WACHSTUM WEITERDENKEN – FORTSCHRITT UND NACHHALTIGKEIT ALS LEITPLANKEN FÜR EIN GUTES LEBEN

ANALYSE DER BISHERIGEN WACHSTUMSFOLGEN: FORTSCHRITT BEGLEITET  VON ARMUT UND UMWELTZERSTÖRUNG

Der Kapitalismus und die Industrialisierung haben, vor allem in der westlichen Welt, vorher niegekannten Reichtum geschaffen. Technische Innovationen führten zu nie gekanntem Wachstum. Für die Arbeit zogen Menschen vom Land in die Stadt. Der Trend der Urbanisierung hat sich vollzogen, damit verbunden auch eine steigernde Nachfrage nach Lebensmitteln, Energie, Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Dank der enormen, vor allem industriellen Produktivkräfte des Kapitalismus konnte diese Nachfrage gestillt und Wohlstand erzeugt werden.

Die andere Seite der Medaille ist, dass es dem Kapitalismus immanent ist, Mensch und Natur auszubeuten und zu zerstören. Sei es durch den Abbau von fossilen und atomaren Energien oder durch die Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen.

In Teilen Europas ist es zwar gelungen, die Verwerfungen des Kapitalismus in manchen Teilen  abzuschwächen – zum Beispiel durch Sozial- und Interventionsstaatlichkeit sowie gewerkschaftliche Gestaltungskraft. Doch selbst hier hat das bisherige Wachstum, auf die Spitze getrieben von seinen neoliberalen Auswüchsen (Verengung auf shareholder value), viele negative Begleiterscheinungen mit sich gebracht. Große finanzielle Gewinne für wenige sind derzeit von ihrer sozialen und   gesellschaftlichen Verantwortung ausgenommen. Sie bedrohen das Miteinander in unserer Gesellschaft.

I. Steigender Reichtum für Wenige und wachsende Armut für Viele.

Die Kehrseite unseres gesellschaftlichen Reichtums ist Armut und Ungleichheit: dies gilt sowohl im globalen Sinne, bezogen auf die Verknüpfung des Reichtums im Norden und der Armut im Süden, in dem noch fast eine Milliarde Menschen nicht genug zu Essen haben; wie auch innerhalb der westlichen Gesellschaften selbst, in denen sich die Vermögensverteilung in den letzten fast 40 Jahren immer ungleicher gestaltet hat, so dass in der Bundesrepublik die reichsten 10 Prozent inzwischen weit mehr als 60 Prozent des Gesamtvermögens besitzen. Im Juli 2015 gab die Bundesbank zudem bekannt, dass das private Vermögen in Deutschland noch nie so hoch war wie zu diesem Zeitpunkt.

II. Wir leben in einer Wegwerf- und Verschwendungsgesellschaft.

Ressourcenverschwendung ist eine weitere große Schattenseite unserer Produktionsverhältnisse. Ob bei Produkten der Energieversorgung, Inlandsflügen, bei Haushaltsprodukten oder den Gütern im Supermarkt; ob Treibhausgasausstoß, nicht wiederverwertbare Rest- oder Giftstoffe und nicht  vollständig recycelbare Plastikverpackungen: Die gesellschaftlichen Konsum- und Investitionsprozesse gehen derzeit fast automatisch damit einher, dass externalisierte Umweltschäden entstehen und meist reglos akzeptiert werden.

Nach Johan Röckström (Direktor des Stockholm Resilience Centers) lassen sich neun Dimensionen des Erdsystems ausmachen, die für die Befriedung vitaler Grundbedürfnisse der Menschheit von zentraler Bedeutung sind. Sie alle haben in den letzten Jahrhunderten kritische Veränderungen durch den Menschen erfahren. Dazu gehören der menschengemachte Klimawandel durch eine Treibhausgasverdichtung in der Atmosphäre; die Versauerung der Meere; der Zerstörung der Ozonschicht; Veränderung des Stickstoff- und Phosphorzyklus; chemische Verschmutzung und der globale Frischwasserverbrauch. In dreien dieser Bereiche – Biodiversität, Klimawandel und beim Stickstoffzyklus – kommt Röckström zum Schluss, dass eine existenzielle Schädigung der natürlichen Lebensgrundlage vorliegt.

III. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Die bisherigen Reaktionen auf die Gefahren des Klimawandels und der Umweltverschwendung haben teilweise neue negative Folgen mit sich gebracht. Zum einen hat der Fokus auf Effizienzsteigerung häufig dazu geführt, dass die Nutzung allgemein noch weiter gestiegen ist (z.B. durch ein höheres Verkehrsaufkommen von Kraftfahrzeugen bzw. durch z.B. großer werdende Autos und der energetischen Sanierung von Gebäuden und die stärkere Nutzung von Heiz- und Klimaanlagen der positive Effekt zunichte gemacht wird). Diese Gegenentwicklung – bekannt unter dem Begriff „Rebound-Effekt“ – hat einen positiven Umwelt- oder Klimaeffekt häufig stark reduziert oder gar ins Gegenteil gekehrt. Zum anderen haben sich klima- und umweltschädliche Prozesse vom globalen Norden in den globalen Süden verlagert. CO2-intensive Produkte werden verstärkt in Asien hergestellt. In Südamerika werden Regenwälder gerodet, damit wir Palmöl und andere ‚nicht-nachwachsende’ Produkte ersetzen können. Diese Entwicklung hat in den Teilen der Welt, die vom globalen Wachstum weniger profitiert haben, zu zusätzlichen Verwerfungen geführt.

IV. Wirtschaftliches Wachstum hat keinen Sinn ohne sozialen Fortschritt.

Der Begriff „Wachstum“ in Bezug auf Volkswirtschaften wird in der politischen Diskussion meist als Abkürzung für die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts benutzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Summe aller produzierten Güter und Dienstleistungen in einem bestimmten Land in einem begrenzen Zeitraum. Bei einem hohen Bruttoinlandsprodukt ist also ein Land insgesamt tendenziell reicher, weil mehr Güter und Dienstleistungen konsumiert werden können. Das BIP ist außerdem eng Verknüpft mit der Beschäftigung in einem Land: Wenn viel produziert und viele Dienstleistungen erbracht werden, ist natürlich tendenziell die Beschäftigung hoch und umgekehrt. Eine hohe BIP Wachstumsrate geht dementsprechend meist mit einer Senkung der Arbeitslosigkeit einher, während eine niedrige BIP Wachstumsrate oft mit steigender Arbeitslosigkeit verbunden ist. Die Änderungsrate des BIPs hat aus diesem Grund eine zentrale Rolle in der politischen Diskussion. Viele Menschen neigen auch dazu die BIP Wachstumsrate mit einem Erfolgsindikator für die Politik gleichzusetzen.

Wachstumsindikatoren wie das BIP erfassen jedoch ‚blind‘ den materiellen Wohlstand in einer staatlich eingegrenzten Gesellschaft. Hiermit haben wir grundlegende Probleme:

Erstens erfasst das BIP nicht das materielle Lebensniveau der Breite der Menschen in einer Gesellschaft. Beispielweise ist das BIP pro Kopf in Deutschland von 1999 bis 2005 um 5,4 Prozent gestiegen, was einem halben Monatslohn und drei Tagen mehr Urlaub gleichkäme. Doch in der gleichen Zeitperiode hat es keine Steigerung des Jahreseinkommens eines Durchschnittshaushalts gegeben (von 1993 bis 2005 ist dieses mittlere Einkommen sogar um 0,5 Prozent gesunken).

