Awareness-Konzept (Neufassung 2024)
1. Einleitung
Lange galt das Mantra „Politik“ und vor allem Partei-Politik sei eben „hart“ und man(n) müsse das aushalten können. Man könne für Politik nicht zu sensibel und emotional sein. Diese Einstellung verkennt, ob bewusst oder unbewusst, dass diese Kultur des Politikmachens vor allem für privilegierte weiße cis Männer funktioniert, die nur einen Teil unseres Verbands ausmachen. Denn „es“ aushalten zu müssen, betrifft meist diskriminierte Gruppen. Es wird verkannt, dass Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen und Mitteln sich in diesen Räumen bewegen. Eine politische Kultur, die dominantes, aggressives Verhalten privilegierter Gruppen toleriert, führt zu einem Raum, in dem sexualisierte und emotionale Gewalt begünstigt wird.
Aufgrund unserer besonderen Strukturen als parteipolitischer Jugendverband, muss uns bewusst sein, dass wir anders agieren müssen als andere Vereine oder Verbände. Das Awareness-Konzept hat somit nicht nur das Ziel, konkrete Fälle zu klären, sondern auch einen Prozess in Gang zu setzen, der das Bewusstsein für diskriminierende Strukturen erhöht, diese zu verändern und alle Herrschaftsverhältnisse kritisch in den Blick zu nehmen. Unser Ziel ist es, dass die Ansprechpersonen nicht mehr tätig werden müssen. Das geht nur, wenn wir eine Verbandskultur etablieren, die von allen gelebt wird und Diskriminierungen dadurch Einhalt gebietet. Wir alle müssen einen Blick dafür entwickeln, ob eine Person sich unwohl fühlt, ob man sich selbst gerade diskriminierend verhält und alle müssen wissen, wie man sich verhalten sollte, wenn man Diskriminierung mitbekommt. Unsere Sensibilität soll sich dabei nicht nur auf Veranstaltungen beziehen, sondern auch sensibel dafür sein, was außerhalb von unseren offiziellen Veranstaltungen passiert. Nur, wenn wir alle diese Kultur der safer spaces leben, können wir unsere Strukturen nachhaltig verändern und einen Raum schaffen, in dem alle gerne Politik machen und nicht abgeschreckt werden, weil sie sich durch Verhalten von anderen nicht bei uns nicht wohlfühlen.
Dabei beziehen wir uns nicht nur auf physische Gewalt und übergriffiges Verhalten. Vor allem marginalisierte Gruppen erleben auch immer wieder emotionale Gewalt und begegnen unangemessenem Verhalten: Ismen wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Klassismus, Queerfeindlichkeit oder Ableismus werden reproduziert. Auch sexualisierte Gewalt ist nicht nur physisch möglich. Emotionale Gewalt kann für Betroffene retraumatisierend sein. Wir wollen deutlich machen, dass wir jegliche Form von Diskriminierung ablehnen und es bei Awareness nicht nur um sexualisierte Gewalt gegen Frauen geht. Insbesondere queere Personen und BIPoC (Black, Indigenous, People of Colour) müssen das Gefühl vermittelt bekommen, dass ihre Sorgen, Ängste und Probleme genauso berücksichtigt werden. Grundlage unseres Awareness-Verständnisses bleibt die Anerkennung gesellschaftlicher Machtstrukturen, die Diskriminierung begünstigen, wie etwa patriarchale oder rassistische Strukturen.
Unserem Awareness-Konzept sind dabei Grenzen gesetzt. Es kann keine strafrechtliche Verfolgung aufgenommen werden oder Menschen aus der Partei ausgeschlossen werden. Das Parteiengesetz beschneidet uns dort als Verband in besonderer Weise und das aus guten Gründen. Zentral ist deswegen, Betroffene so zu begleiten, in welcher Form es gewünscht und möglich ist, und ansprechbar zu sein.
