Antrag zu einer sozial gerechten und umweltfreundlichen Ernährungsreform

Der menschengemachte Klimawandel ist die neue Lebensrealität des 21. Jahrhunderts und mit seinen nahezu alle Bereiche unseres Lebens betreffenden Facetten ist er zudem die wahrscheinlich drängendste soziale Frage unserer Zeit. Einer der wichtigsten sozialen Aspekte des Klimawandels ist die Frage nach unserer eigenen Ernährung, mit der wir uns im Kampf gegen den Klimawandel zwangsläufig beschäftigen müssen. In Zahlen: 83% der weltweiten Agrarflächen werden für die Nutztierhaltung selbst oder zur Ernährung der Tiere gebraucht, dadurch trägt jene massiv zur Abholzung von Wäldern bei. Ein großer Anteil aller menschengemachten Treibhausgase stammen aus der Fleischindustrie. Dabei verschlingt die industrielle Viehzucht mehr Wasser und Nahrungsmittel, als die Menschheit selbst konsumiert. Daraus resultiert, dass die Viehzucht deutlich mehr Kalorien verbraucht, als sie am Ende für den menschlichen Verzehr bereitstellt.

Darüber hinaus stellt der Fleischkonsum eine Gefahr für die Wirksamkeit von Antibiotika.  50% der deutschen Antibiotika werden in der Nutztierhaltung eingesetzt, diese gelangen u.a. in unsere Nahrung sowie potenziell in die Umwelt. Außerdem führt der hohe Einsatz zu Antibiotikaresistenzen. Die Nutztierhaltung führt so zu einer großen Gefahr von Pandemien, Zoonosen und multiresistenten Keimen.

Nach Schätzungen könnte man bis zu 3,5 Milliarden Menschen mehr ernähren, wenn man die an Nutztiere verfütterte Nahrung für Menschen benutzten würde. Es ist klar, dass wir den jetzigen weltweiten Konsum von tierischen Produkten nicht im jetzigen Maß aufrechterhalten können und dürfen. Andererseits ist es offensichtlich, dass in einigen Gegenden der Erde eine Nahrungsmittelversorgung nicht ohne tierische Produkte möglich ist, viele Menschen sich eine vegane Ernährung schlichtweg nicht leisten können oder keinen ausreichenden Zugriff auf Informationen haben. Auch wollen wir niemanden tierischen Konsum verbieten, sondern dessen Kosten widerspiegeln. Eine Ernährungsreform, die ökologisch bzw. klimaneutral ausgerichtet ist und sozial gerecht umgesetzt wird, ist notwendig.

Hierzu brauchen wir eine Reform des Landwirtschaftssektors. Sowohl national als auch international. Die EU hat mit ihrem größten Haushaltsposten der Landwirtschaftssubventionen innerhalb Europas einen starken Hebel, aber auch mit ihrer Marktmacht international. Eine Reform der Subventionen sowie starke Lieferkettengesetze müssen hier Teil der Antworten sein.

Neben dem angebotsseitigen institutionellen Rahmen der Lebensmittelerzeugung gibt es aber bisher auch keine Steuerung über die Nachfrageseite. Die Umsatzsteuer (umgangssprachlich Mehrwertsteuer) ist bisher die einzige Steuer, die Konsument*innen auf alle Lebensmittel direkt bezahlen. Sie ist eine Gemeinschaftssteuer, die auf inländische Dienstleistungen und Waren anfällt. In Deutschland gibt es zwei Mehrwertsteuersätze: Den Regelsteuersatz von 19 % und den ermäßigten Steuersatz von 7 %. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf 7 % unter anderem bei Fleisch, Fisch, Milch und Milcherzeugnissen, Eiern, Gemüse, Obst, Leitungswasser und Backwaren. Der Gesetzgeber wollte dadurch insbesondere Lebensmittel, die zu den Grundnahrungsmitteln gehören, bevorzugt behandeln. Diese Einteilung jedoch führt zu ökologisch fragwürdigen Ergebnissen: Während z.B. Kuhmilch mit 7 % besteuert wird, wird pflanzliche Milch mit 19 % besteuert. Insgesamt gibt es im jetzigen Umsatzsteuersystem einen Flickenteppich für die Erhebung auf Lebensmittel: Ein Apfel 7%, Apfelsaft 19%. Für uns als jungsozialistischer Verband ist aber klar, dass wir nicht allein höhere Steuern auf Lebensmittel erheben wollen. Wir wollen eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Umsatzsteuer auf alle Lebensmittel. Gleichzeitig wollen wir durch einen sozial ausgeglichenen CO2-Preis den ökologischen Preis von Nahrung berücksichtigen.

