ZUKUNFT gibt’s nicht für lau!

Wir jungen Menschen wollen gute Startbedingungen für eine gute Zukunft. Wir wollen keine verfallenden Straßen, keine kaputten Schulen oder geschlossene Schwimmbäder – kurz: wir wollen keinen kaputtgesparten Staat. Funktionierende öffentliche Einrichtungen sind für uns junge Menschen wichtiger als ausgeglichene öffentliche Haushalte. Wir vererben der kommenden Generationen nicht nur Kontostände, sondern auch unsere Infrastruktur, die als Grundlage für unseren kommenden Wohlstand steht, unsere Umwelt, die als Grundlage für das kommende Leben steht, unsere Daseinsvorsorge, die für die Teilhabe an der Gesellschaft und Befriedigung der Grundbedürfnisse steht und unsere Bildung, die die Grundlage für ein gutes Leben der kommenden Generationen sein wird. Für uns NRW Jusos ist die Freiheit jeder Generation durch die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen begrenzt. Für uns bedeutet Generationensolidarität, dass die Grundlage für unsere Zukunft erhalten bleiben muss. Zum Beispiel darf die Infrastruktur, die unsere und zukünftige Generationen für ein gutes Leben brauchen, auch mit dem Verweis auf ausgeglichene Haushalte nicht immer weiter heruntergewirtschaftet werden. Diese Generationensolidarität ist eine unserer zentralen Forderungen, die wir uns nicht durch eine schwache „Generationsgerechtigkeits“-Definition, wie sie von Konservativen vertreten wird, kaputt machen lassen. Für uns gilt es also, den konservativen, zunächst moralisch vorgebrachten Verweis auf künftige Generationen für die Begründung einer schwarzen NULL als das zu enttarnen, was es ist: neoliberale Verteilungsinteressen in der Gegenwart. Diese Verteilungsinteressen führen auch zu der weiterhin existierenden strukturellen Benachteiligungen von Frauen* in unserer Gesellschaft. Sie verdienen für gleichwertige Arbeit weniger als Männer*, werden viel häufiger Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt, arbeiten öfter in prekären Beschäftigungsverhältnissen und sind stärker von Altersarmut bedroht. Ein Zustand, der sich z.B. durch die finanzielle Lage der Kommunen noch verschärft.

Für uns ist klar, wir brauchen schon heute umfangreiche Investitionen, denn die Zukunft gibt es nicht für lau!

Ausgangslage

In den Kommunen werden Schulen und Schwimmbäder geschlossen. In vielen Städten und Kreisen mangelt es an den nötigsten Dingen. In den Medien häufen sich die Meldungen von verfallender Infrastruktur. Gesperrte Autobahnbrücken und Stromausfälle sind nur zwei Beispiele. Kurzum: In Deutschland droht der Infarkt. Dass Investitionen dringend nötig sind, ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Sogar in konservativen Kreisen wird mittlerweile eifrig über Investitionspakte schwadroniert. Aber warum solche Symbolhandlungen verpuffen werden und woher die Misere stammt, zeigt eine Analyse der Situation.

In den 1960er und 1970er Jahren lag die öffentliche Investitionsquote in Deutschland noch zwischen 4 und 5 Prozent des BIP. Mit diesen Investitionen konnte sich der Staat einen eigenen „Kapitalstock“ aufbauen. Kapitalstock bedeutet hier Straßen, Brücken, Schulen, Hochschulen etc., also alles, was im Endeffekt für alle da ist. Seit dieser Zeit wurden die öffentlichen Investitionen immer weiter gekürzt und betrugen im Jahr 2000 nur noch weniger als 2 Prozent des BIP. Diese Investitionskürzungen führten schließlich im Jahr 2004 dazu, dass die Nettoinvestitionen negativ wurden. Seit diesem Zeitpunkt sind die Abschreibungen also höher als die Investitionen. Das heißt, seit dem verfällt unsere Infrastruktur; wir leben sozusagen nur noch von der Substanz. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht „gottgegeben“ oder „natürlich“, sondern auf politische Entscheidungen zurückzuführen. Drei Gründe sind zentral für den Rückgang der Investitionen:

(1) Steuersenkungen,

(2) finanzschwache Kommunen und

(3) Verabschiedung der Schuldenbremse

Steuersenkungen

Vor allem die Steuersenkungen seit 1998 führten dazu, dass der Staat weniger Einnahmen und somit auch weniger Spielräume für Investitionen hat. Nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) verzichtet die öffentliche Hand so auf einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr. Allein im Jahr 2011 wären 51 Milliarden Euro mehr in die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen geflossen, würden noch die Steuergesetze von 1998 gelten.

