SchülerInnen stärker für natur- und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge begeistern

EINLEITUNG

Deutschland fehlen bereits heute mehr als 100.000 IngenieurInnen und NaturwissenschaftlerInnen. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, da dann die ersten geburtenschwachen Jahrgänge die Hochschulen erreichen. Nach Zahlen des „Verband deutscher Ingenieure“ (VDI) fallen pro nicht besetzter Ingenieurstelle weitere 2,3 Arbeitsplätze weg, was einen jährlichen Verlust von 3,5 Mrd. € für die deutsche Volkswirtschaft ergibt. Des Weiteren reichen die stagnierenden Absolventenzahlen, die bei etwa 40.000 pro Jahr liegen, bei weitem nicht aus, um diesen Trend zu stoppen. Dieser Trend muss allerdings aufgehalten werden, wenn Deutschland längerfristig nicht den Anschluss als Hochtechnologieland verlieren will. Dazu ist es erforderlich, mehr SchulabsolventInnen für ein entsprechendes Studium zu begeistern. Die aktuelle Fehlentwicklung hat ihre Ursache bei dem oftmals schlechten naturwissenschaftlichen Unterricht in den Schulen, der SchülerInnen keinen Spaß an Technik und Naturwissenschaft vermittelt. Daraus ableiten kann man verschiedene Maßnahmenbereiche. Bei diesen ist allerdings zu beachten, dass diese nicht zu einer Schwächung der Geisteswissenschaften führen dürfen. Gerade die aktuellen Pläne der Landesregierung, diese weiter zu beschränken, sind dabei zu tiefst zu kritisieren. Ebenfalls ist wichtig zu betonen, dass die Stärkung der Naturwissenschaften in der Schule nicht in ein privates Bildungssponsoring münden dürfen.

1. MASSNAHMENBEREICH: Naturwissenschaftlichen Unterricht reformieren

Zum einen muss der naturwissenschaftliche Unterricht als Ausgangspunkt für ein späteres Studium der Natur- oder Ingenieurwissenschaften grundlegend reformiert werden. Dazu ist es erforderlich, dass der Unterricht auf ein stärker forschungs- und problemorientiertes Arbeiten umgestellt wird. SchülerInnen lernen wesentlich leichter und effektiver, wenn sie sich die Inhalte selbst oder in Kleingruppen erarbeiten. Hierzu sollen die SchülerInnen sich das Wissen verstärkt durch Schülerversuche aneignen, wenn dies aufgrund des Unterrichtsinhalts möglich ist. Frontalunterricht ist insgesamt gesehen weniger geeignet, SchülerInnen neugierig auf naturwissenschaftliche Fragestellungen zu machen. Durch dieses handlungsorientiertes Arbeiten wird auch erreicht, dass oft als trockenes oder langweiliges Wissen im Anwendungsbereich erfahrbar wird. Es ist dabei allerdings bewusst, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nur dann ihre volle Wirkung entfalten können, wenn die aktuell schlechte Situation des Unterrichts verbessert werden kann. Zu dieser Verbesserung gehört neben der Verkleinerung von Klassen (Gruppenarbeit mit 32 Schülern ist eher unproduktiv als zweckvoll), die Anschaffung von besserem Material sowie die Anstellung von mehr LehrerInnen. Mehr LehrerInnen führen zu kleineren Klassen, in denen dann LehrerInnen auch motivierter sind, sich um insgesamt weniger SchülerInnen zu kümmern, und so den steigenden Arbeitsbedarf durch Projektarbeit zu leisten. Des Weiteren sollen die SchülerInnen verstärkt motiviert werden, sich an Wettbewerben wie „Jugend forscht“ zu beteiligen. Dieser und ähnliche Wettbewerbe müssen vom Staat stärker gefördert und beworben werden. Außerdem sollte erneut eine offene Diskussion darüber geführt werden, inwiefern man die naturwissenschaftlich-technischen Fächer zusammenlegen kann. Eine Zusammenlegung erscheint insbesondere vor dem Hintergrund sinnvoll, dass somit naturwissenschaftlich-technischer Unterricht stärker projektbezogen ausgelegt werden kann. Durch das Verständnis von fächerübergreifenden technischen Strukturen und Abläufen können so Lösungen für konkrete Problemstellungen in unserer Gesellschaft erarbeitet werden.