2. Ansprechpersonen und Zusammensetzung
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es Verantwortliche für die Awareness-Arbeit braucht, die klar nach außen kommuniziert werden und für alle im Verband eindeutig sind. Damit wollen wir deutlich machen, dass wir das Thema Awareness, Antidiskriminierung und Antirassismus ernst nehmen und Verhalten, das dem zuwiderläuft, bei uns im Verband keineswegs tolerieren. Unsere artikulierten Standpunkte sollen sich auch in unserem Verbandsleben widerspiegeln. Daher braucht es einen sensiblen Umgang mit solchen Fällen übergriffiger Handlungen. Daher sind klare Verantwortliche, die geschult sind und Erfahrungen haben, von großer Bedeutung.
Als ein politischer Verband stehen wir vor einer besonderen Herausforderung. Bei uns gibt es klare Hierarchien und Machtverhältnisse, die bei der Benennung von Verantwortlichen berücksichtigt werden müssen. Daher wollen wir vier Verantwortliche, die nicht Teil des Landesvorstandes sind, nominieren lassen. Alle vier Personen, die zusammen unsere Awareness-Kommission darstellen, werden auf der Wahl-Landeskonferenz, nachdem sich der Landesvorstand konstituiert hat, für zwei Jahre nominiert. Benannt wird die Awareness-Kommission formell vom Landesvorstand, wobei die Nominierungen durch die Landeskonferenz dafür als Grundlage dienen. Bei der Notwendigkeit durch einen Rücktritt kann ein neues Mitglied der Awareness-Kommission auch von einem Landesausschuss neu nominiert werden. Vor der Wahl-Landeskonferenz evaluiert die Awareness-Kommission ihre Arbeit. Diese Evaluierung stellt die Awareness-Kommission, natürlich anonymisiert und nicht anhand konkreter Fälle, dem Landesvorstand auf seiner letzten Sitzung vor der Landeskonferenz vor.
Dabei sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden. Regio- und UBKV Vorsitzende nehmen im Landesverband eine wichtige Funktion ein. Ihre Position in der Machthierarchie der NRW Jusos bezieht sich allerdings nicht primär, auf den ganzen Landesverband, sondern auf ihre jeweiligen UB/KVs und Regionen. Daher sollen sie, wenn sie Teil der Kommission sind, keine Fälle aus ihren eigenen Strukturen d.h. Regios und UB/KVs betreuen. Außerdem halten wir es für wesentlich, dass alle Personen, die Teil der Awareness Kommission sind, die Landesebene bereits kennengelernt haben und mit den Strukturen vertraut sind.
Der Landesvorstand, als höchstes Gremium auf Landesebene, spielt eine zentrale Rolle im Geschehen des Verbandes. Für die Besetzung der Kommission kommen Mitglieder des Landesvorstandes nicht in Frage, da ihre besondere Rolle im Verband Machtstrukturen begünstigen könnte, die wir vermeiden wollen. Dem Landesvorstand kommt nämlich über einzelne Strukturen innerhalb der NRW Jusos hinaus eine relevante Machtposition zu. Um den Kreis an Ansprechpersonen klein zu halten und die nötige Diskretion zu garantieren, soll die die Awareness-Kommission aus vier Personen bestehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass es sich um ein diverses Team handeln soll. Dabei müssen die Aspekte von Diskriminierung gegen FINTA (Frauen, Inter, Nicht-binäre, Trans und Agender), Männer und BIPoC beachtet werden. Daher sind mindestens zwei Frauen, sowie mindestens ein Mann und davon mindestens ein*e BIPoC als Verantwortliche zu benennen. Dies muss vor allem der Landesvorstand bei der Benennung der Verantwortlichen aus den eigenen Reihen berücksichtigen. Im Falle einer nicht zu verhindernden Abweichung der Diversität wird der Landesvorstand eine Erklärung festhalten.
