Von der „Zigeunerbekämpfung“ zu „Armutszuwanderung“ und „Klau-Kids“: Zur Kritik des Antiziganismus

Umgedrehte Besen vor den Haustüren, bewaffnete Banden, die Hausbewohner*innen angreifen, umherstreifende Nazigruppen, das Gerücht von Diebesbanden und Wohnungseinbrüchen und der Ruf nach dem Bilden einer „Bürgerwehr“: was sich in Berlin, Bremen, Mannheim, Köln und im Ruhrgebiet im Spätsommer 2013 abspielte, ist ein vorbildliches Beispiel für einen in letzter wieder stärker auftretenden Antiziganismus. Im Zuge der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die EU und der Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit zu Beginn dieses Jahres ließen sich in der jüngsten Vergangenheit vermehrt antiziganistische Klischees in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Auch Vertreter*innen der Stadtverwaltungen nordrhein-westfälischer Kommunen, der Polizei oder der Lokalpresse gebrauchten in den letzten Jahren und Monaten immer wieder antiziganistische Klischees. Schon 2008 gab es in Duisburg-Bruckhausen eine rassistisch geprägte Debatte um die Zuwanderung von Roma aus Bulgarien und Rumänien, doch erst seit 2012 griff die antiziganistische Stimmung in Nordrhein- Westfalen immer mehr um sich und verschärfte

sich. Es gibt in Nordrhein-Westfalen viele Beispiele für ein stärkeres Auftreten antiziganistischer Klischees in der öffentlichen Debatte, wie es in den letzten zwei Jahren bundesweit zu beobachten war und noch bis heute ist. Als Jusos wenden wir uns gegen jede Form von Antiziganismus und Rassismus; wir appellieren an die Zivilgesellschaft, sich jeder reaktionären Ideologie entgegenzustellen und fordern alle demokratischen Parteien auf, Maßnahmen gegen das Umsichgreifen derselben zu treffen und für eine humane Lebenssituation für alle Menschen, insb. für von Diskriminierung Betroffene zu sorgen. Der Antiziganismus, der Hass auf Menschen, die als „Zigeuner“[1] bezeichnet werden, hat eine lange und blutige Geschichte in Europa und kann nur unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung und Durchsetzung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft adäquat begriffen werden.

Die mörderische Dynamik des Antiziganismus zeitigt ihre ersten furchtbaren Auswirkungen im Mittelalter und seitdem lässt sich ihre tödliche Spur durch die Geschichte verfolgen. Die ersten Pogrome an Sinti und Roma lassen sich für das 15. Jahrhundert nachweisen, leiten weiter zu systematischen Verfolgungen im Kaiserreich und münden in den Versuch der völligen Vernichtung durch die Deutschen bis 1945. Dem Porajmos (Romanes: „das Verschlingen“) fielen über 200.000 Menschen zum Opfer. Diesen Personen wird bis heute keine angemessene Entschädigung zugesprochen und die Deutsche Staatsbürgerschaft bleibt ihnen weiterhin aberkannt. Auch heute noch leiden Sinti und Roma – wie in Südosteuropa, so auch in Deutschland – unter Verfolgung und Armut. Es lohnt sich also, die Herkunft dieses Ressentiments gegen als „Zigeuner“ bezeichnete Menschen zu untersuchen.

Die Geschichte des Antiziganismus lässt sich, wie gesagt, bis zum Beginn der Neuzeit zurückverfolgen; sie ist verknüpft mit der Existenz der Sinti und Roma in Europa. Sinti und Roma lebten vermutlich seit dem 14. Jahrhundert in Europa, verbürgt ist ihre Anwesenheit seit 1407[2]. Zu dieser Zeit genossen Sinti und Roma in Europa – ähnlich den Jüd*innen[3] – oftmals den Schutz der Herrschenden und Freizügigkeit. Sinti und Roma stellten im Mittelalter in Europa bei weitem nicht die einzige wohnsitz- und damit herrenlose Gruppe dar: fahrende Spielleute, Handwerker, Schüler und Knechte zogen ebenso umher. All diese konnten, zogen sie als Nicht-Sesshafte umher, auf die caritas (lat.: Barmherzigkeit) der katholischen Christen vertrauen. Zeitgleich mit der Reformation begann jedoch ein Umdenken in der Mehrheitsbevölkerung, welches Armut und Bettelei nicht mehr als gottgefällig, „sondern als unsittlich, als ein zu beseitigendes Übel, das mit Arbeitshaus und Zuchthaus zu bekämpfen war“[4], ansah. Diese Umwandlung der Geisteshaltung geschah zeitgleich mit und in Reaktion auf das Auflösen feudaler Herrschaftsstrukturen des Mittelalters und der Herausbildung einer neuen Produktionsweise: frühe Formen des (Handels-) Kapitalismus verdrängten die

