Schüler*innenrechte stärken – Ein Schritt zu einer demokratischen Schule!

Die Schüler*innenvertretung (SV) ist das wichtigste Organ im Schulwesen, um Schüler*innen Demokratie effektiv und erlebbar vermitteln zu können. Leider genießen Schüler*innenvertretungen nicht den Stellenwert, der erforderlich ist, um ihrer Funktion nachzukommen. In Zeiten der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die Stimme der Schüler*innenvertretungen nicht gehört wurde. Die Belange der Schüler*innen – ob in Schüler*innenvertretungen oder Bewegungen (Beispiel: „Wir werden laut“) organisiert -, wurden nicht berücksichtigt oder gar ignoriert. Die Mitsprache, Mitbestimmung und der Auftrag der SV wird regelmäßig untergraben und Schüler*innen werden nicht ernst genommen. Für uns muss sich viel verändern, denn Schüler*innenvertretungen sollen keine „Waffelbackvereine“ zur Selbstbeschäftigung mehr sein.

Die SV sollte eine wichtige Rolle im Schulleben einnehmen und sich für die Rechte von Schüler*innen vor Ort einsetzen. So heißt es im SV-Erlass des Landes NRW: „Die SV vertritt im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule die Rechte der Schülerinnen und Schüler, fördert und nimmt deren Interessen wahr und wirkt dadurch bei der Gestaltung des schulischen Lebens mit.“ Und weiter, Aufgabe der SV sei „[d]ie Förderung von fachlichen, kulturellen, sportlichen, politischen und sozialen Interessen der Schülerinnen und Schüler.“ Im Gegensatz zum gesetzlichen Auftrag variieren die Mittel und die Handlungsfähigkeit der SV nicht nur von Schulträgerin zu Schulträger, sondern auch von Schule zu Schule in derselben Kommune. Oft hängt die Stellung der SV von den Lehrkräften und der Schulleitung ab, was Engagement und Einfluss der SV an Schulen hemmt und den pädagogischen Mehrwert sinken lässt. Dies verhindert eine frühe Einführung der Schüler*innen in demokratische Prozesse und wird ihrem Stellenwert innerhalb der Schule nicht gerecht. Deshalb setzen wir uns für selbstbestimmte Schüler*innenvertretungen als ersten Schritt zu einer demokratischen Schule ein und fordern verbindliche Standards.

SV als Jugendbeteiligung und politische Teilhabe verstehen 

Um ein besseres Verständnis für Demokratie zu ermöglichen, muss der SV einerseits mehr Rechte zugesprochen werden und andererseits weitere Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden. Hierzu gehören für uns das Streikrecht, um sich im organisierten Rahmen für die eigenen Rechte einzusetzen und die verpflichtende Einrichtung von Schüler*innenvollversammlungen. Bei diesen Vollversammlungen soll jede*r Schüler*in mit gleichwertiger Stimme teilnehmen können. Die Vollversammlung soll jedes halbe Jahr tagen und sich zu einem Schüler*innenparlament mit Entscheidungskompetenz weiterentwickeln. Für die Durchführung der Vollversammlung, an der jede*r Schüler*in teilnehmen können soll, muss ein gesamter Schultag zur Verfügung gestellt werden, ähnlich wie es beispielsweise bei Sportevents oder Projektwochen bereits gehandhabt wird. Dadurch wird gewährleistet, dass genug Raum für die Diskussionen der Schüler*innen vorhanden ist und keine Leistungsnachteile entstehen. Die Vollversammlung soll eine breite Mitbestimmung der Schüler*innenschaft ermöglichen und z.B. bei Fragen der Hausordnung, der Literaturwahl, Veranstaltungen oder Curricula einbezogen werden. Zusätzlich ist die Vollversammlung in der Lage, Beschlüsse mithilfe einer einfachen Mehrheit zu treffen und auf dessen Grundlage Empfehlungen an das Direktorat weiterzugeben. Dies erfolgt mit Unterstützung der SV und der SV-Lehrer*innen. Das Rektorat wird dazu verpflichtet sich mit den entsprechenden Vorschlägen aus der Vollversammlung auseinanderzusetzen und der Vollversammlung spätestens bis zur nächsten Vollversammlung entsprechende Rückmeldung zu erteilen. Gleichwohl ist es wichtig, dass es Verbindungslehrer*innen gibt, die Schüler*innen bei ihren Projekten beratend unterstützen. Allerdings setzen sich Verbindungslehrer*innen an einigen Schulen speziell für die Interessen der Lehrkräfte ein, deshalb benötigt es verpflichtende Studieninhalte bzw. Module zu „Demokratiebildung und Arbeit in der Schüler*innenvertretung“ im bildungswissenschaftlichen Teil des Lehramtsstudiums, welche an die Anforderungen der jeweiligen Schulform angepasst und von jeder angehenden Lehrkraft absolviert werden müssen. Hierdurch soll den angehenden Lehrer*innen ein umfassendes didaktisches Wissen in Bezug auf demokratische Teilhabe in Kinder- und Jugendräten, Kinder- und Jugendparlamenten und Schüler*innenvertretungen vermittelt werden. Des Weiteren soll ein Ziel dieses Moduls sein, den angehenden Lehrkräften die besondere Relevanz von Demokratiebildung und Teilhabe in Schüler*innenvertretungen nahe zu bringen.