Weiterhin ist es verpflichtend, dass alle vier Verantwortlichen an einer Schulung teilzunehmen. Dafür eignen sich Schulungen beispielsweise vom Weißen Ring. In dieser Schulung könnten Aspekte inbegriffen sein wie: der sensible Umgang mit Betroffenen, rechtliche Konsequenzen, Konfliktmanagement und Gesprächsführung. Die Kosten der Schulung übernimmt der Landesverband. Außerdem soll auch klar sein, welche Verfahren innerhalb der Partei möglich sind und für welche Fälle bspw. die Schiedskommission herangezogen werden kann.
Allerdings soll deutlich gemacht werden, dass Betroffene sich weiterhin an jede Person aus dem Verband und darüber hinaus wenden können, der sie vertrauen. Das Team aus Verantwortlichen stellt ein Angebot dar, keine Pflicht sich nur an diese wenden zu können. Zudem sollen die Betroffenen ausdrücklich die Möglichkeit haben, sich nur an ein Mitglied der Kommission vertraulich zu wenden.
Die Awareness-Kommission bildet dabei eine erste Anlaufstelle. Sie soll dann eigenständig entscheiden, ob ein Vorfall in ihre Zuständigkeit fällt. Sollte ein Fall vorliegen, der dem Sinn und Zweck dieses Awareness-Konzepts nicht folgt und die Kommission taktisch genutzt werden sollte, kann die Kommission einer weiteren Bearbeitung widersprechen. Die Awareness-Komission ist explizit keine Instanz, um zwischenmenschlichen Streit ohne politische Dimension zu schlichten und sie fungiert auch nicht für juristische und/oder psychologische Beratung beziehungsweise Beistand. Sollte die Awareness-Kommission merken, dass statt eines innerverbandlichen Awareness-Verfahrens eher eine juristische und/oder psychische Beratung angemessen ist, verweist sie auf externe Ansprechstellen.
Jedes einzelne Mitglied der Awareness-Kommission kann sich eigenständig als befangen erklären, sollte eine mögliche Verbundenheit mit einer beschuldigen Person zu diesem Schluss führen. Die erklärte Befangenheit führt automatisch dazu, dass das entsprechende Mitglied der Awareness-Kommission nicht den entsprechenden Fall betreut. Darüber hinaus kann die Awareness-Kommission per Mehrheitsbeschluss die Befangenheit einzelner oder mehrerer Kommissionsmitglieder feststellen. Eine Befangenheit liegt etwa vor, wenn das Kommissionsmitglied und die beschuldigte Person aus dem gleichen UB/KV stammen oder in einem gemeinsamen politischen Gremium innerhalb des Verbandes arbeiten. Die Feststellung der Befangenheit dient nicht zur Abkapselung einzelner Kommissionsmitglieder, sondern um die generelle Integrität der Awareness-Strukturen als Ganzes zu schützen. Befangenheit kann auch durch Betroffene und Beschuldigte angemerkt werden, passiert dies, muss die Awareness-Kommission über diese Bedenken diskutieren.
3. Umgang mit Betroffenen
Für uns ist der Umgang mit der betroffenen Person einer der relevantesten Aspekte. Dabei respektieren wir die Definitionsmacht der betroffenen Person. Das bedeutet ganz konkret, dass wir nicht in Frage stellen, ob die Wahrnehmung einer erlebten Situation die eigene Grenze überschritten hat. Gleichzeitig ist für uns aber auch klar, dass die Wahrnehmung über das Erleben der betroffenen Personen nicht von allen geteilt werden kann und muss. Es gibt nicht immer ein*e Täter*in, aber immer eine betroffene Person. Letztendlich sind diese Fälle immer noch ernstzunehmende Übergriffe, die dafür sorgen können, dass man sich in bestimmten Räumen nicht mehr aufhalten oder engagieren will.