Zweitens berücksichtigt das BIP auch gesellschafts- und umweltschädliches Wachstum als positive Entwicklungen. Gesellschaftlich negative Folgekosten und -schäden werden ausgeblendet: Im dem Fall das der Neu- oder Ausbau eines Chemiewerks mit enormen Umwelt- und Wasserverschmutzungen einhergeht, wird dies trotzdem positiv als Wirtschaftswachstum verbucht. Drittens berücksichtigt das BIP nur die finanziell bezifferten Güter. Dieser Index hat keine qualitative und subjektive Komponente. Wenn bessere Produkte, Selbstreparatur und -produktion das Konsumverhalten der Menschen senken, hat dies negative Auswirkungen auf das BIP – trotz Steigerung der Lebensqualität der Menschen!

Das Ziel unserer Bemühungen ist, die gesellschaftliche Lebensqualität zu verbessern ohne dabei Schäden an Mensch und Natur zu verursachen. Ein gutes Leben für alle kann es zukünftig nur mit sozialem und ökologischem Wachstum geben.

Unser Ziel ist es das Verständnis von gesellschaftlichem Wohlstand und Fortschritt nicht auf das BIP zu verengen, sondern weiterzuentwickeln. Im ersten Schritt plädieren wir für einen progressiven Nachhaltigkeitsbegriff als Gradmesser für Fortschritt (1.) und ein breiteres Verständnis von gesellschaftlicher Transformation und gesellschaftlichem Wohlstand (2.).

1. FÜR UNS IST NACHHALTIGKEIT SOZIALER FORTSCHRITT PLUS UMWELTVERTRÄGLICHKEIT

Wir definieren Nachhaltigkeit als das Festhalten an fortschrittlicher gesellschaftlicher Veränderung – inklusive der Steigerung der sozialen Teilhabe – bei gleichzeitiger Rückführung des  Ressourcenverbrauchs (bis zum Ziel der vollständigen Einspeisung in Wertstoffkreisläufe) und einer langfristig ausgelegten Wirtschaft, welche die erstgenannten Faktoren vereint. In anderen Worten: Für uns sind gesellschaftliche Produktionsprozesse, die zu mehr gesellschaftlichem Reichtum und neuen technischen Möglichkeiten führen, nur dann nachhaltig, wenn sie ihre möglichen sozialen und ökologischen Folgeprobleme („Kosten“) internalisieren und lösen können. Wenn gesellschaftliche Produktionsverhältnisse nicht in diesem Sinne nachhaltig sind, müssen sie für uns überwunden oder reformiert werden.

Wie die Analyse aus sozialer Sicht zeigt, hat das bisherige kapitalistische Wachstum – mit derzeit neoliberalem Antlitz – für ein Auseinanderklaffen des gesellschaftlichen Wohlstands und große Armut gesorgt. Wir sagen hier: Schritte in Richtung Nachhaltigkeit kann es im Kapitalismus nur geben, wenn den ureigenen Eigenschaften dieses Systems entgegengewirkt wird, also wenn der Kapitalakkumulation bei den Besitzenden entgegengesteuert wird.

Gleiches gilt aus ökologischer Sicht: Die Steigerung von Produktionsergebnissen erfolgt in einer rein kapitalistischen Ordnung auf Kosten der Natur, deren Rohstoffe verschwendet werden. Im Gegensatz dazu streben wir eine nachhaltige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung an, in der keine negativen Folgeprobleme für Mensch und Umwelt auftreten. Das heißt im Endeffekt, dass keine Waren und Güter produziert werden dürfen, deren Folge- oder Weiterverwendung nicht geklärt ist.

Mittelfristig folgt hieraus, dass CO2- und andere Treibhausgase – genauso wie Plastikverpackungen – im Produktionsprozess nur noch entstehen sollen, wenn sie weiterverwendet werden und nicht fahrlässig dem globalen Ökosystem überlassen werden. Dabei ist im Falle von Produkten und Stoffen am Ende der Wiederverwertungskette auch eine energetische Nutzung in Betracht zu ziehen. Unsere Nachhaltigkeit kann es nur mit demokratiekonformen Märkten und starker öffentlicher Daseinsvorsorge geben. Märkte müssen in ihren Ergebnissen gesellschaftlichen und ökologischen Zielen dienen. Allgemein heißt das: Die gesellschaftliche und ökologische Fortentwicklung darf von Märkten nicht gefährdet werden.

