Gerechte Löhne für alle – für eine Neuordnung des Niedriglohnsektors

1.Arm trotz Arbeit

‘Arm trotz Arbeit‘ – mit diesem Slogan kämpfen die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie seit mehreren Jahren für die Einführung von Mindestlöhnen. Mit gutem Grund. ‚Arm trotz Arbeit‘ ist mittlerweile für fast jeden vierten abhängig Beschäftigten bittere Realität: Waren 1995 nur 15 Prozent aller Beschäftigten dem Niedriglohnsektor zuzuordnen, stieg deren Anteil im Jahr 2006 auf 22 Prozent. Knapp sieben Millionen Beschäftigte bezogen damit einen Lohn, der weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohns umfasste. Damit ist der Niedriglohnsektor längst nicht mehr ein Phänomen, das nur wenige betrifft – im europäischen Vergleich ist dieser Bereich sogar überdurchschnittlich groß. Mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors einher geht eine weitere generelle Verschiebung der primären Einkommensverteilung. Während die oberen Lohn- und Einkommensgruppen in den vergangenen Jahren deutliche Zuwächse hinlegen konnten, mussten die unteren Gruppen Lohneinbußen hinnehmen. Auch am vergangenen wirtschaftlichen Aufschwung konnten die unteren und mittleren Einkommensgruppen nicht hinreichend partizipieren, vielmehr setzte sich die Umverteilung von unten nach oben in noch größerem Maße fort. Betrachtet man nur die Einkommen der abhängig Beschäftigten, so lässt sich dabei sogar feststellen, dass in Deutschland – anders als in allen anderen europäischen Ländern – in den vergangenen zehn Jahren Reallohnverluste zu verzeichnen sind. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors ist damit nur die sprichwörtliche ‚Spitze des Eisbergs‘, nur ein besonders deutliches Zeichen für eine immer stärker wachsende Einkommensungleichheit. Gleichwohl muss die Bekämpfung des Niedriglohnsektors ganz oben auf der politischen Tagesordnung bleiben. Denn der durchschnittliche Niedriglohn betrug im Westen 6,89 Euro und im Osten sogar nur 4,86 Euro – Löhne, von denen bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit noch nicht einmal Alleinstehende leben, geschweige denn, eine Familie ernähren können. Das ist nicht nur ungerecht, sondern führt auch dazu, dass etliche dieser Beschäftigten aufstockendes Arbeitslosengeld II in Anspruch nehmen müssen – so sie von der Bürokratie und den rigiden Anspruchsvoraussetzungen nicht abgeschreckt werden. Im vergangenen Jahr bezogen so immerhin 1,3 Millionen abhängig Beschäftigte aufstockendes Arbeitslosengeld II, was für die Betroffenen nicht nur entwürdigend ist, sondern auch erhebliche Kosten verursacht. Damit besteht – aller Rhetorik auch der SPD zum Trotz – in Deutschland de facto ein allgemeines Kombilohnmodell. Auffällig ist, dass ArbeitnehmerInnen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen besonders häufig von Niedriglöhnen betroffenen sind. So ist der Anteil von Teilzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor fast doppelt so hoch wie der der Vollzeitbeschäftigten. Auch LeiharbeitnehmerInnen verdienen nicht nur in der Regel weniger als ihre fest angestellten KollegInnen, sondern tragen auch ein deutlich höheres Risiko, für Armutslöhne zu arbeiten. Besonders hoch ist der Anteil der