Schluss mit dem Kulturnotstand – Für eine solide Kulturfinanzierung in NRW

Die leeren Haushaltskassen in vielen Kommunen zwingen diese nun schon seit mehreren Jahren in eine eiserne Sparpolitik. Die Alternativen zur Zukunft der Kulturfinanzierung scheinen begrenzt. Haushaltssicherungskonzepte und Nothaushalte haben in den unterschiedlichsten Kommunen jedoch meist eines gemeinsam: Gespart wird zuerst an den Ausgaben für die Kultur. Während Bildungsausgaben nach dem Pisa-Schock als Spar-Tabu anerkannt sind, stehen kulturelle Einrichtungen und Projekte offenbar für viele kommunale Verantwortliche auf der Streichliste weit oben. Der Wert einer kulturellen Daseinsvorsorge für die Lebensqualität und die Entwicklung der Kommune wird zwar häufig anerkannt, doch der Sparzwang führt letztlich immer wieder zur Einstellung der Finanzierung kultureller Einrichtungen. Dieses Schicksal trifft jedoch nicht alle kulturellen Einrichtungen gleichermaßen: Während kleine, eher als subkulturell zu bezeichnende Projekte den Rotstift spüren müssen, bleiben „Leuchtturmprojekte“ der sogenannten „Hochkultur“ von allzu radikalen Kürzungen häufig verschont. Kulturschaffende sind jedoch in der gesamten Landschaft von Lohnkürzungen oder Arbeitsplatzverlust betroffen.

Kultur als Quelle von Lebensqualität anerkennen

Aufgrund der finanziellen Notlage von kulturellen Projekten geraten vorwiegend monetäre Aspekte in den Fokus des politischen Handelns. Dies wird den Aufgaben der Kultur allerdings nicht gerecht. Schließlich liegen die Ziele der Kultur nicht in ihrer Gewinnmaximierung, sondern in der Veränderung und Festigung einer Gesellschaft. Sei es durch die Anhebung des Bildungsniveaus oder einer attraktiven Freizeitgestaltung. Deswegen setzen ökonomische Indikatoren zur Evaluation von kulturellen Projekten bzw. Institution den falschen Rahmen, weil die positiven Effekte einer Kulturlandschaft nicht in Zahlen zu fassen sind. Daher muss bei dem Vergabeprozess der Fördergelder vor allem der gesellschaftliche Auftrag bzw. die künstlerischen Qualität ein Maßstab sein.
Ökonomische Aspekte dürfen nicht allein im Zentrum der Entscheidung stehen. Die Probleme der Kulturfinanzierung zwingen dazu, die Strukturen der Finanzierung kultureller Einrichtungen in NRW zu überdenken, um auch dauerhaft eine Sicherung von Theatern, Orchestern, Projekten der Kinder- und Jugendkultur, Musikkultur usw. zu ermöglichen. Insbesondere in den hohen Preissegmenten, etwa für Logenplätze u.ä., besteht noch Spielraum zur Umverteilung. Gleichzeitig muss ein Kontingent an günstigen Eintrittspreise vorgehalten werden, um Menschen mit geringem Einkommen den Besuch der Kulturveranstaltungen zu ermöglichen. Zudem fordern die NRW Jusos die Kommunen auf, Sozialtickekts für GrundsicherumgsempfängerInnen bereitzustellen,
mit denen diese kulturelle Einrichtungen zu stark vergünstigten Preisen oder kostenlos besuchen können.

Ein Schonbereich für kulturelle Daseinsvorsorge
Kulturfinanzierung ist eine freiwillige Leistung der Kommunen, die bei einem Eintreten in das Haushaltssicherungskonzept (HSK) gestrichen werden kann.
Kommunen im HSK und Nothaushalt müssen aber weiterhin freiwillige Leistungen zur Kulturförderung bereitstellen dürfen. Diese Intention verfolgt auch der Koalitionsvertrag 2012 von SPD und Grünen. Jedoch nimmt eine allgemeine bessere Finanzausstattung der Kommunen nicht den Druck  von der Kulturfinanzierung, die auch in der Zukunft immer wieder von der Streichung bedroht sein wird. Wir NRW Jusos finden, dass auch finanziell unter Druck stehende Kommunen der Kulturförderung grundsätzlich nachkommen können müssen. Deshalb unterstützen wir die Landesregierung in ihrem Vorhaben, die Kommunen finanziell besser auszustatten. Die NRW Jusos fordern die Landtagsfraktionen der Regierungsparteien dazu auf, in der Gemeindeordnung einen Schonbereich in Höhe von mindestens 1% vom Gesamthaushalt zu definieren, der die Förderung von Kultur weiterhin möglich macht. Die Aufsichtsbehörde, als Zustimmungsbehörde zum Haushaltssicherungskonzept, darf der Kommune dann nicht die Streichung von freiwilligen Leistungen in der Kulturförderung vorgeben, die innerhalb dieses Schonbereiches liegt.

