Wie wir leben wollen – Das Arbeitsprogramm der NRW Jusos 2020-2022

Ausgangslage und bevorstehende Herausforderungen

Es wäre zu einfach, die aktuelle gesamtgesellschaftliche Situation mit dem Schlagwort ‚Corona‘ zu beschreiben. Auch sind wir als NRW Jusos nicht von der Erzählung überzeugt, dass durch Corona plötzlich alles anders wird. Aber Corona hat ein Debattenfenster geöffnet und um tatsächlich etwas an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu verändern, sind wir dazu aufgerufen, dieses Debattenfenster zu nutzen und selbstbewusst zu unseren Ideen zu stehen.

Corona hat ein Debattenfenster geöffnet, weil auch den Letzten klar geworden ist, dass etwas faul ist an der neoliberalen Erzählung der letzten Jahrzehnte, die „Privat vor Staat“ hieß. Was der Markt alles nicht regelt, ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden: bezahlbares Wohnen, flächendeckende Mobilität, digitale Infrastruktur, eine angemessene Gesundheitsversorgung usw. Diese marktradikale Denke ist gescheitert und wir befinden uns aktuell inmitten der richtungsentscheidenden Debatte darüber, wie wir eigentlich stattdessen leben wollen. Dabei ist der Ausgang dieser Debatte noch vollkommen offen. Denn auf der einen Seite versucht die politische Rechte an die Stelle der bisherigen Erzählung ein nationalistisch-abschottendes Narrativ zu setzen, das Globalisierungs-Ängste schürt und Hass auf all jene befeuert, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen. Die sogenannte bürgerliche Mitte steht bei dieser Entwicklung übrigens wahlweise hilflos daneben und versucht mit einer Identitätspolitik von althergebrachten Symbolen als Bollwerk gegen moderne und individuelle Lebensstile und -realitäten eine Art Leitkultur heraufzubeschwören oder sie sucht immer unverhohlener den Schulterschluss mit jenen rechten Kräften, wie es spätestens seit der Thüringen-Wahl deutlich geworden ist, um die eigene Macht zu sichern. Auf der anderen Seite steht die Sozialdemokratie, die noch nicht mutig genug ist, vollumfänglich zu ihrem alternativen Politikangebot einer Gesellschaft der Freien und Gleichen zu stehen. Es ist an uns Jusos, dafür zu sorgen, dass die Sozialdemokratie zu ihrem Mut zurückfindet, den Kampf um die Deutungshoheit offensiv aufnimmt und wieder um linke Mehrheiten ringt. Die Grünen können diese Rolle nicht einnehmen, weil sie ganz bewusst im Ungefähren bleiben zwischen einem tatsächlich progressiven Politikansatz und einer grünen Version des inhaltsleeren Slogans „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Das mag für den Moment noch eine erfolgsversprechende Strategie sein, angesichts der gesamtgesellschaftlichen Lage und der aktuellen Herausforderungen ist es aber auch eine besonders wohlfeile. Mit so einer Position kann die Sozialdemokratie sich nicht zufriedengeben, im Gegenteil, wir müssen klare, unterscheidbare Antworten auf die zentralen Herausforderungen unserer Zeit geben. Aus Sicht der NRW Jusos sind dies vor allem die folgenden beiden, mit denen wir uns schwerpunktmäßig in den nächsten zwei Jahren beschäftigen werden:

a) Für ein jungsozialistisches Verständnis von Staat und Wirtschaft!

Es gibt den bekannten Satz, nach dem sich nur reiche Leute einen schwachen Staat leisten können. Wie wahr dieser Satz allerdings ist, das hat zuletzt noch einmal eindrucksvoll das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland besitzen über zwei Drittel des Gesamtvermögens, während die Hälfte der Bevölkerung nahezu gar kein Vermögen besitzt. Damit ist die Ungleichheit in Deutschland noch größer als bisher angenommen und wenn in der Bekämpfung dieser Ungleichheit keine zentrale Aufgabe der Sozialdemokratie liegt, dann hat sie keine mehr.

Tatsächlich muss aus jungsozialistischer Perspektive die Debatte aber noch grundsätzlicher geführt werden. Unsere Frage muss sein: Welchen Staat wollen wir eigentlich? In den letzten Jahrzehnten mussten wir erleben, wie die Kapitalseite rücksichtslos Profite erwirtschaftet, diese privatisiert und in der Krise dann nach dem Staat gerufen hat, der sich vorher immer raushalten sollte. Der Staat trat so zu oft als Retter in der Not auf, der mit massiven öffentlichen Mitteln aller die Verwerfungen von wenigen kompensiert hat. Damit muss Schluss sein! Der starke, selbstbewusste Staat wird gebraucht, das wird in der aktuellen Corona-Zeit nochmal umso deutlicher, aber diesem muss ein jungsozialistisches Verständnis von Staat und Wirtschaft zugrunde liegen. Das bedeutet, dass der Staat eben nicht mehr länger ausschließlich als Feuerwehr auftritt, wenn gerade mal wieder Krise ist, sondern dass er, als demokratische Verfasstheit der Bürger*innen, aktiv vorgibt, welche Art des Wirtschaftens gefördert werden soll, nämlich jene, die dem Gemeinwohl dient. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz in den Staat und in die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft, sichert gute Beschäftigung und sorgt für eine Demokratisierung in den Betrieben und Unternehmen. Wir wollen diese Diskussion von vorne führen.

b) 12 Jahre Schulfrieden sind genug – lasst uns endlich wieder über Bildung reden!

Die zweite zentrale Herausforderung – auch das hat Corona noch einmal verdeutlicht – liegt in der Bildungspolitik. Das sozialdemokratische Versprechen vom Aufstieg durch Bildung braucht dringend ein Update, denn auch bei den Bildungschancen erleben wir eine nicht akzeptable Ungleichheit. Jedes Schuljahr werden in Nordrhein-Westfalen Biografien verbaut, weil Bildungspolitik nicht den Stellenwert hat, den sie haben sollte, und weil die schwarz-gelbe Landesregierung weder Willens noch kompetent genug ist, an dieser Ungerechtigkeit etwas zu ändern.

Die NRWSPD ist hier gefragt der Bildungspolitik wieder oberste Priorität einzuräumen und den Mut aufzubringen, das Richtige zu tun: sich für eine Schule für alle einzusetzen. Wir werden als NRW Jusos deshalb die Bildungspolitik als Schwerpunkt in den nächsten zwei Jahren behandeln und den Weg bis zur Landtagswahl 2022 auch innerparteilich aktiv begleiten. Unsere Devise ist dabei klar: 12 Jahre Schulfrieden in NRW sind genug! Statt Stillstand brauchen wir wieder eine breite öffentliche Diskussion über dieses zentrale landespolitische Thema und deshalb werden wir dazu einen breiten Austausch mit unseren Bündnispartner*innen und mit Interessensgruppen suchen und dieses Thema im Vorfeld der Landtagswahl mit einer Kampagne in die Öffentlichkeit tragen. Die Menschen in NRW sollen bei der nächsten Landtagswahl zwischen zwei Alternativen entscheiden können: ein Schulsystem, in dem sich bestehende Ungerechtigkeiten reproduzieren und Aufstiegsbiografien verhindert werden oder ein Schulsystem, das allen unabhängig von ihrer Herkunft Aufstiegsbiografien durch Bildung ermöglicht.

Bildungspolitik ist für uns aber nicht nur Schulpolitik, sondern muss von der frühkindlichen Bildung bis zum lebenslangen Lernen gedacht werden. Diesem Anspruch entsprechend wollen wir uns ganzheitlich mit dem Thema Bildung beschäftigen und zur Entwicklung des Wahlprogramms der NRWSPD zur Landtagswahl einen breiten bildungspolitischen Forderungskatalog erarbeiten. 