Aus dem Grund ist für uns von großer Bedeutung, dass die Benennung einer grenzüberschreitenden Handlung an höchster Stelle ist. Daraus resultiert, dass wir prinzipiell auf der Seite der betroffenen Person stehen und in ihrem Interesse handeln. Wir glauben fest daran, dass eine betroffene Person am besten weiß, was sie braucht oder will und welche Unterstützung sie in Anspruch nehmen will. Wir wollen sie dabei unterstützen, Hilfsangebote wahrzunehmen oder bei den NRW Jusos ein Verfahren einzuleiten. Dazu kann gehören, die Schiedskommission der SPD heranzuziehen. Grundsätzlich werden wir aber nichts tun, ohne es mit der betroffenen Person abzuklären. Gleichzeitig wollen wir der beschuldigten Person die Möglichkeit überlassen, eine Stellungnahme abzugeben, damit die eigenen Rechte ausgeübt werden können und beiden Parteien die Möglichkeit gegeben ist, den Vorfall aus der eigenen Perspektive zu schildern.
Dabei muss jedoch auch ein Augenmerk darauf gelegt werden, dass es Grenzen des Handlungsspielraums der Awareness-Strukturen gibt. Nicht jeder Fall kann seitens der Kommission angenommen oder bis zur letzten Konsequenz bearbeitet werden. Die Einschätzung darüber muss und kann im Zweifelsfall nur die Kommission selbst treffen, immer in Absprache mit der betroffenen Person. Insbesondere dann, wenn die Betroffenheit sich aus Strukturen und Ereignissen ergibt, die außerhalb der Juso-Strukturen, -Räume oder –Kontexte entsteht, soll die Kommission auf öffentliche Strukturen verweisen und kann eine Unterstützung in der Kontaktaufnahme bieten. Damit sind Strukturen wie psychosoziale Beratungsstellen oder staatliche Institutionen gemeint. Ereignisse und Vorkommnisse, die jenseits der Landesebene liegen und deren Beteiligte zu keinem Teil Mitglieder der NRW Jusos sind, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Awareness-Kommission. Aber auch in diesen Fällen kann die Kommission die Vermittlung an Strukturen höherer Ebene (etwa der Bundesebene) empfehlen.
Zuletzt muss auch bedacht werden, dass es betroffene Personen geben kann, aber nicht immer auch ein*e Täter*in, da eine betroffene Person auch durch Musik, sensible Themen oder Lieder an schlechte Erfahrungen erinnert werden kann. Daher definieren wir für uns Awareness-Arbeit als eine Arbeit, die Betroffenheit und Emotionen ernst nimmt und aus dieser Grundhaltung heraus vermittelt. Es gibt Grenzen der Zuständigkeit der Awareness-Kommission sowie der Ressourcen ihrer Mitglieder. Die Kommission ist nicht dafür verantwortlich, alle an sie herangetragenen Situationen aufzulösen. Die Vermittlung kann eben auch zwischen der betroffenen Person und der jeweiligen Situation sein, indem beispielsweise Alternativen zur Situation geschaffen werden oder der konstruktive Austausch mit Personen gesucht wird, die für die jeweilige Situation zumindest zuständig sind.
4. Genereller Ablauf des Umgangs eines Awareness-Falls
Für den Fall, dass die betroffene Person eine Klärung der Situation anstrebt, möchten wir als Institution ein vertrauliches Verfahren etablieren und verpflichten uns, dem unter bestimmten Voraussetzungen, die in jedem Fall mit der betroffenen Person abzusprechen sind, nachzugehen. Durch ein solches institutionalisiertes Verfahren wollen wir nicht nur eine Möglichkeit der Verarbeitung bieten, sondern schon allein durch das Bestehen von Awareness-Teams bei Veranstaltungen, sowie die Awareness-Kommission unsere Verbandskultur aktiv verändern. Das bedeutet für uns, dass wir es innerverbandlich ermöglichen wollen, eine verhältnismäßige Konsequenz zu ziehen.
