Eine menschliche und rationale Drogenpolitik!

Eine menschliche und rationale Drogenpolitik!

Die Jusos stehen für ein grundsätzliches Umdenken in der Drogenpolitik und Suchtprävention ein – weg von Kriminalisierung und Prohibition, hin zu einer regulierten Abgabe, die mündigen Konsum ermöglicht, die gesellschaftliche Teilhabe konsumierender Menschen sicherstellt und zum Ziel hat gesundheitliche Risiken zu reduzieren. Wir wollen eine Drogenpolitik, die sich wie die portugiesische Drogenpolitik an dem Satz orientiert: Wer Drogen nimmt, ist nicht kriminell! Und wer nicht kriminell ist, sollte auch nicht wie ein*e Kriminelle*r behandelt werden. Dieses Umdenken betrifft verschiedene politische Bereiche und die konkrete Umsetzung besteht aus mehreren Bausteinen:

Ausgehend vom portugiesischen Modell: Konsum entkriminalisieren

Wir fordern, Drogenbesitz in Eigenbedarfshöhe nicht länger mit Gefängnisstrafen zu belegen. Die Maßnahmen, die Portugal bei Drogenbesitz oder –konsum durchsetzt, reichen von einer Verwarnung über Sozialstunden bis hin zu Bußgeldern. Sanktionen können ausgesetzt werden, wenn keine Abhängigkeit besteht oder der*die Konsument*in im Falle einer Abhängigkeit in eine Therapie einwilligt. Lediglich der Drogenhandel ist in Portugal weiterhin strafbar. Dies zeigt Wirkung: Das portugiesische Modell zeigt, dass die Zahl der Drogengebraucher*innen – insbesondere der jüngeren – abgenommen hat und es weniger Drogentote gibt. Während in Portugal 2015 drei Drogentote auf eine Million Einwohner*innen kamen, waren es in Deutschland 17.

Für Deutschland wünschen wir uns ein rationaleres Modell: Es ergibt für uns keinen Sinn, eine Zwangstherapie durchzuführen, um einem Gefängnisaufenthalt zu entgehen. Eine Therapie kann nur durch Freiwilligkeit zum Erfolg führen. Auch Geldstrafen sind nicht sinnvoll, da viele Betroffene nicht über die notwendigen Summen verfügen und so noch stärker in Richtung Kriminalität gedrängt werden. Wir wollen stattdessen ein System, in dem der Besitz geringer Mengen Drogen zum Eigengebrauch nicht nur – wie in Portugal – für Personen mit dem notwendigen Kleingeld straffrei bleibt, sondern ein System, das Drogenkonsument*innen Entzugsmöglichkeiten anbietet, ohne sie unter Zugzwang zu setzen. Als Konsequenz lehnen wir die juristische Verfolgung von Drogenbesitz – nicht von Drogenhandel – ab.

Mehr Prävention, Aufklärung und besserer Zugang zu Substitution

Flächendeckend muss besser über Suchtgefahren – stoffgebundene wie auch stoffungebundene – aufgeklärt werden. Wir fordern einen Ausbau von und eine Personalaufstockung für Beratungsstellen, die sich an Drogengebraucher*innen bzw. –abhängige und ihre Angehörigen richten. Insbesondere im ländlichen Bereich haben Drogengebraucher*innen und Substituierte keine Anlaufstellen. Dies muss sich ändern. Auch Angebote wie Spritzentausch, Drug Checking und Konsumräume sind grundsätzlich zu verstärken – im ländlichen Raum wie in den Städten! In ihrem Grundsatz müssen die Angebote konsumakzeptierenden Charakter haben, also keine Abstinenz der Besucher*innen einfordern. Nur unter diesen Umständen haben die Maßnahmen das Potenzial, alle Drogengebrauchenden zu erreichen.

