ZU SEINEM WORT STEHEN! INTERNATIONALEN STANDORT BONN ERHALTEN

Zur Weiterleitung an den Juso-Bundeskongress

Während dem „Bundesdorf“ am Rhein immer schon Provinzialität nachgesagt wurde, entstand nach dem sogenannten „Hauptstadtbeschluss“ vom 20. Juni 1991 der Eindruck, Bonn werde zu einem lebendigen Freilichtmuseum konserviert. Doch weit gefehlt:Auf Basis des Bonn-Berlin-Gesetzes sollte, wie es in §4 Abs. 4 heißt, der „größte Teil der Arbeits­ plätze der Bundesministerien der Bundesstadt Bonn erhalten bleiben“.1 Gleichzeitig hat sich die gesamte Region der Zukunft zugewandt und in den letzten 20 Jahren nicht nur den deutschen UN-Standort ausgebaut, sondern auch verschiedene, auf nachhaltige Entwicklung und Forschung sowie internationale Zusammenarbeit ausgerichtete Cluster aufgebaut. Diverse UN-Institutionen,das World Congress Center, über 150 NGOs, Wissenschaftseinrichtungen, Bundesbehörden und wirtschaftliche global player ergeben einen deutschlandweit einzigartigen Standort. Für NRW ergibt sich daraus ein nahezu unbegrenztes Innovationspotenzial in einigen der zukunftsweisendsten Themenbereiche. Während Bonn, unterstützt durch den Bund und das Land NRW, auf einem guten Weg ist, den Strukturwandel zu bewältigen und sich zu einer wachsenden, bunten und von Vielfalt geprägten Stadt zu wandeln, wird dieser Prozess seit Jahren durch einen verhängnisvollen „Rutschbahnef­ fekt“ gefährdet. Immer wieder werden einzelne Abteilungen, untergeordnete Behörden oder neu geschaffene Stellen in Berlin angesiedelt. Das verstößt nicht nur gegen die Bestimmungen des Bonn-Berlin-Gesetzes. Viele damalige Bundestagsabgeordnete stimmten dem Gesetz nur zu, da die Parität der beiden Standorte versprochen wurde.Eifrige und talentierte Bundesminister*innen, zuletzt immer wieder Thomas de Maizière, weisen gerne darauf hin, dass dem Steuerzahler jedes Jahr Kosten von bis zu 10 Millionen Euro dadurch entstünden, dass Beamt*innen zwischen Bonn und Berlin pendeln müssten. Leider übersieht er auch bei dieser Rechnung mal wieder ganz entscheidende Faktoren.Viele der in Bonn ansässigen Bundes­ ministerien und –behörden begrüßen den Standort Bonn, da er die Nähe zu den europäischen und transatlantischen Institutionen in Brüssel, Luxemburg und Straßburg bietet. Selbsterklärend ist das für das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium, doch auch für das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung usw. bietet der Standort Bonn in Verbindung mit der Nähe zu den Institutionen der EU große Vorteile. Die seit Jahrzehnten entwickelten funktionellen Vorteile werden somit durch die jährlich zu sparenden 10 Millionen Euro nicht aufgewogen, erst recht nicht, wenn die Kosten eines Komplettumzugs bedacht werden.Trotzdem besteht derzeit ein Arbeitsstab der Bundesbauministerin, die gleichzeitig auch Beauftrag­ te der Bundesregierung für den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich ist, der Zukunftsstrategien für die weitere Aufgabenteilung zwischen Bonn und Berlin erarbeiten soll. Da der Arbeitsstab vor allem Bonn als UN-Standort und Sitz internationaler Organisationen stärken und ihn attraktiver machen soll, muss Folgendes bedacht werden: Ein weiterer Wegzug von Bundeseinrichtung oder ein Komplettumzug der Bundesregierung nach Berlin wird dazu führen, dass auch viele Verbän­ de, Medieneinrichtungen und Organisationen Bonn den Rücken kehren werden. Darunter hätten dann auch viele kleine und mittelständische Unternehmen und Dienstleister*innen zu leiden, deren Geschäftsgrundlage bisher die Zusammenarbeit mit den ansässigen Behörden und Institutionen ist.Offensichtlich schwächt dies das große Renommee des internationalen Standorts Bonn, zerstört die mühsam erarbeiteten Früchte des Strukturwandels und gefährdet in seiner Konsequenz zehntausen-de Arbeitsplätze in Bonn, den angrenzenden Landkreisen und dem Land Rheinland-Pfalz.

Statt also der Bundesstadt Bonn die Grundlage ihrer Entwicklung zu entziehen, sollte der Arbeits­ stab sinnvolle Strukturmaßnahmen erwägen, die die Grundlage ihrer Entwicklung sichern und die zukunftsfähigen wissenschaftlichen und politischen Cluster weiter stärken. Bonn beherbergt als Nachhaltigkeitsstadt etwa das UN-Klimareferat, die Zentrale UN-Aktionskampagne für die Ziele der globalen nachhaltigen Entwicklung und das Wissenszentrum für Nachhaltige Entwicklung der UN. Diese Netzwerke muss der Bund auch in Zukunft unterstützen, ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre ein Gaststaatsgesetz, um den Aufenthalt der ausländischen Beschäftigten bei der UN und den anderen internationalen Organisationen zu vereinfachen.Aus bundesstaatlicher Sicht war die Aufteilung der Aufgaben und der Institutionen zwischen Bonn und Berlin auch ein Bekenntnis zum lebendigen Föderalismus der Bundesrepublik und eine Betonung der Abkehr von zentralistischen Vorbildern der dunklen deutschen Vergangenheit. Auch dieses Erbe der alten Bundesrepublik würde mit einem Komplettumzug vergehen.Vor dem Hintergrund vitaler bundesstaatlicher, landespolitischer und regionaler Interessen sollten die Jusos und die SPD, im Schulterschluss mit den regionalen Vertreter*innen und den Landesregie­ rungen aus NRW und Rheinland-Pfalz, geschlossen für die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes einstehen, genauso wie für die zukunftsfähige Weiterentwicklung des internationalen Standorts Bonn. Wir fordern daher:

  • Im regionalen, nationalen und internationalen Interesse wird Bonn als Kompetenzzentrum in
    den folgenden Bereichen weiter ausgebaut.

    • Bildung, Wissenschaft, Forschung
    • Internationale Zusammenarbeit, nachhaltige Entwicklung, Umwelt, Gesundheit, Ernährung
    • Telekommunikation, Cyber-Sicherheit
    • Kultur
  • Daher müssen auch die passenden Bundesministerien in Bonn bleiben.
  • Die Ansiedlung weiterer UN-Institutionen soll gefördert und durch die Ausarbeitung eines Gaststaatgesetz vereinfacht werden.

1 Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 (BGBl. I S. 918), das durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. September 1997 (BGBl. I S. 2390) geändert worden ist.