Für eine demokratische Medienlandschaft

Die Karriere des Begriffes „Lügenpresse“ ist bemerkenswert und sagt viel über den Zustand unserer Gesellschaft heute aus. Im Wien des späten 19. Jahrhunderts waren es antisemitische Kreise, die die Wiener Presse als Teil der „jüdischen Weltherrschaft“ sahen, die die „deutsche Rasse“ systematisch verdumme. Im ersten Weltkrieg erschienen Bücher mit dem Titel „Die Lügenpresse“, in denen der Hass auf die Feinde der Deutschen und ihren „Lügenfeldzug“ geschürt werden sollte. In der Weimarer Republik wurde die „Lügenpresse“ ein Kampfbegriff gegen demokratisch ausgerichtete Zeitungen und im Nationalsozialismus eine Beschimpfung für die Auslandspresse. Heute ist der Begriff zurück. Vor allem geprägt durch die rechten Pegida-Demonstrationen kam die „Lügenpresse“ zurück in den alltäglichen Sprachgebrauch und wurde zum Unwort des Jahres 2014 gewählt.
Der neue rechte Hass gegen demokratische Medien trifft in eine Zeit, in der sich die Medienlandschaft in einem starken Wandel befindet, der sich am besten als Ausdifferenzierung beschreiben lässt. Die Auflage von lokalen und regionalen Tageszeitungen geht zurück. Der Fernsehkonsum steigt an, allerdings gerade in der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen in erster Linie  bei Unterhaltungsprogrammen und Privatfernsehen. Gleichzeitig gibt es einen starken Anstieg der Internetnutzung, die bei jüngeren Menschen nicht nur zur Individualkommunikation dient, sondern auch als Medium für Informationen. Zwar stärken die Nachrichten auf dem Smartphone die ständige einfache und günstige Verfügbarkeit von Informationen, führt aber auch zur Entwicklung von Filterblasen und homogenen Öffentlichkeiten, die in viel stärkerem Maß unabhängig voneinander stehen. Beispiele dafür lassen sich in ganz verschiedene Richtungen finden. Nennen könnte man da zum Beispiel die Herausbildung von verschwörungstheoretischen Filterblasen, in denen sich verschwörungstheoretische Seiten miteinander vernetzen und gegenseitig bestätigen.
Eine starke und wehrhafte Demokratie braucht demokratische Medien. Wir setzen in unserer Medienpolitik auf freie Medien und eine Demokratisierung der Medienlandschaft. In Zeiten, in denen sich die Medien-Nutzung in den Online-Bereich verschiebt, muss überprüft werden, welche medienpolitischen Regelungen aus dem Offline-Bereich auch für Online anzuwenden sind und in welchen Bereichen es neue Regelungen im Digitalen zu schaffen gilt. Eine demokratische Medienlandschaft zu schaffen heißt vor allem sicherzustellen, dass der Staat die Richtlinien für Medienpolitik und die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Medienlandschaft festlegt und nicht private Unternehmen und internationale Konzerne mit ihren Profitinteressen.
Wir fordern:

    • Einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich in der Bundesrepublik bewährt und muss daher gestärkt werden. Das heißt vor allem, dass die öffentlich-rechtlichen Sender eine weitergehende Online-Arbeit betreiben dürfen müssen. Die Sieben-Tage-Regel ist nicht mehr zeitgemäß und gehört abgeschafft. Bessere Nutzungsmöglichkeiten der Mediatheken durch längere Verfügbarkeitszeiten von Inhalten würden das Angebot der Öffentlich- Rechtlichen wesentlich attraktiver machen. Ebenfalls gestärkt werden müssen die Möglichkeiten gemeinsamer Rechercheverbünde zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten wie der Verbund von WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung. Wir fordern außerdem eine unabhängige Beschwerdestelle der Bürger*innen gegenüber dem Programm der öffentlich-rechtlichen Medien.
    • Die Garantie von Netzneutralität. Der diskriminierungsfreie Zugang zu Daten ist die Grundlage einer demokratischen Online-Öffentlichkeit. Versuche, das Gebot der Netzneutralität durch die Hintertür zu umgehen, wie etwa das „Zero-Rating“ oder das „StreamOn“-Angebot der Telekom müssen gesetzlich verhindert werden.
    • Eine gute Bildungspolitik, die den Umgang mit digitalen Medien stärker in den Blick nimmt. Im digitalen Zeitalter verändert sich die Struktur des Wissens. Wenn Informationen in Masse online abrufbar sind, muss in den Schulen der Umgang mit digitalem Wissen vermittelt werden. Die Einordnung von Quellen, der Umgang mit Online-Kommunikation, gerade auch  Gleichstellungsaspekte digitaler Bildung müssen in der Schule stärker stattfinden.
    • Die Kennzeichnung als Werbung und/oder gesponserten Inhalt im Netz, sofern ein eindeutiger finanzieller Vorteil – ob im Vorfeld oder im Nachgang – für der*die Veröffentlicher*in besteht.Für Werbung im Kommerziellem Kontext sollen die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags gelten.Diese Einschränkung soll Private Nutzer*innen vor Abmahnungen schützen.
    • Das Primat öffentlicher und demokratischer Regulierung in medienpolitischen Fragen. Gerade bei Fragen, welche Inhalte aus welchen Gründen online grundsätzlich gelöscht oder nicht angezeigt werden, müssen die Entscheidungen von staatsfernen Institutionen und Gerichten über den Entscheidungen von Privatunternehmen wie Facebook, Google, Youtube und Co stehen. Das heißt auch, dass die Algorithmen demokratisch kontrollierbar sein müssen. Allerdings dürfen Unternehmen auch nicht aus ihrer Verantwortung genommen werden, dafür zu sorgen, dass strafrechtlich relevante Beiträge von ihrer Plattform genommen werden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das die Unternehmen dazu verpflichtet, ein transparentes System zur Überprüfung und Löschung strafbarer Inhalte zu schaffen, geht deshalb in die richtige Richtung, kann aber hier nur als Anfang gesehen werden. Es gilt dieses anzupassen, damit Löschprozesse wirklich transparent und nachvollziehbar werden. Die gelöschten Inhalte müssen von unabhängigen Gremien geprüft werden, damit wirklich nur strafrechtlich relevante Inhalte gelöscht werden. Es darf nicht zu einem vorauseilenden Gehorsam der Unternehmen oder zu einem großzügigen Löschen von Inhalten, welche nicht strafbar sind, kommen. Die Durchsetzung von Gesetzen darf in diesem Zuge nicht privatisiert werden.
    • Weiterhin das Einstehen für Menschenrechte, Jugendschutz, Verbraucherschutz und Meinungsvielfalt durch die Landesmedienanstalten.
    • Die Möglichkeiten von indirekten finanziellen Unterstützungen für Journalist*innen. Lokale Berichterstattung auf digitalen Plattformen verspricht oft keinen Gewinn, ist aber für eine vielfältige Medienlandschaft sehr wertvoll. Möglichkeiten der Finanzierungen über Stiftungen und die Anerkennung von Gemeinnützigkeit sind deshalb auszubauen.
    • Starke Bürger*innenmedien als Teil demokratischer Meinungsbildung, Partizipation und lokalpublizistischer Vielfalt.
    • Unterstützung von Bürger*innenschaftlichem Engagement und gemeinnützig orientierten Plattformen und Verbreitungswegen, die einen Beitrag zur Meinungs- und Wissensvielfalt leisten und der Demokratisierung des Netzes dienen (z.B. Wikipedia, Freifunk, Bürgermedienplattform NRWision).
    • Eine Aufsicht marktstarker Medienunternehmen durch Beibehaltung der jährlichen Berichterstattungspflicht durch die Landesanstalt für Medien.
    • Fortführung der regelmäßigen „Großen Anfrage“ der SPD-Landtagsfraktion zur Situation des Zeitungsmarktes in Nordrhein-Westfalen und seine digitale Entwicklung.
    • Eine Reform der Regeln für Streaming-Dienste, da die künstlerische Freiheit durch Lizenzpflichten eingeschränkt wird. Diese passen nicht mehr in das digitale Zeitalter.
    • Stärkung des Pressegrosso-Systems: Das Presse-Grossosystem stärkt die erschwingliche Jederzeit- und Überallerhältlichkeit von Presseerzeugnissen in der Fläche und ist damit ein wichtiger Stützpfeiler einer vielfältigen Presselandschaft.

Einen verantwortungsvollen Umgang der SPD mit ihren Medienbeteiligungen. Die Medienbeteiligungen der SPD bleiben richtig und stärken eine vielfältige Medienlandschaft. Die Ausrichtung muss dabei lauten: Weiterhin keine redaktionellen Vorschriften, aber klare Anforderungen an gute Arbeit im Journalismus, mehr Frauen in Führungspositionen in den Redaktionen und eine klare journalistische Haltung gegen Demokratiefeindlichkeit und Rechtsradikalismus.