Verbandsarbeit nach dem NRW-Prinzip – Kontrovers in der Sache, geeint im Ergebnis

Mit der Bundestags- und der Landtagswahl liegen vor uns als Verband zwei enorm anstrengende und zwei enorm entscheidende Jahre. Damit wir diese unserem Führungs- und Gestaltungsanspruch entsprechend erfolgreich bestreiten werden, ist es wichtig, dass wir uns auf unsere eigene Stärke verlassen können: das NRW-Prinzip. Als NRW Jusos diskutieren wir auf unseren Landeskonferenzen, Landesausschüssen und Bildungsveranstaltungen kontrovers in der Sache, wir ringen intensiv um die beste Lösung, aber am Ende akzeptieren wir das Ergebnis und vertreten es gemeinsam nach außen, auch wenn es manchmal nicht der eigenen Meinung entspricht. Dabei wissen wir: Die Landesebene ist nur so stark wie die Ebene der Unterbezirke und Kreisverbände und umgekehrt. Zwischen beiden Ebenen gibt es eine wechselseitige Bring- und Holschuld, eine doppelte Verantwortung. Deshalb wollen wir in den kommenden zwei Jahren noch weiter zusammenwachsen und einen engen Austausch zwischen den Ebenen pflegen. Zu diesem Zweck werden wir zum einen die Betreuungsstruktur von Seiten des Landesvorstands evaluieren und zum anderen verpflichten wir uns als Unterbezirke und Kreisverbände die bestehenden Kommunikationsstrukturen zu pflegen und die Informationen aus den überregionalen Strukturen in die Untergliederungen weiterzugeben. Ein weiteres Mittel zum intensiveren Austausch können für uns auch UB/KV-Schalten auf Landesebene sein, um immer mal wieder auch direktes Feedback zwischen den Ebenen zu gewährleisten. Da, wo einzelne Unterbezirke oder Kreisverbände mit schwachen Strukturen oder schwierigen Generationenwechseln zu kämpfen haben, werden wir als Landesverband durch Leitfäden zur Vorstands- und Verbandsarbeit empowernd zur Seite stehen und Starthilfe geben, denn nur gemeinsam und mit starken Strukturen von Minden bis Aachen, von Siegen-Wittgenstein bis Kleve werden wir die kommenden zwei Jahre meistern. Packen wir’s an!

Die Wahlkämpfe

Als kampagnenfähigster Teil der Partei blicken wir selbstbewusst auf die beiden Wahlkämpfe, die vor uns liegen. Wir wissen um die Bedeutung dieser Richtungsentscheidungen in Bund und Land und nehmen die Herausforderung offen an. Uns kommt als Jusos dabei eine herausragende Rolle zu. Wir haben eine Scharnierfunktion zwischen der Ungeduld der Straße und der Behäbigkeit der Politik. Das ist eine enorm schwierige Aufgabe, aber wenn es leicht wäre, könnten es ja auch die anderen machen. Für uns leitet sich daraus folgendes ab:

a) Bundestagswahl 2021: #NoGroKo oder No Future

Die Bundestagswahl 2021 wird eine Grundsatzentscheidung darüber sein, ob rechte Hetze, die Verteidigung des Status quo oder ein echtes progressives Politikangebot eine Mehrheit finden wird. Die SPD darf dabei keinen Zweifel daran lassen: Die Zukunft der Sozialdemokratie wird außerhalb einer Großen Koalition sein oder sie wird nicht sein. Ob dieses außerhalb der GroKo dann Regierung oder Opposition bedeuten wird, das hängt sehr davon ab, inwiefern es uns gelingt, glaubwürdig für jenes progressive Politikangebot einzutreten. Programmatisch haben wir aus jungsozialistischer Perspektive auf dem letzten Bundesparteitag viel erreicht. Nun wird es darum gehen, mit glaubwürdigem Personal und einer klaren Kampagne, um Zustimmung für unsere Inhalte zu werben. Wir spielen auf Sieg und nicht auf Platz!

Wir werden uns als Jusos intensiv in diesen innerparteilichen Prozess einbringen und den Weg, den wir letztes Jahr begonnen haben, konsequent fortsetzen. Mit einem eigenständigen Jugendwahlkampf lautet unser Ziel, die Nummer Eins in der jungen Zielgruppe zu werden. Für die möglichst vielen Juso-Kandidierenden für den Bundestag lautet unser Ziel, für eine glaubwürdige und standhafte Bundestagsfraktion zu kämpfen. Und für unseren Verband ist klar: Die Bundestagswahl ist nicht einfach ein Testlauf für die Landtagswahl, sondern sie wird ein großer Meilenstein sein für unsere Mission 2022.

b) Mission 2022: NRW in roten Händen

Zu sagen, dass NRW unter Wert regiert wird, wäre noch geprahlt. Tatsächlich herrscht in der mitte-rechts-Regierung von Armin Laschet organisierte Verantwortungslosigkeit. Innenminister Reul ist mehr an seiner Inszenierung als Law- and Order-Sheriff für die TV-Kameras interessiert als an tatsächlicher Regierungsarbeit. Schulministerin Yvonne Gebauer betreibt nicht weniger Arbeitsverweigerung und delegiert mitten in der Corona-Krise ihre eigene Verantwortung an die überlasteten Kommunen weiter. Und der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes der Republik lässt dieses Amt zum Sprungbrett für seine Ambitionen für den CDU-Vorsitz und für die eigenen Kanzler-Träume verkommen und schreckt dabei auch nicht davor zurück, zu diesem Zweck die Gesundheit der Menschen in NRW aufs Spiel zu setzen. Kurzum: Die Laschet-Regierung ist eine Blamage für Nordrhein-Westfalen.

Wir werden diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende setzen. Unsere Mission 2022 ist klar: NRW muss wieder sozialdemokratisch regiert werden! Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir einen eigenständigen Jugendwahlkampf auf die Beine stellen, der sich gewaschen hat. Wir werden mit Wahlkampfschulungen und -handbüchern, mit überzeugenden Flyern und modernen und nachhaltigen Give-Aways sowie mit Aktionen in ganz NRW unseren Verband auf dieses eine Ziel ausrichten und wir werden alles dafür geben, es zu erreichen.

Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass sich die NRWSPD nicht nur auf die eklatante Schwäche des politischen Gegners verlässt, sondern wieder ihre eigene Stärke in den Vordergrund rückt und ein echtes alternatives Politikangebot für NRW formuliert. Hier werden wir uns als NRW Jusos mit klaren Forderungen für das Landtagswahlprogramm einbringen. Der beste Weg, um unsere Inhalte letztlich bis in den Landtag von NRW zu tragen, sind für uns dabei Juso-Kandidierende und wir sagen es schon hier unmissverständlich: Wer unsere Unterstützung als Partei und auch als Spitzenkandidat*in bei der Landtagswahl haben möchte, der*die muss auf uns zugehen und deutlich machen, was man gemeinsam mit uns erreichen möchte. Juso-Unterstützung gibt es nicht für lau! Wer aber mit uns und auch für unsere Inhalte in NRW kämpft, mit der*dem gehen wir über die volle Distanz.