Das vereinbarte Verfahren soll bei Fällen übergriffiger Handlungen oder unangemessenen Verhaltens folgendermaßen ablaufen: Wenn sich die betroffene Person an eine vermittelnde Person wendet und den Wunsch ausspricht, dass dieser Fall behandelt werden soll, so wird der Fall entweder durch die betroffene Person selbst oder durch eine vermittelnde Person an die Awareness-Kommission herangetragen. Die Awareness-Kommission allein wird über konkrete Details informiert, soweit die betroffene Person das möchte. Hierbei ist dringend der Umstand der Retraumatisierung durch ein erneutes Erzählen zu beachten und dem ist vehement entgegenzuwirken. Im Rahmen des Schutzes aller Parteien wird der Landesvorsitz über den Stand des Verfahrens unterrichtet.
Wenn der erste Kontakt stattgefunden hat und über den Vorfall berichtet wurde, sollen der betroffenen Person sowohl innerverbandliche Möglichkeiten der Klärung als auch außerverbandliche Möglichkeiten, wie Beratungsstellen, an die Hand gegeben werden. Wenn die betroffene Person den Wunsch ausspricht, ein innerverbandliches Verfahren einzuleiten, dann wird das hier beschriebene transparente Verfahren eingeleitet. Dieses transparente Verfahren ist nötig, um die Rechte der Parteien zu wahren und gleichzeitig durch die vorangegangene verbandsweite Vereinbarung über die Geltung des Verfahrens für eine effektive Handhabe bei übergriffigen Handlungen zu sorgen.
Das Verfahren beginnt mit der formellen Bekanntgabe gegenüber der beschuldigten Person über die Einleitung des Verfahrens. Im Anschluss wird die beschuldigte Person dazu aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Wenn die betroffene Person zustimmt und der Vorfall es zulässt, ist der erste Schritt, ein Mediationsverfahren einzuleiten, um den Vorfall zwischen den beiden Parteien beizulegen und aufzuarbeiten. Sollte ein Mediationsverfahren nicht möglich sein, sucht die Awareness-Kommission mit der beschuldigten Person das Gespräch, um den Vorfall, wenn möglich, aufzuarbeiten.
Im Falle einer festgestellten Gewalt oder (wiederholten) unangemessenen Verhaltens, das weiterer Konsequenzen bedarf, wird im Anschluss darauf in Absprache mit der betroffenen Person, eine verhältnismäßige Konsequenz gezogen. Diese Konsequenz wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeit an dem Wunsch der betroffenen Personen ausgerichtet, damit für diese Person eine möglichst unbeschwerte und geschützte Teilnahme an Juso-Veranstaltungen gesichert wird. Mögliche Konsequenzen werden von dem Fall abhängig gemacht und sind Alkoholverzicht, zu unterlassende Kontaktaufnahmen und (vorübergehende) Veranstaltungsverbote. Ziel ist es dabei, zunächst unterschiedliche Eskalationsstufen schrittweise zu gehen. Sollten sich andere Konsequenzen in einem spezifischen Vorfall ergeben, kann die Awareness-Kommission diese ergreifen. Die Konsequenzen müssen in Absprache mit dem Landesbüro und dem Landesvorsitz gezogen werden. Sollte es sich um einen strafrechtlichen Vorfall handeln, wird die betroffene Person von der Awareness-Kommission darüber informiert, dass sie sich professionelle juristische Hilfe holen kann. Ist es letztendlich zu einer Verurteilung der beschuldigten Person gekommen, kann die Awareness-Kommission die betroffene Person darüber unterrichten, dass diese auch innerparteiliche Schritte einleiten kann, und es werden die relevanten Informationen über die Schiedskommission mitgegeben.
Die Verschwiegenheit der Awareness-Kommission sowie des Landesvorsitzes, der über den Stand eines Verfahrens informiert wird, gilt grundsätzlich. Je nach Ausmaß der Situation muss bei der Ziehung der Konsequenz auch beachtet werden, wie ein Raum geschaffen wird, wo übergriffige Menschen trotz ihrer zu verurteilenden Handlung die Möglichkeit haben, durch einen Reflektionsprozess keinem sozialen Ausschluss zu unterliegen. Es ist aber klar, dass dieser Aspekt nur in den Fällen greift, wo die Härte des Falls nicht dagegenspricht. Besonders strafrechtlich relevante Tatsachen sprechen für uns schon per se gegen diese Möglichkeit, aber auch schwerwiegende Umstände, die nicht von rechtlicher Relevanz sind, aber gegen unser Grundverständnis verstoßen.
