DAMIT SCHULE ENDLICH EIN TOLERANTER UND GERECHTER LERN- UND LEBENSORT FÜR SCHÜLERINNEN JEDWEDER HERKUNFT WIRD: FÜR EINE INKLUSIVE GANZTAGSGESAMTSCHULE!

Die NRW Jusos setzen sich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Landesregierung eine inklusive Ganztagsgesamtschule als Ersatzform für das mehrgliedrige, selektive Schulsystem in NRW als weiterführende Schule einführt. Diese Schule soll unter anderem folgende Bestandteile beinhalten:

1. INKLUSIV

Der Rechtsanspruch für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, eine Regelschule besuchen zu können, soll weiterhin bestehen bleiben und im Zuge der Verfassungsreform auch in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung verankert werden. Das Land NRW muss den Schulen ein höheres Stellenbudget als bisher für SonderpädagogInnen bereitstellen, damit der momentan hohe Bedarf der weiterführenden Schulen gedeckt werden kann. Außerdem sollen diese gemeinsam mit LernbegleiterInnen und Lehrenden in Form eines multiprofessionellen Teams möglichst kleine Klassen, bestehend aus SchülerInnen sowohl mit als auch ohne sonderpädagogischem Förderbedarf, unterrichten. Bei der LehrerInnenausbildung sollen zudem verstärkt sonderpädagogische Inhalte vermittelt werden, die auf den inklusiven Unterricht vorbereiten. SonderpädagogInnen sollen in vertieften Studiengängen besondere Kompetenzen für Erziehung, Unterricht und Förderung in einem inklusiven Schulsystem erwerben. Die Heterogenität der SchülerInnen bei der Aneignung von Unterrichtsinhalten muss mit einem binnendifferenzierten Unterricht beantwortet werden, der allen SchülerInnen unabhängig von ihrem Leistungsstand im Gegensatz zu dem der Klasse individuelle Lernfortschritte ermöglicht. Auch eine Differenzierung im Sinne von kleineren Lerngruppen bis hin zum Einzelunterricht soll in bestimmten Lernsituationen angeboten werden. Zudem muss die IGGS in jedweden Hinsichten barrierefrei ausgestattet sein, z.B. im Hinblick auf Rampen, Aufzügen, Sanitätseinrichtungen oder Lernlandschaften. Für dieses Ziel müssen den Schulen genug finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzierung der Inklusion und der IGGS soll weiterhin durch das Land unter Berücksichtigung des Sozialindexes, der unter anderem die Anzahl der SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigen soll, getragen werden. Alle SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten einen auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse  zugeschnittenen Förderplan für den Unterricht an der IGGS, der sich aus einem Förderprofil auf Basis einer inklusiven Förderdiagnostik ableitet. Auch SchülerInnen mit Lernschwächen erhalten einen auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zugeschnittenen Förderplan. Für die Umsetzung der Inklusion an der IGGS soll ähnlich dem runden Tisch zu G8/G9 ein runder Tisch, bestehend u.a. aus VertreterInnen der LehrerInnenschaft, der SonderpädagogInnen der LandesschülerInnenvertretung und fachbezogenen Sachverständigen, einberufen werden, der weitere Probleme der momentanen Umsetzung der schulischen Inklusion in NRW erörtert und für die Landesregierung verbindliche Lösungskonzepte erarbeitet, die vom Landtag verabschiedet werden sollen.

Neben allen Bemühungen um die Verbesserung der Inklusion im Bildungssystem steht für uns außer Frage, dass auch das beste inklusive Schulsystem nicht die Fördermöglichkeiten bereitstellen kann, die manche Schülerinnen und Schüler – vor allem bei Vorliegen einer Schwerst-Mehrfach-Behinderung – benötigen. Wir setzen uns daher dafür ein, dass spezialisierte und hochqualifiziert arbeitende Förderschulen weiterhin existieren und ebenfalls verstärkt finanziell gefördert werden.

2. GANZTAG

An der IGGS besuchen die SchülerInnen die Schule ganztägig. Dies bedeutet, dass z.B. Hausaufgaben  entfallen und gemeinsame Projektarbeiten mit anderen SchülerInnen auf den schulischen Betrieb verlagert werden. Die Schulverpflegung an der IGGS ist vollkommen kostenlos für die SchülerInnen und beinhaltet ein aus gesunden Lebensmitteln bestehendes, Schulfrühstück sowie ein ebenso aus gesunden Lebensmitteln bestehendes Mittagessen. Parallel zum gesunden Lebensmittelangebot vermittelt die IGGS den SchülerInnen durch konkrete Unterrichtsinhalte, die Bestandteile des Curriculums sein sollen, einen bewussteren und gesünderen Umgang mit Lebensmitteln. Auch im Hinblick auf ergonomisches Mobiliar und Sportangebote soll den SchülerInnen ein gesünderer Lebensstil vorgelebt werden, der ebenfalls Bestandteil von Unterricht und Projekten sein soll.