Die neue Rolle der Jusos: Kritische Solidarität ernst nehmen

Wie schon deutlich geworden ist, hat sich unsere Rolle als Jusos in der Partei gewandelt. Das wofür Juso-Generationen vor uns gekämpft haben, nämlich tatsächlichen Einfluss und Bedeutung zu haben, wird an vielen, wenn auch noch nicht an allen, Stellen in der Partei zunehmend Realität. Der klarste Beweis für diese Entwicklung war die innerparteiliche Auseinandersetzung um den Parteivorsitz, in der es uns gegen jede Wahrscheinlichkeit und gegen das, was man Partei-Establishment nennt, gelungen ist, ‚unser Team‘ bis an die Parteispitze zu tragen. Diese enorme Leistung wäre ohne diesen Verband und ohne unsere Landesvorsitzende nicht möglich gewesen und kann als Erfolg gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Aus dieser neuen Rolle von uns Jusos ergeben sich aber auch neue Herausforderungen. Während wir in der Vergangenheit unser Verhältnis zur Partei immer mit dem Begriff der ‚kritischen Solidarität‘ mit Betonung auf kritisch beschrieben haben, sind wir heute eher in der Situation, dies mit der Betonung auf ‚Solidarität‘ zu tun und das kritische dabei nicht zu vernachlässigen. War es in den letzten Jahren beispielsweise vermeintlich leicht, berechtigte Kritik an bestimmten Gremien zu äußern, so finden wir uns heute in der Situation wieder, dass diese Kritik auch uns selbst als neue Mitglieder dieser Gremien betrifft. Das ist kein Grund, vor Selbstkritik zurückzuschrecken, sondern es ist im Gegenteil ein Appell, Selbstkritik nach wie vor als Lebensluft und Lebenslicht unserer Bewegung zu begreifen. Mit dem dazugewonnenen Einfluss geht also eine andere Verantwortung einher und wir sind dazu aufgerufen, auch in der neuen Rolle einem anderen Schlagwort unseres Verbandes, dem der ‚Doppelstrategie‘, gerecht zu werden. Dies bedeutet für uns, an der Vision des demokratischen Sozialismus festzuhalten, diese ernst zu nehmen und uns als Teil der gesamtgesellschaftlichen Linken zu verstehen, die die bestehenden Verhältnisse überwinden will. Und es bedeutet, unsere daraus abgeleiteten Inhalte auch ganz konkret in den Gremien und Parlamenten, in denen wir vertreten sind, umzusetzen. Wie das gelingen kann, zeigen unsere Juso-Mitglieder im Landesvorstand der NRWSPD, mit denen wir uns in Zukunft bei der politischen Arbeit noch enger koordinieren und austauschen werden, indem sie mit klarer Juso-Haltung ganz konkret die Programmatik und das Agieren der Landespartei beeinflussen. Auf dem kommenden Landesparteitag wird es daher auch darum gehen, dies in den nächsten Jahren fortsetzen zu können.

Wie man sehen kann, haben wir als NRW Jusos viel vor in den kommenden zwei Jahren. Was das sowohl inhaltlich als auch für die Verbandsarbeit konkret bedeutet, haben wir auf den folgenden Seiten festgehalten:

Für ein jungsozialistisches Verständnis von Staat und Wirtschaft

Die Corona-Pandemie hat viele Probleme in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht oder auch verstärkt, die vorher eher von Wenigen diskutiert worden sind. Es ist an vielen Stellen in der Gesellschaft und der Wirtschaft deutlich geworden, dass Schieflagen bestehen, die kurzfristig mindestens nicht akzeptabel und langfristig nicht erträglich sind. Die Auswirkungen der Pandemie haben bei vielen Menschen dafür gesorgt, dass sie darüber ins Nachdenken gekommen sind, wie unsere gesellschaftlichen Verhältnisse sind und warum Dinge so organisiert sind, wie sie es sind. Das Fenster für sachliche Kapitalismuskritik hat sich weiter geöffnet und das müssen wir nutzen.

Auch wenn die Pandemie noch nicht vorüber ist, so stellt sich doch schon heute die Frage, was wir aus ihr gelernt haben. Der Staat musste an vielen Stellen eingreifen, sei es die Ausweitung des Kurzarbeitsgeldes oder Subventionen für einzelne Unternehmen. Warum haben es die von Neoliberalen hoch gepriesenen Finanzmärkte eigentlich nicht geschafft, Kapital für die Realwirtschaft bereitzustellen? Staatliches Handeln hat verhindert, dass die Auswirkungen der Krise noch schlimmer geworden sind. Wenn es also nicht der freie Markt ist, der in einer Krise Leben schützt und Existenzen sichert, warum befinden sich dann so viele Bereiche unter dessen Einfluss und sind dessen Regeln und Logiken unterworfen? Es darf nicht Aufgabe des Staates sein, der Wirtschaft zu dienen. Konzerne müssen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Die Aufgabe des Staates muss es hierbei auch sein, diese konsequent einzufordern. Wir müssen also diskutieren, wie das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft aussehen soll.

Eine Orientierung auf Unternehmensgewinne und Profitmaximierung steht oft im Widerspruch zur Orientierung am Allgemeinwohl. Wir müssen darüber sprechen, in welchen Bereichen dies besonders gefährlich ist.
Wir müssen erörtern, wo der Staat mehr Verantwortung übernehmen soll. Ganz praktisch kann man dies am Beispiel des Wohnungsmarkts verdeutlichen. In der Krise wurden die Hürden dafür, Mieter*innen die Wohnung zu kündigen, sehr viel höher gelegt und das völlig zurecht. Warum soll Wohnungslosigkeit nur in der Krise verhindert werden? Warum ist das Grundrecht auf Wohnraum nicht auch in normalen Zeiten Konsens? Welche effektiven Mechanismen müssen dafür endlich greifen, damit der Profit durch Eigentum nicht die Prämisse bleibt, die vor allem anderen Vorrang hat? Ein weiteres Beispiel ist die Ökonomisierung des Gesundheitssystems. Bei der Beschreibung dessen fehlen einem manchmal die Worte. Viele Krankenhäuser stehen vor der Situation, dass sie große Fehlbeträge in ihren Jahresbilanzen haben werden, weil leere Betten fehlende Einnahmen bedeuten. Die Bereitstellung zusätzlicher Betten war aber dringend notwendig, um angemessen auf die Pandemie reagieren zu können. Kann es also sein, dass die Vorgabe an Krankenhäuser, dass sie Einnahmen erzielen und Gewinne erwirtschaften sollen, nicht dem Allgemeinwohl dient? Es ließen sich viele weitere Beispiele aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge nennen, wie der ÖPNV, der während der Krise, wenn er nicht in öffentlicher Hand wäre, wohl zum Erliegen gekommen wäre. Viele Fragen schließen sich an dieses Thema an. Was bedeutet für uns Gemeinwohl konkret? Wenn ein Staat ein Unternehmen mit finanziellen Mitteln rettet, hat er dann ein Mitspracherecht bei Entscheidungen? Wie kann verhindert werden, dass Gewinne privatisiert werden und Schulden verallgemeinert und so vieles mehr. Zudem wollen wir an unsere Diskussionen zu einer konkreten Version eines sozialistischen Staates und sozialistischer Wirtschaftspolitik anschließen und diese weiter bearbeiten.

Zum Thema Wirtschaft gehört zwangsläufig auch das Thema Ungleichheit. Einkommen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Während der Pandemie wurde oft genannt, dass systemrelevante Jobs meistens schlecht bezahlt werden. Das ist kein Geheimnis. War es auch schon vor der Krise nicht. Aber warum sind die Löhne so, wie sie sind? Wenn für das Funktionieren einer Organisation (eines Systems) alle Menschen benötigt werden, warum werden einige dann so viel besser/schlechter bezahlt als andere? In der Krise ist deutlich geworden, dass kapitalistischer Mehrwert kein geeigneter Maßstab ist, um die Relevanz von Jobs zu bewerten. Die Analyse der Vergütung der systemrelevant genannten Berufe macht etwas deutlich. Grundsätzlich ist es nicht falsch, wenn Aspekte wie Anforderungen und Verantwortung mit in die Entgeltfestlegung einfließen. Aber es können nicht die alles entscheidenden Kriterien sein. Der Blick dafür, was für eine Gesellschaft relevant ist und wie aufgrund dessen Gehälter und Löhne ausgestaltet werden, muss geweitet werden. Wir brauchen viel mehr Kriterien.

