So wie jetzt kann es nicht bleiben – Studierende mitdenken!

Vergesst uns nicht schon wieder!

Viel zu oft werden Studierende im politischen Diskurs entweder gar nicht oder wenn überhaupt nur oberflächlich zu Wort kommen gelassen. Dabei sind Studierende ein wichtiger Teil der Zukunft – egal ob in unserer Partei, in unserem Land oder auf der ganzen Welt. Doch wie fast immer, wenn es um die Belange von jungen Leuten geht, werden diese von der Politik nicht ernst genommen. Genau das sieht man beispielhaft, wenn man sich die 200€ “Soforthilfen” anschaut. Genau die sind nämlich keine systematischen Fortschritte, die jungen Leuten tatsächlich helfen, sondern eine über Monate hinausgezögerte, viel zu gering ausfallende Unterstützung. Genau solche politischen Entscheidungen stellen keine Lösung für die Probleme von Studierenden dar. Für uns ist klar: die Lösung ist eine nachhaltig soziale Bildungspolitik, die vorhandene Strukturen klug anpasst.

NRW als Standort für dein soziales Studium?

“Ich möchte in NRW studieren! Da gibt es nicht nur meinen favorisierten Studiengang, sondern auch gute Campus, günstiges Essen in den Mensen, bezahlbaren und genügend Wohnraum und an jedem Hochschulstandort ideale Bedingungen zum Studieren.” Schön wäre es ja, aber die Realität sieht anders aus. Denn in dieser hängt das Studium und der Verlauf dessen nicht nur vom Geldbeutel von dir und deiner Eltern ab, sondern auch von der eigenen Frustrationstoleranz und vor allem dem Standort.

Neben den bekannten Problemen, wie dem Fehlen von bezahlbarem Wohnraum in vielen Städten, gelten an vielen Hochschulen NRWs unterschiedliche Regelungen zu Studienverlaufsplänen und Prüfungsleistungen. Selbst beim oft belachten Abitur NRWs ist es deutlich einheitlicher – warum scheitert es dann an den Hochschulen?

Den sowieso schon zu hohen mentalen Druck für Studierende durch strikte Fehlversuchsregelungen nochmal immens anzuheben, sorgt nur für mehr Stress, starke Existenzängsten und gefährdet die psychische Gesundheit der Studierenden. Wir wollen nicht, dass man im Studium Burn- Outs dadurch erleidet, dass man sich denkt, man müsse eine Prüfung jetzt unbedingt bestehen – im besten Fall auch noch mit einer guten Note. Wenn der Druck zur Angst wird und man dann doch nicht zur Prüfung antritt, ist man auch noch gezwungen sich ein Attest zu besorgen. Und selbst den Hochschulen bringen solche Regelungen nichts Positives. Studierende und potenziell Studierende werden nur vergrault und mehr gestresst. So sinken letztlich die Studierendenzahlen und mit ihnen auch die finanziellen Mittel der Hochschulen selbst.

Trotzdem ist der studentische Kampf für Veränderungen ein oft aussichtsloser. An vielen Standorten ist es sogar einfacher, über Jahre hinweg jede einzelne Prüfungsordnung der Studiengänge mit ähnlichen Regeln zu versehen, als eine einheitliche Änderung in die Rahmenprüfungsordnung zu schreiben. Dabei ist allen bewusst, dass dieser Kampf auch viel Kraft kostet und deutlich länger dauert als eine Rahmenprüfungsordnung umzusetzen. Doch es gibt auch positiv Beispiele: An der Universität Bielefeld wurde bei der Reakkreditierung der meisten Studiengängen eine soziale Regelung für Prüfungsleistungs-Wiederholungsversuche eingebaut. So lassen sich Klausuren nicht nur ohne Beschränkung bei nicht bestehen wiederholen, es gibt auch die Möglichkeit zur Verbesserung. Hierbei ist es wichtig, dass in allen Fällen die bessere Note zählt. Wir fordern, dass eine an diesem System orientierte Regelung in jede Rahmenprüfungsordnung der Hochschulen NRWs eingepflegt wird und wir so Studierenden eine große Schippe vom mentalen Druck nehmen.

