Lehramtsausbildung anpassen!

Das dreigliedrige Schulsystem hat in Deutschland lange Zeit Bestand gehabt. Die unterschiedlichen Reformen in den einzelnen Landesteilen zeigen aber, dass es in Zukunft in allen Bundesländern andere Schulstrukturen geben wird, sei es ein zweigliedriges System nach der Grundschule oder ein horizontales System, in welchem die Schülerinnen und Schüler nach der Primarschule auf eine Schule des Sekundarbereichs wechseln und anschließend gegebenenfalls eine gymnasiale
Oberschule besuchen. Verschiedene Ursachen lassen sich dafür heranziehen. Zum einen will man im Anschluss an internationale Bildungstests den Schwächen des deutschen Schulsystems entgegenarbeiten, zum anderen werden in vielen Regionen die Auswirkungen des demografischen Wandels durch die Schulreformen aufgefangen. Auch in NRW werden die Weichen für eine veränderte Schulstruktur gestellt. Die neue Landesregierung hat beschlossen, dass den Gemeinden die Möglichkeit gegeben wird, Gemeinschaftsschulen zu gründen, die integrativ mindestens bis zur fünften Klasse unterrichten und die Trennung von ‚Begabungsformen‘ in drei unterschiedliche Schulformen zumindest bis zur siebten Klasse aufheben soll. Die Reformen sind gut und wichtig, sind aber vor allem äußerliche Veränderungen der Schulstruktur. Wichtig für eine gelungene Bildungskarriere der Schülerinnen und Schüler ist aber vor allem, welche Lehrerinnen und Lehrer ihnen auf ihrem Weg begegnen. Diese werden in Zukunft in Schulen unterrichten, die mit den ehemals Leistungs- und sozioökonomisch homogenen Schulen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wenig gemeinsam haben. Die Schülerinnen und Schüler werden, wenn die Reformen durchgesetzt werden können, unabhängig von ihrer kulturellen und religiösen Herkunft, der Ausbildung und Tätigkeit ihrer Eltern und ihren individuellen Leistungen und Fähigkeiten gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden. In den Ballungszentren in NRW kommt hinzu, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund hat, was zu veränderten Ausgangsbedingungen beim Spracherwerb führt und neue pädagogische Konzepte erfordert. Darüber hinaus wird in der neuen Schulform ein demokratisches, offenes und tolerantes Miteinander erforderlich sein, um optimale Lernbedingungen garantieren zu können. Es ist also unerlässlich die Lehramtsausbildung den veränderten Bedingungen anzupassen und die zukünftigen Pädagogen und Pädagoginnen konsequenter als bisher auf ihre Aufgaben in einer heterogenen, multilingualen und inklusiven Schulgemeinschaft vorzubereiten.

Die Jusos NRW fordern deshalb:
1.Wir brauchen in NRW eine einheitliche Lehramtsausbildung. Zurzeit haben die einzelnen Universitäten in NRW unterschiedliche Antworten auf die Bologna-Anforderungen gefunden, so dass die neuen Bachelor/Master Studiengänge für das Lehramt in ihrer Modularisierung und in ihren Pflichtveranstaltungen uneinheitlich sind. Da angehende Lehrerinnen und Lehrer jedoch nicht unbedingt vor Ort ihr Referendariat machen, geschweige denn auch ihren späteren Beruf
dort ausüben werden, wo sie ihre Ausbildung gemacht haben, sind landesweit einheitlich Standards sinnvoll. Wir brauchen darüber hinaus eine Lehramtsausbildung, die der zukünftigen Schulstruktur angepasst ist und keine Unterscheidung mehr in Haupt- und Realschullehramt oder das Lehramt
für die gymnasiale Oberstufe macht. Das neue LABG, welches 2011 in Kraft tritt, nimmt zwar eine Angleichung der Studiengänge vor und stellt mit dem Praxissemester einen neuen Praxisbezug her, jedoch reichen diese Maßnahmen bei weitem nicht aus. Wir fordern also, dass es ein Grundkonzept für alle Universitäten in NRW gibt, welches auch für die Schulformen grundsätzlich gleich aufgebaut ist und neben fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen
Veranstaltungen auch methodische Schwerpunkte umfasst:
1.1 Für Lehrerinnen und Lehrer ist eine geschulte Stimme genauso wichtig wie für SchauspielerInnen und SynchronsprecherInnen, trotzdem erhalten sie während ihrer Ausbildung kaum oder Aufbruch für gar keine Unterstützung in dieser Hinsicht. Deswegen sollen zur zukünftigen Lehramtsausbildung
verpflichtend Veranstaltungen aus den Bereichen ‚Rhetorik‘, ‚Stimmbildung und Sprechkompetenz‘ und ‚Gesprächsführung‘ gehören.