Was für Einkommen gilt, trifft in noch stärkerem Maße auf Vermögen zu. Diese sind in Deutschland ungleicher verteilt als in vielen anderen Ländern der Welt und diese Ungleichheit wächst kaum gebremst immer schneller. Ein Zustand, den inzwischen fast alle Ökonom*innen anprangern, da zu starke Ungleichheit auch für die Wirtschaft ein Problem darstellt. Wo einerseits sehr wenige Menschen nicht wissen, wohin mit dem Geld und es sich beinahe wie von selbst vermehrt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Als Teilaspekt von Armut ist Kinderarmut in vielerlei Hinsicht dramatisch. Denn sie wird oft zum lebenslangen Begleiter, Geburt kann zum Schicksal werden. Das widerspricht sämtlichen Maximen einer freiheitlichen Demokratie. Wir bleiben also bei Umverteilung als drängendem und wichtigem Thema. Diskutiert werden sollte, ob ein Lastenausgleich beispielsweise in Form einer Vermögensabgabe nicht gleichzeitig die Lösung für zu starke Ungleichheit und die Kosten der Corona-Krise sein könnte. Ebenso schließen sich Fragen an, die unser Steuersystem betreffen, die Ausgestaltung und das Verhältnis von Einkommens-, Vermögens-, Konsum- und Kapitalsteuern.

Wie sieht ein gutes Leben aus, in dem Arbeitszeit und Freizeit in einem guten Verhältnis zueinanderstehen? Die Diskussion über Arbeitszeitverkürzungen ist nicht neu, aber sie gewinnt stärker an Relevanz, weil die Produktivkraftentwicklung weiter voranschreitet und gesamtwirtschaftlich gesehen Arbeitszeiten und Stundenlöhne einer der Wege sind, wie der Anteil an Wertschöpfung und Wohlstand bestimmt werden. Klar ist, dass es viele unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie viel Arbeitszeit in der Woche angemessen ist. Dies drückt sich heute bereits in der hohen Anzahl unterschiedlicher Arbeitszeitmodelle aus. Aber die neben dem Normalarbeitsverhältnis entstandenen Modelle sind noch nicht alle ausreichend entwickelt, einige können zu Altersarmut führen. Es besteht also Handlungsbedarf, dieses Feld zu ordnen und weiterzuentwickeln. Außerdem müssen Lösungen entwickelt werden, wie Arbeitszeiten auch wirklich eingehalten werden können, gerade bei prekären Beschäftigungen. Gleiches gilt für die Themen Ausbildung und Mitbestimmung. In ersterem gibt es nach wie vor viel zu viele Ausbildungsverhältnisse, in denen Azubis nicht angelernt, sondern ausgebeutet werden. Das müssen wir beenden. Und bei der Mitbestimmung ergeben sich Herausforderungen aus den neuen Formen der Arbeit. In der Anfangsphase der Pandemie ist schlagartig der Anteil derer gestiegen, die mobil arbeiten oder im Home Office tätig sind. Bei manchen Arbeitnehmer*innen hat dies zu dem Wunsch geführt, mehr Zeit für Familie und Privates zu haben bzw. diese flexibler einteilen zu können. Deshalb wollen wir diskutieren, wie Wünschen nach neuen Arbeitszeitmodellen und Flexibilität nachgekommen werden kann, ohne dass arbeitsrechtliche Standards unterwandert werden. Doch neben dem arbeitsrechtlichen Regelungsbedarf, stellen sich dort auch ganz zwangsläufig Fragen, wie eine betriebliche Mitbestimmung organisiert werden kann, wenn sich Arbeitnehmer*innen nicht mehr begegnen, sondern als Einzelkämpfer*innen zuhause sitzen. Gemeinsam mit den DGB-Gewerkschaften wollen wir dafür streiten, dass die demokratische Organisation von Betrieben und Partizipation gewährleistet und ausgebaut werden – egal, wo der Arbeitsort einzelner Beschäftigter liegt. Bei der Betrachtung von Arbeitsbedingungen sind Schwachstellen bei Selbstständigen zu erkennen. Während der Corona-Pandemie sind viele Selbstständige in Existenzängste geraten und mussten ihr Gewerbe ruhen lassen. Es muss in unserem Interesse liegen, diesen Menschen eine langfristige Perspektive durch staatliche Sicherheit zu geben. Deshalb müssen Modelle zur Absicherung selbstständiger Unternehmungen, beispielsweise durch Abgaben in die Rentenversicherung oder eine stärkere Einbeziehung von Krankenkassenbeiträgen, diskutiert werden.

Mit Auftreten der Corona-Pandemie ist das Thema Klimaschutz und die Umweltbewegung abrupt aus dem medialen Fokus verschwunden. Es hat aber nichts an Relevanz und Dringlichkeit verloren. Als Jusos haben wir dieses Thema in den vergangenen zwei Jahren intensiv bearbeitet. Wir wissen, dass Strukturwandel nur dann gelingen kann, wenn er nicht dem Spiel des freien Marktes überlassen wird, sondern der Staat unterstützt; wo nötig auch lenkt. Umweltschutz kann und muss zusammengebracht werden mit einer Demokratisierung der Wirtschaft und einem Plan für den Strukturwandel. Die Herausforderungen der Bewältigung eines Strukturwandels sind aber nur die eine Seite der Medaille. Dazu gehört auch, dass es für Unternehmen im aktuellen Wirtschaftssystem in vielen Fällen profitabler ist, sich nicht um Folgen des eigenen Handelns für Umwelt und Klima zu kümmern. Diese Fehlanreize gepaart mit der jahrzehntelangen fehlenden Bereitschaft von Unternehmen und Staaten, Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels zu übernehmen, haben uns in die Situation gebracht, dass das nationale CO2-Budget und damit auch das Zeitfenster für die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens, den Kohleausstieg im Rahmen der Energiewende und die Umstellung auf eine weitgehend emissionsfreie Wirtschaft immer weiter schrumpft. Die letzten Monate haben gezeigt, dass radikale Änderungen schnell möglich sind, wenn die Einsicht in ihre Notwendigkeit besteht, und dringend notwendig ist auch ein Klimaschutz, der diesen Namen auch verdient hat, also lasst es uns angehen:

Wir wollen die sozialistisch-ökologische Transformation und werden an die Diskussionen der letzten Jahre anknüpfen und sie fortführen.

Bei all diesen Themen muss berücksichtigt werden, dass die Welt nicht für alle Leute gleich aussieht. Unterschiedliche Gruppen innerhalb der Gesellschaft können sehr unterschiedliche Perspektiven und Lebensrealitäten haben, die unter anderem daraus resultieren, dass sie von Problemen und Chancen, von Krisen und Möglichkeiten unterschiedlich betroffen sind. Sozial- und Identitätspolitik können also Querschnittsthemen darstellen. So müssen beispielsweise auch bei der Gemeinwohldiskussion alle Menschen in den Blick genommen werden und nicht nur die Mehrheitsgesellschaft. Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen sind oft von gesellschaftlichem Leben und Teilhabe ausgeschlossen, die Corona-Krise hat das drastisch verschlimmert. Hier müssen Perspektiven und mehr Teilhabe für die Menschen geschaffen werden.

Besonders deutlich hat die Corona-Krise auch gezeigt, dass Männer und Frauen unterschiedlich stark von den Auswirkungen betroffen waren und sind, beispielsweise bei der Care-Arbeit. Ebenso haben Themen wie Wirtschaft, Arbeit, Vermögen und vieles mehr Facetten, die wir aus feministischer Perspektive analysieren wollen.

Gleiches lässt sich über Black and People of Colour (BPoC), also nicht weiß gelesene Personen, und Menschen mit Migrationsgeschichte sagen, wo beispielsweise Bildungs- und Karrierechancen in der Bevölkerung nicht gleich verteilt sind, also manche Menschen von ihrer Geburt an mit Herausforderungen kämpfen müssen, wo andere Privilegien haben.