Zu diesem mentalen Druck gehört auch die finanzielle Perspektive von Studierenden: “Wie finanzier ich mein Studium? Kann ich meine nächste Miete noch bezahlen? Und was esse ich heute Mittag eigentlich?” Bei all dem sollen die Studierendenwerke Ansprechperson sein. So schreiben die Studierendenwerke NRW auf ihrer Website: “Die deutschen Studierendenwerke sind zuständig für die Förderung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange der Studierenden”. Doch bei der aktuellen Inflation und dem Übertragen der Kosten auf die Studierenden beim Mensaessen und den Mieten in den Studierendenwohnheimen wird lediglich der wirtschaftliche Bankrott der Studierenden gefördert. Und auch wenn Studierende in den Aufsichtsräten der Studierendenwerke sitzen, ändert sich am Führungsstil oft zu wenig – schließlich hat man auch da keine Mehrheit mit der Meinung derer, die die Studierendenwerke nicht nur finanzieren, sondern auch deren Angebote tagtäglich nutzen.

Für uns ist klar: Die Studierendenwerke müssen durch ein 1:1 Modell ausfinanziert werden, die bisherige finanzielle Belastung wird zu einem überwältigenden Anteil von den Studierenden getragen und das Land NRW stiehlt sich aus der Verantwortung. Mit genügend finanziellen Spielraum werden so nicht nur die Studierenden finanziell stark entlastet, sondern es wird auch Raum für bessere & mehr Angebote geschaffen. Daher fordern wir die zeitnahe Ausfinanzierung der Studierendenwerke, damit NRW ein attraktiver Standort für Studierende wird.

Zu einem attraktiven Standort für ein Studium zählt auch das Angebot an öffentlichem Nahverkehr und dem Preis dessen. Je nach Hochschule zahlen Studierende mittlerweile auf den Monat gerechnet fast so viel, wie das Deutschlandticket aktuell kostet (49€) – das nur um in NRW den ÖPNV nutzen zu können. Doch selbst mit der Einführung des verbesserungswürdigen Deutschlandtickets und der Möglichkeit des monatlichen Upgrades werden für Studierende keine Chancen geschaffen, sondern nur Mehrkosten. Für viele stellt sich zudem die Frage, ob das Semesterticket in seiner jetzigen Form noch eine Existenzberechtigung hat. Dabei stellt gerade für junge Menschen, die im Studium und der Ausbildung nicht finanziell abgesichert sind, das Angebot von günstigem ÖPNV nicht nur ein „Nice-to-have“, sondern eine Notwendigkeit dar. Daher fordern wir eine günstige Alternative zum Deutschlandticket für Studierende, Azubis & Schüler*innen in NRW – wie ein 29€-Ticket. Wenn das Angebot dann endlich attraktiv genug ist, wird die Notwendigkeit vom Ausbau und einer verbesserten Taktung des öffentlichen Nahverkehrs auch offensichtlich. Dies soll aber nur als Übergangslösung dienen, weiterhin soll ein kostenloser ÖPNV für alle angestrebt werden.

Jetzt oder nie – Zeit für einen studentischen Arbeitskampf!

An deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen arbeiten über 300.000 Studierende auf Basis von Mini- und Midijob-Verträgen neben ihrem Studium als studentische/wissenschaftliche Hilfskräfte, Assistent*innen und Tutor*innen (kurz: Studentische Beschäftigte). Der Staat ist somit der größte Arbeitgeber für Studierende. Doch seit mehr als drei Jahrzehnten drücken sich die Landesregierungen darum, Studentische Beschäftigte – wie alle anderen Hochschulbeschäftigten auch – nach Tarifvertrag zu beschäftigen. Nicht nur das, sie werden auch noch abgerechnet wie Sachmittel. Die einzige Ausnahme dabei stellt mittlerweile Berlin dar. Doch es ist und bleibt ein sozialpolitischer Skandal! Neben dieser Ausnahme – die weitreichende Konsequenzen hat – existiert eine Reihe weiterer beschäftigungspolitischer und arbeitsrechtlicher Missstände. So arbeiten studentische Beschäftigte mit Vertragslaufzeiten von durchschnittlich gerade einmal knapp 6 Monaten. Rund 40% der Beschäftigten arbeiten mindestens zum dritten Mal auf ein und derselben Stelle in Folge. Ein System von Kettenbefristungen, das Studierende gegenüber den Professor*innen in hoher Abhängigkeit hält.