2. MASSNAHMENBEREICH: Einführung des Fachs Technik

Zum anderen soll an allen Schulen das Fach „Technik“ flächendeckend eingeführt werden. Dies geschieht bereits an einigen wenigen Schulen, hauptsächlich an Gesamt- und Hauptschulen und teilweise im Wahlbereich der Sekundarstufe 1 an Gymnasien. Dieses Fach soll jedoch nur insoweit flächendeckend als Pflichtfach eingeführt werden, als dass daraus kein Wegfall von anderen Fächern resultiert. Dies gilt insbesondere für Gymnasien, wo durch die verkürzte Schulzeit ja bereits ein erheblicher Druck auf die SchülerInnen besteht. Notfalls soll das Fach nur im Wahlpflichtbereich in der Sekundarstufe 1 eingeführt werden. In diesem Fach sollen sich die SchülerInnen verstärkt mit technischen Geräten und deren Funktionsweise auseinandersetzen, sowie deren Einfluss auf das alltägliche Leben kennen lernen. Des Weiteren sollen Berufe vorgestellt werden, die neue Technologien und technische Geräte erfinden und benutzen, und so Interesse an diesen Berufen vermitteln. Als dritter Unterrichtsinhalt ist die ökologische Bedeutung von Technik sinnvoll. Umweltprobleme werden hauptsächlich von neuen technischen Erfindungen gelöst. Durch die frühzeitige Vermittlung dessen an die SchülerInnen, wird dadurch auch ein entsprechendes Bewusstsein gebildet. Wie ein solches Fach konkret ausgestaltet werden könnte, ist bereits beispielhaft in Hamburg verwirklicht worden.

3. MASSNAHMENBEREICH: Engere Verknüpfung von Schulen und Hochschulen

Drittens wird eine engere Verknüpfung von Schule mit nahen Universitäten und Fachhochschulen angestrebt. Dabei soll die an den Hochschulen vorhandene Spitzentechnologie und Spitzenforschung für SchülerInnen erfahrbar gemacht werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund sinnvoll, als dass Schulen oftmals die nötigen finanziellen Mittel fehlen, um bessere und weitere Geräte anzuschaffen. Eine Kooperation zwischen Schulen und Hochschulen kann zum Beispiel auf gegenseitigen Besuchen aufbauen: Dabei besuchen zum einen Professoren (oder auch wissenschaftliche Mitarbeiter) den Unterricht und stellen ihr Arbeits- und Forschungsgebiet vor. Zum anderen besuchen die Schulklassen die Hochschule und absolvieren beispielsweise Praktika mit den dort vorhandenen Geräten. Hierbei erscheint es auch sinnvoll, oben genannte Besuche sowie Praktika von Schulklassen auch bei Betrieben und Unternehmen durchzuführen. Dabei ist allerdings auf Neutralität der beteiligten Firmen zu achten. Werbung der Unternehmen sollte dabei vermieden werden. Außerdem sollte die Möglichkeit des Schülerstudiums für SchülerInnen der gymnasialen Oberstufe ausgebaut und verbessert werden. Dies beinhaltet, dass auch die bürokratischen Hürden für begabte SchülerInnen abgebaut werden, während oder auch nach der Schulzeit an Vorlesungen und Übungen teilzunehmen. Dies ermöglicht es den SchülerInnen, ihr Studium schnell und ohne Zeitverluste abzuschließen. Außerdem erhalten diese so einen weiteren Motivationsschub, sich mit aktuellen Fragestellungen ihres Fachs auseinander zu setzen.

4. MASSNAHMENBEREICH: Frauen verstärkt begeistern

Als letztes soll es gelingen, mehr Frauen für ein entsprechendes Studium zu begeistern. Betrachtet man die geschlechterspezifische Aufteilung in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, so fällt auf, dass nach wie vor nur etwa 20% der StudentInnen in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen weiblich sind. Um diesen Anteil zu steigern reicht eine gute Initiative wie der „Girls Day“ alleine, der jungen Frauen einen Tag lang die Pforten in eher Männer dominierten Firmen öffnet, nicht aus. Das Problem in diesem Feld liegt tiefer, nämlich in immer noch vorherrschenden gesellschaftlichen Denkmustern, dass Frauen sich nicht für technische Berufe eignen. Diesem völlig überkommenen Denkmuster muss in der Schule entschieden entgegengetreten werden. Dazu können beispielsweise speziell Arbeitsgemeinschaften nur für Mädchen eingerichtet werden. Die Erfahrung zeigt, dass diese sich wesentlich schwerer tun, wenn von vorne herein Jungen den Ton angeben. Des Weiteren soll Mädchen mit vermehrten Informationsveranstaltungen speziell für Frauen die Möglichkeiten und Chancen eines natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiums aufgezeigt werden.

ABSCHLUSS

Initiativen wie die des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW namens „Zukunft durch Innovation“ gehen einerseits inhaltlich sicherlich in die richtige Richtung. Diese Initiative hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, sogenannte Kompetenzzentren in NRW einzurichten. Die Aufgabe dieser Zentren soll dann sein, durch eine verbesserte Ausstattung das Interesse von SchülerInnen zu wecken und zu fördern. Hierbei ist allerdings zutiefst zu kritisieren, dass diese Zentren auf einer Selbstträgerschaft der privaten Investoren aufbauen. Bildung muss in Deutschland Aufgabe des Staates bleiben und darf nicht als Bildungssponsoring an Unternehmen delegiert werden. Insgesamt gesehen gilt es für Deutschland, den prozentualen Anteil derjenigen eines Jahrgangs, die ein Studium beginnen, für alle Fächer von derzeit knapp 40% auf den Durchschnitt der OECD-Länder von 56% zu steigern. In den Ingenieur- und Naturwissenschaften ist dieser Bedarf besonders hoch. Wenn es uns nicht gelingt, die Studentenzahlen entsprechend zu steigern, wird auf lange Zeit unser aller Wohlstand reduziert.