Junge Menschen nicht im Regen stehen lassen – Gute Ausbildung in Europa gegen die Jugendarbeitslosigkeit

Wir Jusos kämpfen für ein Europa, das offen, frei und vielfältig ist. Wir stehen für ein solidarisches Europa, das in Zeiten eines immer weiter globalisierten Arbeitsmarktes Sicherheit und Perspektiven für Arbeitnehmer*innen gewährleisten muss.
Zu den heftigsten Auswirkungen der Finanzkrise 2008 gehört die bis heute eklatant hohe Jugendarbeitslosigkeit – vor allem im Süden Europas. 2017 war rund ein Fünftel aller Jugendlichen in Europa arbeitslos. In Griechenland, Spanien und Italien ist die Quote am höchsten. Viele arbeitslose junge Menschen haben keine oder nur eine abgebrochene Ausbildung. Sie leiden unter mangelnden Angeboten ebenso wie unter für sie nachteiligen (Aus)Bildungssystemen.
Deshalb brauchen wir neben den Investitionen gegen die Jugendarbeitslosigkeit einen zweiten Schritt: Die Schaffung eines europäischen Bildungsrahmens, der sowohl die Bedingungen und Chancen der Jugendlichen vor Ort, als auch ihre Mobilität und Chancen auf dem gesamteuropäischen Binnenmarkt erhöht! Europäischer Austausch darf nicht nur auf die Angleichung der (Hochschul-)Bildungsgänge beschränkt bleiben. Auch die Berufsausbildung muss europäisch werden!
Einen gemeinsamen Rahmen nach Vorbild des dualen Ausbildungssystems
In vielen Bereichen lässt sich das duale Ausbildungssystem zum Vorbild nehmen, wie es in unterschiedlichen Variationen in der Bundesrepublik, Österreich, Dänemark und z.T. in den Niederlanden praktiziert wird. Ein entscheidender Vorteil ist die Partnerschaft von Betrieben, Gewerkschaften und Bildungsträger*innen. Dadurch wird das Erlernen von Fähigkeiten gesichert, die nicht auf einen Betrieb/eine Branche beschränkt ist. Zudem werden durch staatliche Beteiligung Rahmenbedingungen geschaffen, die Standards festschreiben (wie z.B. im BBiG oder der Handwerksordnung). Außerdem wird Sorge dafür getragen, dass in den Ausbildungsrahmenplänen Bildungsinhalte vereinbart werden, die unter anderem die Rolle von Interessenvertretungen der Beschäftigten vermitteln und die Interessenlage von Auszubildenden und späteren Beschäftigten im Wirtschaftssystem. Auch die Vergütungen sind an gesetzliche Regelungen gebunden. Das schafft Sicherheiten für die Auszubildenden und steigert die Akzeptanz ihrer Abschlüsse. In Deutschland wirkt das duale Ausbildungssystem als wesentlicher Faktor gegen Jugendarbeitslosigkeit. Einige Staaten haben Bausteine aus dem dualen System bereits übernommen, allerdings teilweise ohne die zwingende Beteiligung von Gewerkschaften zum Beispiel in den Berufsbildungsausschüssen. Eine Erarbeitung europäischer Standards würde sowohl Wertigkeit als auch Vergleichbarkeit der Ausbildungen schaffen und somit die Chancen auf Übernahme bei den Auszubildenden steigern.
Wir fordern:

 

    • Eine Ausbildungsgarantie für alle europäischen Länder. Wir setzen europaweit auf die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf eine mindestens dreijährige berufliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Diese Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden konnten, soll spätestens zwei Monate nach Beginn des jeweiligen Ausbildungsjahres gelten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist auf jeden Fall die Jugendgarantie, diese muss aber noch weitergehender sein. Ein Teil einer europäischen Ausbildungsgarantie muss sein, dass der Staat – also Kommunen, Kreisverwaltungen, Behörden des Landes und des Bundes – hochwertige duale Ausbildungsplätze deutlich über dem eigenen Bedarf anbietet. Es kann nicht sein, dass staatliche Stellen – wie es aktuell an vielen Stellen traurige Realität ist – selbst viel zu wenige Ausbildungsstellen anbieten, um dann später gefragte Fachkräfte auf dem Markt abzuwerben.

 

    • Die Erarbeitung eines gesamteuropäischen Ausbildungsrahmens mit der Schaffung von gemeinsamen Standards. Das Ausbildungssystem muss in einer Partnerschaft zwischen den Sozialpartner*innen, Behörden und Berufsbildungseinrichtungen geregelt werden. Die Bildung der Auszubildenden und die Garantie ihrer Rechte müssen dabei im Vordergrund stehen. Die Verknüpfung zwischen einer mehrjährigen schulischen und betrieblichen Ausbildung ist unabdingbar! Die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Auszubildenden nachkommen und die Bedingungen der Ausbildung müssen und in einem Arbeitsvertrag festgehalten werden. Die Auszubildenden dürfen also faktisch keine Schüler*innen sein, die ein Praktikum absolvieren, sondern haben einen vertraglich geregelten Status angehender Fachkräfte.