Niedriglöhner unter den geringfügig Beschäftigten – vier von fünf MinijoberInnen und damit 2,5 Millionen Beschäftigte arbeiten für einen Niedriglohn. Besorgnis erregend ist dieser Umstand insbesondere deshalb, weil die Zahl der geringfügig Beschäftigten seit den rot-grünen Arbeitsmarktreformen von vier auf nunmehr sieben Millionen geradezu explodiert ist. Beschäftigte in Minijobs sind damit mehrfach prekär beschäftigt: Sie erhalten in der Regel niedrige Löhne, sind nicht voll sozialversichert und haben zusätzlich meistens nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Die damit verbundenen Hoffnungen, über geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einen ‚Brücken- oder Klebeeffekt‘ in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu gewährleisten, haben sich dagegen nicht erfüllt. Viel mehr scheinen viele ArbeitgeberInnen das Modell zu nutzen, um vorherige reguläre Beschäftigungsverhältnisse in mehrere Minijobs zu splitten und damit über die staatliche Subventionierung dieser Beschäftigungsverhältnisse in Form einer pauschalen Sozialversicherungsabgabe für den Arbeitgeber sowie einer Befreiung der Beschäftigten von den Abgaben die Löhne zu drücken. Damit handelt es sich zum einen um ein weiteres Kombilohnmodell, denn auch wenn die Beschäftigten keinen direkten Lohnzuschuss erhalten, so erhalten sie durch die Befreiung der Sozialversicherungsabgaben eine indirekte Subventionierung. Zum anderen handelt es sich auch noch um eine besonders ineffiziente Form der Subventionierung: Durch die Kopplung an das einzelne geringfügige Beschäftigungsverhältnis und nicht an das Gesamteinkommen werden so zum Beispiel (in der Regel) Frauen, deren Ehemänner über ein hohes oder zumindest ausreichendes Einkommen verfügen, SchülerInnen, deren Finanzierung über die Eltern abgesichert ist, oder RentnerInnen, die sich ihre Rente über den Minijob aufbessern wollen, gefördert. Die Förderung setzt also – jenseits aller grundsätzlichen Problematik eines Kombilohns – noch nicht einmal an der individuellen Bedürftigkeit der Betroffenen an, sondern bezieht sich allein auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis. Auffällig ist weiterhin, dass nicht alle Beschäftigten gleichermaßen von Niedriglöhnen betroffen sind. So sind knapp 60 Prozent aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor Frauen, während sie nur knapp 40 Prozent an allen Vollzeitbeschäftigten stellen. Ebenso sind junge Beschäftigte doppelt so häufig von Niedriglöhnen betroffen, wie ihre älteren KollegInnen. Und auch für ostdeutschen Beschäftigten gilt weitaus häufiger ‚Arm trotz Arbeit‘ als für ihre westdeutschen KollegInnen. Gleichzeitig muss die Annahme, im Niedriglohnsektor arbeiteten nur Unqualifizierte als Irrglaube abgetan werden. Vielmehr gilt: Mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors sinkt deren Anteil sogar. Knapp drei Viertel der zu Niedriglöhnen Beschäftigten verfügen heute zumindest über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Dennoch gilt auch: Wer zumindest über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, der kann den Niedriglohnsektor schneller wieder verlassen, wer über einen Hochschulabschluss verfügt hat die besten Karten.