Die Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte wurde besonders durch die folgenden politischen Entscheidungen belastet: Senkung des Spitzensteuersatzes, Reform der Steuer auf Kapitalerträge, Änderung der Erbschaftssteuer und Senkung der Unternehmenssteuer verbunden mit vielen Steuerschlupflöchern. Die verlorenen Einnahmen durch diese Steuergeschenke fehlen heute an vielen Stellen, denn zuerst wurde bei den Investitionen gekürzt.

Finanzschwache Kommunen

Die Kommunen sind der größte Investor in Deutschland. Im Jahr 1970 war noch ein Drittel eines kommunalen Haushaltes für Investitionen vorgesehen. Heute beträgt der Anteil gerade einmal ein Zehntel. Die Gründe für diese tiefgreifende Veränderung? Bund und Länder haben die gesamtgesellschaftlich wichtigen Aufgaben des Sozialstaats finanziell auf die Kommunen abgeschoben. Plakativ beschrieben wurden die Investitionshaushalte der 1970er Jahre in Sozialhaushalte verwandelt.

Kommunale Entlastungen führen direkt zu mehr öffentlichen Investitionen, denn die Kommunen tätigen zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen. Ziel unserer Politik muss es sein, dass kommunale Haushalte wieder Investitionshaushalte werden.

Dem enormen Investitionsstau stehen, für manche Kommunen nicht mehr zu bewältigende, Schuldenberge gegenüber. Die beschriebenen Veränderungen führten dazu, dass Kommunen das laufende Geschäft nur durch Kassenkredite, vergleichbar mit Dispotkrediten, finanzieren konnten. Es knarzt und kracht an allen Stellen.

Die zuletzt von der Bundesregierung angekündigten Entlastungen sind der richtige Weg. Wenngleich es sich bei den Entlastungen nur um einen Tropfen auf den heißen Stein handelt. Die zugesagten 4,5 Milliarden Euro bis 2018 und die anschließenden jährlichen Entlastungen von 5 Milliarden Euro treffen auf einen Investitionsstau von ca. 118 Milliarden Euro. Dies bedeutet, dass der heutige Investitionsstau erst in 20 Jahren behoben sein wird. Den weiteren Investitionsbedarf, der sich in diesem Zeitraum entwickeln wird, also den strukturellen Investitionsbedarf haben wir damit aber noch lange nicht gedeckt.

Verabschiedung der Schuldenbremse

Seit 2011 ist auf Bundesebene die Schuldenbremse in Kraft. Sie nimmt dem Bund die Möglichkeit Investitionen kurzfristig durch Schulden zu finanzieren. Auch in NRW droht ab 2020 ein Verbot von Staatsschulden. Der Politik ist dadurch ein wichtiges Handlungsinstrument genommen worden, mit dem sie beispielsweise auf schwankende Steuereinnahmen reagieren konnte. Die Folge sind wegbrechende öffentliche Investitionen.

Jahr für Jahr übersteigt die Produktion in Deutschland den gesamten inländischen Konsum (privater Konsum, private Investitionen und Staatsausgaben). Diese jährliche Differenz zwischen Konsum und Produktion wirkt sich aber nicht positiv aus, sondern wirkt im Gegenteil destabilisierend auf andere Länder im Euroraum. Ziel jeder stabilisierenden Finanzpolitik ist der Ausgleich zwischen der inländischen Produktion und den drei Komponenten Staatsausgaben, privatem Konsum und Investitionen. Wegen der Schuldenbremse kann der Staat diese Lücke jetzt nicht mehr schließen.