Politische Bildung in Schüler*innenvertretungen 

Für viele junge Menschen stellt die SV den ersten Berührungspunkt zu Beteiligungsprozessen und zur Demokratie dar. Die daraus resultierenden Synergieeffekte sollten genutzt und Schüler*innenvertretungen nicht als „unpolitisch“ abgetan werden. Denn wir erkennen Schüler*innenvertretungen als wichtigen Teil politischer Bildung und erstes Empowerment junger Menschen, ihre Stimme zu erheben, an. Deshalb setzen wir uns für ein allgemeinpolitisches Mandat für Schüler*innenvertretungen ein. Ähnlich wie Jugendräte bzw. -parlamente zu oft auf jugendpolitische Diskussionen reduziert werden, werden Schüler*innenvertretungen so gar gesetzlich auf ein schulpolitisches Mandat beschränkt. Schulpolitik hört jedoch nicht am Schultor auf! Die Digitalisierung, Sozialpolitik, Verkehrspolitik und Gesundheitspolitik sind sehr anschauliche Beispiele für Themen, bei denen die Stimme von Schüler*innen eine wichtigere Rolle spielen muss.

Echte Mitbestimmung statt obligatorischer Mitsprache 

Wir setzen uns für eine echte Emanzipation und Mitbestimmung von Schüler*innenvertretungen ein. Das bedeutet, dass sie in allen Gremien den Stellenwert erhalten, der ihnen gebührt und den sie verdienen. Deshalb fordern wir ein Stimmrecht für Schüler*innenvertretungen in Fachkonferenzen ein. Um dem Verhältnis von Schüler*innen zu Lehrer*innen und Elternschaft gerecht zu werden, setzen wir uns dafür ein, dass die Hälfte der Stimmen in der Schulkonferenz den Schüler*innen obliegt. Nach dem Vorbild des Beratungsrechts von JAVen, setzen wir uns für ein solches Recht der Schüler*innenvertretung in Personalfragen ein.

Finanzielle Unabhängigkeit 

Damit Schüler*innenvertretungen unabhängig und handlungsfähig sind, benötigen sie eigene finanzielle Mittel. Nur dann können eigenständige Veranstaltungen und Initiativen organisiert werden wie z.B. Workshops oder Informationskampagnen. Die Verwaltung dieser Gelder soll selbstständig und selbstbestimmt, aber in Zusammenarbeit mit der Schulverwaltung geregelt sein. Darüber hinaus fordern wir die Selbstverwaltung und Selbstbestimmung über die Annahme und Verwendung von Spenden an die SV.

Demokratische Legitimation überall in NRW  

Nicht nur die Mittel einer SV variieren von Schule zu Schule, sondern auch die Wahlen der Schülersprecher*innen sowie der Verbindungslehrer*innen, die entweder stellvertretend von den Klassen-/Stufensprecher*innen oder über eine Direktwahl aller Schüler*innen gewählt werden. Dabei sind einheitliche Standards eine wesentliche Grundlage, um die gleiche Legitimation einer SV an jedem Ort Nordrhein-Westfalens zu sichern. Dazu gehören für uns auch die verpflichtende Einrichtung von Schüler*innenvertretungen an allen Privatschulen und entsprechende Mitwirkungsgremien an allen Grundschulen. Neben den lokalen Schüler*innenvertretungen sehen wir Bezirksschüler*innenvertretungen und die Landesschüler*innenvertretung als legitime Strukturen an und setzen uns für eine engere Zusammenarbeit ein. Diesbezüglich sollen die Schulen allen Schüler*innen ermöglichen, an Veranstaltungen der Bezirksschüler*innenvertretungen und der Landesschüler*innenvertretung teilzunehmen und regelmäßig einbezogen zu werden. Außerdem fordern wir, dass die gesamte Schüler*innenschaft ihre Schülersprecher*innen und Verbindungslehrer*innen frei, geheim und gleich in einer Direktwahl wählen kann.

Zusammengefasst fordern wir Jusos: 

  • die verpflichtende Einrichtung von Schüler*innenparlamenten an allen Schulen in NRW.
  • Fortbildungen für Lehrer*innen zum Thema: „Demokratische Teilhabe und Mitbestimmung von Jugendlichen“.
  • Verpflichtende wiederkehrende Fortbildungen für Lehrer*innen zum Thema: „Demokratische Teilhabe und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen“
  • Verankerung des Moduls „Demokratiebildung und Arbeit in der Schüler*innenvertretung“ im Studienfach „Bildungswissenschaften“ für alle Schulformen
  • die Anerkennung und die gesellschaftliche Akzeptanz des allgemeinen politischen Mandats von Schüler*innenvertetungen.
  • Stimmrecht bei Fachkonferenzen sowie die Häfte der Stimmen bei Schulkonferenzen für Schüler*innenvertretungen.
  • ein verpflichtendes Beratungsrecht für Schüler*innenvertretungen in Personalfragen, entsprechend dem von JAVen.
  • einen eigenen SV-Etat für schulbezogene Projekte und den Regelbetrieb, die sich nicht eigenständig finanzieren lassen, und Selbstbestimmung über Spenden an die SV.
  • eine verpflichtende Einrichtung von Schüler*innenvertretungen in allen Privatschulen und entsprechende Mitwirkungsgremien an allen Grundschulen.
  • engere Zusammenarbeit und Teilhabe für alle Schüler*innenvertretungen in Bezirksschüler*innenvertretungen und der Landesschüler*innenvertretung.
  • einheitliche Direktwahlen der Schülersprecher*innen und Verbindungslehrer*innen in ganz NRW.