 

    • Keine weitere Stärkung von modularen Ausbildungselementen zum Ausbildungsbeginn. Berufsausbildung ist für uns der vollumfängliche Erwerb von Fertigkeiten eines gesamten Berufsbildes. Auszubildende müssen befähigt werden, die erlernten Fähigkeiten ohne große Anlernzeit in anderen Betrieben/Unternehmen anwenden zu können. Erst nach Erlangung einer Berufsausbildung nach diesem Maßstab können modulare Spezialisierungen sinnvoll sein.

 

    • Eine Vergleichbarkeit der Ausbildungsabschlüsse ähnlich wie beim Europäischen Qualifizierungsrahmen. Im Idealfall sollte klar festgelegt werden, welche Qualifikation man nach Abschluss seiner Berufsausbildung erreicht hat. Modelle, in denen die Auszubildenden Vollzeit in der Schule ohne Betrieb ausgebildet werden, sollten nur einen geringfügigen Anteil haben. Dazu gehört auch, dass es eine Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung gibt.

 

    • Eine Beteiligung von Gewerkschaften und anderen Beschäftigtenvertretungen an der Erarbeitung der europäischen Ausbildungsrahmen.

 

    • Eine öffentliche Förderung von tariflichen oder sonstigen Garantieerklärungen zur Übernahme der Auszubildenden. Denn alle Auszubildenden brauchen eine sichere berufliche Perspektive nach ihrer Ausbildung!

 

    • Eine Sicherstellung, dass Auszubildende in der Zeit ihrer Ausbildung von ihrer*m Arbeitgeber*in nach Tarif oder nach einer europäischen Mindestausbildungsvergütung bezahlt werden. Dies muss einhergehen mit der Forderung nach einem europäischen Mindestlohn.

 

Europäische Mobilität stärken
Lernen ohne Grenzen ist ein elementarer Grundstein europäischer Freizügigkeit. Deshalb müssen Anreize und Angebote für Auszubildende mehr gefördert werden, eine Ausbildung im Ausland oder auch nur ein Praktikum absolvieren zu können. Das Erasmus+ Programm der Europäischen Union bietet schon die Möglichkeit an, sich im Ausland weiterzubilden. Die Erhöhung des Budgets für den Zeitraum 2014 bis 2020 um 40 Prozent war deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt ist es wichtig, dass Erasmus+ auch nach 2020 fortgesetzt und weiterentwickelt wird. Im Rahmen eines stetig globalisierten Arbeitsmarktes sowie der Ausweitung von multinationalen Unternehmen müssen auch die Unternehmen Angebote des Austausches ihrer Auszubildenden schaffen und Aus- sowie Weiterbildung stärken.
Wir fordern:

 

    • Eine deutliche Erhöhung des Bildungsbudgets im EU-Gesamthaushalt inklusive einer Erhöhung des Budgets für Erasmus+ . Wie die Zwischen-Evaluierungen zeigen, ist die Nachfrage größer als die zur Verfügung stehenden Mittel. Wer die Mobilität steigern will, muss deshalb deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen.

 

    • Eine gerechtere Mittelaufteilung zwischen den verschiedenen Programmbereichen. Mit 43 Prozent fließt ein großer Anteil des Gesamtbudgets von Erasmus+ in den Bereich Hochschulbildung. Die allgemeine und demokratische Erwachsenenbildung (5 Prozent), die berufliche Bildung (22 Prozent), die Schulbildung (15 Prozent) und der Jugendbereich (10 Prozent) stehen dagegen deutlich zurück. Um die Mobilität in allen Programmbereichen zu stärken, müssen die Mittelaufteilung verändert und Mindestbudgets geschaffen werden.

 

    • Eine Stärkung von Erasmus+ auch für die Weiterbildung. In der Praxis wird Erasmus+ oft ausschließlich mit dem Förderschwerpunkt der 18-25 Jährigen assoziiert. Im künftigen Programm muss daher die Idee des lebenslangen Lernens viel stärker verankert werden.

 

    • Die Schaffung eines ganzheitlichen Bildungsbegriffes für Erasmus+. In den vergangenen Jahren war der Bildungsbegriff europäischer Bildungsprogramme stark fokussiert auf Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit. Bildungsmobilität muss aber deutlich mehr sein als eine Beschränkung auf eng begrenzte berufliche Qualifikationen. Sie muss auch einer gesellschaftlichen und kulturellen Beteiligung an einer gemeinsamen demokratischen europäischen Gesellschaft dienen. Der europaweite Ausbau eines Berufsschulnetzwerkes muss vorangetrieben werden um einen ganzheitlichen theoretischen Bildungsansatz innerhalb des Ersasmus+ zu sorgen. Deshalb muss der Bildungsbegriff für das neue Programm ausgeweitet werden.

 

  • Die Stärkung von Instrumenten, die den Austausch von Auszubildenden in multinationalen Konzernen stärken, ganz konkret mit der Gründung von europaweiten Jugend- und Auszubildendenvertretungen.