Versuch doch wie du willst!

Wir fordern die landesweite Aufhebung von Versuchsbeschränkungen an Hochschulen und Universitäten, die zur Exmatrikulation führen.

Schon lange diskutieren wir über die Sinnhaftigkeit von eingeschränkt wiederholbaren Prüfungen. Doch in den letzten zwei Jahren hat die Forderung einen neuen Antrieb erhalten. Während der Hochzeiten der Pandemie wurden vereinzelt Hürden im Studium genommen und so auch zeitlich begrenzte Freiversuche eingeführt. Die Studierenden hätten es durch die Pandemie schwerer zu studieren, zu lernen und Leistungen zu erbringen.

Die Dozierenden waren also plötzlich gezwungen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und trotz vieler Widerstände Prüfungen anzubieten, die bei Nicht-bestehen nicht zum Nachteil der Studierenden ausgelegt werden konnten. Der zunächst prognostizierte Mehraufwand durch unvorbereitete Studierende, die sich nur in die Prüfung setzen würden, „um mal zu schauen, wie das so läuft“, blieb größtenteils aus. Die Bestehensquoten blieben stabil (das geht zum Beispiel aus Statistiken der Universität Wuppertal hervor).

Dass die Möglichkeit der uneingeschränkten Wiederholbarkeit von Prüfungsleistungen nicht zu schlechteren Leistungen, erheblichem Mehraufwand für Prüfende oder gar einem nicht enden wollenden Studium führt, zeigt sich schon lange an der Universität Bielefeld. Das dort seit 2002 gelebte ‚Studienmodell‘ schließt noch viel mehr ein als die unendliche Wiederholbarkeit von Prüfungen, macht aber vor allem in diesem Punkt deutlich, dass im Grunde alle Sorgen von Dozierenden unberechtigt sind. Die durchschnittliche Studienzeit in Bielefeld ist im Vergleich zu anderen Universitäten in NRW geringer, die Organisation von Prüfungen funktioniert einfach und ohne viel Verwaltungsaufwand. Zudem wird den Studierenden ein positiver Anreiz geschaffen, Prüfungen zu schreiben, wohingegen an anderen Universitäten der psychische Druck oft hemmend wirkt. Dass Studierende länger an der Universität bleiben, als der Staat es möchte, nur weil man ihnen mehr Versuche für die Erbringung von Leistung gibt, ist eine Phantasie privilegierter Menschen, denn jedes Semester mehr heißt eben auch, sich das finanziell leisten zu können! Der Kapitalismus führt demnach ganz die Sorge, aufgrund eines Blackouts, schlechten Tags oder Prüfungsangst exmatrikuliert zu werden, zu einem enormen und dauerhaften Druck im Studium.

Rechtlich sind laut Hochschulgesetz NRW Versuchsbeschränkungen zugelassen, wenn sie verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen für ein legitimes Ziel sind. Diese Verhältnismäßigkeit ist unserer Ansicht nach nicht gegeben!

Der Landesausschuss Studierender in der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) hat sich auf seiner letzten Klausurtagung intensiv mit dem Thema befasst und entsprechend positioniert. Auch aus gewerkschaftlicher Sicht sind eingeschränkt wiederholbare Prüfungen weder sinnvoll fürs Studium noch förderlich für eine gerechte Bildungspolitik.

Wir als Jusos in NRW fordern daher ganz konkret eine Änderung des Hochschulgesetzes NRW für alle Studienfächer, d.h. auch für Studienfächer mit einem Examen als Abschlussprüfung wie Medizin und Jura und Dual Studierende! Weg mit Versuchsbeschränkungen! Hin zu einem Studium, in dem es um Inhalte geht und nicht um die Überwindung von Angst und Leistungsdruck. Nicht nur während der Pandemie war (bzw. ist) es aus verschiedensten Gründen nicht immer leicht zu studieren, zu lernen und Leistungen zu erbringen. Es wäre ein kleiner Schritt im Hochschulgesetz, aber ein großer Schritt im selbstbestimmten Studium.

Da endgültiges nicht-Bestehen von Prüfungen auch in anderen Kontexten, in denen das Hochschulgesetz nur bedingt oder gar nicht greift, relevant ist, wollen wir uns als NRW Jusos perspektivisch auch damit auseinandersetzen, wie beispielsweise die Situation von Dual-Studierenden und Studierenden, die Staatsexamen ablegen müssen, diesbezüglich verbessert werden kann.