Der Diskurs um den Diskurs – Die AfD aus der demokratischen Debatte ausschließen!

Der Kampf um die kulturelle Deutungshoheit innerhalb einer Gesellschaft wird maßgeblich im öffentlichen Diskurs geführt. Auf diesem Gebiet hat die progressive gesellschaftliche Linke in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Siege erringen können. Wir haben einerseits den Bereich des Sagbaren dahingehend erweitert, dass wir uns um begriffliche Genauigkeit bemühten (Diederich Diedrichsen in der Jungle World vom 23. Juni 2016: „[W]ir wollten Rassismus Rassismus nennen“. [1]) und zum Beispiel unsere Diskurse um sexuelle Identitäten in das Zentrum der öffentlichen Debatte trugen. Andererseits ist es uns mit dem Bemühen um politische Korrektheit, mittlerweile ein Kampfbegriff der Neuen Rechten, gelungen, den Bereich des Sagbaren dahingehend zu begrenzen, dass zum Beispiel homophobe, rassistische und völkisch-nationale Aussagen an den Rand des Diskurses gedrängt wurden. Diese Errungenschaften, die maßgeblich zu einer Liberalisierung der Gesellschaft beigetragen haben, stehen zurzeit in Gänze auf dem Prüfstand. Mit der ‚Alternative für Deutschland‘ hat sich eine Partei im öffentlichen Diskurs etabliert, die davon träumt, jene Errungenschaften in eine Zeit vor 68 wieder zurückdrehen.

 

Die Grenzen des Sagbaren

Vertreter*innen dieser Partei, seien es Höcke, Gauland, Petry oder von Storch, haben es

perfektioniert auf der Klaviatur der öffentlichen Debatten immer wieder gezielte Misstöne zu setzen, um so die Grenzen des öffentlich Sagbaren mit jedem Mal mehr auszutesten und um damit eine gesellschaftliche Diskussion darüber zu erreichen, was eigentlich gesagt werden darf. Dass es bei all diesen kalkulierten Tabubrüchen immer auch um Aufmerksamkeit geht, ist ein Allgemeinplatz. Und so geschieht es, dass ein Björn ‚Bernd‘ Höcke im halböffentlichen Raum von ‚rassetypischen Fortpflanzungsmechanismen‘ und im gänzlich öffentlichen Raum von einer ‚1000 järigen Geschichte‘ fabuliert. So geschieht es, dass der brandenburgische Landeschef Gauland als Wolf im Schafspelz erst rassistische Aussagen über Fußballnationalspieler*innen trifft, um sich im Anschluss daran unschuldig zu geben. Dies alles sind Versuche, wieder Aussagen in der Mitte des öffentlichen Diskurses zu etablieren, die zurecht in der Vergangenheit am Rande desselben stattfanden.

 

Aus dem Diskurs ausschließen!

Vor dem Hintergrund dieser ziemlich durchsichtigen Versuche ist die progressive gesellschaftliche Linke, sind wir als politischer Richtungsverband gefragt, uns dem entschieden entgegenzustellen. Verschiedene Mitteln stehen uns je nach Kontext zu diesem Zweck zur Verfügung. Finden solche Tabubrüche als singuläre Aussagen von Parteivertreter*innen zum Beispiel im

offiziellen und halboffiziellen Rahmen eines Interviews, eines Tweets oder Posts statt, sind wir gut damit beraten, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das uns hingehalten wird. Der Tabubruch rechnet in solchen Fällen mit der Empörung und braucht diese, um Aufmerksamkeit zu generieren. Ignoranz scheint hier das probatere Mittel. Komplizierter stellt sich die Situation dar, wenn die Tabubrüche in politischen Debatten platziert werden sollen. Ist Ignoranz hier ebenfalls das richtige Mittel oder sollte mensch sich nicht eher gerade in diese Debatten begeben, um den rassistischen Äußerungen Paroli zu bieten? Viel spricht dafür, dass die ‚Alternative für Deutschland‘ aus diesen Diskursen ausgeschlossen werden muss.

Weil wir als Vertreter*innen eines politischen Richtungsverbandes bzw. einer Partei

selbstverständlich nicht den Diskurs allein kontrollieren können, wäre das stärkste Mittel, das uns zur Verfügung steht die Gesprächsverweigerung, um so die AfD endlich in die Rolle zu stoßen, in der sie sich fälschlicherweise ohnehin schon sieht, in die Opferrolle. Wer sich mit Vertreter*innen dieser Partei auf ein Podium, in eine Talkshow oder in ein anderes institutionalisiertes Format begibt, läuft Gefahr, eine Partei, die jenseits des demokratischen Diskurses steht, zu naturalisieren, wodurch ihre markierte Position als Gruppierung rassistischer, antisemitischer, völkischer, nationalsozialistischer, homophober, christlich-fundamentalistischer, verschwörungs-ideologischer, revisionistischer und anderer neu rechter Haltungen demarkiert also normalisiert wird. Die AfD erschiene so als eine Partei unter vielen, mit der mensch im selben Maße reden könne, wie mit allen anderen auch. Dies muss verhindert werden!

 

Einfach reden lassen?

Eine Gesprächsverweigerung würde dabei ganz entschieden nicht bedeuten, dass man die ‚Alternative für Deutschland‘ einfach gewähren und sie ihre menschenverachtenden Aussagen in den öffentlichen Diskurs tragen ließe. Insofern ist in diesem Fall auch Ignoranz nicht das richtige Mittel. Die wünschenswerteste Lösung wäre eine Verabredung aller demokratischer Parteien oder falls so nicht möglich zumindest linken Parteien, sich gemeinschaftlich nicht auf ein Podium, in eine Talkshow oder in ein anderes institutionalisiertes Format mit der AfD zu begeben, um sie so aus jenen Formaten auszuschließen. Doch auch wenn dies nicht gelingt, müssen wir als Verband über eine Gesprächsverweigerung nachdenken, diese in jenem Fall wohl begründen und einen Paralleldiskurs nicht mit sondern über die AfD und ihre rassistischen und völkisch-nationalen Parolen führen. Wir müssen ihre Aussagen, die unter dem Deckmantel eines vermeintlich berechtigten Konservatismus‘ daher kommen, deutlich markieren und Rassismus eben Rassismus nennen.