Um der Verpflichtung und dem Anspruch als Ganztagsschule, den SchülerInnen einen Lern- und Lebensort bieten zu können, gerecht zu werden, sollen von SchülerInnen gegründete und von der Schule in z.B. finanzieller, organisatorischer oder räumlicher Hinsicht geförderte Arbeitsgemeinschaften sowie sportliche, kreative und musische Angebote den Schulalltag bereichern. Zur weiteren Förderung der Schule hin zur Bereitstellung einer angemessenen Lern- und Atmosphäre für die SchülerInnen sollen umfassende Aufenthaltsbereiche geschaffen werden, die sowohl ein konzentriertes Lernen als auch eine Entspannungsmöglichkeit und Möglichkeit zur vielfältigen sportlichen Betätigung ermöglichen. SchülerInnen als Mitwirkende am Schulleben sollen die Möglichkeit erhalten, sich an der Gestaltung der Lern- und Lebensatmosphäre beteiligen zu können.

Schulen sollen aber auch Orte sein, an denen Demokratie als Lebensprinzip vermittelt und praktiziert wird. Deshalb müssen die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler vor Ort gestärkt und politisches wie zivilgesellschaftliches Engagement gefördert werden. Sie sollen an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt werden und die Möglichkeit haben, ihr Lebensumfeld direkt mitzugestalten. Wir bekräftigen deshalb die Forderung nach einer Drittelparität in der Schulkonferenz und fordern darüber hinaus die Öffnung der Fachkonferenzen für die Belange von Schülerinnen und Schülern.

Zudem soll an einer IGGS ein für alle Mitwirkende an der Schule frei zugänglicher WLANHotspot sowie Zugang für alle zu PCs eingerichtet werden. Die Ausstattung muss regelmäßig den technischen Erneuerungen angepasst werden und die Geräte müssen inklusiv sein. Um einen verantwortungsbewussten Umgang der SchülerInnen mit Medien zu gewährleisten, soll das Thema Mediennutzung ein fester Bestandteil des Unterrichts an der IGGS werden. SchülerInnen, die sich außerunterrichtlich gesellschaftlich, z.B. in Vereinen oder politischen Organisationen engagieren, sollen die Möglichkeit erhalten, auch im Zuge des Ganztagsunterrichts an der IGGS ihrem Engagement nachkommen zu können.

 

3. GESAMTSCHULE

Die IGGS ist eine weiterführende Gesamtschule, die mit einem allgemeinen Schulabschluss nach der 10. Klasse ein politisch, kulturell wie wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Das bedeutet, dass sie nach der Schulzeit die Kompetenzen, die für ein selbstbestimmtes Leben wichtig sind, erlernt haben und in der Praxis anwenden können. Im Anschluss daran können die SchülerInnen eine Berufsausbildung oder eine dreijährige Schulausbildung, die einen/eine SchülerIn für das Studium qualifiziert, absolvieren. Unsere Schule führt somit in neun Jahren zum Abitur und gibt allen Schülerinnen und Schülern mehr Zeit, um ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. G8 kann es in einer Schule der Zukunft nicht geben.

Von der Einschulung in der 5. Klasse bis zum Erreichen des Schulabschlusses werden die SchülerInnen von der IGGS umfassend in ihrer Studien- und Berufsorientierung unterstützt, indem die bisherigen Berufspraktika in der Sekundarstufe I und II stärker mit Angeboten der Berufsberatung verknüpft werden. Vor dem Hintergrund, dass die Quantität der Praktika nichts über deren Qualität aussagt, sprechen wir uns gegen eine Ausweitung von verpflichtenden Praktika im Schulbetrieb aus. Vielmehr gilt es, die bisherigen Möglichkeiten so auszugestalten, dass Schülerinnen und Schüler wertvolle Erfahrungen für ihre spätere Berufsentscheidung sammeln können. Außerdem informiert die IGGS SchülerInnen über die verschiedenen Möglichkeiten für die individuelle Lebensgestaltung wie z.B. das Absolvieren von Auslandsjahren, Praktika oder ein freiwilliges soziales Jahr.

