Auf sicherem Boden: Der bauende Sozialstaat und die Bodenpolitik

Viele Kommunen unterliegen einem rasanten Wandel. Viele Städte und einige Dörfer wachsen, andere schrumpfen. In vielen spitzt sich die Wohnungsnot zu, anderenorts herrscht hingegen Leerstand. Die Fragen, die sich in den verschiedenen Kommunen stellen, sind vielfältig und doch ist es Aufgabe von Kommunalpolitik, über die Maßnahmen der Bauleitplanung, also durch die Aufstellung und Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, und durch ihr bodenpolitisches Handeln Antworten auf die jeweiligen Herausforderungen zu finden.
Ziel einer demokratischen Planung und Bodenpolitik sollte es sein, das Gemeininteresse in Abgrenzung zum Einzelinteresse durchzusetzen. Bei der Verfolgung dieses Ziels stehen Kommunen jedoch vor vielfältigen Problemen.
Zuerst werden kommunale Bauleitplanungsprozesse allzu oft durch die Interessen privater Investor*innen beeinflusst oder gar bestimmt. Gerade dort, wo Bauland nicht in kommunaler Hand ist und zahlungskräftige Baulandeigentümer*innen mit Planungen an Kommunen herantreten, ist dies der Fall. Die personelle und finanzielle Ausstattung der Kommunalverwaltungen führt dann oft dazu, dass die potenziellen Bauträger*innen, vertreten durch die von Ihnen engagierten Büros, ihnen auch fachlich überlegen sind.
Andererseits werden die existierenden Mittel der Bauleitplanung nicht oder nur zögerlich ausgeschöpft, weil diese teilweise mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden sind, die die unter Haushaltskürzungen leidenden Kommunen nicht stemmen können. In anderen Fällen ist dies zusätzlich mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden und die Anwendung der existierenden Mittel führt zu oft jahrelang andauernden Rechtsstreite die ggf. dazu führen können, dass die Deckung des akuten Bedarfs, welcher durch Bauprojekte erfüllt werden muss, erst verspätet oder zu spät erfolgen kann.
Aus jungsozialistischer Perspektive bedarf es hier eines Paradigmenwechsels in der bundesdeutschen Politik. An die Stelle des Privatinteresses muss wieder das Gemeinwohl und an die Stelle des neoliberalen Ideals der sogenannten „schlanken Verwaltung“ ein starker Staat treten. Neben der dringend notwendigen erneuten Stärkung der Kommunalverwaltungen müssen dafür auch wesentliche Teile der Bodenpolitik geändert werden. Für die Umsetzung einer gerechten Bodenpolitik sehen wir insbesondere die Kommunalpolitik klar in der Verantwortung. Für die Rahmenbedingungen, die den Kommunen einen größeren Handlungsspielraum ermöglichen, müssen jedoch Landes- und Bundespolitik sorgen. Für die Änderung und Einführung entsprechender bau-, eigentums- und steuerrechtlichen Regelungen haben die jeweiligen Regierungen Sorge zu tragen. Im Folgenden wollen wir den Aspekt der Bodenpolitik besprechen und notwendige Veränderungen diskutieren.
Statt Bodenlosigkeit in Kommunen: Für eine aktive Bodenvorratspolitik
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in vielen, unter anderem SPD geführten Kommunen in großer Zahl kommunaler Boden verkauft. Die Privatisierungswelle, die nicht nur die Bodenpolitik, sondern auch viele andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge betraf, führte zum neoliberalen Ausverkauf kommunaler Bodenvorräte. Daraus folgte in den letzten Jahren ein rasanter Anstieg der Bodenpreise. Die Antwort darauf kann nur eine aktive Steuerung durch die Kommune sein. Dazu braucht es jetzt eine aktive Bodenvorratspolitik. Der Ankauf von Bauland in Gebieten, mit besonderem Entwicklungspotenzial oder von besonderer strategischer Bedeutung für die jeweilige Kommune, muss zukünftig wieder zur Regel werden. Die Finanzierung dieser Ankäufe kann über kommunale Bodenfonds, die zu diesem Zweck angelegt werden gewährleistet werden. Auch Land und Bund sollen ungenutzte eigene Grundstücke als Sachleistungen an die Kommunen übertragen, um so die kommunale Planungshoheit zu stärken. Kommunen müssen für diese geforderten Aufgaben mehr Verwaltungspersonal einstellen können, damit es nicht zu Engpässen in der Verwaltung kommt.