Jetzt, da sich die Bundesrepublik für historisch niedrige Zinsen refinanzieren könnte, wird die absurde Tragik der Schuldenbremse besonders deutlich. Die Politik muss das buchstäblich geschenkte Geld auf der Straße liegen lassen, während die öffentliche Infrastruktur verfällt und in Zukunft mit hohen Folgekosten zu Buche schlägt. Aber auch ohne die politisch falsche Entscheidung der Schuldenbremse zurückzunehmen, stehen uns immerhin 0,35% des BIP, also ca. 10 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen zur Verfügung. Aber selbst dieser Spielraum wird zugunsten der schwarzen Null nicht ausgenutzt und das, obwohl es noch nie so günstig für den deutschen Staat war, sich Geld zu leihen. Die Einhaltung der Schuldenbremse führt dazu, dass Investitionen die ersten Ausgaben sind, die gekürzt werden.

ZUKUNFT gibt’s nicht für lau!

Wer eine gute Zukunft will, muss schon heute etwas dafür bezahlen. Damit der Staat die Voraussetzungen für eine gute Zukunft gestalten kann, muss er mit den nötigen finanziellen Mitteln und Möglichkeiten ausgestattet sein. Die staatlichen Einnahmen müssen durch eine verantwortungsvolle, gerechte Steuerpolitik (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer, Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer) erhöht werden. Mittelfristig fordern wir die Rücknahme der Schuldenbremse. Kurzfristig soll der gesamte Spielraum der aktuellen Gesetzeslage für Zukunftsinvestitionen ausgenutzt werden.

Wir NRW Jusos fordern außerdem: Gerade bei so wichtigen Bereichen wie Sozialpolitik muss das Prinzip gelten, wer eine Entscheidung trifft, muss auch die Last der Finanzierung übernehmen. Wir fordern, dass kommunale Haushalte wieder Investitionshaushalte werden. Dies ist aber kein Selbstzweck für die Kommunalpolitik. Diese zu stärken, heißt für uns, Demokratie auszubauen, öffentliche Infrastruktur zu stärken und den Sozialstaat zu festigen.

Wir fordern aber nicht nur mehr Einnahmen, sondern wollen konkret aufzeigen, wo investiert werden soll. Unsere Kampagne „ZUKUNFT gibt’s nicht für lau!“ zeigt die zentralen Handlungsbedarfe für Zukunftsinvestitionen auf. Wir Jusos in Nordrhein- Westfalen kämpfen für den Ausbau der Infrastruktur, den Ausbau der Bildung und den Ausbau unserer Daseinsvorsorge.

Investitionen in Infrastruktur

Mobilität ist ein Grundrecht aller Menschen. Um an einer modernen Gesellschaft überhaupt teilhaben zu können, muss Jede und Jeder in der Lage sein ohne Probleme von A nach B zu kommen. Dazu bedarf es eines gut ausgebauten ÖPNVs. Wir haben in NRW weder quantitativ noch qualitativ einen befriedigenden Status erreicht. Es gibt zwar zentrale Projekte in NRW, wie den RRX (Rhein Ruhr Express), die wir sehr begrüßen. Nichtsdestotrotz es gibt noch erhebliche Ausbaubedarfe in den Städten und im ländlichen Raum.

Des Weiteren halten wir an dem Ziel eines fahrscheinlosen und für alle kostenlosen ÖPNVs fest. Mobilität hört aber nicht an der Stadt- oder der Verkehrsverbundsgrenze auf. Es bedarf auch einer genauen Betrachtung des Fernverkehrs. Wir kritisieren die Unverhältnismäßigkeit der Preise von öffentlich gefördertem Bahnverkehr und privat finanzierten Fernbussen. Reisen mit dem Fernverkehr müssen für alle bezahlbar sein. Ziel ist es weiterhin, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen. Trotzdem müssen bestehende Straßen für den motorisierten Individualverkehr erhalten bleiben und falls nötig saniert werden. Eine PKW-Maut leistet keinen Beitrag zu zukunftsweisenden Investitionen. Wir lehnen sie daher ab.

