Steuerhinterziehung durch schlagkräftigen und solidarischen Länderfinanzausgleich beenden

Im Februar 2010 wurde hitzig über den möglichen Kauf von sogenannten „Steuersünder-CDs“ durch deutsche Behörden diskutiert. Schnell wurde dabei auch eine Forderung laut, die sich parteiübergreifend – auch innerhalb der SPD – großer Beliebtheit erfreute: Die Finanzämter benötigen mehr Steuerfahnder.
Bereits in einem Gutachten des Bundesrechnungshofes vom November 2009 war intensiv auf diesen Missstand hingewiesen worden: „In der Verwaltungspraxis der Länder haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Bearbeitungsstandards und Intensitäten bei der Durchsetzung steuerlicher Pflichten und bei der Ahndung von Verstößen herausgebildet. Insbesondere in den Prüfdiensten ist der Personaleinsatz uneinheitlich und insgesamt nicht ausreichend. So hat der BRH u. a. eine trotz hoher Betrugsanfälligkeit zu geringe Quote der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, zu wenige Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären und eine mangelnde Kontrolle steuerrelevanter Geschäftsvorfälle im Internet festgestellt.“1 Doch warum ist das so? Der Bundesrechnungshof begründet: „Personalaufstockungen, z. B. in den Steuerfahndungsstellen, führen bei ihnen [gemeint sind die Bundesländer] zu Mehrausgaben, während die daraus erzielten Steuermehreinnahmen ihnen nur zu einem Bruchteil zufließen. Zudem sind einzelne Länder bestrebt, die heimische Wirtschaft mit Hilfe der Besteuerung zu fördern. Somit besteht wenig Anreiz zu einer möglichst vollständigen Steuererhebung.“ Im Klartext: Die Erträge der SteuerfahnderInnen fließen zu einem großen Teil in den Länderfinanzausgleich. Gerade Bundesländer mit starker wirtschaftlicher Leistung, wie beispielsweise Bayern und Baden-Württemberg haben also keinen Anreiz Steuerfahndungsstellen zu schaffen, weil sie von den Erträgen nicht profitieren. Dabei geht dem Staat gerade hier viel Geld verloren, wie
beispielsweise die „Steuersünder-CDs“ exemplarisch zeigen. Alle Bundesländer profitierten von den zusätzlichen Einnahmen, die südlichen Bundesländer aber mit Abstand am meisten. Ein weiterer Effekt verstärkt das Gefälle zugunsten von Steuerhinterziehungen: Die südlichen Bundesländer haben nicht nur keinen Vorteil von zusätzlichen SteuerfahnderInnen, weil sie die Personalkosten tragen, die Erträge aber maßgeblich in den Länderfinanzausgleich wandern. Zusätzlich
erlangen sie sogar einen massiven Standortvorteil dadurch, dass sie bewusst auf die Einstellung zusätzlicher Finanzbedienstete verzichten. Unternehmen entschließen sich unter anderem aufgrund der laxen Prüfungen für einen Standort im Süden des Bundesgebietes. Somit erhöht sich zumindest theoretisch auch die Summe der Steuern, die dem Fiskus vorenthalten werden. Heute, anderthalb Jahre nach der Diskussion um die „Steuersünder-CDs“, ist wenig passiert.
Zwar können verschiedene Landesbehörden wie zuletzt in Berlin steigende Fallzahlen und somit auch wichtige Einnahmen verzeichnen. Dennoch hat sich an der personellen Minder-Ausstattung nichts verbessert. So führen lediglich diejenigen Fälle zu einer positiveren Bilanz, die entweder direkt durch die Daten der „Steuersünder-CDs“ ausgewertet und bearbeitet werden konnten oder die Selbstanzeigen, die im Zuge einer durch die gekauften Daten möglichen Strafverfolgung präventiv getätigt wurden. Dabei liegen die positiven Effekte einer besseren personellen Ausstattung der Finanzämter auf der Hand: Laut ver.di fehlen bundesweit insgesamt über 3.000 Beschäftigte bei der Steuerfahndung und im Innendienst.2 JedeR einzelne Beschäftigte erzielt mindestens das Doppelte des Betrags, den sie oder er als Arbeitskraft den Staat kostet, je nach Bedingungen kann auch durchschnittlich mehr als das achtfache der Personalkosten erzielt werden. Die Gründe für die immer noch massive Zurückhaltung bei der Umsetzung der einhelligen Forderungen nach mehr Personal in den Finanzbehörden wurden bereits genannt: Fehlende Anreize, da Einnahmen durch SteuerfahnderInnen oft nicht bei den Ländern bleiben und zusätzliche Standortvorteile, dadurch, dass billigend in Kauf genommen wird, dass Unternehmen nicht geprüft werden. Diese Mechanismen müssen dringend geändert werden, um Steuerhinterziehung einzudämmen und den Menschen deutlich zu machen, dass Unternehmen nicht bevorzugt behandelt werden, sondern sich regelmäßig Prüfungen unterziehen müssen. Wir NRW Jusos stehen zum Länderfinanzausgleich und verurteilen die Forderungen, auch von Genossen aus Baden-Württemberg, diesen aufzulösen. Wir brauchen Solidarität unter den Bundesländern. Und diese ist keine Einbahnstraße! Nordrhein-Westfalen hat auch jahrelang in den Länderfinanzausgleich gezahlt und sich solidarisch gezeigt, als Bundesländer davon profitierten, die jetzt selbst die Solidarität in Frage stellen.
Wir NRW Jusos fordern die NRW Landesregierung auf, den politischen Forderungen rund um die Diskussion der „Steuersünder-CDs“ auch Taten folgen zu lassen und bei der anstehenden Diskussion um die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zum einen auf den solidarischen und soliden Erhalt des Länderfinanzausgleichs zu achten und andererseits eine Initiative einzubringen, die es den Ländern erlaubt, die gesamten Personalkosten und einen Teil der zusätzlichen Einnahmen aus Steuerprüfungen einzubehalten, um so Anreize zur Anstellung von zusätzlichem Personal zu schaffen. Dies wäre aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit, alles andere ist eine unsolidarische Frechheit!

1 Präsident des Bundesrechnungshofes: Chancen zur Entlastung und Modernisierung des Bundeshaushaltes. Bonn 2009.                                                                          2 gemessen an den Personalbedarfsrechnungen der ArbeitsgeberInnen