Außerhalb solcher strategisch besonders bedeutsamer Gebiete, kann auch der Zwischenerwerb von Grundstücken ein gangbarer Weg sein. Diesen rechtlich zu vereinfachen ist Aufgabe einer Bodenrechtsreform. Da hierbei die jeweilige Kommune das betreffende Grundstück nach der Überplanung wieder veräußert, wird jedoch auch hier langfristig kommunale Kontrolle aufgegeben. Es sollte deshalb nur in Ausnahmefällen das Mittel der Wahl sein. Derlei Ausnahmen sollen bereits kurzfristig an eine etwaige Gemeinnützigkeit der Käufer*in und des Projekts gebunden sein. Vorzuziehen ist ihm in der Regel das Erbbaurecht, bei dem lediglich das Nutzungsrecht, nicht jedoch das Eigentum an dem Grundstück auf den Erbbaunehmer übergeht. Das Erbbaurecht wieder stärker in den Blick zu nehmen ist Aufgabe der einzelnen Kommunen. Die Entscheidung für das Erbbaurecht ist eine politische und bedarf an einigen Orten eines Ratsbeschlusses, um die kommunalen Verwaltungen zu beauftragen es gegenüber dem Grundstücksverkauf zu bevorzugen. Wir fordern unsere Ratsfraktionen in diesen Kommunen auf, entsprechende Beschlüsse vorzubereiten. Vielerorts legen wir der Partei das Instrument auch für den Wahlkampf ans Herz. Auch Bund und Land müssen zukünftig auf die Privatisierung von Grundstücken verzichten und eigene Grundstücke entweder wie beschrieben an die Kommunen übertragen oder ihrerseits auf das Erbbaurecht setzen.
Auch das Vergaberecht bei Grundstücksverkäufen oder der Vergabe von Erbbaurecht bedarf einer Reform. Wo heute noch die Maximierung der generierten Einnahmen der jeweiligen staatlichen Ebene oberstes Ziel ist, muss zukünftig der Beitrag zu definierten planerischen Zielen im Mittelpunkt stehen. Ein Konzeptverfahren ist hierfür ein mögliches zu implementierendes Instrument. Hierbei gibt der Staat nur grobe Ziele vor, und überlässt es den Bieter*innen in ihren Angeboten darzulegen wie sie diese umsetzen wollen.
Planung ist die halbe Miete: Für die Stärkung der Instrumente der Bauleitplanung
Um bestehendes Planungsrecht durchzusetzen, wollen wir bestehende Planungsinstrumente schärfen und den planerischen Werkzeugkasten der Kommunen erweitern.
Das im Baugesetzbuch formulierte Gebot der Innenentwicklung muss aus ökologischen Gründen umgesetzt werden. Dies bedeutet eine zusätzliche Relevanz einer aktiven Bodenpolitik durch die Gemeinden. Obwohl vielerorts Quoten für geförderten Wohnungsbau bei Neubauprojekten realisiert werden, findet dies in der Regel über städtebauliche Verträge statt. Die Möglichkeit solche Quoten oder andere am Gemeinwohl orientierten Ziele in Bebauungsplänen zu verankern, besteht bisher nur unzureichend und wird größtenteils nicht angewandt. Die rechtliche Bindung solcher städtebaulicher Verträge bei einem etwaigen Weiterverkauf ist zudem oftmals unsicher. Wir fordern daher soziale Belange, wie ortsübliche Quoten für den geförderten Wohnungsbau im Rahmen der Bauleitplanung als ortsgebundenes Recht festzusetzen und das baurechtliche Instrumentarium für die Festsetzung sozialer Belange im Baugesetzbuch auszuweiten, um eine Rechtssicherheit auch bei einem Weiterverkauf zu gewährleisten.
Darüber hinaus wollen wir das kommunale Vorkaufsrecht stärken. Aktuell ist es an zu viele Bedingungen gekoppelt. Die Realisierung des Ziels „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ muss ein hinreichender Sachgrund für das Vorkaufsrecht werden. Daher soll das besondere Vorkaufsrecht der Kommunen in ein generelles Vorkaufsrecht auf zum Verkauf stehende Grundstücke innerhalb der entsprechenden Kommune umgewandelt werden.
Der Spekulation den Boden entziehen: Für eine kohärente Reform der Bodenbesteuerung
Bis Ende 2019 muss die Grundsteuer neu gestaltet werden, so urteilte das Bundesverfassungsgericht 2018. Die Beurteilung eines Grundstückswertes und die daran orientierte Erhebung der anfallenden Grundsteuer nach 1964 (bzw. 1935 in den östlichen Bundesländern) bestimmten Einheitswerten, die seitdem nur insgesamt durch die kommunalen Hebesätze angepasst wurden, entspricht nicht unserem Anspruch an eine gerechte Besteuerung.
