MEHR VERANTWORTUNG BEI DER POLIZEI

DAS STAATLICHE GEWALTMONOPOL

Die Polizei wird in Deutschland von einem Großteil der Bürgerinnen und Bürger als schützendes und helfendes Organ angesehen. Viele junge Menschen wissen nicht, was es bedeutet vor jedem Polizisten / jeder Polizistin Angst haben zu müssen, wie es in vielen Teilen der Welt bis heut an der Tagesordnung ist und auch in Deutschland einmal war. Die Polizei hilft in Notsituationen, klärt Straftaten auf und sorgt dafür, dass alle Bürger/innen sich an die geltenden Gesetze halten. Umso schockierender ist es für viele Menschen, wenn Polizist/innen sich selber nicht an die Gesetze halten oder ihr Gewaltmonopol missbrauchen. Die Bilder von Dietrich Wagner, der bei den friedlichen Protesten gegen Stuttgart 21 von einem Wasserwerfer getroffen wurde und seitdem praktisch blind ist, schockierten Deutschland und die Welt. Auch Bilder und Nachrichten von unverhältnismäßigen Pfeffersprayeinsätzen, verhafteten Bundestagsabgeordneten und Polizeibeamt/innen, die scheinbar blindlings auf friedliche Demonstrierende einprügeln, verunsichern viele Menschen und erschüttern den Glauben in die Polizei. Kommt es zu solchen oder ähnlichen Taten von Seiten der Polizei, bleiben die Täter/innen oft unbehelligt, da es schwer ist, sie auszumachen, da Polizeibeamt/innen aus einem kameradschaftlichem Geist heraus oft nicht gegeneinander aussagen oder da die Opfer Angst haben, sich juristisch zu wehren. Dieser Problematik muss die Politik mit Lösungsansätzen entgegentreten. Wir Jungsozialistinnen und Jungsozialisten bekennen uns zum demokratisch kontrollierten staatlichen Gewaltmonopol. In einer rechtsstaatlichen Gesellschaft kann nur der Staat die Aufgabe der Exekutive übernehmen. Dabei muss die Exekutive zu jedem Zeitpunkt von demokratisch gewählten Organen kontrollierbar und sanktionierbar sein. Ein Bekenntnis zum Gewaltmonopol des Staates
schließt eine Immunität der exekutiven Kräfte nicht mit ein. Um dies zu gewährleisten muss die demokratische Kontrolle weiter ausgeweitet werden und transparenter gestaltet werden. Wir fordern daher Kontrollgremien, die mit unabhängigen Expert/innen und Politiker/innen aller Fraktionen besetzt sind, öffentlich tagen und die Arbeit der Polizei überwachen. Diese Kontrollgremien sollen sowohl auf Bundesebene, als auch auf Ebene der Bundesländer eingerichtet und vom Bundestag respektive von den Landesparlamenten eingesetzt werden.

DIE POLIZEI-AUSBILDUNG
Die Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten ist die Grundlage, auf der die Arbeit der Polizei aufbaut. Diese Ausbildung muss mehr auf den Menschen ausgerichtet werden, dem die Polizei ja letztlich dient. Amnesty International1 und andere Menschenrechtsorganisationen haben Deutschland bereits mehrfach für Menschenrechtsverstöße durch Polizeibeamt/innen gerügt. Eine umfassende Menschrechtsbildung muss daher verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung werden. Diese muss von Expert/innen gelehrt und ebenso abgefragt werden, wie alle anderen Bestandteile der Ausbildung. Die Eignung für den Einsatz in geschlossenen Einheiten und bei Großeinsätzen, wie z.B. Demonstrationen, der Beamtinnen und Beamten soll fortlaufend in geeigneten Abständen überprüft werden. Des weiteren sollten Polizist/innen mehr Möglichkeiten zur Entspannung und Stressbewältigung gegeben werden. Dazu sollte es auch mehr (anonyme) Gesprächsmöglichkeiten geben. Wir begrüßen die gängige Praxis, dass Polizist/innen bereits in der Ausbildung mit vielen Arten von
Einsätzen konfrontiert werden und aktiv daran teilnehmen. Dabei muss aber stets darauf geachtet werden, dass die psychische und physische Gesundheit der Auszubildenden und der Bürger/innen nicht gefährdet wird. Wir halten es für unverantwortlich, dass Auszubildende bereits früh in ihrer Ausbildung in angespannten Situationen, beispielsweise bei Fußballspielen, eingesetzt werden und den gleichen Dienst verrichten, wie voll ausgebildete Beamt/innen. Der psychische Druck kann schnell zu einer Eskalation der Lage führen und bedeutet eine große Gefahr für alle Beteiligten.