Das Sitzenbleiben in der IGGS wird in seiner aktuellen Form an dreigliedrigen Schulen nicht existieren:

SchülerInnen, die Probleme in einzelnen Fächern haben, sollen eine spezielle Förderung in den von ihren Leistungsdefiziten betroffenen Fächern erhalten. SchülerInnen erhalten außerdem die Möglichkeit, bei Wunsch ein Schuljahr zu wiederholen.

Wichtiger Eckpfeiler des Konzeptes ist die Abschaffung von Ziffernoten. Stattdessen gibt es turnusmäßige Rückmeldungen für jede*n einzelne*n Schüler*in. Gemeinsam werden Förderpläne und Zielvereinbarungen abgestimmt, die von Lehrkraft wie Schüler*in im Folgezeitraum erreicht werden sollen. Dabei werden auch Zwischenziele und entsprechende Methoden definiert. Außerdem sollen die bisherigen Feedbackbögen für Lehrkräfte verpflichtend genutzt werden. Dies bedeutet, dass alle Lehrkräfte in regelmäßigen Abständen den Schüler*innen die Chance bieten ein anonymisiertes Feedback zu äußern. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die z.B. aus Gründen der Familienzusammenführung oder der Flucht aus einem anderem Land nach Deutschland gekommen sind und unter die gesetzliche Schulpflicht fallen, besuchen in der IGGS mit speziell geschulten Lehrenden ausgestattete Willkommensklassen, in denen sie gemeinsam mit anderen Kindern die deutsche Sprache, je nachdem auch mit Rücksicht auf die bereits vorhandenen Sprachkenntnisse, erlernen. Parallel zum Deutschunterricht in dieser Klasse besuchen die SchülerInnen bereits fest zugewiesene Regelklassen, in denen sie am Unterricht teilnehmen. Ein weiteres Hauptziel ist es, die SchülerInnen so gut wie möglich in eine Regelklasse zu integrieren, sodass sie nach Erlernen der Deutschkenntnisse in der Willkommensklasse komplett in die Regelklasse wechseln und die Möglichkeit haben, alle Schulabschlüsse anstreben zu können.

Der Unterricht an der IGGS soll davon geprägt sein, dass SchülerInnen gemeinsam in gegenseitiger Unterstützung Unterrichtsinhalte erlernen und auf das Alltagsgeschehen beziehen können, welches auch die Folge von einem zunehmend praxisbezogenen Unterricht sein soll. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Unterrichts an der IGGS soll die Aneignung von Fähigkeiten zur (Selbst-)Kritik, Kreativität, Problemerkennungs- und Problemlösungskompetenz, soziale Kompetenz, Eigenständigkeit und Teamfähigkeit, Umgang mit Sprache und (neuen) Medien. Das Bildungsangebot der IGGS ist komplett kostenlos und garantiert allen SchülerInnen eine gleichberechtigte Teilhabe ohne Einfluss durch die soziale Herkunft der SchülerInnen. Leistungsstarke und leistungsschwache SchülerInnen werden in der IGGS gleichermaßen gefördert und gefordert, um Leistungsdefiziten entgegenwirken zu können.

4. DIE INKLUSIVE GANZTAGSGESAMTSCHULE

 

Eine Verknüpfung dieser drei Punkte ist essenziell, da sie nur gemeinsam, zusammengefasst in einer Schulform- der Inklusiven Ganztagsgesamtschule- , die Bildungsungerechtigkeit in unserem  Schulsystem überwinden können. Eine Bündelung dieser drei Themen kommt allen SchülerInnen zugute. Um die IGGS auch finanzieren zu können, muss mehr als bisher in Bildung, also unsere wichtigste Ressource, investiert werden; Deutschland investiert viel zu wenig in Bildung: 2009 wurden lediglich 5,3% des Bruttoinlandsproduktes in Bildung investiert, dabei lag der OECD-Durchschnitt zu diesem Zeitpunkt bereits bei 6,2%; selbst in den Jahren zuvor konnte Deutschland nie richtig aufholen: Im Vergleich zu 1995 stieg der BIP-Anteil in Deutschland von 5,1% auf 5,3%. Im Verhältnis zur Entwicklung ihrer Wirtschaftskraft haben beispielsweise die OECD-Staaten USA, Schweiz und Dänemark ihre Bildungsausgaben überproportional gesteigert. Die Höhe der Investitionen in Bildung muss besonders im Hinblick auf die Zukunft mindestens auf den OECD-Standard gehoben werden, denn Bildung ist unsere wichtigste Ressource; sie führt zu Erfolg und Wohlstand. Im Zuge dessen soll auch das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben werden, damit die IGGS von Bund und Land gemeinsam finanziert werden kann.