 

Die Regeln des Diskurses

Der Grund dafür, warum über eine Gesprächsverweigerung nachgedacht werden muss, besteht darin, dass Vertreter*innen dieser Partei in den genannten institutionalisierten Formaten nonchalant und vollkommen selbstverständlich elementarste Regeln des Diskurses wieder und wieder verletzen und einer wirklichen Auseinandersetzung so aus dem Wege gehen. Wo eigentlich Argumente die Debatte bestimmen müssten, wartet die AfD mit Ängsten, mit Hetze und mit ganz offensichtlichen Lügen auf, die in der konkreten Situation jedoch schwer zu widerlegen sind. Selbst dort, wo es gelingt, Lügen als solche zu entlarven, werden Statistiken für unglaubwürdig erklärt und journalistische Erkenntnisse mit dem Verweis auf die ‚Lügenpresse‘ diskreditiert. Das führt dann zu keiner Debatte, sondern zu einer Parallelität von mehreren vermeintlichen Wahrheiten, die ein argumentatives Stellen grundsätzlich erschwert.

 

Hate speech – im Internet und auf der Straße

Anders stellt sich die Situation in Debatten außerhalb eines institutionalisierten Formats dar, also etwa im Internet, welches dazu geführt hat, dass auch die letzte rassistische Vollnull seine*ihre menschenverachtenden Parolen einer breiten Öffentlichkeit präsentieren kann und dabei vom digitalen Mob in seiner*ihrer Haltung bestätigt wird. Ressentiments, die konstant in den Köpfen vorhanden waren, können dort nun weitestgehend ohne soziale Kontrolle und ohne andere Sanktionsmechanismen artikuliert werden. Einen weiteren von den institutionalisierten Formaten unterschiedenen Fall stellen außerdem offline die Stammtische dieser Republik, das Hetzen an den Wahlkampfständen sowie der Alltagsrassismus in halbprivaten Gesprächen dar. In diesen anderen Fällen, ob on- oder offline, wäre Gesprächsverweigerung das falsche Mittel. Diese Diskurse unterscheiden sich von denen in institutionalisierten Formaten ganz entschieden dadurch, dass sie ohnehin weitestgehend regellos sind und vor allem dadurch, dass sie den Hetzenden nicht in dem Maße eine Aufmerksamkeit und Prestige bescheren, wie es beispielsweise Talkshows, Podien oder Wahlkampfveranstaltungen tun. Hier gilt es, sich deutlich dieser Hetze in den Weg zu stellen, um klar zu machen, dass menschenverachtende Positionen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

 

Fazit

Im Kampf um die kulturelle Hegemonie stellen wir uns den Versuchen der ‚Alternative für

Deutschland‘, die Errungenschaften vor allem der 68-er Bewegungen zurückzudrehen, entschieden entgegen und fordern daher:

  1. In institutionalisierten Formaten wie Talkshows, Podien oder auf Wahlkampfveranstaltungen darf der AfD keine Plattform geboten werden. Zu diesem Zweck muss je nach Veranstaltung abgewägt werden, inwiefern dies der Fall ist und dort, wo eine Plattform geboten würde, muss über eine Gesprächsverweigerung von Seiten unseres Verbandes sowie der SPD nachgedacht werden. Zu berücksichtigen wären in einem solchen Falle ebenfalls die Möglichkeiten, die Gesprächsverweigerung ausreichend begründen zu können, da der Eindruck eines einfachen Wegbleibens von einer Debatte sicherlich der fatalste Eindruck wäre. Darüber hinaus muss der Kontakt zu anderen demokratischen Parteien und Jugendverbänden gesucht werden, um so ein gemeinsames Vorgehen nach dem hier skizzierten Vorbild zu vereinbaren, um einen Ausschluss der AfD aus dem Diskurs zu erreichen. Anstatt zu versuchen, die AfD in jenen institutionalisierten Formaten argumentativ zu stellen, was dadurch, wie gezeigt, erschwert wird, dass sie elementarste Regeln des Diskurses verletzt, müssen wir Paralleldiskurse über die AfD führen, in denen wir die rassistischen, antisemitischen, völkischen, nationalsozialistischen, homophoben, christlich-fundamentalistischen, verschwörungsideologischen, revisionistischen und anderen neu-rechten Haltungen als das markieren, was sie sind: menschenverachtend.
  2. Zugleich werden wir uns abseits dieser institutionalisierten Formate entschieden und überall, ob off- oder online, diesen menschenverachtenden Parolen entgegenstellen und deutlich machen, dass sie nichts in unserer Gesellschaft verloren haben. Hierfür müssen wir Menschen innerhalb und außerhalb unseres Verbandes fit machen, wie zum Beispiel durch die Ausbildung zu Stammtischkämpfer*innen durch das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“. Was die Auseinandersetzung im Netz betrifft, die zwar grundsätzlich ähnlich gelagert ist, letztlich aber doch noch einmal deutlich anders funktioniert, fehlen uns zurzeit ehrlicherweise noch die vollständig durchschlagenden Konzepte. Selbige sind dringend zuerarbeiten.

 

[1] http://jungle-world.com/artikel/2016/25/54310.html