2. WIR SETZEN AUF NACHHALTIGES WACHSTUM: ALS SYNTHESE VON SOZIALEM UND ÖKOLOGISCHEM WACHSTUM

Wie in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 20 Jahren schon geschehen, lässt sich wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln. An diese Entwicklung gilt es aus ökologischer Sicht anzuschließen. Gleichzeitig hat die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft stark zugenommen. Diese Entwicklung ist nicht akzeptabel.

Für uns stehen soziale und ökologische Missstände in einem starken Zusammenhang. Denn in der Bekämpfung von Beidem – der wachsenden sozialen Ungleichheit und der ökologischen  Selbstgefährdung der Gesellschaft – sehen wir die zentralen politischen Herausforderungen unserer Zeit. Fortschritt – als eine Verbesserung dieser Missstände – kann es für uns nur geben, wenn  Wachstum immer gleichzeitig sozialen und ökologischen Zielen dient.

I. Soziales Wachstum

Die Globalisierung hat die Märkte für Kapital, Güter und Dienstleistungen spätestens seit 1990 begünstigt. Allerdings führten diese größeren Möglichkeiten auch zu einer wachsenden Ungleichheit: Das Einkommen wurde immer ungleicher verteilt; Verteilungsmächte stehen im globalen Wettbewerb von Steuermächten und Produktionsstandorten, Arbeitskräfte können günstiger beschafft werden. Des Weiteren ist deutlich geworden, dass deregulierte Finanzmärkte sehr krisenanfällig sind.

Aus sozialer Sicht ist eine Verbesserung des ArbeitnehmerInnenschutzes unumgänglich. Auch wenn die Arbeitslosigkeit in der BRD im europäischen Vergleich gering ist, sank die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden durch den Abbau von Arbeitszeitkonten sowie durch Kurzarbeit. Auch bei uns sind es wenige Menschen, die vom bestehenden Wachstumsmodellen profitieren. Deswegen benötigen wir eine Alternative zum aktuellen marktgesteuerten Wachstum. Unser gesellschaftlicher Bedarf definiert sich nicht durch Kapitalerträge, sondern durch soziale Belange. Das Recht auf Gute Arbeit und die Teilhabe an dem gesellschaftlichen Wohlstand sind unsere Kernforderungen für soziales Wachstum. Unsere Forderungen umfassen daher unter anderem:

»»eine verringerte Wochenarbeitszeit,

»»mehr gesetzlichen und tariflichen Urlaub,

»»einen geschützten Lebensabend für Alle,

»»Steigerung öffentlicher Daseinsvorsorge zur gesellschaftlichen Umverteilung.

»»eine komplette Neuorganisation von Arbeit und ein anderes Verständnis von dem, was wir unter Arbeit verstehen

»»einen Anstieg der Bezahlung für Arbeitnehmer*innen

Gute Arbeit

Fairer Lohn und die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf sind für uns unabdingbar. Eine weitere Kernforderung ist die Förderung des Mitbestimmungsrechts in Betrieben. Vollbeschäftigung geht mit dieser Forderung einher.

Soziale Produktivität

Die Steigerung der Produktion darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden (durch Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerung etc.). Soziale Produktion ist die Alternative. Sie erhöht den gesellschaftlichen Wohlstand und richtet sich an dem realen Bedarf der Gesellschaft. Die Qualifizierung, Mitbestimmung und Teilhabe von MitarbeiterInnen bieten hier Lösungswege. Die Rationalisierung von Material- und Energiekosten (durch Wiederverwertungssysteme, geringen Energieverbrauch etc.) bieten weitere Ansatzpunkte.