Es werden in Bezug auf die Reform der Grundsteuer unterschiedliche Modelle diskutiert. Wir begreifen die Grundsteuer als Teil eines Steuersystems, in welchem insgesamt diejenigen mit hohem Vermögen besonders belastet werden sollen. Klar ist deshalb auch, dass die Grundsteuer durch eine Vermögensteuer ergänzt werden muss. Nur durch diese kann das Ziel eines gerechten Steuersystems erreicht werden. Bei der Reform der Grundsteuer steht für uns jedoch ihre Steuerungswirkung auf den Wohnungsbau und den Flächenverbrauch im Mittelpunkt.
Die aktuelle Diskussion um eine Wiedereinführung einer veränderten, progressiven Grundsteuer C der Bundesregierung zeigt, dass die SPD in den Koalitionsverhandlungen dieses wichtige Problem erkannt hat. Bodenspekulationen gilt es zu verhindern, die aktuelle Wohnungsnot und Mangel an Bauland zu bekämpfen. Der Ansatz im Koalitionsvertrag versucht jedoch das Unmögliche: Das verfassungswidrige System der aktuellen Grundsteuer aus Teil A (agrar- und forstwirtschaftliche Flächen) und Teil B (Bebautes und bebaubares Land) durch eine Ergänzung zu reparieren. Damit werden die Einwände des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht aus der Welt geschafft.
Es braucht eine grundsätzliche Veränderung der Grundsteuer. Die Bodenwertsteuer ist für uns das zu bevorzugende Konzept in der aktuellen Debatte. Die Bodenwertsteuer bezieht sich ausschließlich auf den Wert des Grundstücks und die rechtlich möglich Bebauung oder Nutzung des Grundstücks – die tatsächliche Bebauung bleibt unberücksichtigt. Wenn die Bebauung und damit die Gebäude auf einem Grundstück keine Rolle mehr für die Besteuerung spielen, schließt sich für uns eine weiter Forderung an: Die Umlegbarkeit der Grundsteuer auf die Miete muss abgeschafft werden. Nur so kann gewährleitet werden, dass die von uns geforderte Bodenwertsteuer, mit der wir die Bodenrente (also leistungsloses Einkommen infolge öffentlicher Infrastrukturleistungen) abschöpfen wollen, nicht fälschlicherweise Mieter*innen zusätzliches Geld abverlangt. Diese Forderung würde jedoch analog auch für alle anderen Reformmodelle notwendig sein. Die Bodenwertsteuer berücksichtigt die Lage eines Grundstücks und nimmt damit einhergehende Bodenwerte, sowie Wertveränderungen, als Bemessungsgrundlage. Dies betrifft dann auch insbesondere attraktive Viertel, welche für Immobilienpreisspekulationen besonders beliebte Grundstücke enthalten.
Eine weitere vermögensbezogene Steuer muss in diesem Zusammenhang diskutiert werden: die Grunderwerbssteuer. Diese wird heute einmalig beim Kauf eines Grundstücks fällig. Jede erneute Wertsteigerung des Grundstücks nach dem Kauf werden deshalb erst von den nächsten Käufer*innen versteuert. Ein wirksames Hemmnis gegen Bodenspekulation stellt die Grunderwerbssteuer deshalb nicht dar. Eine gerechte Besteuerung trifft Investor*innen, die in (ggf. auch zukünftig) attraktiven, sich entwickelnden Stadtvierteln kaufen und große Profite aus der Wertsteigerung generieren besonders stark. Wir wollen deshalb die Grunderwerbssteuer in eine Bodenwertzuwachssteuer umwandeln. Hierbei würde der Bodenwertzuwachs beim Verkauf besteuert. Dies hat den Vorteil, dass leichter zu ermitteln ist, wie hoch dieser Bodenwertzuwachs zwischen Kauf und Verkauf ausfällt. Die Bodenwertzuwachssteuer besteuert also genau den Betrag, welchen die Investor*innen maximieren wollen. Dieses Instrument kann somit wirksam gegen Spekulation sein. Diese Steuer muss dabei so bemessen sein, dass sie eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Länder und der zugehörigen Kommunen gewährleistet.
Auch wenn Wertsteigerungen durch Verbesserung der Infrastruktur durch die Kommune bedingt sind, erfolgt durch das Instrument der Bodenwertzuwachssteuer ein die vermehrte Investition refinanzierende Beteiligung. Somit ergänzt sie die schon heute rechtlich vorhandenen Entschädigungen, die die öffentliche Hand für bodenwertmindernde Maßnahmen an die Eigentümer*innen zahlen muss und beendet den unhaltbaren Zustand, dass vom Staat verursachte Wertverluste die öffentliche Hand trägt, während von ihm verursachte Wertzuwächse den Eigentümer*innen zu Gute kommen.