Internationalismus, vor allem die Einbindung der europäischen Ebene und Digitalisierung sind weitere Punkte, die im Verhältnis von Staat und Wirtschaft und den oben genannten Ausführungen eine Rolle spielen und deshalb mitgedacht werden müssen. Wir werden weiterhin darauf achten, dass Themen, die wir bearbeiten, in ihrer Vielschichtigkeit betrachtet und Querschnittsthemen berücksichtigt werden oder anders gesagt, dass wir interdisziplinär arbeiten.

Bildung: von der Geburt bis zum Tod 

Bildung ist für uns Jungsozialist*innen nicht nur Kernthema, sondern aus unserer Perspektive das zentrale Mittel zur Emanzipation in einer Gesellschaft. Bildung hilft dabei, die Persönlichkeit zu entwickeln und sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen, ganz konkret eröffnet sie Aufstiegschancen und damit Teilhabe. Dabei verstehen wir Bildung aber nicht als etwas, das ausschließlich durch Institutionen oder in bestimmten Lebensphasen „mit Menschen gemacht wird“. Bildung findet immer statt – von der Geburt bis zum Tod; auf der Krabbeldecke, am Esstisch oder beim Bingo im Senior*innenheim. Politisch können und wollen wir dafür sorgen, lebenslanges Lernen für alle Menschen jeden Alters zu ermöglichen, Hürden zu senken und Angebote zu schaffen. Natürlich spielt dabei die institutionalisierte Bildung in Kitas, Schulen, Hoch- und Berufsschulen eine große Rolle. Hier können wir politisch den größten Einfluss nehmen und sie wird auch für die kommende Landtagswahl und die darauffolgende Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen eine große Rolle spielen. Aber auch darüber hinaus gilt es diejenigen in den Blick zu nehmen, die die Institutionen schon lange verlassen haben, sich mitten im Berufsleben befinden und bei denen sich der Wunsch oder die Notwendigkeit nach Weiterbildung ergibt. Wie können Bildungsübergänge zwischen Ausbildung oder Studium und Beruf besser begleitet werden und wie schaffen wir einen flexibleren Einstieg in einen zweiten Bildungsweg? Und wie gelingt es uns in einer sich wandelnden Arbeitswelt, dem Bereich der beruflichen Umschulung und Weiterbildung den gleichen Stellenwert einzuräumen wie der sekundären und tertiären Bildung? Außerdem stellt sich die Frage, welche Bildungsmöglichkeiten es außerhalb von Erwerbs- und Lernkontexten gibt; sind Bibliotheken und Volkshochschulen wirklich ausreichend oder brauchen wir vielmehr ein flexibleres, teilweise digitales und aufsuchendes (Weiter-) Bildungsangebot, um lebenslanges Lernen zu ermöglichen und Bildungsungleichheit auch im späteren Verlauf des Lebens zu bekämpfen?

Gleiche Bildungschancen und- zugänge für alle!

Noch immer ist der sozio-ökonomische Status der Eltern ein entscheidender Faktor in der Bildungsbiografie junger Menschen. Die Pandemie hat uns schmerzhaft aufgezeigt, wie wenig unser Bildungswesen auf Krisen vorbereitet ist. Der Frust vieler Schüler*innen, Auszubildenden und Studierenden kommt auch nicht von ungefähr. Es muss sichergestellt werden, dass in Ausnahmesituationen niemand zurückbleibt. Gerade deshalb gilt es für uns zu hinterfragen, inwiefern das Versprechen vom “Aufstieg durch Bildung” noch zuverlässig eingelöst wird und wie wir einen nachhaltig gerechten Umbau unseres Bildungssystems gestalten können. Aber auch BPoC oder Kinder mit anderer Migrationsgeschichte werden immer noch mit vielen Vorurteilen konfrontiert, was zu schlechterer Bewertung führt und ihnen oft der Zugang zur allgemeinen Hochschulreife verwehrt bleibt.

Für uns steht fest: das dreigliedrige Schulsystem wird dem Anspruch eines modernen Bildungsbegriffs nicht gerecht. Es verstärkt die sozio-ökonomischen Effekte auf Bildung sogar erheblich. Das schlägt sich in regionalen und lokalen Unterschieden in den Zugangsmöglichkeiten zu Gesamtschulen oder Gymnasien nieder. Wir stellen die Systemfrage und wollen die “Schule für alle”, zu der sich mittlerweile auch unsere Mutterpartei bekennt. Uns ist klar, dass der Systemwechsel nicht von heute auf morgen kommt. Doch mit Blick auf die Landtagswahl wollen wir Konzepte entwickeln, mit denen wir die bestehenden Strukturen sukzessive aufbrechen und den Weg zur Gemeinschaftsschule eröffnen. In diesen Konzepten wollen wir auch prüfen, wie wir die normative Leistungsbeurteilung in Form von Noten überwinden können und ein Bewertungssystem etablieren, das die individuellen Fähigkeiten der Schüler*innen wirklich widerspiegelt.

Bildungsteilhabe ist auch eine Frage der Mobilität und zu einem sicheren Schulweg gehört, ob in Ballungsräumen oder auf dem Land, ein zuverlässiges ÖPNV-Netz vorhanden ist. Wir arbeiten auf ein kostenloses Schüler*innen-Ticket hin, mit dem sie NRW-weit unterwegs sein können. Und auch der Umgang mit der Digitalisierung und der Zugang zu technischen Geräten ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit. Wir dürfen nicht zulassen, dass der digitale Wandel die bestehenden Ungerechtigkeiten verstärkt.

Digital ist besser!?

So besang es schon Tocotronic, doch wir wollen einschränken: denn gut gedacht ist nicht immer gut gemacht. Wir halten nicht viel davon, Schüler*innen und Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten in der Hoffnung zu bewerfen, der Unterricht würde sich schon ganz von allein digitalisieren. Und Präsenz- und digitale Lehre ist einfach nicht das gleiche. Dafür braucht es Fortbildungen, damit Lehrer*innen nicht nur den richtigen Umgang vermitteln, sondern auch digitale Lernkonzepte alters- und lernniveaugerecht anwenden können. Nicht zuletzt gilt es zu klären, wie weit die Digitalisierung im Unterricht überhaupt gehen soll und welche sensiblen Bereiche dafür nicht geeignet sind und dem entsprechend vorenthalten werden sollten.

Die regionalen Unterschiede in der Ausstattung der Schulen schlagen sich nicht nur in Digitalisierungsfragen nieder. Manche Schulen liegen nur wenige Kilometer auseinander und sind in ihrem Zustand Welten voneinander entfernt. Schuld daran ist eine unzureichende Ausfinanzierung unserer Kommunen, verantwortlich ist eine Landesregierung, die mit ihnen um jeden Cent ringt. Die Substanz vieler Gebäude läuft auf Verschleiß, die Ausstattung ist vielerorts noch dürftig. Wenn wir Bildung in NRW ins 21. Jahrhundert befördern wollen, braucht es eine Sanierungs- und Investitionsoffensive. Auch die Auswirkungen digitaler Lernformate auf das Klima gilt es zu prüfen.