agrarisch geprägte Wirtschaftsordnung des Mittelalters. Ablehnung schlug fortan all jenen „unproduktiven“ Gruppen – fahrende Spielleute, Handwerker etc. und eben auch Roma und Sinti – entgegen. Diesen allen wurde der Vorwurf gemacht, sich der produktiven Arbeit zu entziehen und dem Müßiggange zu frönen, nach und nach reduziert sich der Vorwurf aber auf eine der Gruppen: die als eine homogene Gruppe verstandenen und als „Zigeuner“ bezeichneten Sinti und Roma[5].

Antiziganismus – Ideologie der Neuzeit

An der Reduzierung des Vorwurfs des Müßigganges auf die „Zigeuner“ lässt sich die Konstruktion des „Eigenen“ und des „Fremden“ der entstehenden bürgerlichen Gesellschaften nachvollziehen. Während die Sinti und Roma qua vermeinter ethnischer Differenz als Fremde konstruiert werden konnten, wurden die anderen zuvor ebenfalls dem Vorwurf der Unproduktivität Ausgesetzten (fahrende Händler etc.) zum Teil des Eigenen erklärt. Indem die Unproduktivität, die nunmehr nicht bloß wertneutrale Feststellung war, sondern innerhalb der modernen Arbeitsethik Anlass zum missbilligenden Vorwurf gab, aber einzig den Fremden zugeschrieben wurde, konnte sich das im Entstehen begriffene neuzeitliche Subjekt einerseits individuell als dem Müßiggange fern, andererseits als Teil eines produktiven Kollektivs begreifen, während das Unproduktive gänzlich aus dem Eigenen gebannt und dem Fremden zugewiesen wurde.

Zugleich kanalisiert sich im Hass auf die „Zigeuner“ auch der Unwillen des sich konstituierenden Subjektes auf die neuzeitlichen Zwänge und Regeln, die es noch nicht gänzlich verinnerlicht, gegen die aufzubegehren ihm aber schon unmöglich geworden. Der Hass auf die neuen, rigiden Formen der Arbeit wurde zunehmend auf diejenigen projiziert, die sich ihm vermeintlich nicht unterwerfen wollten: „Im Haß gegen das ‚herrenlose‛, also sich angeblich keinem Herren unterwerfende ‚Gesindel der Zigeuner‛ rebelliert das Subjekt gegen das eigene Eingesperrtsein im Gehäuse

einer neuen Hörigkeit; gegen eine Staatsgewalt, die sich als unermüdlicher Gesetzgeber und Kontrolleur zu einer umfassenden Sozialgestaltung aufschwingt, Steuerbeamte übers Land schickt und die schöne neue Ordnung durch die ‚Policey‛ absichern läßt.“[6]

Im Zuge der Industrialisierung des deutschsprachigen Raumes im 19. Jahrhundert verfestigte sich das Ressentiment gegen die „Zigeuner“: Viele Handwerks- und mittelständische Betriebe sehen aufgrund fortschreitender Industrialisierung dem wirtschaftlichen Ruin entgegen. Unfähig, den wahren Grund dieser Entwicklung zu benennen, werden die „Zigeuner“, die oftmals nicht in den starren, den Veränderungen gegenüber hilflosen Zünften organisiert waren, als die Schuldigen bezeichnet und verfolgt.[7] Eine ähnliche Funktion erfüllte der Antiziganismus immer wieder in Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche und erfüllt sie auch heute wieder.