5. Awareness auf Veranstaltungen
Gerade auf Veranstaltungen bedarf es einer besonderen Awareness. Wir wollen bei unserer Sensibilität für dieses Thema nicht vernachlässigen, dass wir ein Jugendverband sind, der zusammen feiert und dass auch enge Freundschaften, körperliche Nähe und partnerschaftliche Beziehungen bei uns Normalität sind. Wir wollen, dass Awareness und zwischenmenschliche Beziehungen jeglicher Art für uns Hand in Hand gehen und sich nicht ausschließen. Awareness bedeutet für uns besonders, dass bei allen Teilnehmenden unserer Veranstaltungen ein Bewusstsein geschaffen werden soll, dass diskriminierende Strukturen auch bei den Jusos noch allgegenwärtig sind. Uns ist bewusst, dass niemand bereits vollständig mit unseren Grundwerten sozialisiert in unseren Verband kommt. Awareness ist ein dauerhafter Lernprozess.
Damit dies möglich ist, wollen wir gerade bei Veranstaltungen dazu beitragen, dass sich möglichst jede*r wohlfühlt. Uns ist bewusst, dass politische Veranstaltungen, wo viele Menschen zusammenkommen, für einige kein „Wohlfühlraum“ sind. Wir möchten unser Bestes dazu beitragen, damit sich trotzdem jede*r wohlfühlt und eine konkrete Anlaufstelle hat, falls dem nicht so sein sollte. Dies beinhaltet für uns, dass bei jeder Veranstaltung auf unsere Verbandskultur sowie auf Sensibilität für Diskriminierung aufmerksam gemacht wird, sowohl mündlich als auch schriftlich durch Aushänge. Außerdem soll bei jeder Veranstaltung ein Awareness-Team benannt werden, welche in Vorbereitung einer Veranstaltung durch die zuständigen Mitglieder der Awareness-Kommission kontaktiert werden. Die Verantwortlichen werden am Anfang jeder Veranstaltung sichtbar für alle vorgestellt. Außerdem soll bei mehrtägigen Veranstaltungen eine Telefonnummer bereitgestellt werden, die einen direkten Kontakt zum Awareness-Team ermöglicht. Das Team umfasst mindestens zwei Personen mit mindestens einer FINTA-Person, ebenfalls sollte eine möglichst diverse Aufstellung angestrebt werden. Die Personen sind von eventuell anfallenden Teilnahmekosten für die Veranstaltung befreit. Die Verantwortlichen erhalten vorher einen Leitfaden, der erläutert, wie in konkreten Situationen reagiert und wie mit Betroffenen umgangen werden sollte. Dieser Leitfaden wird von der Awareness-Kommission erstellt. Ebenfalls soll dafür sensibilisiert werden, ab welchem Punkt Personen von Veranstaltungen ausgeschlossen werden und ab wann Grenzen derartig überschritten sind, dass die Polizei einbezogen werden muss. Dies muss stets in Rücksprache mit dem Landesbüro und dem Landesvorsitz geschehen. Die endgültige Entscheidung eines Ausschlusses von einer Veranstaltung liegt dabei beim Landesbüro, welcher bereits jetzt durch unsere AGBs möglich ist. Das Awareness-Team ist nur für Veranstaltungen zuständig, sollte eine weitere Betreuung einer Person beziehungsweise eines Falls notwendig und gewünscht sein, übernimmt dies die Awareness-Kommission nachgelagert. Um die Sensibilität für Awareness im Verband zu fördern und einen Standard für Awarenessarbeit in den den NRW Jusos untergeordneten Strukturen zu schaffen, bieten die NRW Jusos mindestens einmal im Jahr ein Awareness Seminar für alle Interessierten an.