Da wäre außerdem in zahlreichen Bundesländern die Ausnahme von der gesetzlichen Mitbestimmung und damit dem Recht, einen Personalrat zu bilden. Studentische Beschäftigte arbeiten so vielerorts in einer demokratiefreien Zone, was zu einer umfangreichen Nichteinhaltung von Arbeitnehmer*innenrechten führt. So verschafft sich der Staat mittels seiner gesetzgebenden Macht einen exklusiven Zugriff auf die Arbeitskraft von Studierenden und macht sich durch diese zahlreichen Ausnahmeregeln Studierende als billige und flexibel einsetzbare Masse an Arbeitskräften zunutze, die so am Ende den unterfinanzierten Hochschulbetrieb aufrechterhalten. Ignoriert wird, dass gute Lehre und Forschung nur mit guten Arbeitsbedingungen gehen, stattdessen werden die Missstände sogar mit „Qualifizierung“ begründet.

Wir sagen: Zeit, dass sich daran etwas ändert! Wir müssen die Initiative der TV Stud nicht nur leise unterstützen, sondern wortgewaltig und laut in unseren Landtag und den Bundestag bringen! Daher fordern wir die Tarifverträge für alle studentischen Beschäftigten in ganz Deutschland – ohne Wenn und Aber und möglichst schnell.

Krankenversicherung – Absicherung oder weitere Hürde im Studium?

Die aktuelle Lage führt uns nochmal vor Augen: auch für Studierende ist jeder Cent wichtig. Mit dem Vollenden des 25. Lebensjahres erwarten Studierende aber keine Entlastung, sondern zusätzlich eine doppelte Belastung. Nicht nur, dass ab dem Zeitpunkt kein Kindergeld mehr gezahlt wird, gleichzeitig endet auch die Familienversicherung. Für uns als Jusos herrscht hier ein Mismatch: es fehlt Studierenden nicht nur Geld, es muss jetzt auch noch zusätzliches Geld gezahlt werden. Zwar gibt es einen Zuschuss im BAföG, doch dieser deckt nicht einmal den kompletten Beitrag zur Krankenversicherung. Zudem werden diejenigen, die immer noch kein BAföG bekommen oder Werkstudierende dabei außen vorgelassen. Daher fordern wir kurzfristig das Hochsetzen der Altersgrenze sowie eine Erhöhung der Einkommensgrenze auf 1.200 € für die Familienversicherung. Langfristig sollte das komplette System
der Krankenkasse von Studierenden überarbeitet werden. So kommt es zu einer tatsächlichen Entlastung.

Die Altersgrenze muss an die Lebensbedingungen von Studierenden angepasst werden, da es völlig normal ist auch noch mit 25 Jahren zu studieren. Daher muss zudem die Altersgrenze für die studentische Versicherung abgeschafft werden. Dabei handelt es sich oft um Menschen, die bereits gearbeitet haben und sogar schon ins System eingezahlt haben. Statt durch die schon erbrachte Arbeit belohnt zu werden, wird ein Vollzeitstudium mit 30 Jahren eine große Frage der Geldkapazitäten. Das Gesundheitssystem sollte nicht dafür sorgen, dass ein Studium zur finanziellen Herausforderung wird und am Ende des Monats kaum noch Geld übrig ist. Daher fordern wir das Thema Versicherung für Studierende in den Fokus zu rücken! Dabei bleibt eine bezahlbare, soziale Bürger*innenversicherung für alle das Endziel.

Die Forderungen – kurz & kompakt

Lange Rede kurzer Sinn: es braucht Veränderungen im System – für Studierende ist ein “weiter so” keine Option! Deshalb fordern wir zusätzlich zu den schon beschlossenen Forderungen für junge Leute:

  • die Ausfinanzierung der Studierendenwerke durch das 1:1 Modell
  • eine in NRW einheitliche Regelung für Prüfungsleistungs-Wiederholungsversuche orientiert am Beispiel Bielefeld
  • eine in NRW einheitliche Streichung des Vorweises von Attesten bei nicht Teilnahme an Prüfungen
  • Das festhalten an der Solidarfinanzierung des Semestertickets, aber für einen günstigeren Satz, damit es konkurrenzfähig zum Deutschlandticket bleibt, auf 29 Euro. Ebenso ein 29 Euro Ticket für Auszubildende. Schüler*innen in NRW sollten Zugang zum ticketlosen ÖPNV erhalten. Das langfristige Ziel ist und bleibt der ticketlose ÖPNV
  • Tarifverträge für alle studentischen Beschäftigten in ganz Deutschland
  • das Hochsetzen der Altersgrenze für die Familienversicherung
  • die Fokussierung des Themas “Versicherung für Studierende”