2. Schwäche der Gewerkschaften und fehlerhafte Politik

Zwei Umstände liegen dieser Entwicklung zugrunde. Zum einen vermögen es die Gewerkschaften in einigen Branchen nicht mehr, ausreichend hohe Löhne zu verhandeln. Zum anderen wurden in den vergangenen Jahren aber auch politische Entscheidungen getroffen, die die Ausweitung des Niedriglohnsektors zumindest begünstigen. Während die Gewerkschaften in den industriellen Bereichen noch über ausreichend Organisationskraft verfügen, um für ihre Mitglieder zumindest verteilungsneutrale Ergebnisse in den Tarifverhandlungen zu erzielen, können sie dies in weiten Teilen des Dienstleistungssektors nicht mehr gewährleisten. Dabei überschneiden sich mehrere Entwicklungslinien. Erstens ist im Zuge der Tertiarisierung der Wirtschaft generell eine Bedeutungszunahme des Dienstleistungssektors festzustellen, so dass auch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Lohnabschlüsse in diesem Bereich zunimmt. Zweitens handelt es sich im Dienstleistungsbereich häufig um kleinere oder mittlere Unternehmen, deren Beschäftigte aufgrund der hohen Differenz der Interessen schwerer zu organisieren sind. Zudem existiert in diesen Betrieben oftmals nicht einmal ein Betriebsrat, der in den industriellen Bereichen noch immer eine hohe institutionelle Anbindung an die Gewerkschaften garantiert. Und drittens ist im Zuge der Individualisierung der Gesellschaft insgesamt eine sinkende Bindungskraft der Gewerkschaften in Form fallender Mitgliederzahlen festzustellen. Zwar haben einige Gewerkschaften im vergangenen Jahr eine erfreuliche Trendwende vermelden können – die Verluste der vergangenen Jahre kann das aber nicht ausgleichen. Klar ist aber, dass die Gewerkschaften nur dann hohe Tarifabschlüsse verhandeln können, wenn sie über eine ausreichende Basis verfügen und die Beschäftigten ihrer Branchen organisieren können. Es wäre jedoch vermessen, die Ausweitung des Niedriglohnsektors generell und ausschließlich auf die Schwäche der Gewerkschaften zurückzuführen. Vielmehr hängt deren Verhandlungsmacht auch von den institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen ab. In den letzten zwanzig Jahren dominierte in der Bundesrepublik ein neoklassisch dominierter Ansatz in der Wirtschaftspolitik. Dieser führt eine zu hohe Arbeitslosigkeit auf zu hohe Löhne insbesondere in den unteren Lohngruppen zurück. Da es sich bei Arbeitslosen häufig um formal weniger gut ausgebildete Menschen handele, so die Argumentation, müsse gerade durch den Aufbau eines Niedriglohnsektors dieser Personengruppe eine Beschäftigungschance gewährt werden. Nur wenn in den unteren Lohngruppen die Löhne hinreichend niedrig seien, sei auch Vollbeschäftigung möglich. Zu hohe Löhne sind in dieser Argumentation auf institutionelle Rahmenbedingungen wie etwa arbeitsrechtliche Bestimmungen oder die Höhe der Lohnersatzleistungen zurückzuführen, die einer Ausweitung des Niedriglohnsektors entgegenstehen, da entweder die Ausweitung niedrig entlohnter Beschäftigung verhindert werde oder der Anreiz auch zu niedrigen Löhnen zu arbeiten zu gering sei. Vor dem Hintergrund dieser Analyse schaffte die Politik in den vergangenen zehn Jahren Rahmenbedingungen, die die Ausweitung des Niedriglohnsektors – wenn auch in der öffentlichen Debatte unausgesprochen – gerade zum Ziel hatten. Wesentliche Eckpfeiler dabei waren:

• Mit der Ausweitung der Leiharbeit wurde zugleich festgelegt, dass vom Grundsatz der gleichen Bezahlung von LeiharbeiterInnen und fest Angestellten durch Tarifvertrag abgewichen werden kann. Damit wurde die Tür für niedrigere Tarifabschlüsse im diesem Sektor weit aufgestoßen. Denn es liegt auf der Hand, dass für die Gewerkschaften die Interessen der LeiharbeitnehmerInnen aufgrund ihrer Heterogenität schlechter zu organisieren sind als die der fest angestellten in den größeren Betrieben. Damit wurde der Bereich der Leiharbeit – gewollt oder ungewollt – zu einem Einfallstor für den Niedriglohnsektor.

• Mit der Neujustierung der Mini- und Midijobs wurde eine Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse explizit verfolgt. So wurde die Grenze für geringfügige Beschäftigung deutlich angehoben, zugleich erfolgte eine deutlich stärkere Subventionierung insbesondere in bezug auf die Steuerpflichtigkeit dieser Beschäftigungsverhältnisse. Damit wurde implizit ein Kombilohn-Modell vorgelegt, das es vielen ArbeitgeberInnen attraktiv machte, normale sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten in mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufzusplitten und die Subventionierung in Form von geringeren Löhnen zu kassieren.

Dabei liegt auch hier auf der Hand, dass die Interessen der geringfügig Beschäftigten für die Gewerkschaften abermals schlechter zu organisieren sind.
• Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II und der Veränderungen der Anspruchsvoraussetzungen wurde die Erhöhung des Zwangs zur Arbeit verfolgt. Durch eine (für einige Betroffene) niedrigere Lohnersatzleistung sollte die Aufnahme auch einer geringer entlohnten Tätigkeit attraktiver werden, durch die Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen sind einige Arbeitslose nahezu gezwungen, (fast) jede Tätigkeit aufzunehmen, auch wenn sie gering entlohnt ist. Dies ist u.a. einer der Faktoren durch den in den letzten Jahren der Druck auf die ArbeitnehmerInnen erhöht wurde, auch niedrigen Tarifabschlüssen zu zustimmen um nicht für ihre Qualifikation unterqualifizierten Berufen tätig werden zu müssen. Damit einhergehend wurden die Gewerkschaften gezwungen auch geringeren Lohnerhöhungen zu zustimmen.