Auch über Ausstiegsmöglichkeiten und Substitutionsmöglichkeiten muss allerdings niedrigschwellig informiert werden können: Heroin kann beispielsweise mit anderen Opioiden wie Methadon, Diamorphin oder Codein substituiert, also ersetzt, werden und während eines Entzugs die Entzugserscheinungen mindern, ohne einen Rausch hervorzurufen. Pharmakonzerne besitzen das Wissen und die Befugnis, für einige Drogen Substitute herzustellen, und nutzen diese bereits zur Produktion – Substitute sind also potenziell verfügbar. Über diese und weitere Möglichkeiten gilt es, verstärkt aufzuklären. Die Entscheidung zur Substitution und zur Therapie muss jedoch weiterhin von den Konsument*innen selbst getroffen werden.

Mündigen Konsum ermöglichen, Erwerbsmöglichkeiten regulieren, Beschaffungskriminalität verhindern

Solange Substanzen nur illegal zu erwerben sind, ergeben sich für Konsument*innen gleich mehrere negative Folgen. Erstens werden sie durch die Kriminalisierung ihrer Sucht stigmatisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt, nicht zuletzt durch Inhaftierungen aufgrund des Besitzes. Gefängnisaufenthalte sind oft die Folge: Etwa die Hälfte aller Inhaftierten sitzen im Zusammenhang mit Drogenkriminalität ein. Zweitens führt die Illegalisierung der Stoffe dazu, dass Substanzen nur auf dem Schwarzmarkt erworben werden können. Das geht mit gesundheitlichen Risiken einher, denn durch gestreckte Substanzen und unhygienische Konsumbedingungen kommt es leicht zu gesundheitlichen Schädigungen. Diese wären mit einer Wende in der Drogenpolitik absolut vermeidbar.

Wir fordern daher einen regulierten Verkauf bisher illegaler Substanzen. Jugend- und Verbraucherschutz sind hierbei selbstverständlich zu beachten, ein Verkauf an Personen unter 21 Jahren darf nicht stattfinden. Zu diesem Jugend- und Verbraucher*innenschutz gehört für uns auch ein Werbeverbot, um kommerzielle Erfolge zu erzielen. Dies schließt Aufklärung explizit nicht ein. Der Verkauf von Drogen darf nur in darauf spezialisierten Geschäften (Drug Stores) erfolgen. Diese können bei staatlicher Regulierung und Kontrolle auch privat betrieben werden. Der Verkauf muss mit einer verpflichtenden Beratung einhergehen, um Konsuminteressierte über die Wirkung und die Risiken von Substanzen zu informieren und über Ausstiegs- & Substitutionstherapien aufzuklären. Prävention ist insgesamt eine Gemeinschaftsaufgabe aller. Dazu gehört auch, dass nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig durch Aufklärungsmaßnahmen – beispielsweise in der Schule – ein Bewusstsein für die Risiken (sog. Risikokompetenz) zu schaffen, die durch den Drogenkonsum entstehen können. Nur so kann Konsum flächendeckend mündig geschehen. Ein staatlich regulierter Verkauf holt Konsument*innen aus der Illegalität und ermöglicht durch die Abgabe kontrollierter Substanzen einen sicheren Konsum. Gleichzeitig wird der organisierten Kriminalität eine wichtige Einnahmequelle entzogen.

Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen werden sich im Bereich der juristischen Verfolgung Einsparungen ergeben. Gleichzeitig kann der Staat aus der Besteuerung in der regulierten Abgabe Einnahmen erheben.

Position von Drogengebraucher*innen bei Entscheidungen berücksichtigen

Bei Entscheidungen bezüglich drogenpolitischer Fragestellungen sind neben wissenschaftlichen Positionen auch die Erfahrungswerte von Streetworker*innen und konsumierenden Personen einzubeziehen. Insbesondere die Positionen der Selbsthilfezusammenschlüsse bieten Einblicke in die Lebensrealität Konsumierender, die in wissenschaftlichen Erhebungen wie z.B. Befragungen nicht oder nur unzureichend erfasst werden können. Auch hierfür ist die Kriminalisierung des Konsums mitverantwortlich. Organisierte Selbsthilfegruppen hingegen besitzen durch ihre oft jahrzehntelange Arbeit ein fundiertes Wissen über die Drogenszene(n) vor Ort, aber auch über Substanzen und Konsum im Allgemeinen.