EINE SCHULE FÜR ALLE

DAS SCHULSYSTEM IN NRW
Das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen ist, wie in allen deutschen Bundesländern, geprägt von einer starken Trennung von Schülerinnen und Schülern. Nach der Grundschule gehen diese auf weiterführende Schulen und haben dabei die Wahl zwischen drei verschiedenen Typen: Gymnasi­ um, Realschule, Hauptschule. Der Fachausdruck dafür ist dreigliedriges Schulsystem. Die Gesamt­ schulen werden dabei sprachlich nicht berücksichtigt, spielen jedoch in der sozialistischen und sozi­ aldemokratischen Schulpolitik eine wichtige Rolle und werden auch in diesem Antrag behandelt.Diese fünf Schulformen zusammen werden Regelschulsystem genannt und sind fast allen Menschen gut bekannt. Doch daneben unterhält der Staat noch einFörderschulsystem, welches ein Schatten­ dasein führt und den meisten unbekannt ist. Es richtet sich an Kinder mit körperlichen oder geisti­ gen Behinderungen und isoliert diese strikt von allen Kindern, bei denen keine Beeinträchtigung diagnostiziert wird.Dass neben dem Regelschulsystem gleichzeitig das Förderschulsystem aufrecht erhalten wird ist teuer und ineffizient. Als ob man beim Autofahren mit dem rechten Fuß Gas geben und dem Linken bremsen würde. Unnötige Kosten und Probleme sind dabei unter anderem das Erhalten von Schulgebäuden, für welche nur durch das Trennsystem Bedarf besteht, die unverhältnismäßige Verteilung von Arbeitsstunden von Lehrkräften und doppelte Verwaltungsstrukturen. Vor allem aber widerspricht die Aufrechterhaltung des Förderschulsystems dem Grundgedanken der Inklu­ sion. Förderschulen verhindern, dass Kinder mit Behinderungen im vollen Umfang an der Gesell­ schaft im Allgemeinen und der Schule im besonderen teilhaben können. Wir fordern daher eine schnellst mögliche Schließung der Förderschulen bei gleichzeitigem Ausbau der Regelschulen. Das Ziel muss sein, dass Förderschulen überflüssig werden. Dieses erreichen wir nicht nur durch eine einfache Schließung sondern vor allem durch den Umbau des jetzigen Regelschulsystems um allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe am Bildungssystem zu gewährleisten.

SCHULISCHE INKLUSION

Die Eingliederung von Kindern mit Behinderung in Regelschulen nennt man schulische Inklusi­ on. NRW setzt damit die UN-Behindertenrechtskonvention (amtlich: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen) um, welche 2009 von Deutschland ratifiziert worden ist. Menschen mit Behinderungen werden weltweit Grundrechte vorenthalten, je nach Land in unterschiedlicher Ausprägung. Dies geschieht teils absichtlich durch staatliche Nichthilfe und teils unabsichtlich durch Barrieren und Hürden, die in der Öffentlichkeit nicht bekannt genug sind.Der Beschluss der Vereinten Nationen enthält einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zu allen Bereichen des Lebens. Eine Sehr prominente Rolle nimmt der Bildungsbereich ein, da dieser auch auf alle anderen Bereiche ausstrahlt.

MENSCHEN NICHT IN SCHUBLADEN STECKEN

Ein Problem bei der Einteilung von Kindern und Jugendlichen zu Förderschulen ist, dass den Schüler*innen ein Stempel aufgedrückt wird. Sie bekommen ein Label, was sie nicht nur einer Schule, sondern auch einer sozialen Gruppe zuweist, mit der sie fortan verbunden werden. Dies beeinflusst massiv die Chancen der Kinder, die sie allein durch ihre Leistungen in der Schule nicht verändern können. Erschwerend kommt hinzu, dass das Schulsystem nicht durchlässig genug ist. Ist man erstmal einer Förderschule zugewiesen, ist ein Wechsel zu einer Regelschule mit Schwierig­ keiten verbunden, die nicht nur mit den Lehrinhalten zusammenhängen. Das Eingewöhnen in der neuen Umgebung oder der Verlust bzw. das Finden neuer Freundschaften sind hohe Hürden beim Wechsel. Diese kommen nur durch das sortierende Schulsystem zustande und können überwunden werden.

