Impulse für starke Kommunalwahlprogramme

Kommunalwahlen 2020
Im Herbst 2020 stehen in NRW die Kommunalwahlen an. Die SPD wird dabei stark gefordert sein. In vielen Städten und Landkreisen arbeiten Jusos seit vielen Jahren daran eine fortschrittliche Kommunalpolitik zu gestalten. Als NRW Jusos wollen wir dabei Anstöße geben. Bei unserem diesjährigen Kommunal-Camp haben wir uns vier Tage intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Die Landesebene kann keine Kommunalwahlprogramme ausarbeiten. Aber wir können Impulse setzen. Dies ist kein Grundsatz-Antrag zur Kommune der Zukunft – dies ist eine Vorlage, bei der sich Juso-Unterbezirke Ideen für ihr lokales Wahlprogramm holen können, um dann hoffentlich personell und inhaltlich stark in die nächste Wahlperiode gehen zu können.

Wohnen
Wir Jusos wollen eine Kommune, in der Wohnen kein Luxus ist. Es soll keine Stadtteile für Reiche und Stadtteile für Arme geben. Wir wollen eine sozial durchmischte Stadt.

  • Für bezahlbaren Wohnraum braucht es sozialen Wohnungsbau durch kommunale Baugesellschaften oder Genoss*innenschaften. Wir stehen mittelfristig für eine landeseigene Wohnbaugesellschaft.
  • Aktive Stadtplanung: Soziale Durchmischung kann im Stadtrat ermöglicht werden, z.B. über eine Quote für sozialen Wohnraum bei Neubaugebieten. Dazu gehört außerdem eine Berücksichtigung der dezentralen Stadtplanung, die es ermöglicht auch außerhalb der Innenstadt gut leben zu können ohne weite Wege zurücklegen zu müssen, um Erledigungen zu tätigen. Außerdem muss die Quartierspflege allen Vierteln einer Kommune zugutekommen, um dadurch auch das Sicherheitsgefühl zu verbessern und diese nicht verkommen zu lassen durch Verwahrlosung oder beschädigte Gebäude.
  • Mehrgenerationenwohnen bringt die Stärken und Schwächen verschiedener Altersklassen zusammen, sodass alle davon profitieren.
  • Milieuschutzsatzungen können verhindern, dass Viertel gentrifiziert werden, also dass Menschen, die dort schon lange wohnen, aber wenig Geld haben, durch Luxussanierungen o.ä. verdrängt werden.
  • Boden darf nicht mehr privatisiert werden. Denn für sozialen Wohnungsbau braucht es Flächen, auf denen gebaut werden kann. Mit jedem verkauften Quadratmeter nimmt sich eine Kommune Handlungsspielraum. Um das zu lösen müssen Flächen zurückgekauft werden und in Zukunft mit dem Erbbaurecht und Bodenfonds gearbeitet werden.

 

Infrastruktur und Verkehr

Jede Kommune, ob Stadt oder Land, braucht einen funktionierenden, klimafreundlichen, ticketfreien und barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr. In ländlichen Kommunen braucht es massive Investitionen in öffentlichen Verkehr, damit tatsächlich alle Einwohner*innen diesen nutzen können. In städtischen Räumen fordern wir eine Umrüstung von motorisiertem Individualverkehr und möglichst ganzheitliche, emissionsfreie Lösungen. Wir fordern nicht weniger als eine komplette Verkehrswende.

  • Die Fahrzeuge der öffentlichen Hand (Postwagen, Dienstfahrzeuge, Ordnungsamt, Straßenreinigung) sollen auf Elektro- oder Wasserstoff-Hybridfahrzeuge umgerüstet werden.
  • Es braucht massive Investitionen in klimafreundlichen öffentlichen Personennahverkehr und Nachtfahrpläne müssen ausgebaut werden. Die Echtzeitkommunikation zwischen den verkehrsbetreibenden Betrieben und den Kund*innen muss verbessert werden.
  • Verschiedene Verkehrsmittel müssen leichter und kostengünstiger miteinander kombiniert werden.
  • Die einzelnen Verkehrsverbünde müssen Lösungen für einen besseren Übergang zwischen ihren Gebieten anbieten. Außerdem muss der Pendler*innenverkehr stärker berücksichtigt, um auch ein Leben außerhalb der Stadt oder am Stadtrandgebiet attraktiv zu machen und durch eine bessere Anbindung in die Innenstadt, eine Dezentralisierung zu unterstützen.
  • Radwege und Radschnellwege müssen ausgebaut werden.
  • Die Innenstädte müssen von dem massiven Verkehrsaufkommen entlastet werden, der motorisierte Individualverkehr muss zugunsten des ÖPNVs zurückgefahren werden. Ausgenommen sind Lieferverkehre.
  • In weniger dicht besiedelten und ländlichen Räumen muss es spezifische Lösungen geben, um Mobilität für alle zu gewährleisten. Der Ausbau von Buslinien, die Entwicklung kommunaler ÖPNV-Apps als Weiterentwicklung von Anruf-Sammel-Taxis, der Ausbau von öffentlichen Car-Sharing-Projekten und eine Prüfung, ob stillgelegte Schienennetze wieder reaktiviert werden können, liefern konkrete Ansätze.
  • Die digitale Infrastruktur muss insgesamt ausgebaut werden und sich vor allem an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und nicht an Wirtschaftlichkeit orientieren.