Investitionen durch die öffentliche Hand

Soziale Investitionen schaffen Arbeitsplätze, steigern das Wachstum und die Produktivität – ein positiver Kreislauf entsteht. Unter Sozialen Investitionen verstehen wir nicht nur die Schaffung oder Instanthaltung von Infrastruktur, sondern auch die Investition in Bildung, Forschung und Gesundheit. Soziale Investitionen sind der Kern des Sozialen Wachstums, sie ermöglichen langfristig die Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand.

Öffentliche Investitionen und strukturelle Defizite

Wenn der Staat für Bildung, Infrastruktur, Forschung, medizinische Versorgung und gesellschaftliche Daseinsvorsorge mehr Geld in die Hand nimmt, als er aktuell einnimmt, dann zahlt sich diese Investition zukünftig aus. Eine hochwertige, nutzenorientierte Steuerung öffentlicher Ausgabenpolitik ist hierfür natürlich eine zentrale Voraussetzung. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, wird durch Zukunftsinvestitionen ein Mehrwert geschaffen, der die Lebensbedingungen verbessert und sich auch finanziell auszahlt – weil nach Abzug der Kredite mehr öffentlicher Bilanzwert vorhanden ist. Eine solche zukunftsorientierte Ausgabenpolitik wird durch Schuldenbremsen, die Ideologie der „schwarzen Null“ und Niedrigsteuern für TopverdienerInnen sowie ErbInnen behindert.

Was wir nicht wollen, ist, dass der Staat sein Geld ‚blind’ zum Fenster herauswirft. Falsche Subventionen (z.B. in Form von Steuervergünstigungen) für sozial- und umweltschädliche Prozesse (wie Dienstwagen etc.) lehnen wir ab. Auch wollen wir keinen Staat, der durch seine Pflichtaufgaben schon so überlastet ist, dass er dafür Schulden aufnehmen muss. Solche strukturellen Defizite öffentlicher Haushalte finden ihren Ursprung vor allem darin, dass gesellschaftliche Lasten nicht gerecht verteilt sind; also aktuell dadurch, dass Vermögende und TopverdienerInnen einen unzureichenden Beitrag zum Gemeinwohl leisten.

II. Ökologisches Wachstum

Ökologisches Wachstum muss alle Industrie- und Wirtschaftszweige erfassen. Betriebe werde sich immer häufiger ihrer Verantwortung bewusst und versuchen, umweltschonend und  sozialverantwortungsvoll zu produzieren. Sei es durch Labeling, wie „craddle to craddle“ oder FairTrade, oder durch eigene Corporate Social Responsibility-Programme (CSR), die ernst gemeint sind und mehr darstellen als Greenwashing sind.

Energiewende vorantreiben

Ein wichtiger Bestandteil eines nachhaltigen Wachstums ist die Förderung der Energiewende. Viele Technologien stecken noch in ihren Kinderschuhen und bedürfen einer weiteren Investition und Forschung. Viele kleine Genossenschaften und Gruppierungen profitierten von der Ausgestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei der aktuellen Fassung existiert aber Nachholbedarf. Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt.

Geplante Obsoleszenz stoppen

Durch ein gesetzliches Verbot und effektive Rücknahmepflicht für HändlerInnen und HerstellerInnen muss geplante Obsoleszenz gestoppt werden. Der Hintergrund ist folgender: Um einen höheren Absatz von Produkten und eine künstliche Nachfrage zu generieren, wird bisher innerhalb der Herstellung und der Vermarktung auf eine geplante Obsoleszenz gesetzt. Das heißt, dass Produkte absichtlich mit einer geringeren Lebensdauer produziert werden. KundInnen sollen so immer neuere Modelle des Produktes kaufen, da ihre alten Geräte den Geist aufgegeben haben. Eine Folge davon ist, dass vor allem Elektronikartikel, wie Handys, Smartphones, Computer oder Drucker technisch schnell verschleißen, wodurch unnötiger Elektroschrott produziert wird, welcher zur Zeit unzureichend wiederverwertet wird.

