No more K.O.‘s – Sicherer Feiern für alle

Im vergangenen Jahr (2021) haben britische Student*innen unter dem Motto Girls Night In landesweit Bars und Kneipen durch kollektives Wegbleiben boykottiert. Sie taten dies als Reaktion auf die circa 200 Fälle von Substanzeinfluss durch Spritzen und Getränke innerhalb eines Monats und wollten damit das Bewusstsein für Missbrauch mittels K.O.- Tropfen, bzw. ähnlichen Substanzen, und sexuelle Übergriffe in diesem Zusammenhang schärfen. Für sie blieb es jedoch nicht einfach bei dem Boykott, sondern sie gingen in den Austausch mit den Inhaber*innen von Clubs und Bars über verbesserte Sicherheitsmaßnahmen und übten Druck aus, indem sie eine Petition zur verschärfte Durchsuchung nach Nadeln und Waffen von Club-Gästen forderten.

Auch in Deutschland ist es in letzter Zeit vermehrt in Clubs oder bei Festivals zu Fällen des sogenannten Needle Spikings gekommen, bei dem Menschen unbemerkt mit Spritzen gefährliche Substanzen wie K.O.-Tropfen oder Benzodiazepine und Ketamine injiziert wurden. Bei den Betroffenen treten Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Orientierungslosigkeit und Willenlosigkeit auf. Die Wirkung erscheint damit anfangs ähnlich zu Fällen von erhöhtem Alkoholkonsum. Dadurch wird die Verabreichung der Substanz und das Ausmaß der Gefahr für die Betroffenen oftmals nicht gleich erkannt. Mögliche medizinische Folgen von K.O.-Tropfen reichen von Atemnot und Kreislaufversagen bis hin zum Koma oder Versterben der Betroffenen.

Diese Folgen werden von den Täter*innen in Kauf genommen um sich die Betroffenen gefügig zu machen und ihr Erinnerungsvermögen auszusetzen, wodurch sie ihnen wehrlos ausgesetzt sind und insbesondere FINTA in diesem Kontext oft sexualisierte Gewalt erfahren.

Diese Substanzen wirken teilweise schon nach 15 Minuten und da nahezu alle geschmacks- und geruchslos sind bleiben sie in Getränken unbemerkt und die Einstichsstellen bei der Injektion per Nadel nehmen die meisten Betroffenen erst Tage später wahr. Allerdings sind die Mittel entweder garnicht oder nur für sehr kurze Zeit im Blut nachweisbar, sodass ein Großteil der Fälle nicht identifiziert und Täter*innen nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, obwohl die Verabreichung eine gefährliche Körperverletzung und anschließender sexueller Missbrauch eine Vergewaltigung darstellt.

Abseits der jüngst noch unbekannten Mittel kommen in diesem Kontext am häufigsten die Stoffe GHB (Gammahydroxybuttersäure) und GBL (Gamma-Butyrolacton), auch bekannt als Liquid Ectasy und Vergewaltigungsdroge zur Anwendung, deren Besitz und die Weitergabe zum Konsum, nicht aber der Erwerb strafbar ist. Aus GBL und zwei weiteren Stoffen, die allesamt im Baumarkt erhältlich sind lassen sich relativ einfach K.O.-Tropfen selbst herstellen, die Strafbarkeit der Veröffentlichung von Herstellungsanleitungen stellt dabei kein großes Hindernis dar.

Für uns Jusos muss nun klar sein, dass wir uns zwar mit Kampagnen wie Girls Night In solidarisieren und ihre Anliegen teilen, es aber nicht dabei belassen dürfen dass FINTA als Hauptbetroffene aufgrund eines mangelnden Sicherheitsgefühls dauerhaft wegbleiben oder es langfristig boykottieren. Denn auch das schränkt widerum ihre soziale Teilhabe ein. Ebenso klar muss auch sein, dass die Präventionsarbeit und das Befolgen von Tipps wie keine Getränke von Fremden anzunehmen, keine Getränke unbeaufsichtigt zu lassen und auf sich selbst und seine Begleitung zu achten nicht alleine auf FINTA auszulagern. Denn für uns steht fest: Die Praktik des Spikings ist eines der besonders hässlichen Gesichter des Patriarchats, indem Männer davon ausgehen könnten, FINTA hätten ihnen körperlich wie sexuell zur Verfügung zu stehen. Unseren Forderungen geht deshalb unsere feministische Analyse voraus.

Deshalb fordern wir:

  • Die bedingungslose Zerschlagung des Patriarchats. Im Zusammenhang mit Spiking und dem Einsatz von K.O.-Tropfen bedeutet das etwa die Bekräftigung unserer Vorstellung von Sexualpädagogik, die nicht singulär auf die Bedürfnisse von Männern ausgerichtet ist und FINTA-Körper nur als Mittel zum Zweck versteht.
  • Verbindliche Schulungen und Awareness-Konzepte für Club-, Festival- und Kneipenpersonal hinsichtlich K.O.-Tropfen und anderen Missbrauchssubstanzen, bei denen klar sein muss dass Personen mit Anzeichen von K.O-Tropfen nicht herausgeschmissen werden sondern bestmöglich versorgt werden und falls gewünscht schnell an Ärzt*innen und die Polizei weiter verweisen
  • Dass die Forschung zu bereits vorhandenen Produkten wie Tests, Armbänder und Nagellacke, die solche Substanzen erkennen ausgebaut wird, da sie zum jetzigen Zeitpunkt nur unzureichend funktionieren und dadurch ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln
  • Dass die Produkte zur Erkennung von K.O.-Tropfen seitens der Betreiber*innen von Clubs, Kneipen und Festivals zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn diese nur einen Teil der verschiedenen Substanzen auffinden können und damit noch nicht vollumfänglich funktionieren, können Sie das K.O.-Tropfen-Risiko zwar nicht gänzlich vermeiden, aber zumindest verringern.
  • Dass Gläser und Flaschen, denen nichts beigefügt werden kann, von den Betreiber*innen vor Ort zur Verfügung gestellt werden.
  • Das Verbot von frei verkäuflichem GBL und der verbindlichen Vorgabe, GBL als Industriechemikalie mit Bitterstoffen zu versetzen
  • Die Entwicklung von Sicherheitskonzepten insbesondere gegen Needle Spiking