 

Jugend
Gerade Kommunen in strukturschwachen Räumen werden für junge Menschen immer unattraktiver. Wir Jusos wollen Kommunen schaffen, die auch für die jungen Menschen Perspektiven bieten, die nicht in die Metropolen ziehen wollen oder können. Eine Politik für die Jugend braucht daher:

  • eine stärkere Beteiligung an städtischen Entscheidungen, denn Jugendpolitik darf nicht ausschließlich von älteren Generationen beschlossen werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass es sich bei den Formen von jugendlicher Beteiligung um offene Formate handelt und anstatt von Elitenprojekten allen Jugendlichen einer Kommune die Möglichkeit zur Mitsprache und Beteiligung gegeben wird.
  • die Förderung und den Ausbau von Jugend- und Freizeitzentren, denn diese schaffen Räume der Kreativität und der Entspannung.

 

Schule und Bildung
Bildung findet für uns nicht nur in der (Hoch-)Schule statt, sondern geht von der KiTa bis zur Volkshochschule und darüber hinaus.

  • Wir fordern einen massiven Ausbau von KiTa- & KiGa-Plätzen, der kostenlos für alle Kinder ist und nicht nur dort, wo es sich Städte und Kommunen leisten können.
  • Inklusive und ganztägige Gesamtschulen müssen ausgebaut werden.
  • Die Gebäudeinfrastruktur von Bildungsstätten muss von den Toiletten, über die Wärmedämmung bis hin zum Medienraum wo nötig saniert.
  • Auszubildende und Studierende müssen gemeinsam in Berufsbildungszentren lernen können.
  • Kommunen müssen sicherstellen, dass sich Menschen auch im Erwachsenenalter beruflich weiter- und fortbilden können, auch an Berufsschulen
  • Lebenslanges Lernen muss für jede*n ermöglicht werden.

 

Umwelt und Natur
In der aktuellen Debatte um den Klimawandel fällt vor allem auf: Die meisten Diskussionen drehen sich rund um Grundsatzentscheidungen, die oftmals noch nicht mal auf der Bundesebene gefällt werden können. Denn der Klimawandel ist ein globaler. Trotzdem ist es auch auf kommunaler Ebene möglich einen Teil zu einer geschützten Umwelt und Vielfalt der Natur beizutragen.

  • Kommunen müssen gegen Flächenversieglung vorgehen und diesen Ansatz in die Planungspolitik einbinden.
  • Die Gülleausfuhr auf landwirtschaftlichen Flächen muss aus ökologischen und gesundheitsschädlichen Gründen strikter reglementiert und verringert werden.
  • Wälder müssen aufgeforstet und die natürliche Artenvielfalt erhalten werden. Hierzu gehört auch eine insektenfreundliche Grünflächenplanung, das Ansiedeln von Bienenvölkern und die Einrichtung von Schutzräumen für Fledermäuse, Vögel und Wildinsekten.
  • Stehende Gewässer und Fließgewässer müssen geschützt werden.
  • Öffentliche Beete, Obststräucher und -bäume sollen angeboten werden.
  • Die Dächer von öffentlichen Gebäuden und Bushäuschen müssen wir begrünen oder mit Solaranlagen ausstatten.
  • Bei Planungsvorhaben muss die Schaffung von Grünflächen in Neubaugebieten und neuen Wohnanlagen vorgeschrieben werden.

 

Verwaltung
Öffentliche Verwaltungen werden gerne mit Bürokratiemonster verglichen. Unsere Vision ist eine bürger*innennahe Verwaltung.

  • Auch in der Verwaltung muss die Digitalisierung Einzug finden, sei es durch einfache Online-Antragstellungen oder bürger*innenfreundliche Web-Präsenzen.
  • Gerade öffentliche Verwaltungen müssen den Querschnitt der Gesellschaft abbilden, also mehr Frauen in führenden Positionen, auch und erst recht in technischen Berufen.
  • Die Spitzenpositionen und leitenden Gremien der kommunalen Töchterunternehmen müssen ebenfalls paritätisch besetzt werden.

 

Gesundheitsversorgung 
Kommunen und Städte müssen eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung sicherstellen.