Bildung auf Augenhöhe 

Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie unsere Bildung eigentlich aussehen soll und für welche Gesellschaft wir Menschen ausbilden möchten. Für uns ist Schule mehr als nur die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt und kein Ort an dem es nur darum geht zu lernen, wie man am Besten in einem kapitalistischen System überlebt. Das Bildungssystem in NRW mit all seinen pädagogischen Konzepten und Curricula muss sich ändern. Es muss eines werden, das Kinder und Jugendliche von Anfang an als mündige Menschen ansieht, um sie dabei zu unterstützen, kritisch reflektierende Menschen zu werden. Das bedeutet, dass Mitbestimmungselemente von Anfang an zur Regel werden müssen, denn selbst die kleinsten Bildungspartizipierenden merken, ob man ihnen auf Augenhöhe begegnet und ihre Bedürfnisse ernst nimmt oder aber von vornerein über ihre Köpfe hinweg entscheidet. Nur wenn Kinder und Jugendlichen merklich mitbestimmen dürfen, können sie Demokratie und die Sinnhaftigkeit politischer Partizipation lernen. Für Schulen muss das zum einen die Stärkung der Mitbestimmungsstrukturen und zum anderen die Stärkung der politischen Bildung bedeuten.

Diversität lernen 

Wenn die Bildung, die wir uns vorstellen, daran mitwirken soll, kritisch reflektierende Menschen zu begleiten und Persönlichkeit zu stärken, dann hat Bildung auch den Auftrag, Diskriminierung im Keim zu ersticken und Aufklärung zu leisten. Antirassistische Arbeit in Bildungsinstitutionen ist unerlässlich, sowohl für lernende als auch für lehrende Personen. Das Schild oder die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus“ reicht dafür nicht aus – dieser Satz muss mit Leben und Arbeit gefüllt werden. Hier geht es darum einen Zugang zur eigenen Reflexion zu schaffen, die dabei hilft Privilegien zu erkennen, Vorurteile abzubauen und ein diskriminierungsfreieres Klima zu schaffen. Gleiches gilt für Lehrende, die durch ihr eigenes Verhalten strukturellen Rassismus in Bildungsinstitutionen aufrechterhalten. Eine ähnliche Aufklärung muss es für Feminismus und Gleichberechtigung geben. Sexistisches Verhalten und die Reproduktion von Stereotypen durch Lehrkräfte gilt es in jeglichen Bildungskontexten zu verhindern. Dazu gehört auch eine progressive und umfassende Aufklärung über Sexualität, sexuelle Identitäten und Orientierungen sowie die Rechte von queeren Personen. Zur Diversität gehört auch die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, chronischen Krankheiten und Problemen im Bereich der psychischen Gesundheit, wo neben Aufklärung auch eine Normalisierung von individuellen Hilfen und Förderung gebraucht wird.

Leitlinie Feminismus

Alltagssexismus, sexualisierte Gewalt, auch im Netz oder das Gender Care-, Pay- und Data- Gap: das Patriarchat mit seinen wirksamen Strukturen sorgt nach wie vor für strukturelle Benachteiligung von Frauen und dafür, dass ihre Lebenswirklichkeit nicht nur weniger gesehen wird, sondern auch in politischen Debatten nach wie vor viel zu wenig Berücksichtigung finden. Gleichzeitig sorgt unter anderem eine immer stärkere Verbreitung rechtspopulistischer Ideologien für antifeministische Stimmungen und es bedarf nur wenige Wochen der Corona-Umstände, um minimale gleichstellungspolitische Fortschritte zunichtezumachen bzw. die immer noch klaffenden Wunden aufzudecken.

Feministische Kämpfe sind so notwendig, aktuell und vielfältig wie immer. Feminismus kann also kein Nebenspielplatz in übergeordneten gesellschaftspolitischen Kontexten sein; es verbietet sich die Bekämpfung des Patriarchats in einem kleinen Kapitel und unserem feministischen Grundverständnis abzuhandeln. Jeder Bereich, den wir politisch betrachten, muss auch durch die feministische Brille betrachtet und es muss bspw. danach gefragt werden, inwiefern Frauen* von globalen Krisen durch Corona und den Klimawandel spezifisch betroffen sind und welche Lösungsansätze bereitgestellt werden müssen. Gerade in Bezug auf die Corona-Krise stellen sich dann Fragen nach einem feministischen Gesundheitssystem, das die Beschäftigungsverhältnisse von überwiegend weiblichem Pflegepersonal auf der einen und spezifische Versorgungsfragen von Frauen* auf der anderen Seite, in den Blick nimmt. Genauso müssen feministische Themen und explizit feministische Bildung Platz in unserer politischen Agenda finden – wie können wir Mädchen* von Anfang an stärken, wie wird strukturelle Diskriminierung von Anfang an verhindert und wie lernen alle Kinder, Feminist*innen zu sein?

Für die gesamte Arbeit in unserem Verband wollen wir also den lila Faden beibehalten und feministische Themen in jedem zu politisch bearbeiten Bereich platzieren, sie auf jeder Veranstaltung sichtbar machen und ebenso regelmäßig sollen sie Teil der Öffentlichkeitsarbeit sein. Dabei wollen wir darauf achten, dass feministische Diskussionen unvermeidbarer Bestandteil unserer Arbeit sind. Nicht nur einzelne Workshops zu dezidiert feministischen Fragestellungen, sondern feministische Perspektiven in all unseren Formaten sind unser Ziel. Für uns Jusos reicht schließlich nicht das Lippenbekenntnis zum Feminismus; wir wollen alle sprachfähige Feminist*innen sein! Für die nächsten zwei Jahre bedeutet das auch, eine feministische Perspektive auf Wahlkampf zu haben, Kandidaturen von jungen, linken Frauen besonders im Blick zu haben und sie und ihre Vernetzungsmöglichkeiten besonders zu unterstützen.

Immer wieder kommt es auch innerhalb von linken Strukturen zu sexualisierten Übergriffen und Gewalt. Dass dies ein wichtiges Thema für uns ist, sollte schon lange klar sein. Doch auch uns fehlt es, wie vielen andere linken Strukturen auch, an einem klaren Handlungskonzept im Umgang mit sexualisierter Gewalt. Hier besteht Verbesserungsbedarf, dem mit der Erarbeitung eines solchen Konzepts nachgekommen werden soll. Dies soll auch beinhalten, wie mit Diskriminierung innerhalb des Verbands umgegangen wird. Ein wesentlicher Baustein eines Handlungskonzeptes soll ein Awareness-Konzept sein, welches dauerhafte Ansprechpartner*innen für Übergriffe zur Verfügung stellt und Betroffene unterstützt. Außerdem stellen Genderplena für uns eine wichtige Ergänzung dar, um sexistisches Verhalten zu reflektieren. Auch darüber hinaus ist eine dauerhaft angelegte Reflektion von Männlichkeit unabdingbar. Für uns ist klar: Den Untergang des Patriarchats können wir nur einläuten, wenn auch Männer ihren Anteil am feministischen Kampf tragen.  Sensibilisierung für den privaten Aspekt sexualisierter Gewalt (Übergriffe passieren am Häufigsten im vertrauten Rahmen/ in Beziehungen/ auf Partys) muss für unseren Verband auch heißen, Überlegungen für safer spaces auf unseren Verbandspartys u.ä. anzustellen. Ziel dieser Auseinandersetzung muss sein, dass sich alle wohl fühlen in unserem Verband, ob BPoC, Frau oder nicht-binär. Sexistischem oder anderen diskriminierenden Verhalten wollen wir uns mit einer Null-Tolleranz-Linie entgegenstellen. Doch nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit der stereotypen Vorstellung von Männlichkeit soll Teil unseres feministischen Kampfes der nächsten zwei Jahre sein. Weiterhin soll unsere Frauenvernetzung ein wichtiger Bestandteil unserer Verbandsarbeit bleiben. Wir wollen das bisherige Format kritisch hinterfragen und gemeinsam Lösungen und Veranstaltungsformate finden, die Frauen* empowern ohne eine nicht tragbare zusätzliche zeitliche Mehrbelastung für die Adressat*innen zu sein. Neben dieser Empowermentstruktur auf Landesebene, setzen wir auf den Austausch mit den UB und KV. Empowerment ist harte Arbeit und braucht nachhaltige Strategien wie Erfahrung und Wissen weitergegeben werden kann. Diese Strategien wollen wir für alle UB zugänglich machen und zum Austausch anregen.

