Echte Hilfe für bedrohte Menschen – Bekenntnis zur Schutzverantwortung

Die aktuellen Krisenherde, insbesondere die Situation der Menschen in Syrien und im Irak, zeigen der Welt in brutaler Härte ihre Machtlosigkeit. Das Schicksal von Millionen Vertriebe-nen und der Kampf einzelner Volksgruppen gegen die Übermacht religiöser Extremisten, zu- gespitzt im Kampf um die Stadt Kobanê, sind ein dominierendes Thema der medialen Be-richterstattung. Eine Verbesserung der Situation muss das Ziel jeglicher politischer Bemü-hungen sein; doch schon die Verhinderung einer weiteren Eskalation scheint derzeit außer Reichweite zu liegen. Die weitestgehend unkoordinierten diplomatischen und militärischen Aktionen einzelner Nationen haben nicht zur erhofften Verbesserung geführt; die Luftschläge von USA, Frankreich und Australien haben den Vormarsch der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) allerdings zumindest abschwächen können. Aus ganz Europa ist verstärkt die Forderung nach einem konkreten, koordinierten und fokussierten Engagement gegen den radikal unmenschlich agierenden IS zu vernehmen. Gleichzeitig zeigt ein neues Gutachten wieder einmal die unzureichende Ausrüstung und das mittelmäßige Management der Bundeswehr. Bei einem Bündnisfall der NATO könnte Deutschland derzeit seinen vertraglich zugesicherten Verpflichtungen vermutlich nicht voll- umfänglich nachkommen.

„Deutschland ist eigentlich zu gross, um Weltpolitik nur von der Aussenlinie zu kom-mentieren.“

Dieser Satz von Frank-Walter Steinmeier auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 zeigt deutlich die Herausforderungen, die sich die deutsche Außenpolitik mit wachsender Bedeutung stellen muss. Wer für Frieden und Demokratie in der Welt eintreten will, muss entsprechende Verantwortung übernehmen. Der Gestaltungswille deutscher Außenpolitik ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten aller-dings nicht in dem Maße gewachsen, wie sich das weltpolitische Gewicht Deutschlands ge-steigert hat. Noch immer wird Deutschlands Handeln im internationalen Rahmen von einer Zurückhaltung geprägt, die einer solch wichtigen politischen und wirtschaftlichen Macht nicht angemessen ist. Noch immer argumentieren Deutsche mit einer angeblichen historischen Verantwortung für Passivität, wo doch gerade die Erfahrungen mit der Deutschen Geschichte eine gänzlich andere Deutung nahelegt: Vor allem der USA und ihrem Willen zum beherzten Eingreifen im 2. Weltkrieg ist es zu verdanken, dass Europa heute ein Kontinent voller stabiler Demokratien ist, der die längste Friedensperiode seiner Geschichte erlebt. Vor diesem Hintergrund ist die seit 2013 laufende Legislaturperiode eine Zäsur. Im allgemein akzeptierten Koalitionsvertrag im Kapitel „Verantwortung in der Welt“ heißt es:„Das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) bedarf der weiteren Ausgestaltung und einer völkerrechtlich legitimierten Implementierung. Dabei gilt es vor allem die präventive Säule der Schutzverantwortung international zu stärken.“ Wir als NRW Jusos setzen uns deshalb ausdrücklich dafür ein, diesen Prozess zu befördern und zu unterstützen. Wir be-greifen die Bundesrepublik als eine aktive Gestalterin internationaler Politik. Ein gestiegener Einfluss darf weder Selbstzweck  sein, noch darf man sich Großmachtfantasien hingeben. Wir wollen Deutschlands Gewicht in der Welt stattdessen nutzen um sie friedlicher, sicherer, gerechter und solidarischer zu machen.

