Medienkompetenz in der digitalen Gesellschaft

Wir erleben gegenwärtig einen Wandel der Medien und des Umgangs mit Medien, der uns gesellschaftlich vor neue Herausforderungen stellt. Mit der Digitalisierung dringen die neuen Medien in immer neue Bereiche des Lebens ein und werden allgegenwärtig. Gleichzeitig verändern sich die klassischen Medien, um auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Insbesondere die so genannten ‚neuen‘ Medien entwickeln im Zuge dieser Veränderungen Formen und Inhalte, die in ihrem Umfang und in ihrer Qualität völlig neu sind und einen veränderten Umgang mit ihnen erfordern. In den vergangenen Jahren und Monaten ist uns an vielen Stellen vor Augen geführt worden, dass der kompetente Umgang mit Medien keine Selbstverständlichkeit ist und eine Verbesserung dieser Situation in vielen Bereichen der digitalen Gesellschaft die Selbstbestimmung der Menschen stärken kann. Nur kompetente MediennutzerInnen können sinnvoll vor Gefahren geschützt werden und gleichzeitig die Chancen dieses Medienwandels ergreifen. Datenschutzskandale weisen nicht nur auf Mängel auf Seiten der Unternehmen und Anbieter hin, sondern zeugen auch von einem sehr sorglosen Umgang mit persönlichen Daten in digitalen
Medien. Die Debatte rund um die gescheiterte Novelle des Jungendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) hat gezeigt, dass verschiedene Generationen die Risiko- und Gefährdungspotentiale digitaler Medien unterschiedlich bewerten. Abmahnungen und Abzocke im Internet vergegenwärtigen uns, dass etablierte Muster der Einschätzung von vertrauenswürdigen Partnern in neuen Kommunikationstechnologien nicht funktionieren. Phänomene wie Cyber-Mobbing und die naive Präsentation persönlicher Daten und Informationen zeigen, dass das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit unter Druck gerät und die Reichweite individueller Handlungen nicht immer korrekt eingeschätzt wird. Der lässige Umgang mit Quellen und der Bezug von Informationen und ein decken mangelndes
Verständnis für die Qualität und Relevanz von (vermeintlichen) Fakten auf. Demokratische Beteiligung über digitale Verfahren wie Online-Votings, Diskussionsforen oder OpenData-Initiativen können nur genutzt werden, wenn Unsicherheiten und Ängste durch Wissen abgebaut werden können.
Die NRW Jusos streben daher eine umfassende Auseinandersetzung in der Gesellschaft mit Fragen der Medienkompetenz an. In allen Generationen und gesellschaftlichen Schichten kann durch eine verbesserte Medienkompetenz ein sicherer, souveräner und selbstbestimmter Umgang mit Medien erreicht werden, der die Menschen zu kompetenten NutzerInnen der gesellschaftlich verbreiteten Technologien macht.  Unser Verständnis von Medienkompetenz greift dabei auf einen breiten Medienbegriff zurück und unterscheidet nicht zwischen vermeintlich klassischen und neuen Medien. Medien durchdringen unser Leben on- und offline und stellen uns vor große Herausforderungen. Medienkompetenz ist in unserem Verständnis eine vielschichtige Kompetenz, die auf verschiedenen Ebenen ansetzt. Medienkompetenz zielt dabei gleichermaßen auf Inhalt und Technik der Medien ab. Wir unterscheiden dabei vier Ebenen:
1. Was sind Medien, was tun sie und welche Zugangsmöglichkeiten gibt es?
2. Wie erhält man durch Medien Informationen, worin unterscheiden sich verschiedene Medien(typen), wer macht Medien und warum?
3. Medienkritik und Medienreflexion, Medien hinterfragen und bewerten
4. Medien gestalten