  • Gerade in ländlichen Räumen dürfen Einwohner*innen nicht von der medizinischen Grundversorgung abgehängt werden. Dazu gehören nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Hausärzt*innen und Apotheken.
  • Um die ambulante Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, fordern wir die Neuberechnung der Bedarfsplanung. Denn der Bedarf an Fachärzt*innen sollte nicht von Anzahl der Einwohner*innen abhängig sein, sondern muss nach dem tatsächlichen Bedarf der Kommune gerichtet werden.
  • Nach wie vor fordern wir die Rekommunalisierung von Krankenhäusern. In Anbetracht der finanziellen Lagen vieler Kommunen kann dies jedoch nur geschehen, wenn die Kosten von höheren politischen Ebenen getragen werden.

 

Kultur
Kultur ist mehr als nur Theaterstücke und Kunstgalerien, sondern findet auch innerhalb der Nachbarschaft und auf offener Straße statt.

  • Jede*r muss die Möglichkeit bekommen, am Kulturangebot teilzuhaben, wir fordern mittelfristig kostenlosen Eintritt in Kulturstätten und Museen.
  • Stadtteilzentren und Begegnungsstätten sind Orte des Miteinanders, deren elementarer Bestandteil die verschiedenen Kulturen im Stadtteil sind. Diese müssen finanziell stärker unterstützt werden.
  • Wir fordern Flächen für Graffiti-Projekte und andere Kunst. Sie verleihen Vierteln Attraktivität.
  • Auch in weniger dicht besiedelten Gegenden müssen subkulturelle Angebote Raum bekommen.

 

Sport
Sport ist für uns unentbehrlich bei der Integrations- und Bildungsarbeit. Leistungsfähigkeit entwickeln, Selbstbewusstsein stärken und ehrenamtliches Engagement leben – all das ermöglicht der Sport.

  • Bestehende öffentliche Sportstätten müssen dringend erhalten und modernisiert, neue Sportstätten eingerichtet werden.
  • Jede Kommune muss für Vielfalt von Sportangeboten sorgen.
  • Vereine müssen einen barrierearmen Zugang zu öffentlichen Fördergeldern bekommen.
  • Kunstrasenplätze müssen auf Nachhaltigkeit geprüft werden.
  • Gleichstellung ist auch im Sport ein Thema. Viele Vereine bieten trotz potenziell vorhandener Nachfrage keine Mädchen- oder Frauenmannschaften an. Dies muss sich ändern. Denkbar wäre eine Steuerung über die Vergabe der städtischen Mittel.

 

Demokratisierung und Partizipation
Die Kommune ist die Entscheidungsebene, auf der Bürger*innen lebensnah mit Demokratie und politischen Entscheidungen in Berührung kommen. Einwohner*innen haben Anspruch darauf, an städtischen und kommunalen Entscheidungsprozessen teilzunehmen.

  • Wir fordern eine stärkere Einbeziehung von Bürger*innen in Entscheidungsprozesse.
  • Ehrenamtliches Engagement muss gestärkt und gefördert werden.
  • Die öffentliche Daseinsvorsorge muss in der öffentlichen Hand liegen.
  • Die Unterstützung von Organisationen und Initiativen, die gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kämpfen, muss deutlich erhöht werden.
  • Partner*innenorganisationen oder lokale Initiativen und Organisationen müssen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, zum Beispiel Gewerkschaftsjugenden in die Planung von Berufsschulen oder Stadtteilinitiativen in die Planung des öffentlichen Platzes.

 

Europa
Europa ist wichtig für die Kommunen und die Kommunen sind (vielleicht noch wichtiger) für Europa. Neben Förder- und Entwicklungsprogrammen können Kommunen durch die aktive Unterstützung von Austausch einen essenziellen Beitrag zu Zusammenhalt auf europäischer Ebene leisten.

  • Partnerschaften mit anderen Kommunen müssen mit Leben gefüllt, durch Austauschfahrten von Bürger*innen bekräftigt und ausgebaut werden. Dies kann zum Beispiel unter Einbezug von Vereinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen passieren.
  • Es müssen Plattformen geschaffen werden, die barrierefrei über unterschiedliche Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte informieren und auf andere Seiten weiterleiten.
  • In Abhängigkeit des kommunalen Haushalts können Austausche, Auslandsaufenthalte von Schüler*innen, Auszubildenden, Freiwilligen und Studierenden mit einkommensschwachen Hintergrund durch spezielle Fonds unterstützt werden, um die soziale Durchlässigkeit der Programme zu verbessern.
  • Die Arbeit der EuRegios soll durch den Ausbau des grenzübergreifendes ÖPNVs unterstützt werden und die Zusammenarbeit im Generellen noch mehr gefördert werden.