1.2 Die pädagogische Ausbildung muss die Lehrerinnen und Lehrer auf die Heterogenität der Schule vorbereiten. Zu diesem Zweck sollten während der Lehramtsausbildung auch Veranstaltungen verpflichtend sein, die sich mit den Themenbereichen ‚integratives Lernen‘ und ‚Methoden der individuellen Förderung in heterogenen Lerngruppen‘ befassen. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle zukünftigen Lehreinnen und Lehrer ihre Aufgaben in einer inklusiven Schule erfüllen können.
1.3 Um die Lehrerinnen und Lehrer auf die verschiedenartigen Zusammensetzungen ihrer Schülerschaft vorzubereiten, sollen darüber hinaus Veranstaltungen obligatorisch sein, in denen sie lernen, in schwierigen Situationen mit Schülerinnen und Schülern zu reagieren. Außerdem sollen Veranstaltungen aus den Bereichen ‚demokratische Schule‘ und ‚politische Bildung‘ zur Ausbildung gehören, da die Schule der Ort ist, an dem die Teilhabe an der Demokratie und den gesellschaftlichen Prozessen geschult werden soll.
1.4 Da gesellschaftliche Teilhabe mehr und mehr auch im Internet stattfindet, muss auch in der Lehramtsausbildung die Medienkompetenz der angehenden Lehrerinnen und Lehrer geschult und verbessert werden. Dabei soll nicht nur der Umgang mit verschiedenen Medien, sondern auch eine Sensibilisierung für die enormen Möglichkeiten und Gefahren des WWW vermittelt werden.                                                                                                                                                                      1.5 Da Schule heute einem System aus Leistungskontrollen und Evaluation unterliegt, sollten Lehrerinnen und Lehrer frühzeitig die verschiedenen Verfahren kennenlernen. Deswegen sollten zu einer neuen Lehramtsausbildung auch Veranstaltungen im Bereich Schulentwicklung und Evaluation gehören, um Lehrerinnen und Lehrer frühzeitig auf zusätzliche Aufgaben vorzubereiten.                                                                                                                                                       2.In den fachdidaktischen Modulen der Lehramtsausbildung wird häufig Fachdidaktik um ihrer selbst Willen betrieben. Diese Praxis bringt aber keinen Lernerfolg im Sinne einer didaktischen Reduktion des Fachwissens und der Vermittlung von Fachinhalten. Fachdidaktik muss daher immer
an konkreten Anwendungsfällen gelehrt werden, um so gleichermaßen fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen zu stärken
3.Um das in der Universität vermittelte Wissen nicht zu verlernen und vor allem um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sowohl auf fachlicher, wie auch auf pädagogischer und entwicklungspsychologischer Ebene zu vermitteln, sollte gewährleistet sein, dass Lehrerinnen und Lehrer auch nach ihrer Erstausbildung an der Universität in einem ständigen Bildungsprozess stehen. Um das gewährleisten zu können, sollte es verpflichtende Fortbildungen geben, die die genannten Bereiche auch während des Berufs wieder aufgreifen.
4.Supervision ist in vielen beruflichen Bereichen heute schon Normaltät, vor allem dort, wo Menschen miteinander arbeiten und andere Menschen in ihrem Leben begleiten. Umso erstaunlicher ist es, dass es im Bereich Schule bis heute nicht zur Alltäglichkeit gehört, obwohl bewiesenermaßen gerade Lehrerinnen und Lehrer verstärkt unter Bourn-Out und Depressionen leiden. Die Möglichkeit zur Supervision, die sich „konstruktiv mit Erlebnissen, Problemen, Konflikten
und Fragen aus dem beruflichen Alltag“1 auseinandersetzt, sollte auch im Schulalltag einen festen Bestandteil einnehmen.