Antiromaismus und Antiziganismus: Aspekte eines Ressentiments

Das antiziganistische Ressentiment enthält immer ein rassistisches Moment; es ist dies eine notwendige Voraussetzung dafür gewesen, dass sich der Vorwurf des Müßigganges auf die Gruppe der Sinti und Roma hat reduzieren können: zu dem bereits vorhandenen xenophoben Vorurteil (Geneigtheit zu Diebstahl und Hehlerei, Wahrsagerei etc.)[8] des ausgehenden Mittelalters gesellte sich das Konstrukt der biologisch begründeten ethnischen Differenz. In der Moderne entwickelte sich daraus ein spezifisch gegen Roma gerichteter Rassismus: der Antiromaismus. Aber der Antiziganismus geht über das xenophobe Vorurteil und den Rassismus hinaus, er ist „keine bloße Verarbeitungsweise ethnischer Differenz“.[9] Die „Zigeuner“ stellen für das Subjekt in Neuzeit und Moderne nicht nur eine Fremdgruppe dar, sondern das Andere,welches sich der herrschenden Produktionsweise entzieht.[10] Die „Zigeuner“ haben in

dieser Ideologie also den Umbruch der Zeiten in gewisser Weise nicht mitvollzogen und stellen für das moderne Subjekt das vormoderne Andere dar;[11] sie werden „zu

Repräsentanten der Vormoderne, einer Welt von gestern.“[12]

Wer vom Antiziganismus spricht, darf vom Kapitalismus nicht schweigen

Wie oben beschrieben, stellen die „Zigeuner“ für das moderne Subjekt – d. i. das Subjekt im Kapitalismus – das Fremde dar. Zugleich erkennt es sich in ihnen selbst wieder. Das den „Zigeunern“ zugeschriebene unproduktive Verhalten und die vormoderne Kultur muss das moderne Subjekt als eigene wiedererkennen, und zugleich als solche ablehnen. Die Menschen in den modernen kapitalistischen Gesellschaften wollen zurück in die Vormoderne, in einen Zustand der Freiheit von Arbeit und Belastungen der Moderne, zugleich ahnen sie die verinnerlichten Zwänge der Gegenwart und unter diesen leidend wissen sie, dass sie nicht zurück können noch dürfen. Im Bestreben des modernen Menschen, diese ihm immanenten Anteile von sich zu weisen, erkennt er sie im Fremden – dem „Zigeuner“ – umso stärker und wendet sich voller Hass gegen sie, im „verzweifelte[n] Vernichtungswille[n]“ gegen „die verhaßte, übermächtige Lockung, in die Natur zurückzufallen“.[13]

Dabei spielt die Frage, ob die Sinti und Roma dem gegen sie gerichteten Vorurteil entsprechen, keinerlei Rolle. Die Empirie, die jedes Vorurteil von nicht-sesshaften, unproduktiven Mitgliedern der Gruppe der Sinti und Roma widerlegt, hat auf das Vorurteil keinerlei Einfluss – der Antiziganismus bedarf nicht der als unproduktiv vorgestellten Sinti und Roma, er benötigt einzig die „Zigeuner“, die für das moderne Subjekt das Vormoderne darstellen. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn sich in das antiziganistische Bild der „Zigeuner“ scheinbar gutwillige, romantisch-verklärende Elemente mischen: die schöne Zigeunerin, der lebensfrohe Gitarrenspieler, das Beisammensein am Lagerfeuer und ähnliche romantisierende Vorstellungen fügen sich ein in ein Gesamtbild des steten Müßigganges. Die vermeintliche Lebensweise der „Zigeuner“ wird nicht in jedem Detail abgelehnt, im Gegenteil: das moderne Subjekt findet darin durchaus von ihm ersehnte Elemente. Wogegen es sich allerdings wendet ist das Dasein des „Zigeuners“ im Ganzen: Die Vorstellung vom Müßiggang, ohne sich diesen erarbeitet zu haben, weckt im modernen Menschen Sehnsüchte, denen er der verinnerlichten Zwänge der modernen

Gesellschaft wegen nicht stattgeben kann.