Ferner soll es einen Fokus auf die Nutzung von Fahrrädern geben, dies beinhaltet auch eine Anpassungen der Schnittstellen zum ÖPNV. Ein zentrales Ziel ist also, die Verkehrswege auf die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft einzustellen (ob beim Schienennetz oder Fahrradstraßennetzen).

Neben der Personenbeförderung spielt auch der Gütertransport eine entscheidende Rolle. Wir wollen nicht, dass immer weitere Autobahnen unsere Umwelt zerstören, sondern fordern einen Ausbau vor allem der Schiene und der Binnenschifffahrt.

Investitionen in Bildung

Eine zentrale Gerechtigkeitsfrage in Deutschland bleibt die Bildungspolitik. Bildung entscheidet über Lebenschancen. Damit kein Mensch zurückgelassen wird, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen vonnöten. Bildung ist staatliche Aufgabe und muss auch öffentlich finanziert werden. Der Anspruch muss sein, wenigstens den Durchschnitt der OECD-Länder an den Bildungsausgaben zu erreichen.

Finanzierungen aus dem privaten Sektor haben in unserer Vorstellung von Bildung nichts zu suchen. Ziel ist die ausreichende Ausfinanzierung des Bildungssystems, damit wir unsere Vorstellungen von Chancengleichheit, Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe umsetzen können. Mindestausgaben für Bildungspolitik gehören ins Grundgesetz!

Bildung muss von der KiTa bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter komplett gebührenfrei sein und Menschen in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen müssen finanziell unterstützt werden. Investitionen in Bildung sind also auch Investitionen in Arbeits- und Ausbildungsplätze. SchülerInnen, Studierende und Auszubildende sind diese Investitionen wert! Um die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, braucht es gut ausgestattete frauen*spezifische Förderungsprogramme, sowie bessere Möglichkeiten für Frauen* ihre persönliche Lebensplanung und Karriere zu verbinden.

Investitionen in Daseinsvorsorge

Der Kerngedanke der Daseinsvorsorge ist es, dass alle notwenigen Dienstleistungen und Einrichtungen für eine Versorgung mit grundlegenden Gütern und Leistungen, für

eine Teilhabe aller Menschen an der gesellschaftlichen Entwicklung vorhanden sind und allen Menschen zur Verfügung stehen. Zum Beispiel müssen Schutzräume, wie Frauen*häuser, die heute schon oft überlastet sind, nicht nur mit der nötigen Infrastruktur, sondern auch mit Mitteln zur Prävention und Aufklärung ausgestattet werden. In vielen Bereichen der Daseinsvorsorge sorgt der Staat dafür, dass Güter und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge verbilligt oder gar kostenlos durch private AnbieterInnen abgegeben werden. Die Differenz zwischen Kosten und Erlös wird vielfach durch Steuermittel ausgeglichen. Wir lehnen dieses Verständnis der Daseinsvorsorge ab.

Die immer mal wieder diskutierten Vorschläge zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Öffentlichen-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) stehen unserem Verständnis von Daseinsvorsorge entgegen. Wir nehmen zustimmend zur Kenntnis, dass viele Städte und Gemeinden immer häufiger Güter und Dienstleistung im Bereich der Daseinsvorsorge rekommunalisieren.

Zukunftsinvestitionen – Unsere Forderungen:

 Generationensolidarität muss das Ziel aller Zukunftsinvestitionen sein!

 Umverteilung durch Zukunftsinvestitionen mit dem Ziel der Verteilungsgerechtigkeit

 Mehreinnahmen möglich machen (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer, Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer) und Steuerflucht aktiv bekämpfen

 Schuldenbremse mittelfristig abschaffen und Spielräume schnellstmöglich nutzen

 Fokus der Investitionen MUSS auf den Kommunen liegen! Die Übernahme der kommunalen Altschulden in einem Altschuldenfond des Bundes bleibt für uns weiterhin eine zentrale Forderung.

 Zukunftsinvestitionen sind Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Daseinsvorsorge, nicht in Renditewünsche privater Hände, wie es bei ÖPP der Fall ist.

 Zukunftsinvestitionen sind Investitionen in die Zukunft!