Die steigende Awareness für Rassismus, Ableismus und dem Spektrum an nicht-binären Geschlechtsidentifikationen muss auch in unseren Debatten widergespiegelt werden. Auch ein breitgefächertes feministisches Grundverständnis muss regelmäßig reflektiert werden, um die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu integrieren. Das bestehende Spannungsfeld zwischen dem Materialismus, Queerfeminismus und der Intersektionalität bleibt für uns als Chance bestehen. Wir wollen unsere Debatten auch mit externen Fachmenschen dazu nutzen, um Streitpunkte zu filtern und einen gemeinsamen Umgang zu ermöglichen.  Wir müssen FINT-Personen in unseren Feminismus zusammenbekommen und weiter den Frauenkampf gegen das Patriarchat führen. Damit einher geht auch der Anspruch, ein Konzept für gendergerechte und intersektionale Sprache zu finden, welches diese Positionierung abbildet.

Sozialismus

Die NRW Jusos verstehen sich als sozialistischer Richtungsverband. Das bedeutet, dass für uns der demokratische Sozialismus weder historische Folklore noch hohle Phrase, sondern konkretes Ziel unserer politischen Arbeit ist. Wir kämpfen für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der mensch das eigene Leben ohne Ausbeutung, Gewalt und Unterdrückung so gestalten kann, wie mensch möchte. Damit ist unser Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus auch ein Bekenntnis zur Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse, in denen wir leben. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine stets aktuelle Analyse dieser Verhältnisse und die Beschäftigung mit sozialistischen Theorien sowie eine kontinuierliche Bildungsarbeit im Verband. Der demokratische Sozialismus ist für uns deshalb nicht auch ein Thema unserer Verbandsarbeit, sondern er ist eines der zentralen Querschnittsthemen, die wir stets mitdenken müssen. Diesem Anspruch wollen wir auch in den kommenden Jahren gerecht werden.

Antifaschismus und Antirassismus

Der antifaschistische Kampf ist für uns unabdingbar, um eine freiheitliche Welt zu erkämpfen und sie vor allem gegen antidemokratische und rechte, faschistische Kräfte zu verteidigen. Dazu gehört für uns, dass wir in Bündnissen aktiv sind, uns an Gegenprotest zu rechten Demonstrationen beteiligen, die Entwicklungen von rechten Gruppierungen im Blick behalten, darauf reagieren und darüber informieren sowie dass wir Wahlkampf gegen Rechts, der sich auch klar gegen Rassismus positioniert, führen, damit Nazis keinen Einzug in unsere Parlamente schaffen.

In unserer Netzwerkstelle Antifaschismus haben wir Unterbezirke & Kreisverbände zusammengebracht, um uns gegenseitig zu empowern und zu solidarisieren. Gute antifaschistische Arbeit läuft vor allem vor Ort, wir wollen als Landesebene deswegen unterstützend wirken. Diese Netzwerkstelle wollen wir weiter ausbauen und anstreben, dass alle Unterbezirke & Kreisverbände vertreten sind. Es soll ein Ort sein, wo Wissen weitergegeben wird und Unterstützung da ist, wenn es um konkrete Fragen und Probleme geht. Wir wollen dafür auch Externe für Vorträge und Austausch einbinden sowie ein Demotraining anbieten.

Der Kampf gegen Faschismus ist jedoch leider nur ein Teil im Kampf gegen Rassismus. Viel zu lange haben wir den anderen Teil nicht facettenreich genug betrachtet, daher wollen wir uns in den nächsten zwei Jahren auch dem Thema Antirassismus verstärkt widmen, thematisch und innerverbandlich. Als Jugendverband, der sich gegen jegliche Art von Rassismus stellt, müssen wir uns auch gegen den “verborgenen”, strukturellen Rassismus stellen, der sich in allen Bereichen der Gesellschaft, in unserem Alltag, wie auch in staatlichen Institutionen wiederfindet. Wir stehen weiterhin ganz klar an der Seite der Geflüchteten, positionieren uns gegen eine rassistische Außenpolitik und behalten den kritischen Blick auf unsere eigene Partei bei.

Wir wollen uns auch thematisch (Anti-)Rassismus verstärkt widmen. Dazu gehört für uns eine kritische Auseinandersetzung mit deutscher Kolonialgeschichte, die Frage, wie wir dem Begriff Integration gegenüberstehen und was für Konzepte wir dem Entgegensetzen sowie, dass wir Deutschland als Einwanderungsland verstehen und wie das konkret gestaltet werden kann. Für diese Fragen wollen wir unsere ausgefallene Veranstaltung zum Thema Migration nachholen. Dies soll unter anderem ein Ort werden, um BPoC zuzuhören, ihre Perspektiven in unsere Arbeit einzubinden und uns mit Expert*innen und Mitstreiter*innen auszutauschen. Dies wollen wir aber kontinuierlich tun. Wir möchten uns außerdem mit den verschiedenen Facetten von Rassismus, wie beispielsweise antischwarzer und antimuslimischer Rassismus, sowie weiterhin mit Antisemitismus auseinandersetzen.

Doch der strukturelle Rassismus macht auch keinen Halt vor unserem Verband als gesellschaftlichen Raum. Wir wollen das Bewusstsein stärken, dass der strukturelle Rassismus überall auffindbar ist.

Wir wollen daher einen Safer-Space für BPoC schaffen. Dazu gehören einmal BPoC-Vernetzungsstrukturen, die wir etablieren wollen, wo BPoC sich empowern, aber auch insgesamt im Verband brauchen wir mehr Awareness, um antirassistische Strukturen zu etablieren. Wir wollen zudem die Auseinandersetzung mit dem kritischem Weißsein anstoßen, um rassistische Verhaltensweisen abzubauen.

Internationalismus

Unser Solidaritätsbegriff ist internationalistisch. Die Globalisierung und der mit ihr einhergehende technische Fortschritt und digitale Wandel verändert unsere Welt beständig. Gerade wenn wir in den globalen Süden schauen, der überdies schon jetzt die ersten Folgen des Klimawandels spürt, dann können wir erkennen, dass das vermeintliche Wohlstandsversprechen des Kapitalismus nur für einige Wenige gilt. Wir brauchen einen Gegenentwurf zu nationalem Egosimus und Kleinstaaterei und kämpfen an der Seite unserer internationalen Partner*innen für globale Verteilungsgerechtigkeit. Innerhalb der Bundesjusos werden wir uns deshalb für eine weitere Stärkung der Zusammenarbeit in unseren Dachverbänden Young European Socialists (YES) und International Union of Socialist Youth (IUSY) einsetzen. Außerdem streben wir eine engere Zusammenarbeit mit den sozialistischen Jugendverbänden in Belgien und den Niederlanden an.

Von bewaffneten Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen sind Frauen* viel stärker betroffen. Und doch ist Außenpolitik noch immer eine einzige Männerdomäne. Diese Machtstrukturen gilt es aufzubrechen. Nicht nur die Einhaltung von Menschenrechten, auch Geschlechtergerechtigkeit muss die Maxime der Außenpolitik unserer Partei sein. Frauen müssen in bewaffneten Konflikten besser geschützt und gleichberechtigt an Friedensprozessen beteiligt werden.