Förderung von alternati ven Kulturprojekten, Breitensport und Kleinkunstprojekten

Klein- und Kleinstkulturprojekte bei denen Sponsoren und Mäzene nicht Schlange stehen, brauchen die finanzielle Unterstützung der kommunalen Kulturförderung. Kultur belebt die Städte und Gemeinden. Gerade kleine Kulturprojekte jenseits der Mainstream-Kultur schaffen wichtige Nischen für die Gestaltung der freien Kulturszene. Die Kommunen verpflichten sich einen bestimmten Anteil am Kulturetat für Klein- und Kleinkunstprojekte zur Förderung bereitzustellen. Die Beantragung dieser Förderung muss auch für Veranstalter von Klein- und Kleinstkulturprojekten ohne großen bürokratischen Aufwand möglich sein. Kommunale Unternehmen der Daseinsvorsorge (Stadtwerke, ÖPNV, kommunale Energieversorger, öffentlich-rechtliche Sparkassen) fördern
häufig Kunst, Kultur und Sport in Kommunen, die in besonderem Maße das Massenpublikum ansprechen. Das entspricht aber nicht dem Anspruch, ein kulturelles Angebot auch jenseits des Mainstreams zu bereitzustellen. Die kommunalen Unternehmen müssen daher verstärkt den nicht-professionellen Breitensport, die alternative Kulturszene und nicht-kommerzielle Kulturprojekte finanziell fördern. Die Förderung von professionellen Sportvereinen und Massenkulturveranstaltungen bleibt den Kommunen vorbehalten, ist aber nicht Teil des Schonbereiches. Um eine solide Finanzierung auch von vermeintlich wenig prestigeträchtigen, kleinen Kulturprojekten zu ermöglichen, fordern die Jusos eine Umlage zwischen Angeboten der sog. Hochkultur und diesen Projekten. Eine Erhöhung der Preise in hochsubventionierten Staatsopern und ähnlichen Einrichtungen soll dabei den kleinen, stark unterfinanzierten Kulturprojekten zugute kommen. Kulturpolitik endet nicht an der Stadtgrenze: Für die Bildung von regionalen Kulturräumen! Wir sind überzeugt: Um die Kommunen lebenswert zu gestalten und um der Aufgabe der kulturellen Daseinsvorsorge durch die Kommunen nachzukommen, brauchen die Kommunen einen auf die Nutzungsstrukturen angepassten finanziellen Gestaltungsrahmen. Städtische Zentren, die breite Kulturangebote unterhalten sind häufig Anziehungspunkt auch für Menschen aus der Region und damit aus Kommunen, in denen nur ein kleines Angebot an Kultur existiert. Damit profitieren
diese „KulturpendlerInnen“ von Einrichtungen, ohne sie (mit Ausnahme des Eintrittspreises) mitzufinanzieren. Die NRW Jusos fordern die Landesregierung auf, analog zu dem in Sachsen erfolgreichen Modell (SächsKRG) Kulturregionen in NRW zu definieren und diesen eine neue finanzielle Grundlage zu bieten. Kulturräume bestehen aus Kreisen und kreisfreien Städten, die – gemeinsam mit dem Land – die regional bedeutsamen Kultureinrichtungen finanzieren. Das bisher existierende Modell, demzufolge die überregionalen Kulturangebote durch das Land NRW, die Landschaftsverbände, die Kreise und der Trägerkommune finanziert werden, ist zu großräumig gedacht. So erstreckt sich der „Kulturraum“ des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe von Herford bis nach Siegen und umfasst keinen realistischen, sondern vielmehr einen konstruierten Kulturraum. Durch die Bildung von regionalen Kulturräumen wird das Kirchturmdenken der einzelnen Kommunen in der Kulturförderung beendet. Regionale Kulturräume haben zudem den Vorteil, dass sie in der Bevölkerung ein Bewusstsein für eine gemeinsame und regionale Kultur schaffen. Die regionalen Kulturangebote werden in Zukunft durch das Land NRW, die gemeinsamen Kulturräume und die
Trägerkommune finanziert. Die Kulturförderung wird aus dem Finanzrahmen der Landschaftsverbände herausgelöst. Die regional zusammenhängenden Kreise und kreisfreien Städte bilden die regionalen Kulturräume. Sie bilden einen gemeinsamen Kulturrat und finanzieren die regionalen Kulturangebote. Die Kreise und kreisfreien Städte vermindern ihren Anteil an der Landschaftsverbandsumlage. Für die Kommunen reduziert sich die Kreisverbandsumlage entsprechend. Dadurch rhalten die Kommunen dringend benötigten Spielraum, die in der Region Ort wichtigen Kultureinrichtungen zu stärken. Der sogenannte „Spill-over-Effekt“, die einseitige finanzielle Belastung von regionalen Zentren, die Kulturangebote für die gesamte Region anbieten und größtenteils allein finanzieren, wird dadurch abgeschwächt. Bei regionaler Überbesetzung von Orchestern im A-Bereich sind Orchster im B- bis D-Bereich aufzulösen.