Wie der Antisemitismus im Juden die Übel der Moderne sieht, so sieht der Antiziganismus im „Zigeuner“ die Übel der Vormoderne. Antisemitismus und Antiziganismus eint, dass beide Ideologien des Kapitalismus, sich aber aus diesem allein nicht erklären lassen. Beide entwickelten sich aus vormodernen Ideologien, lebten in der Neuzeit fort und ordneten sich in hervorragender Weise in die gesellschaftliche Ordnung der kapitalistischen Produktionsweise ein. Sie stellen zwar autonome Teile der gesellschaftlichen Ordnung dar, fügen sich in diese aber hervorragend ein und erfüllen spezifische Funktionen in ihr. Das antisemitische und das antiziganistische Ressentiment unterscheidet von rassistischen Ressentiments, dass das durch den Rassismus herabgesetzte Individuum immer noch als Teil derselben Gesellschaft verstanden wird, wenn auch als Teil einer Fremdgruppe. Die Jüd*innen im Antisemitismus und die „Zigeuner“ im Antiziganismus werden hingegen vorgestellt als außerhalb jeder menschlichen Gesellschaft Stehende – sie werden nicht als die zu bekämpfenden Fremden, sondern als zu vernichtende Unmenschen aufgefasst. Insofern ist der auch heute zutage tretende Antiziganismus nur zu begreifen, wenn man ihn versteht als eine notwendige der Ideologie der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft: Das Zusammenspiel beider Elemente nordet das Subjekt ein als Teil dieser Gesellschaft und der herrschenden Produktionsweise. Statt sich ihrer Stellung innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und der dieser zugrunde liegenden kapitalistischen Produktionsweise bewusst zu werden, ermöglicht es dem einzelnen Menschen, sich in einer als komplex empfundenen Gesellschaft zu behaupten. Indem der Einzelne in solchen Erklärungsmustern Zuflucht sucht, empfindet er sich weiterhin als autonomes Subjekt in einer Welt, deren Zusammenhänge er tatsächlich nur erahnt.

Ideologien aufdecken, Alternativen aufzeigen, das Ganze aufheben!

Der gegenwärtige Antiziganismus in Nordrhein-Westfalen, der BRD und Europa ist, wie gezeigt wurde, nicht nur ideologisch fest verankert, sondern hat auch eine lange Geschichte. Wenn Politiker*innen aller Parteien Missstände skandalisieren und damit nicht rassistische Übergriffe und den grassierenden Antiziganismus sondern die Bewegungsfreiheit von Menschen meinen, ist klar: Es bricht sich Bahn, was im

Kapitalismus an menschenverachtenden Ideologien existiert. Interventionen gegen den vorherrschenden antiziganistischen Konsens in Duisburg sind so rar wie notwendig. Statt sich undifferenziert von „Hetze“ zu distanzieren und in blinden Aktionismus zu verfallen, wird hier eine Kritik der Verhältnisse aufgezeigt, die den Antiziganismus als das benennt, was er ist. Eine Kritik des Antiziganismus arbeitet sich an Oberflächenphänomenen ab, wenn sie nicht zugleich eine Kritik jener gesellschaftlichen Verhältnisse versucht, in welchen der Antiziganismus hervortritt. Den Antiziganismus bekämpfen hilft nur eines: Die gegenwärtige Einrichtung der Welt, Europas und der BRD muss Gegenstand praktischer Kritik werden.

Wir fordern

 durch eine kontinuierliche Thematisierung die Sensibilisierung in den eigenen Verbands- und Parteistrukturen für Antiziganismus zu stärken;

 ehrenamtliches Engagement und Initiativen vor Ort finanziell und strukturell zu unterstützen und zu bestärken;

 die in der Lokalpolitik aktiven Genoss*innen auf, in ihrem Zuständigkeitsbereich humane Lebenssituationen und -unterkünfte für Zuwander*innen zur Verfügung zu stellen und zu erhalten;

 die Landesregierung auf, über die im Wohnungssicherheitsgesetz beschlossenen Regelungen hinaus Vorkehrungen zu treffen, um es Menschen zu ermöglichen, nach NRW einzureisen und hier eine wirtschaftliche Existenz für sich zu sichern;

 die Landesregierung weiterhin auf, politische Aufklärung im Hinblick auf antiziganistische Ressentiments in der Gesellschaft zu betreiben und bestehende Initiativen auszubauen und insb. finanziell aufzustocken;

 die Landesregierung außerdem auf, die Kommunen in ihrem Bestreben, humane Lebenssituationen zu schaffen, zu unterstützen;

 die Bundesregierung und die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages auf, eine Rücknahme der Option zur Abschiebung von Personen nach sechs Monaten erfolgloser Arbeitssuche anzustreben;

 die sogenannte Sichere-Drittstaaten-Regelung abzuschaffen.

