Solidarität ohne Grenzen: Die EU und der Sudan-Konflikt

Aktuell kämpfen im Sudan das Militär, angeführt vom aktuellen Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und die RSF (Rapid Support Forces) unter der Führung von Mohammed Hamdan Daglo gegeneinander. Das ist ein harter Rückschlag für die Demokratiebewegung.

Seit 2018 kämpfen Menschen in dem nordafrikanischen Land für Demokratie und Menschenrechte. Auslöser war zunächst die immense Steigerung der Brotpreise. Obwohl der Sudan viele Rohstoffe, wie zum Beispiel Gold und Öl exportiert, kommt davon wenig bei der Bevölkerung an. Die Hälfte der Menschen lebt von Landwirtschaft, die meisten am absoluten Existenzminimum. Durch den Sudan fließt der Nil, jedoch nimmt seit Jahren die Trockenheit im Land zu. Auslöser dafür ist unter anderem der Klimawandel, weshalb die Trockenheit und damit verbundene Dürren in den nächsten Jahrzehnten massiv zunehmen werden.

Im Dezember 2018 kam es in der Stadt Atbara zu den ersten Protesten, die schnell zu Massenprotesten wurden. Die Stärke der Protestbewegung machte dabei die starke gewerkschaftliche Tradition des Landes deutlich. Dabei standen besonders Frauen an der Spitze der Protestbewegung. Jene Frauen ließen sich durch die Militärs nicht einschüchtern, obwohl diese sogar sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe einsetzten.

Anfang 2019 kam es zu einem friedlichen Sit-in vor dem Militär-Hauptgebäude in der Hauptstadt Khartum, bis schließlich Militär und RSF gemeinsam den Diktator Umar Hasan Ahmad al-Baschir absetzten. Dies geschah jedoch nicht aus Überzeugung, sondern weil die Proteste zu groß waren, um sie militärisch zu bekämpfen. Allerdings führten zur selben Zeit Militär und RSF Hinrichtungen und Massaker gegen die Opposition durch, bis schließlich im August 2019 eine Übergangsregierung gebildet wurde, die den Weg hin zur Demokratie ebnen sollte. 2021 putschte sich das Militär erneut an die Macht, seitdem sind wieder dieselben korrupten und skrupellosen Generäle an der Macht, die Menschenrechte und Demokratie mit Füßen treten wie vor der friedlichen Revolution.

Für das Militär und die Miliz RSF stellt sich seit 2019 die Frage, wer wie viel Macht erhalten wird. Die RSF wurde unter Diktator Umar Hasan Ahmad al-Baschir stark gefördert. Die RSF, mit Unterstützung der Regierung, war mutmaßlich am Genozid verschiedener Volksgruppen in Darfur (Region im Westen des Sudans) beteiligt. Zur selben Zeit unterstützte die Europäische Union die Militärdiktatur, um Geflüchtete auf dem Weg nach Europa aufzuhalten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die RSF die Gelder erhalten hat, da sie ab 2015 für den Grenzschutz im Sudan verantwortlich war.
Im April 2023 ist der Konflikt zwischen Militär und RSF eskaliert. In Khartum setzt das Militär Kampfflugzeuge gegen die RSF ein. Die Kämpfe haben zum Zusammenbruch der Ordnung im Land geführt. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist schlecht, Menschen holen ihr Trinkwasser aus dem Nil und medizinische Versorgung ist kaum vorhanden. Seit April sind hunderte Menschen ums Leben gekommen und tausende wurden verletzt. Über 700.000 Menschen sind bereits auf der Flucht. Sie fliehen innerhalb des Sudans, in die Nachbarländer, aber auch nach Europa. Die Möglichkeit zur Flucht haben die, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Es fehlt an sicheren Korridoren, durch die Menschen fliehen können und über die die Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Medizin versorgt werden kann. Außerdem fehlen eine sichere Fluchtrouten nach Europa. Die Menschen werden gezwungen, in Schlauchbooten übers Mittelmeer nach Europa zu fliehen.
Es ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union als Friedensnobelpreisträgerin, dass sie zum Einen nicht mal ausschließen kann, an der Eskalation des Konflikts beteiligt zu sein, und dass sie zum Anderen immer noch nicht einmal willens ist, den Menschen bei ihrer Flucht zu helfen. Im Gegenteil arbeitet sie weiterhin mit der sogenannten „libyschen Küstenwache” zusammen, um Menschen im Mittelmeer auf ihrem Weg nach Europa zu hindern. Dazu kommt die aktuelle Reform des europäischen Asylrechts im “Gemeinsamen europäischen Asylsystem” (GEAs), dem auch Deutschland zugestimmt hat. Es kann nicht gewährleistet werden, dass alle Menschen, die aus dem Sudan fliehen, in der EU Schutz finden. Das ist eine Schande.
Die Menschen im Sudan kämpfen seit Jahren für Demokratie und Menschenrechte. Wir dürfen sie in ihrem Kampf nicht mehr länger im Stich lassen.

Daher fordern wir:

  • Die Afrikanische Union, Europäische Union und die Vereinten Nationen werden aufgefordert, eine Initiative für humanitäre Hilfskorridore ergreifen, damit Menschen sicher fliehen, Verwundete abtransportiert werden können. Außerdem muss es sichere Wege geben Tote zu bergen, um die Seuchengefahr zu minimieren. Die Versorgung mit
    humanitären Gütern (Lebensmittel, Trinkwasser, Medikamente) muss aufrechterhalten werden, oder wieder aufgenommen werden.
  • weiterhin einen Einsatz für eine solidarische und antikoloniale Klimapolitik, da der Globale Norden für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich ist
  • Untersuchung und Reform der europäischen und deutschen Entwicklungszusammenarbeit, speziell der Kooperation mit migrationsrelevanten Institutionen, um zukünftig zu verhindern, dass potenzielle oder tatsächliche Gewaltakteure, wie die RSF und deren Schwestermilizen, durch finanzielle Zuwendungen profitieren. Eine Mitverantwortung der Europäischen Union an der Eskalation im Sudan ist dadurch gegeben, dass die EU im Rahmen des „Hilfsfondses für Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration und Binnenmigration in Afrika“ bis 2019 an der Unterstützung der RSF, deren Vorgängermiliz für Kriegsverbrechen in Darfur verantwortlich ist, beteiligt war. Die allgemeine Gefahr einer Eskalation zwischen regulären Streitkräften und geförderten Sicherheitskräften muss daher zukünftig in der Risikoanalyse berücksichtigt und abgewogen werden.
  • eine Neuauflage des GEAS, die flüchtenden Menschen ihr Recht auf Asyl sichert. Wir fordern offene Grenzen und die Einhaltung der Menschen- und Grundrechte in der EU und weltweit.