DAS DREIGLIEDRIGE SCHULSYSTEM

All die oben genannten Probleme treten jedoch nicht zur wegen parallel bestehender Regel- und Förderschulen auf, sondern auch innerhalb des Regelschulsystems. Das dreigliedrige Schulsystem verteilt Kinder auf Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen. Dabei liegt die Annahme zugrunde,dass während der Grundschulzeit bei allen Kindern deutlich wird, wie intelligent diese sind. Eben­ falls geht man davon aus, dass intelligente Menschen grundsätzlich in allen Bereichen schlauer seien als weniger intelligente Menschen. Deshalb werden an Gymnasien alle Schulfächer, egal ob Musik oder Mathematik, egal ob Englisch oder Erdkunde, egal ob Politik oder Pädagogik, auf einem höhe­ ren Niveau gestaltet als an Realschulen und Hauptschulen. Aber diese Annahme ist falsch. Es ist stark zu bezweifeln, dass Menschen eine objektiv feststellbare Intelligenz besitzen. Darum sollte der Grad der Förderung, welcher einem Menschen in einem Schulfach zuteil wird, nicht daran ausge­ richtet werden. Als positives Modell sind hier die Gesamtschulen zu sehen, welche eben jenes nicht tun, sondern eine individuelle Förderung nach Schulfach ermöglichen. Wer also das Förderschulsy­ stem abschaffen will, weil es die genannten strukturellen Probleme schafft, muss auch langfristig das dreigliedrige Schulsystem abschaffen.

KEIN STOPP BEI DER INKLUSION

Die praktische Umsetzung der Inklusion war und ist in Teilen sehr chaotisch und für viele Schulen und das Lehrpersonal überfordernd. Daher muss man an dieser Stelle erwähnen: das hätte der Staat besser machen können und müssen! Die Dreigliedrigkeit des Schulsystems zum Beispiel ist ein hausgemachtes Problem. Aber es ist auch nicht verwunderlich, dass es bei solchen großen Reformen zu Schwierigkeiten kommt. Dennoch ist dies in keinster weise ein Grund dafür, die Inklusion in Frage zu stellen. Es ist richtig, dass alle Menschen, egal ob mit oder ohne körperliche oder geistige Einschränkung, zusammen in einer Schule lernen sollte.

DIE ROLLE DER INTEGRATIONSKRÄFTE

Bei Kindern mit einem besonders starken Betreuungsbedarf, können die Eltern bei der Kommune eine*n Integrationshelfer*in beantragen, welche*r das Kind in der Schule begleitet. Dabei werden die Integrationshelfer*innen jedoch nicht bei der Schule beschäftigt, sondern bei freien Trägern, an welche sich die Eltern selbstständig wenden müssen. Diese freien Träger, die zumeist als Verein oder gGmbH organisiert sind, suchen ständig händeringend nach Personal, weil die Arbeit sehr schlecht vergütet wird. Diese miserable finanzielle Situation für die Arbeitnehmer*innen führt dazu, dass es äußerst schwierig ist, geeignetes Personal zu finden. Kein Wunder, wenn in der Branche 1200 € Brutto schon als viel gelten. Eine mögliche Lösung wäre es, die I-Kräfte direkt bei der Schule anzu­ siedeln und damit sowohl die Weiterbildung als auch die Vergütung zu verbessern. Doch egal welche Möglichkeit man in Betracht zieht: so wie es aktuell ist, kann es auf keinen Fall bleiben.

DIE UNMITTELBAREN VORTEILE

Bei der schulischen Inklusion geht es nicht darum, dass in Zukunft alle Menschen zielgleich unterrichtet werden sollen. Es geht nicht darum, dass alle den selben Abschluss machen sollen.Die Umstellung des Schulsystems wird in der ersten Phase Vorteile bringen, die erst einmal nicht zwangsläufig mit den Unterrichtsinhalten zu tun haben. Es geht darum, dass Menschen mit Behin­ derungen nicht weiter abgeschoben werden. Denn dies führt dazu, dass diese aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Dadurch fehlt oftmals das gesellschaftliche Verständnis für spezielle Proble­ me und Hürden. Im Alltag gilt: aus dem Augen, aus dem Sinn. Aber es ist sehr gut möglich, dies mittels der Inklusion zu ändern. Es reichen Maßnahmen, die auf den ersten Blick vielleicht banal erscheinen. Dazu gehören das gemeinsame Mittagessen in der Schulmensa, das gemeinsame Feiern von Schulfesten und der tägliche Kontakt zwischen den Schulstunden. So kann vermittelt werden,dass Behinderungen kein Makel sind.

DIE ZUKUNFT DES SCHULSYSTEMS

Die NRW Jusos setzen sich für die schulische Inklusion ein. Wir haben keine Zweifel an ihrer grundsätzlichen Richtigkeit. Das Förderschulsystem soll komplett abgeschafft werden und langfri­ stig auch das dreigliedrige Regelschulsystem. Die Qualifizierung und die Arbeitsbedingungen der Integrationskräfte müssen deutlich verbessert werden. Es sollen nicht alle Menschen die gleichen Inhalte lernen, sondern alle am gleichen Ort. Unser Ziel ist eine Schule für alle.