Für uns bleibt der Antiziganismus als Ideologie und als gesellschaftlich wirksame Kraft, eine Tendenz, die es zu bekämpfen gilt. Wir wollen uns dieses Themas nicht verschließen und sprechen uns auch in Zukunft gegen jede auftretende antiziganistische Bestrebung aus. Wir wenden uns gegen jene reaktionären Tendenzen und werden, wo geboten, uns diesen entgegenstellen.

[1] „Der Begriff ‚Zigeuner‛ wird dort verwendet, wo entweder die Quellen selbst den Begriff benutzen oder aber das Bild vom ‚Zigeuner‛, das mit den tatsächlichen Roma nichts zu tun hat, anders gesagt: die projektive Sicht der Mehrheit auf die Minderheit, gemeint ist.“ Heuß, a. a. O., p. 110.

[2] Gilsenbach, Reimar: Weltchronik der Zigeuner, Frankfurt: Lang, 1994.

[3] Die Parallelen in der Behandlung von „Zigeunern“ und Jüd*innen im ausgehenden Mittelalter sind frappierend und es ist auch kaum ein Zufall, dass es ausgerechnet diese als Gruppen Wahrgenommenen sind, die im NS in besonderer Weise mit Verfolgung und Vernichtung überzogen wurden. Auf die einzelnen Parallelen (und Unterschiede) wird im Folgenden, wo dies für den Gedankengang von Wichtigkeit ist, einzugehen sein.

[4] Heuß, Herbert: Die Migration von Roma aus Osteuropa, in: Giere, Jacqueline (Hg.): Die gesellschaftliche Konstruktion des Zigeuners, Frankfurt/New York: Campus, 1996, p. 109 – 131; hier: p. 122. 20

[5] Vgl. Maciejewski, Franz: Elemente des Antiziganismus, in: Giere (Hg.), a. a. O., p. 9 – 28.

Beachtenswert ist hier die Kittung jenes Überganges mittels religiöser Begründungen – der sich strukturell ähnlich zur Formierung des Antisemitismus vollzieht: Ein bereits existentes, auf wirtschaftlichen Gründen basierendes Vorurteil wird integriert in und überlagert von einem religiös motivierten Vorwurf, der im Anfang die Überhand zu nehmen scheint, nach und nach aber zurücktritt und dem wirklichen Vorurteil, dem wirtschaftlichen, wieder den Vortritt lässt – dieses tritt aber nun in einer transformierten Gestalt und ungleich stärker zutage, außerdem hat es sich mittlerweile verselbstständigt und ist von den vormals noch erkennbaren Zusammenhängen losgelöst (Jüd*innen als diejenigen, die im Mittelalter Kredite vergeben durften, werden auch heute noch damit in Verbindung gebracht, trotz mangelnder Grundlage; Sinti und Roma werden weiterhin als Fahrende und Nicht-Sesshafte bezeichnet, obwohl dies jeder Empirie entbehrt). Insofern konstatiert Maciejewski, der Antiziganismus sei ein „Grundmuster von Xenophobie, vergleichbar nur dem Antisemitismus“. (a. a. O., p. 11)

[6] Maciejewski, a. a. O., p. 17.

[7] Vgl. Heuß, a. a. O., p. 123.

[8] Vgl. Münster, Sebastian: Kosmographie (1550), in: Gronemeyer, Reimer: Zigeuner im Spiegel früher Chroniken und Abhandlungen, Gießen: Focus, 1983, p. 34.

[9] Maciejewski, a. a. O., p. 12.

[10] Und steht damit im Gegensatz zu anderen Rassismen: So stellt zwar auch ein Rassismus die jeweils anderen als das Fremde dar, aber dieses ist das konkurrierende Fremde im Zusammenhang des übergreifenden Produktionszusammenhanges. Das sich gegen „Zigeuner“ wendende Ressentiment hingegen verortet diese außerhalb desselben.

[11] Insofern stehen sie im Gegensatz zu den Jüd*innen, die im Antisemitismus das Unmenschliche des Fortschritts darstellen. Die „Zigeuner“ und die Jüd*innen stellen insofern die zwei Extreme der Moderne dar, gegen die das moderne Subjekt sich abzugrenzen und zu behaupten haben wähnt.

[12] Maciejewski, a. a. O., p. 20.

[13] 13 Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt (Main): Fischer, 1988, p. 119.