3. Für mehr Gerechtigkeit und ein ausgewogenes Wachstum

Wir NRW Jusos sehen die Probleme des Arbeitsmarktes nicht per se in zu hohen Löhnen. Vielmehr hat die deutsche Niedriglohnstrategie in den vergangenen Jahren zu einer einseitigen Exportorientierung geführt und die Binnennachfrage nachhaltig geschwächt. Diese Strategie mag in Zeiten einer florierenden Weltkonjunktur zum Teil aufgehen und die Arbeitslosigkeit senken – gerade in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise belastet sie den Arbeitsmarkt aber umso mehr, da über die Binnennachfrage kein Ausgleich erfolgen kann. Doch nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist diese Strategie nicht nachhaltig sondern führt auf lange Sicht nur zu einem internationalen Konkurrenzkampf um die niedrigsten Löhne. Wir machen uns deswegen für eine Strategie, die ein balanciertes Wachstum verfolgt, stark. Dabei sind wir uns bewusst, dass sich eine solche Strategie auch nicht in der dumpfen Forderung nach höheren Löhnen für alle erschöpfen darf. Vielmehr muss es gelten, den Arbeitsmarkt mit all seinen Besonderheiten zu berücksichtigen. Uns ist klar, dass es gerade im Bereich der konsumorientierten und sozialen Dienstleistungen eine ‚Produktivitätslücke‘ gibt, durch die bei zu hohen Löhnen Arbeitsplätze vernichtet oder die Entstehung neuer Arbeitsplätze verhindert werden würde. Unser Ziel bleibt es aber zugleich, dass alle, die einer bezahlten Vollzeittätigkeit nachgehen, von ihrem Einkommen leben können müssen. Deshalb kann es für die Neuordnung des Niedriglohnsektors aus unserer Sicht nicht das einzige, richtige Instrument geben.
Vielmehr muss die SPD nach der Bundestagswahl ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, das für gerechte Löhne für alle sorgt, die Entstehung neuer Arbeitsplätze fördert und allen Perspektiven für den Aufstieg eröffnet. Ein solches Maßnahmenpaket muss aus unserer Sicht aus folgenden Bausteinen bestehen:

• Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro pro Stunde verhindert Armutslöhne in allen Branchen. Er beendet zugleich das derzeitige Wirrwarr und Kompetenzgerangel bei der Festlegung von Mindestlöhnen in den einzelnen Branchen. Mindestlöhne – das zeigen Erfahrungen aus den meisten europäischen Ländern – behindern die Tarifautonomie nicht, sondern setzen eine klare Grenze nach unten und führen insgesamt zu einer Erhöhung des Lohnniveaus. Auch konnte bislang nirgendwo nachgewiesen werden, dass durch die Einführung von Mindestlöhnen Arbeitsplätze vernichtet werden, vielmehr ist davon auszugehen, dass durch die Erhöhung der Kaufkraft der unteren Einkommensgruppen zusätzliche Binnennachfrage und damit auch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können.

• Im Bereich der Zeit und Leiharbeit muss der europaweite Grundsatz des ‚Equal Pay‘ endlich durchgesetzt werden. Damit wird nicht nur der Missbrauch der Leiharbeit zu Ersetzung der Stammbelegschaften eingedämmt, sondern auch ein Einfallstor für niedrigere Löhne geschlossen. Denn es ist ökonomisch nicht haltbar, dass für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich hohe Löhne gezahlt werden. Wenn für die Stammbelegschaft ein Lohn gezahlt werden kann, macht das deutlich, dass die Tätigkeit für diesen Lohn hinreichend produktiv sein muss. Deshalb führen niedrigere Löhne der LeiharbeiterInnen nur zu einer Umverteilung zu den Kapitaleignern der Unternehmen. Die Durchsetzung des ‚Equal-Pay-Grundsatzes‘ ist durch einen Federstrich am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz möglich: Die Möglichkeit der Abweichung durch Tarifvertrag muss wieder abgeschafft werden.