Für die freie Kunst – solide finanziert !

Nicht zuletzt ist der Bund in der Pflicht, die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen. Er weist den Städten und Gemeinden viele Aufgaben zu, ohne die Finanzierung dieser Pflichten zu gewährleisten. Nicht nur bei der Finanzierung der Grundsicherung und der Bereitstellung  von Kita-Plätzen wird dies für die Kommunen zu einer finanziellen Zerreißprobe. Auch die Kulturfinanzierung ist eine vom Bund an die Kommunen delegierte Aufgabe, die ohne finanzielle
Grundlage auskommen muss. Wir NRW Jusos fordern daher den Bund auf, das Konnexitätsprinzip zu beherzigen. Demzufolge darf der Bund Aufgaben nur dann an Kommunen delegieren, wenn er auch zu einer Finanzierung dieser Aufgaben beiträgt. Kommunen, Länder und der Bund sind elementare Geldgeber für Kulturbetriebe. Hiermit könnte die Gefahr verbunden sein, dass sich die Geldgeber die Kultur erkaufen, um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dies widerspricht einer der wichtigsten Aufgaben der Kultur: Menschliches Verhalten, Gesellschaften und Systeme zu hinterfragen. Deswegen ist bei jeder Auflage, die eine öffentliche Instanz stellt zu hinterfragen, inwieweit dadurch der genannte Auftrag beeinflusst wird. Ebenso ist auch die Kultur nicht nur als Konservierungsbehälter für sogenannte „Klassiker“ zu sehen, sondern auch für einen Ort der Kreativität über diese Klassiker hinaus. Dies ist auch bei Auflagen
zu beachten, die diese Kreativität, für einen missverstandenen Bildungsauftrag, beschneiden. Denn der Bildungsauftrag geht über die Etablierten Kulturprodukte hinaus. Die Politik darf daher nur die Rahmen für Kultur setzen, die Kultur muss diesen eigenständig füllen. Kulturelle Bildung heiSSt Entwicklung der Kulturszene Die Kultur muss auch in Zukunft ihren integrativen Charakter behalten bis ausbauen. Durch ihre Mannigfaltigkeit an Facetten kann die Kultur Spaltungen innerhalb der Gesellschaft zwischen Milieus reduzieren. Hierbei spielen bildungspolitische Teilgebiete eine Rolle, wie die frühkindliche Förderung (z.B. Leseförderung), aber u.a. auch Milieu übergreifende Musik oder Theaterprojekte. Diese Förderung hat aber nur dann Bestand, wenn jedes Milieu Teil der Kulturlandschaft werden kann. Daher ist ein niedrigschwelliger Einstieg in die Kultur wichtig, auch damit sich die Kulturszene durch unterschiedliche Einflüsse weiterentwickeln kann.

Solide Kulturfinanzierung schafft solide Arbeitsverhältnisse
Bei den Kulturschaffenden ist eine zunehmende Prekarisierung ihrer Arbeitsplätze festzustellen. Eine Entwicklung, die insbesondere bei der freien Szene festgestellt werden kann, aber auch bei Angestellten. Die Arbeitsverhältnisse basieren häufig nur auf Zeitverträgen und das durchschnittliche Einkommen ist auf einem niedrigen Niveau, vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Kulturschaffende eine abgeschlossene Hochschulausbildung aufweisen. Hierdurch entstehen viele Probleme: das Gründen einer Familie wird aufgrund der mangelnden Planungssicherheit erschwert. Durch das niedrige Einkommen ist die soziale Sicherung der Freischaffenden häufig ungenügend und die Kreativität wir durch die hohe finanzielle Belastung eingeschränkt. Um auch in Zukunft einen Kulturbetrieb aufrecht zu erhalten, ist es wichtig, dass es zu keiner weitern Prekarisierung der Arbeitsformen bei den Kulturschaffenden kommt. Der dadurch entstehen Druck hemmt das kreative Potenzial der Kulturbeteiligten und hat auch persönliche soziale Folgen. Deswegen ist es entscheidend, dass bei Institutionen dem Trend der steigenden Anzahl von Zeitverträgen Einhalt geboten wird. Ebenso ist über Tarifverträge bzw. Mindestlöhnen in der Kulturszene nachzudenken. Um die wachsende Gefahr der Altersarmut bei Künstlern und Publizisten entgegenzuwirken, gilt es sich für eine Reformierung der Künstlersozialversicherung (KSV) einzusetzen. Sie muss effektiver gestaltet werden, das heißt, mehr Mitarbeiter, eine starke Entbürokratisierung und eine Überarbeitung der Auflagen, denen häufig eine nicht Alltagstauglichkeit.