Vermittlung von Medienkompetenz als gesellschaftliche Aufgabe

Zentral für die Vermittlung von Medienkompetenz ist das Ziel, Kindern und Jugendlichen Sicherheit in der Nutzung und im Umgang mit Medien zu vermitteln und sie so zu souveränen AnwenderInnen nach ihren eigenen Bedarfen zu machen. Zentrale Voraussetzung für den kompetenten Umgang mit Medien ist ihre unmittelbare Erfahrbarkeit. Broschüren und andere Werbematerialien können nicht das Vermitteln, was ein Austesten und Ausprobieren der eigenen Fähigkeiten in geschützten Umgebungen und unter fachkundiger Begleitung ermöglicht. ErzieherInnen in Kindergärten und Kindertagesstätten müssen für Fragen der Kinder und Eltern zu Medien und Mediennutzung ansprechbar sein. Bereits kleine Kinder müssen die Möglichkeit haben, mit erfahrenen ErzieherInnen über ihre Medienerfahrung zu sprechen und Eltern müssen kompetente Ansprech-partnerInnen bei Unklarheiten zur Mediennutzung ihrer Kinder haben. Um dies auch nachhaltig zu gewährleisten müssen entsprechende Elemente in die bereits jetzt sehr gute Ausbildung der ErzieherInnen aufgenommen werden. Kindergärten und Kindertagesstätten sind ein Ort in dem Medienkontakt spielerisch vermittelt werden muss, um Kindern diese Bereiche
erfahrbar zu machen – ohne bereits Medienkompetenz im engeren Sinne zu vermitteln zu müssen. LehrerInnen müssen den jeweiligen Alters- und Lernniveaus angemessene Lern- und Erfahrungsangebote mit verschiedenen Medien machen. Medienkompetenz muss ein wichtiger Baustein schulischer Bildung werden, um Kindern das Hineinwachsen in eine von Medien geprägte Gesellschaft zu erleichtern. Wir streben eine Weiterentwicklung des klassischerweise vor allem technisch geprägten Informatik-Unterrichts zu einem Medien-Unterricht, der technische und inhaltliche Fragen und Diskussionen verbindet. In Berufsschulen und in der betrieblichen Ausbildung müssen die geschaffenen Grundlagen dann berufs- und anforderungsspezifisch weiterentwickelt werden. Die technische Ausstattung von Schulen muss so aufgestellt werden, dass Medien- und Informatikunterricht für alle SchülerInnen zur Regel wird und nicht kleinen Gruppen mit Vorkenntnissen und/oder Spezialinteressen vorbehalten bleibt. Medien müssen durch alle Alters- und Schulstufen hindurch ein kontinuierlicher Bestandteil des Unterrichts sein. Dazu müssen auch Computer und entsprechende Software zu Lehrmitteln erklärt und in Lehrpläne eingebaut werden, um eine Finanzierung über das Land NRW sicherzustellen und die Ausstattung von Schulen nicht von der Haushaltslage der Kommunen abhängig zu machen. Schulische Maßnahmen sind ein zentraler Bestandteil der Förderung von Medienkompetenz, sind aber strukturell an bildungspolitische Anforderungen gebunden. Daher müssen in der
außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ebenfalls entsprechende Angebote geschaffen werden. Kinder- und Jugendliche müssen Gelegenheit haben, sich unter kompetenter Begleitung im Netz auszuprobieren und bei Unsicherheiten AnsprechpartnerInnen haben und Hilfestellung bekommen. Hierzu notwendige Qualifikations- und Qualitätsrichtlinien müssen vom Land NRW in Zusammenarbeit mit den Trägern der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit entwickelt werden. Über die Landesjugendämter könnten solche Fortbildungen organisiert werden, entsprechende Möglichkeiten sind zu prüfen. In der LehrerInnen-Ausbildung an Universitäten muss die Vermittlung von Medienkompetenz im pädagogischen Begleitstudium institutionalisiert werden. Die Verankerung von Medienkompetenzausbildung im LehrerInnen-ausbildungsgesetz (LAbG) ist dafür unerlässlich. Medien sind für angehende LehrerInnen nicht nur Werkzeug sondern auch Unterrichtsinhalt und sie müssen beide Seiten der Nutzung an ihre zukünftigen SchülerInnen weitergeben können. Je nach Status und Form der Medienkompetenzbildung in Schulen ist die Einrichtung eines Ergänzungsfaches Medienkompetenz zu prüfen und Weiterbildungsangebote oder Aufbaustudiengänge für bereits tätige LehrerInnen sind einzurichten. In Studienfächern jenseits der LehrerInnenausbildung müssen insbesondere Fragen der Informationsbeschaffung und Medienreflexion intensiv diskutiert werden, um einen eigenverantwortlichen Umgang mit Wissen und Informationen zu erreichen. Bücher und gedruckte Materialien sind nicht mehr die alleinige Quelle für Informationen und Hintergründe. Digitale Medien nehmen hier in allen Disziplinen eine zentrale Rolle ein. Die Einschätzung der Qualität von Informationen und die Weiterverarbeitung von technisch flüchtigen Quellen müssen in allen Studienfächern erlernt werden. Auch jenseits von Schule, Ausbildung und Hochschule müssen bessere Angebote zur Medienkompetenz entstehen. In Volkshochschulen und öffentlichen Bibliotheken ist eine hervorragende Infrastruktur vorhanden, um allen Generationen und gesellschaftlichen Schichten entsprechende Angebote zu machen. Das betrifft vor allem Angebote an Eltern und Großeltern, um diese selbst zu kompetenten NutzerInnen zu machen, damit sie ihren Kindern und Enkeln auf Augenhöhe begegnen können. Nicht zuletzt müssen auch EntscheidungsträgerInnen aus Politik und Verwaltung Anlaufstellen haben, um sich mit neuen Entwicklungen in der Mediennutzung und im Medienangebot auseinander zu setzen, so dass sie jederzeit Gelegenheit haben, die digitale und digitalisierte Alltagswelt von Kindern und Jugendlichen aus deren Perspektive zu erfahren. Nur kompetente NutzerInnen können auch kompetente EntscheiderInnen sein. Medienkompetenz kann aber nur durch aktive Nutzung auch in demokratische und kulturelle Teilhabe münden. Das Land NRW muss daher Bürgerinitiativen in diesem Bereich und insbesondere Bürgermedien aktiv fördern und ihnen in der Medienlandschaft NRW genügend Raum geben. Über entsprechend unterstützte und niedrigschwellige Angebote kann hier Teilhabe gesichert werden. Die notwendige Infrastruktur und Rahmenbedingungen müssen federführend vom Land NRW gestaltet werden, um auch außerschulische Medienkompetenzförderung nicht von den kommunalen Haushalten abhängig zu machen. Die vermittelten Inhalte in allen Bereichen Medienkompetenz sind regelmäßig zu überprüfen und weiterzuentwickeln, da der technischen Wandel regelmäßig neue Fragen und Debatten zu Tage bringt. Medienkompetenz und Medienbildung kann nie auf gesichertes Wissen zurückgreifen, sondern ist mit einem sich ständigen wandelnden Phänomen befasst. Medienkompetenz ist kulturelle Kompetenz. Damit Kinder und Jugendliche sich in der digitalen
Gesellschaft als mündige BürgerInnen bewegen und an Arbeit, Bildung, Politik, Kultur und Gesellschaft teilhaben zu können, müssen entsprechende Grundlagen vor Ort geschaffen werden. Medienkompetenz kann Eigenverantwortung stärken und die staatliche Aufgabe vom utopischen Ziel des absoluten Schutzes hin zu einem angemessenen Risikomanagement verändern.