• Vollkommen neu geordnet werden muss der Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Wir fordern eine Abschaffung der Mini- und Midijobs in ihrer derzeitigen Form. Zugleich halten wir es aber für sinnvoll, die unteren Einkommensgruppen auch staatlicherseits zu entlasten und einen Teil der Sozialversicherungsabgaben zu übernehmen. Deshalb schlagen wir vor, in einer Zone von 0 bis 2.000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen die Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialversicherungen progressiv ansteigen zu lassen, so dass erst bei 2.000 Euro monatlichem Einkommen der volle Sozialversicherungsbeitrag von derzeit rund 20 Prozent gezahlt werden muss. Gleichzeitig sind aber alle diese Beschäftigten voll versichert, so dass die Differenz über den Bundeshaushalt an die Sozialversicherungsträger gezahlt werden muss. Durch ein solches Modell werden Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen deutlich entlastet, gleichzeitig wird aber durch die Bezugnahme auf das gesamte (Haushalts-) Einkommen die ineffiziente Subventionierung der derzeitigen Regelungen abgeschafft sowie der Anreiz für ArbeitgeberInnen, die Subventionierung in Form von Lohnsenkungen ‚mitzunehmen‘ minimiert.

• Bei der Vermittlung der Arbeitssuchenden muss der teils rigide ‚Zwang zur Arbeit‘ neu justiert werden. Zwar mag der Grundsatz, der Vermittlung in Arbeit Vorzug vor dem Gewähr von Transferleistungen richtig sein, gleichzeitig bedürfen die Zumutbarkeitskriterien aus einer sozialen und arbeitsmarktpolitischen Perspektive einer Veränderung. Denn die Vermittlung in extrem niedrig entlohnte Tätigkeiten, die zum Teil sogar noch den ergänzenden Bezug des Arbeitslosengeldes notwendig machen führt zu einer weiteren Ausweitung des Niedriglohnsektors. Vielmehr muss es das Ziel sein, in Tätigkeiten zu vermitteln, die einen ausreichenden Lohn und damit auch ein selbstbestimmtes Leben gewährleisten.

• Gerade im Bereich der sozialen Dienstleistungen wie etwa Kinder- oder Altenbetreuung besteht aus unserer Sicht ein enormer gesellschaftlicher Ausbaubedarf und damit ein erhebliches Beschäftigungspotential. Gleichzeitig handelt es sich hier um Tätigkeiten, für die auf dem freien Markt aufgrund der hohen Preise keine hinreichende Nachfrage erzeugt werden kann. Deshalb müssen diese Bereiche staatlich organisiert und finanziert werden. Wir fordern die SPD deswegen auf, das bereits seit Jahren diskutierte Konzept eines ‚sozialen Arbeitsmarkts‘ zu konkretisieren und damit Beschäftigungsmöglichkeiten für viele Arbeitssuchende zu schaffen.

• Auch wenn eine abgeschlossene Berufsausbildung keine Garantie ist, nicht für Niedriglöhne arbeiten zu müssen, eröffnen Bildungschancen noch immer die beste Aus- und Aufstiegsmöglichkeit aus dem Niedriglohnsektor. Deshalb muss der Bereich der Weiterbildung konsequent ausgebaut werden. Erforderlich ist ein Programm, das gerade den im Niedriglohnsektor Tätigen Perspektiven eröffnet und es ihnen möglich macht, neben ihrer Erwerbstätigkeit an Weiterbildungsangeboten teilzunehmen. Hierfür ist auch zu prüfen, ob die Weiterbildungsmaßnahmen bzw. –förderungen der Arbeitsagenturen für diesen Personenkreis geöffnet werden können.

Nur mit einer solchen Gesamtstrategie kann eine perspektivische Überwindung des Zustands ‚Arm trotz Arbeit‘ gelingen. Davon profitieren alle: Die Beschäftigten können von ihrem Einkommen ein Leben in Würde führen, die Binnennachfrage wird nachhaltig gestärkt und die staatlichen Ausgaben für ergänzende Sozialleistungen sinken. Wir sind überzeugt: Gerechte Löhne für alle und wirtschaftliche Dynamik – das ist kein Widerspruch sondern zwei Seiten derselben Medaille.