Deutsche Steueroasen trockenlegen

Deutsche Steueroasen trockenlegen

Steuerhinterziehung
2014 wurde Ulrich „Uli“ Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Bekannt wurde, dass er zwischen 2003 und 2009 ca. 30 Millionen Euro am Fiskus vorbeigeschleust hatte. Die tatsächliche Summe könnte noch viel höher liegen, da die Staatsanwaltschaft irgendwann aus Opportunitätsgründen die Ermittlungen nicht weiter fortführte, da bereits genug belastendes Material vorlag. Geholfen wurde Hoeneß dabei von einer Schweizer Bank. Und so entzündete sich (wieder einmal) eine öffentliche Debatte, dass die Politik nun endlich einmal gegen die Steueroase Schweiz vorgehen müsse.
Wenig später, im Jahr 2016, wurde ein Sachverhalt öffentlich, der von vielen zwar bereits vermutet wurde, dessen tatsächliches Ausmaß dann aber trotzdem alle schockierte: Die Panama Papers zeigten u.a. auf, wie Unternehmen und reiche Einzelpersonen systematisch Steuern hinterzogen hatten. Mittels Briefkasten-Firmen und anderen Konstrukten wurde Geld vor dem Fiskus versteckt. Ermöglicht hatten dies die unterschiedlichen Steuergesetzgebungen der verschiedenen Staaten. Es ging also wieder einmal um Steueroasen.
Auch wenn die öffentliche Entrüstung über diesen Skandal sehr groß war und eine intensive Debatte über Steuermoral auslöste, wurden nicht die richtigen Fragen gestellt. Denn inzwischen wird zwar härter gegen die internationale Steuerhinterziehung von Einzelpersonen vorgegangen und z.B. in der Kooperation mit der Schweiz sind Verbesserungen erzielt worden, eine wichtige Ebene wird aber noch außen vor gelassen: Die Deutsche Steueroasen sollten ebenfalls im Fokus der öffentlichen Debatte stehen.
Was sagt die Bundesregierung zu Steueroasen?
Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union von 2018 heißt es auf Seite 8:
„Unternehmen dürfen sich künftig nicht mehr ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen können, indem sie die Staaten der EU gegeneinander ausspielen. Steuerdumping muss unterbunden werden.“ und weiter „Wir unterstützen eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern.“
Zwei Dinge sind daran bemerkenswert: Zum einen, dass die SPD diesen progressiven Punkt gegen die Union in den ansonsten nicht besonders fortschrittlichen Koalitionsvertrag rein verhandeln konnte. Zum anderen, dass das Thema Steuerdumping – so wie sonst auch in der Öffentlichkeit – ausschließlich im Zusammenhang mit anderen Staaten, also mit internationaler Politik besprochen wird. Dabei ist der Blick ins Ausland gar nicht nötig, um Steueroasen zu entdecken.
Deutsche Steueroasen
Gerade einmal 20 Kilometer von der Landeshauptstadt NRWs entfernt liegt die Gemeinde Monheim am Rhein. Die kleine Kommune mit ca. 40 000 Einwohner*innen im Kreis Mettmann ist wegen ihrer Steuerpolitik immer wieder Gegenstand journalistischer Berichterstattung. Im Jahr 2012 senkte der Stadtrat den Gewerbesteuer-Hebesatz (welcher die kommunale Höhe der Gewerbesteuer definiert) von 435 auf 300 Punkte. In den Folgejahren schlossen sich weitere Senkungen an, sodass er heute bei 250 Punkten steht. Ein Negativ-Rekord in NRW, der Landesschnitt liegt bei ca. 446 Punkten.
Dies hatte sehr rasch Auswirkungen, die sich nicht nur auf Monheim beschränkten, sondern auch auf etliche andere Gemeinden, welche an dieser Entscheidung weder beteiligt waren noch sie unterstützten. Unternehmen, die bis dato in anderen Kommunen ansässig waren, zogen nun ganz oder teilweise in das neu geschaffene Steuerparadies. Als die Bayer AG ihre Patentabteilung ausgliederte und nach Monheim verlagerte, hatte dies zur Folge, dass der Stadt Leverkusen so ca. 30 Millionen Euro entzogen wurden. Dies ist einer der größten und prominentesten Fälle; jedoch hat sich diese „Steuervermeidung“ in vielen weiteren Fällen wiederholt. Das Umland wurde zugunsten einer einzigen, winzigen Kommune ausgeblutet.
Dabei handelt es sich keineswegs um ein Problem, das auf NRW begrenzt ist. Erst dieses Jahr verlegte Haribo seine Konzernzentrale von Bonn in das 18 Kilometer entfernte Grafschaft im Kreis Ahrweiler, direkt hinter der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz. Die Unternehmensführung hält sich sowohl bei der Summe bedeckt, die dadurch an Steuern gespart wird als auch zu der Frage, ob der Firmenname nun in Harigra geändert wird.
30 Kilometer östlich von München unterhalten sieben Fonds-Gesellschaften im Ebersberger Forst ihren Unternehmenssitz, der nur aus einem einzigen Briefkasten besteht. Das Erfolgsgeheimnis: Der Gewerbesteuer-Hebesatz liegt dort bei 200 Punkten, in der bayerischen Landeshauptstadt sind es 490.
Kommunales Steuerdumping verhindern
Dieses Steuerdumping muss beendet werden. Was auf internationaler Ebene gilt, muss auch auf kommunaler gelten: Unternehmen dürfen sich nicht ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Ebenfalls muss das umgekehrt werden, was durch die aktuellen Regelungen ermöglicht wurde. Das Gesamtsteueraufkommen, welches durch die Gewerbesteuer generiert wird, muss angehoben werden. Der Landes- und Bundesschnitt muss steigen, um damit die öffentliche Daseinsvorsorge gewährleisten zu können. Denn dazu sind viele Kommunen aufgrund struktureller Unterfinanzierung und belastender Altschulden aktuell nicht vollumfänglich im Stande. Eben diesen Kommunen kann durch das Trockenlegen der Steueroasen geholfen, deren Haushalte entlastet und ihren Einwohner*innen eine lebenswertere Stadt ermöglicht werden.
Deutsche Steueroasen trockenlegen
Unser Ziel ist eine Harmonisierung der Gewerbesteuer-Hebesätze. Zur Erreichung dessen ist ein Mindesthebesatz geeignet. Dieser muss so gesetzt werden, dass er den Landes- und Bundesschnitt effektiv anhebt. Zur Realisierung dessen sollte eine angemessene Karenzzeit gewählt werden. Die Kommunen, welche auf einen absehbaren Zeitraum von den Änderungen betroffen sein werden, benötigen eine Übergangszeit, in welcher sie ihren Haushalt umstellen können. Denkbar wäre auch eine stufenweise Anhebung eines Mindesthebesatzes. Da es sich um ein bundesweites Problem handelt, wäre ein bundesweit koordiniertes Vorgehen am sinnvollsten. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Föderalismus und angesichts der aktuellen politischen Konstellationen in den einzelnen Bundesländern, kann dies jedoch keine Bedingung sein. Deutsche Steueroasen müssen trockengelegt werden!