbstverständlich auch die Notwendigkeit kostenloser Verhütungsmittel – und zwar ein Leben lang!

Ein Mittel der Verhütung für Frauen und Menschen mit Uterus, dass bestmöglich die Kinderlosigkeit gewährleisten würde, ist in Deutschland jedoch nur schwer zugänglich: Die Sterilisation. Medizinisch gesehen ist eine Sterilisation keine Neuerfindung. In der Realität wird sie jedoch vor allem als Behandlungsmaßnahme etwa bei Krebs oder Krankheiten wie Endometriose genutzt. Die freiwillige Sterilisation, bei der die Eileiter durchtrennt werden, bleibt vielen bewusst Kinderlosen oder auch Frauen und Menschen die keine weiteren Kinder mehr wollen, verwehrt. Der Grund dafür liegt in unserer patriarchalen Gesellschaft, die es Frauen noch immer strukturell abspricht über ihren eigenen Körper entscheiden zu können. Besonders junge Frauen müssen sich auf eine Odyssee von einer Praxis zur nächsten machen, wenn sie sich für eine Sterilisation entschieden haben. Die Ärzt*innen weisen sie dann zumeist ab mit der Begründung, dass sie noch keine Kinder hätte und sie diese später ja noch haben wollen könnten. Auch wird die Behandlung oft verweigert, weil die Sterilisation bei Frauen sowie Menschen mit Uterus nicht in jedem Fall reversibel ist. Für uns ist klar: Wir sprechen jeder Person die Autonomie zu, selbst entscheiden zu können, was mit dem eigenen Körper passiert und ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht. Zur reproduktiven Selbstbestimmung gehört für uns deshalb selbstverständlich auch die Sterilisation für Frauen und Menschen mit Uterus!

Besonders prekär: In Deutschland gesellt sich zu der patriarchalen Tabuisierung noch eine erhebliche ökonomische Belastung bei einer Sterilisation. Denn: In der Regel müssen die Betroffenen selbst für die Sterilisation aufkommen; Krankenkassen zahlen meist nur jene Sterilisationen, die medizinisch notwendig sind. Weshalb eine Person, die sich selbst über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse im klaren ist, aus Geldnot über Jahre hinweg auf Verhütungsmittel angewiesen sein sollte, weil eine Sterilisation, die bis zu 1000 Euro kosten kann, nicht möglich scheint, ist unklar. Dies betrifft selbstverständlich auch die Vasektomie, die in Deutschland ebensowenig von Krankenkassen bezahlt wird, wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht.

Deshalb fordern wir:

  • Die Enttabuisierung der Sterilisation bei Frauen, besonders bei jungen Frauen!
  • Die Kostenübernahme von Krankenkassen für Sterilisationen und Vasektomien und zwar in jedem Fall.

 
Die feministische Dimension der reproduktiven Selbstbestimmung 

Für uns als feministischen Richtungsverband ist die Analyse patriarchaler Verhältnisse unserer Gesellschaft in allen Fällen grundlegend. Deshalb bleibt abschließend festzustellen, dass die Debatte um reproduktive Selbstbestimmung niemals ohne die feministische Perspektive zu führen ist. Für uns stellt es in diesem Zusammenhang keinen Zufall dar, dass ausgerechnet die Behandlungen der reproduktiven Selbstbestimmung, die sich an Frauen und Menschen mit Uterus richten, strenger reguliert sind. Etwa die Vasektomie ist bei Männern gängige Praxis, obwohl sie auch bei ihnen nicht in jedem Fall reversibel ist. Und auch die Samenspende ist erlaubt und seit Jahrzehnten geregelt. Natürlich ist zwischen der körperlichen Belastung bei Eizellspende und Samenspende durch den*die Spender*in zu unterscheiden: Klar ist jedoch, dass für jeden medizinischen Eingriff gelten sollte, dass die betroffene Person unter Rat der zuständigen Fachärzt*innen selbst beurteilen kann, ob das Risiko für sie vertretbar ist. Ist dies der Fall, sollte keine gesellschaftliche Auffassung von Frauen als Mütter oder Vorstellungen von Kernfamilien im Sinne der heterosexuellen Norm darüber entscheiden, wie die reproduktive Selbstbestimmung gestaltet wird.