Solidarität heisst auch, Verantwortung füreinander zu übernehmen

Diese Verantwortung muss zunächst und vor allem mit diplomatischen Mitteln wahrgenomen werden. Wir wollen stets ein Volk guter Nachbarn für alle Staaten dieser Welt sein. Gleich-zeitig begreifen wir Diplomatie aber auch als Medium der Kritik und Bekundung eigener Inte-ressen. Das heißt, dass unser Verständnis von Außenpolitik ein wertgeleitetes ist; wir wollen uns auf der ganzen Welt für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einsetzen. Es bedeu-tet für uns jedoch nicht, dass wir Staaten, die ein anderes Gesellschaftsmodell haben, igno-rieren oder überwältigen wollen. Wir wollen stattdessen aktiv werben: Für unsere Werte und unser Modell einer liberalen und demokratischen Gesellschaft. Allerdings kann es sein, dass bei massiven Verletzungen von Menschenrechten und dem Bruch internationaler Verträge und Abkommen die Diplomatie nicht ausreicht, um unseren Ansprüchen gerecht zu werden. Wir stehen daher auch dafür ein, dass sich Deutschland in solchen Fällen an politischen und wirtschaftlichen Sanktionen beteiligt, um Druck auf solche Staaten ausübt. Gewalt und militärische Mittel sind für uns die Ultima Ratio. Aber obwohl wir versuchen, je- dem Konflikt zuallererst friedlich zu begegnen, müssen wir die Existenz von Situationen an- erkennen, in denen militärische Macht notwendig ist. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und eskalierende Bürgerkriege beispielsweise sind Situationen, in denen diese letzte Mög-lichkeit in Betracht gezogen werden muss. Ein militärischer Einsatz kann jedoch nie der Er-satz für politische Konzepte zur Lösung von Konflikten sein. Er muss immer kritisch begleitet werden. Eine aktive deutsche Sicherheits- und Außenpolitik schließt in unseren Augen also den Ein-satz deutscher Streitkräfte ein, ohne dass wir für militärisches Abenteuertum eintreten. Wir wollen den Einsatz militärischer Mittel weder herbeisehnen, noch ihn im Ernstfall ablehnen. Das Konzept der „Responsibility to Protect“, welches durch die Vereinten Nationen erarbeitet wurde, sehen wir durch seine Vielschichtigkeit geeignet, ein Grundpfeiler deutscher Außen-politik zu werden. Es ist in unseren Augen richtig, Staaten zuallererst selbst für ihre Stabilität sorgen zu lassen, und erst im zweiten Schritt die internationale Gemeinschaft zum Akteur zu machen. Die drei Pfeiler

»»Responsibility to Prevent

»»Responsibility to React und

»»Responsibility to Rebuild

haben einen verantwortungsvollen Umgang mit Interventionen jeglicher Art zur Grundlage. Im konkreten Fall der aktuellen weltweiten Krisen, wie etwa dem Vorrücken des IS in Syrien und dem Irak, fordern wir von der SPD sich einzusetzen:

»»Für das Prinzip der „Responsibility to Protect“ und dafür, dass es nach der Landes-verteidigung integraler Bestandteil der strategischen Ausrichtung der NATO und einer zu schaffenden EU-Armee wird.

»»Für mehr Initiativen auf UN-Ebene, sowohl um im konkreten Fall auf Resolutionen des Sicherheitsrates

zu drängen, wie auch die „Responsibility to Protect“ zu einer Norm und nicht nur einer Option zu machen. Hierzu muss ein Kriterienkatalog erarbeitet werden, der verbindlich Voraussetzungen für die Anwendung der Schutzver-antwortung macht.

»»Für die finanzielle und konzeptionelle Befähigung der Bundeswehr, in Krisengebieten aktiv einzugreifen und die generelle Verweigerung solcher Einsätze gegenüber den Bündnispartnern aufzugeben.

»»Für eine massive, gemeinschaftliche Beschränkung der Ausfuhr von Rüstungsgütern in Nichtmitgliedsstaaten

von EU und NATO, soweit es sich nicht um freiheitlich-demokratische, befreundete Staaten handelt. Eine vollständige Transparenz über Rüstungstransporte ist dem Bundestag und seinen Abgeordneten im Vorfeld zu gewähren.