KENNZEICHNUNGSPFLICHT
Bei Einsätzen in der Hundertschaft bzw. in geschlossenen Einheiten müssen endlich alle Beamt/innen durch eine individuell eindeutig zuzuordnende und gut sichtbare Kennzeichnung, zum Beispiel durch eine Nummer, erkennbar sein. Die Kennzeichnungspflicht schützt nicht nur Bürgerinnen und Bürger von Übergriffen, sie entlastet auch Polizeibeamt/innen, die Zeug/innen einer Straftat durch eine/n andere/n Polizist/in geworden sind und Hemmungen haben gegen diese/n auszusagen. Natürlich muss gewährleistet sein, dass diese Nummer – zum Schutz der Beamt/innen – pseudonym ist und keine direkte Verbindung zu dem Beamten bzw. der Beamtin zulässt. Wir begrüßen die Vorstöße von Berlin in diese Richtung. Ihre positiven Erfahrungen werden bei der
Umsetzung der Kennzeichnungspflicht in NRW, wo sie bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, und in den anderen Bundesländern hilfreich sein. Ziel muss es sein, dass alle Beamt/innen, die in Deutschland im Einsatz sind, der Kennzeichnungspflicht unterliegen.

AUSRÜSTUNG
Die Benutzung der Dienstwaffe von Polizeibeamt/innen kann nur die letzte Lösung in gefährlichen Situationen sein und wird auch heute in der Regel so eingesetzt. Polizist/innen müssen im Dienst um sich und andere zu schützen ihre Dienstwaffe zur Hand haben. Bei einem Einsatz in einer Hundertschaft
oder einer geschlossenen Einheit ist die Situation jedoch anders. Hier ist der unmittelbare Kontakt der Polizei zu einer großen Menschenmenge gegeben. Eine Dienstwaffe ist hier ein zusätzliches Risiko. In unübersichtlichen Situationen kann sie verloren gehen oder entwendet werden, was eine sicherheitstechnische Katastrophe wäre. Selbst in einer unmittelbaren Bedrohungssituation ist – alleine durch die Menschenmenge – die Gefahr, dass Unbeteiligte durch den Gebrauch der Waffe zu Schaden kommen, enorm hoch. Sinnvoller wäre es die Dienstwaffe im Hundertschaftsdienst bzw. in geschlossenen Einheiten nicht mitzuführen. Zum unmittelbaren Schutz der Beamt/innen und der Bürger/innen sollten stattdessen nur Beamt/innen, die speziell geschult sind und sich im Hintergrund
halten mit einer Dienstwaffe ausgerüstet sein. So kann ein Schutz gewährleistet werden, ohne die Gefahren unnötig zu erhöhen. Wir fordern ein Verbot Pfefferspray bei der Polizei. Zwischen Juni und Dezember 2009 hat es alleine in Deutschland nachgewiesenermaßen drei Tote durch den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei gegeben2, die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch höher. Insbesondere für Asthmatiker/innen, Menschen mit  Atemwegserkrankungen und Menschen unter dem Einfluss von Psychopharmaka, Drogen oder Alkohol kann Pfefferspray schnell zu einer gefährlichen – mitunter sogar tödlichen – Waffe werden. Zu oft wird das Pfefferspray von der Polizei präventiv, und nicht nur zur direkten Gefahrenabwehr, eingesetzt. Insbesondere fordern wir ein Verbot der sogenannten „Pepperballs“, also Pfefferspraygeschosse. Solche Geschosse wurden gegen friedliche Blockaden in Dresden eingesetzt und sind äußerst gefährlich. Eine Passantin wurde 2004 durch so ein Geschoss getötet3. Das bereits existierende Verbot von Gummigeschossen steht in unseren Augen nicht zur Diskussion. Auch den Einsatz von Tasern als Bewaffnung von Polizeieinheiten lehnen wir entschieden ab.
Wir fordern einen deutlich restriktiveren Einsatz von Wasserwerfern bei Demonstrationen oder Blockaden. Wie das oben genannte Beispiel aus Stuttgart zeigt, kann es durch den Einsatz von Wasserwerfern schnell zu gefährlichen Verletzungen kommen. Weiterhin sind beim Einsatz von Wasserwerfern oft Unbeteiligte gefährdet. Deshalb sollten Wasserwerfer nur eingesetzt werden dürfen, wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht die Situation zu kontrollieren. Der Einsatz
sollte als letztes Mittel gewählt werden und ist von einem/einer Verantwortlichen anzuordnen, der oder die auch im Nachhinein den Einsatz rechtfertigen können muss. Bei Demonstrationen im Winter wurde von Wasserwerfereinsätzen bei Minusgraden berichtet. Auch hier liegt eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen vor. Den Einsatz bei niedrigen Temperaturen lehnen wir daher generell ab.

FAZIT
Die Polizei ist wichtiger Bestandteil einer Gesellschaft. Polizeibeamt/innen müssen im Einsatz geschützt sein. Dabei dürfen aber die Menschenrechte anderer Menschen niemals verletzt werden. Die momentane Gesetzeslage hat hier zu viele Lücken, die dringend geschlossen werden müssen. Wir kämpfen gegen Polizeigewalt und für einen verhältnismäßigen und verantwortungsvollen Polizeieinsatz in allen Situationen.

1 siehe z.B. http://www.amnestypolizei.de/                                                                                                                                                                                                                      2 siehe: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/moegliche-wechselwirkung-mit-drogen-todesfaelle-nach-pfefferspray-einsatz-a-668996.html
3 siehe: http://www.boston.com/news/local/articles/2005/09/21/in_snelgrove_files_officers_recount_night_of_chaos/?page=full