Effektivität und Effizienz: Wandel geht nicht ohne schöpferische Zerstörung

Effizienz alleine reicht nicht: Es ist notwendig, aber zu wenig, schädliche Vorgänge zu optimieren – indem man z.B. den Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors steigert. Viel mehr brauchen wir eine schöpferische Zerstörung und Effektivität: Also die Schaffung von neuen Strukturen, die keine Schadstoffe mehr entstehen lassen – indem Energien vollständig erneuerbar produziert werden und alle Produktionsprozesse vollständig in lückenlose Wertstoffkreisläufe eingebunden sind.

Mindestanforderungen für ökologisches Wachstum

Das ökologisches Wachstum muss vereinbar sein mit den Leitplanken des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Der WBGU macht es zur Bedingung, die Erderwärmung auf 2°C begrenzen, der Versauerung der Meere entgegenzuwirken (pH-Wert Δ 0,2 Einheiten) – u.a. durch die Abkehr von fossilen und atomaren Energiequellen bis zum Jahr 2070. Auch muss der Verlust der Biodiversität und Land- und Bodendegradation gestoppt werden. Gestoppt werden muss die Nutzung von Quecksilber, die Freisetzung von Plastikabfällen sowie die Verwendung von nicht rückgewinnbarem Phosphor. An diesen Mindestanforderungen müssen sich alle gesellschaftlichen Prozesse messen lassen.

III. Nachhaltiges Wachstum

Für uns kann ein nachhaltiges Wachstum nur als Synthese aus ökologischen und sozialen Wachstum existieren. Eine in die Zukunft gerichtete Gesellschaft und Ökonomie kann nur unter diesen beschriebenen Bedingungen existieren und wachsen. Auf diese Art und Weise ist es möglich Wohlstand zu erzeugen und zu erhalten.

3. NACHHALTIGE DUALÖKONOMIE: GEMEINWOHLORIENTIERTE TAUSCHWIRTSCHAFT STÄRKEN – WACHSTUM IST KEIN SELBSTZWECK

Die ökologische Transformation unserer Industrie, aller kommerziellen Dienstleistungen und der Landwirtschaft erfordern nachhaltiges Wachstum: Nur indem die Freisetzung von Treibhausgasen und die Entstehung von nicht-wiederverwertbaren Giftstoffen durch neue Technologien und (z.B. Rücknahme-)Verfahren überwunden wird, kann eine saubere und leistungsfähige Wirtschaft entstehen. Aus der sozialen Dimension unseres Wachstumsbegriffes geht hervor, dass wir Maßnahmen zur gesellschaftlichen Umverteilung brauchen (auch durch stärkere öffentliche Daseinsvorsorge). Die notwendigen sozialen Veränderungen müssen also ebenfalls mit nachhaltigem Wachstum einhergehen.

Neben dieser „formalen“ gesellschaftlichen Dimension gibt es eine „informale“ gesellschaftliche Ebene, auf der Fortschritt ohne Wachstum entsteht: Hiermit sind alle gesellschaftlichen Prozesse gemeint, die in Richtung einer gemeinwohlorientierten Tauschwirtschaft (auch share economy) gehen.  Landwirtschaftliche Direktvermarktung statt Supermarktkäufe; Teilhabe an einer landwirtschaftlichen (Öko-)Agrargenossenschaft statt kommerzieller Mitgliedschaftskarte; angeleitete Selbstreparatur im „Repair Café“ des örtlichen Nachbarschaftstreffs statt Neukauf; gemeinschaftliche Nutzung von Stadtteilautos statt Individualmobilität; Selbstversorgung durch Urban Gardening. Diese Prozesse, die scharf zu unterscheiden sind von kommerziellen Angeboten der share economy (Uber, Airbnb), schaffen gesellschaftlichen Fortschritt ohne einen finanziellen Mehrwert. Deshalb sind sie zu fördern, ggf. durch steuerliche Besserstellungen (Gemeinnützigkeit), Verbesserungen im Vereins- oder Stiftungsrecht und durch die Sensibilisierung der kommunalen Parlamente und Verwaltungen.