Unsere Ernährungsweise muss aber nicht nur klimaneutral werden, sondern Lebensmittel müssen auch fair und sozial gerecht produziert werden. Das bedeutet, dass wir entlang der Lieferketten für gute und sichere Arbeitsbedingungen sorgen müssen. Für die Lebensmittel, die in Europa produziert werden, heißt das ganz konkret, einen europäischen Mindestlohn insbesondere für Erntehelfer*innen einzuführen und darüber hinaus starke Gewerkschaften ohne „Unionbusting“ sowie gute Tariflöhne für alle Menschen, die in der Lebensmittelproduktion arbeiten. Nur so können wir gegen prekäre Arbeitsbedingungen, wie z.B. in der Fleischverarbeitung bei Tönnies oder die Ausbeutung von Geflüchteten auf den Obst- und Gemüseplantagen in Spanien, vorgehen.

Die Jusos setzen sich für eine umfassende Reform der Lebensmittelproduktion hinzu einem klimaneutralen, ökologisch gesunden und sozial gerechten System ein:

Wir fordern daher:

  1. Die Mehrwertsteuer für alle Lebensmittel auf 7% zu setzen. Vergünstigungen, die dadurch für ungesunde wie z.B. alkoholische oder gezuckerte Lebensmittel eintreten, wollen wir gegebenenfalls durch Alkohol- oder Zuckersteuer sozial verträglich ausgleichen. Falls notwendig werden wir dies auch auf EU Ebene durchsetzen.
  2. Ein konsequenter CO2-Preis für alle Lebensmittel, der mit einer Rückzahlung an die Konsument*innen sozial ausgeglichen wird.
  3. Konsequente Durchsetzung von Arbeits-, Tierschutz- und Umweltstandards in der Lebensmittelproduktion in Deutschland, aber auch entlang der gesamten Lieferkette. Dies bewirkt ein direktes Importverbot von Lebensmitteln, die auf illegal gerodeten Regenwaldflächen produziert wurden. Darüber hinaus setzen wir uns für einen europäischen Mindestlohn insbesondere für Erntehelfer*innen ein.
  4. Reform der EU Subventionen für die Landwirtschaft: Subvention nach ökologischen Richtlinien und nicht wie bisher nach Fläche. Besonders soll der Umstieg zu CO2 armen Produkten gefördert werden. Keine Subvention von Exportprodukten.
  5. Innerdeutsche Förderprogramme zum Umstieg auf tierfreundliche Haltung und die Subventionierung von Zertifizierungsprozessen. Langfristig dieses Programm auf EU-Ebene auszuweiten.
  6. Einführung einer Flächenquote, um die Zahl der Tiere und vor allem die Menge der Gülle in der Fläche zu begrenzen.
  7. Die Gesundheits- und Landwirtschaftsministerien von Bund und Ländern dazu auf, Materialien zu alternativen Ernährungsformen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sollen vegane und vegetarische Lebensmittel als solche auch verpflichtend gekennzeichnet werden, um den Konsument*innen eine alternative Ernährung zu erleichtern.
  8. Die Kultusministerkonferenz dazu auf ein Konzept zu entwickeln, wie umweltrelevante, gesundheitliche und ethische Aspekte der Ernährung möglichst flächendeckend in die schulische Bildung integriert werden können. Mögliche Instrumente wären hier der Ausbau des Faches Ernährungslehre oder die Integration der Inhalte in Fächer wie Biologie, Geographie und Ethik/Religionslehre/Philosophie.