In Europa brauchen wir nach der Pandemie einen solidarischen Neuanfang. Diese Chance dürfen die progressiven Kräfte in der EU nicht vergeben. Das bedeutet vor allem eine finanzielle Entlastung der Länder im Süden, die nach Jahren der Austeritätspolitik und des Kahlschlags in der öffentlichen Daseinsvorsorge von der Krise am härtesten getroffen wurden. Dem Sterben im Mittelmeer muss durch ein europäisches ziviles Seenotrettungsprogramm ein Ende gesetzt werden und eine solidarische Verteilung der bei uns ankommenden Menschen gewährleistet werden. Dass Europa sich im vergangenen Jahrzehnt immer mehr abgeschottet hat, ist eine Schande und steht im grundlegenden Widerspruch zu unseren politischen Werten. Wir kämpfen weiterhin für ein Europa, das mehr als eine Wirtschaftsunion ist. Dichte Grenzen und kein gemeinsames Konzept zum Umgang mit Corona haben deutlich gemacht, dass wir in Krisenzeiten und darüber hinaus ein Europa brauchen, das zusammenhält und füreinander einsteht.

Bündnisarbeit und Doppelstrategie: Weiterführen und intensivieren

Wir NRW Jusos verstehen uns sowohl als Jugendorganisation der NRW SPD als auch als eigenständiger Jugendverband. Die Doppelstrategie, also das Hineinwirken in die Partei und der Kampf um gesellschaftliche Fortschritte mit der Hilfe von Bündnispartner*innen spielt eine wichtige Rolle in unserer alltäglichen Arbeit. Wir verstehen und als Teil der gesellschaftlichen Linken und wissen, dass wir ohne die Hilfe von Bündnispartner*innen unsere Ziele nicht erreichen werden.

Dazu gehört für uns als Jugendverband unter anderem die Arbeit in Bündnissen, in denen wir weiterhin vertreten sein wollen. Neben den Bündnissen gibt es für uns konkrete Partner*innen, zu denen wir bereits gute Beziehungen pflegen und dies beibehalten und weiter ausbauen möchten.

Als sozialistischer Jugendverband fühlen wir uns besonders mit den Arbeiter*innenjugendverbänden verbunden. Die DGB-Gewerkschaftsjugenden sind für uns dabei ein ganz wichtiger Bestandteil, um gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen für alle und junge Menschen im Speziellen zu kämpfen. Um diese Arbeit weiter zu intensivieren, wollen wir einen Gewerkschaftsrat bei uns etablieren, um uns regelmäßig auszutauschen und über gemeinsame Projekte zu sprechen und unsere gemeinsame Arbeit weiterhin zu verfestigen.

Zusätzlich zählt dazu aber auch der rege Austausch mit der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken, wie auch mit der AWO-Jugend. Wir wollen mehr Kontakt zu den Falken suchen und eine gemeinsame Veranstaltung planen, um unsere beiden Verbände in NRW wieder näher zusammenzubringen. Die Falken sind für uns wichtige Verbündete bei dem Streben nach einer sozialistischen Welt und daher ist es unabdingbar, dass wir wieder häufiger zusammenarbeiten. Wir wollen aber nicht nur in bekannten Bündnisstrukturen arbeiten, sondern auch auf neu aufkommende Bewegungen wie Fridays for Future oder Black Lives Matter reagieren. Vor Ort haben wir viele Jusos, die sich auch außerhalb unseres Verbands politisch engagieren, das sollten wir nutzen. Bestehende inhaltliche Differenzen hindern uns nicht daran, den Dialog und die Diskussion zu suchen, sondern regen zur Hinterfragung und Weiterentwicklung von Positionen an.

Zuletzt wollen wir unsere Mitstreiter*innen in den verschiedensten politischen selbstorganisierten Gruppen an unserer Seite in unserem Kampf für eine fortschrittliche Gesellschaft nicht missen und auch unseren Austausch weiterhin ausbauen und gemeinsam für unsere Interessen kämpfen.

Bildungsarbeit

Unsere Bildungsveranstaltungen sind Grundlage der politischen Arbeit des Verbandes. Unser Anspruch ist das inhaltliche und methodische Empowerment der ganzen Breite der Mitglieder. Die Vielfalt unseres Verbandes soll sich auch in unserer Bildungsarbeit widerspiegeln. Wie in der Vergangenheit setzen wir in unserer Bildungsarbeit auf eine breite Beteiligung und binden Expert*innen unseres Verbandes ein. Hinzu kommen externe Referent*innen und die verschiedenen Bündnispartner*innen, die nicht nur inhaltlich neue Impulse geben können, sondern uns hin und wieder auch den Spiegel vorhalten.

Wir begreifen unsere Bildungsveranstaltungen als Safer Space, in den sich für verbandsinterne Diskussionen zurückgezogen werden kann. Zudem wollen wir ein Konzept für Genderplena erarbeiten, die bei mehrtägigen Bildungsveranstaltungen obligatorisch werden und an den Frauenrhetorikschulungen festhalten. In der Konzeption der Veranstaltungen werden wir dafür sorgen, dass unser Querschnittsthema Feminismus einen festen Platz in jedem Format hat und nicht von einigen Teilnehmer*innen gemieden werden kann.

Mit barrierearmen und gut erreichbaren Veranstaltungsorten sowie arbeitnehmer*innenfreundlichen -zeiten stellen wir sicher, dass alle Mitglieder gleichermaßen an der Bildungsarbeit partizipieren können. Bei Bedarf sollen Mitfahrgelegenheiten koordiniert werden, damit sich die Wege mit dem Auto geteilt werden können.

Die NRW Jusos unterstützen auch die Bildungsarbeit vor Ort. Unterbezirke und Kreisverbände haben weiterhin die Möglichkeit, Kooperationsseminare zu beantragen. Darüber hinaus wollen wir die bessere Vernetzung der Bildungsangebote untereinander unterstützen. Es soll ein “Juso-Einmaleins” sowie Leitfäden für Bildungsarbeit und Wahlkampf erarbeitet werden und den Unterbezirken und Kreisverbänden als Handreiche zur Verfügung gestellt werden.

Das Bildungsprogramm der NRW Jusos wird jeweils für ein Jahr beschlossen. Für die Ausgestaltung dieses Programms ist es umso wichtiger, unsere Veranstaltungen bei den Teilnehmer*innen im Nachgang zu evaluieren. Die Ergebnissicherung zu den Veranstaltungen soll transparenter gemacht und für die Teilnehmer*innen leichter zugänglich werden.

Die klassischen Formate der Verbandswochenenden und Foren haben wir in diesem Jahr aufgebrochen. Den Eventcharakter werden wir weiter ausbauen, ohne dabei den Bildungscharakter der Veranstaltungen zu vernachlässigen. Die Präsenzveranstaltungen sind dabei die Basis unserer Bildungsarbeit und können bei Bedarf durch die erprobten digitalen Formate ergänzt werden. Die bewährten Neumitglieder- und Grundlagenseminare sollen als niedrigschwelliger Einstieg in den Verband weiterhin angeboten werden. Auch die Funktionär*innenschulung soll wieder stattfinden. Wir wollen außerdem die Möglichkeit einer Gedenkstättenfahrt prüfen.

Medienarbeit

Damit unsere Ideen und Forderungen nicht im luftleeren Raum verpuffen, bleibt für uns eine kluge und strategische politische Kommunikation von enormer Bedeutung. Als Jugendverband der SPD ist für uns wichtig, Medienarbeit in zwei Richtungen zu verstehen – zum einen in die Öffentlichkeit und unsere Mutterpartei, um Themen zu setzen und uns zu positionieren, und zum anderen für die verbandsinterne Kommunikation, um unsere Mitglieder zu informieren und einzubinden.

Für die interne Kommunikation setzen wir auf altbewährtes wie unser Verbandsmagazin, um beispielsweise über aktuelle Debatten/Themen und von vergangenen Veranstaltungen zu berichten sowie die Mailverteiler, um alle Mitglieder und Vorstände in den Unterbezirken & Kreisverbänden auf dem Laufenden zu halten und über Angebote von Landesseite zu informieren. Um unsere Mitglieder außerdem inhaltlich zu empowern, können zu einzelnen aktuellen Themen kurze Erklärungen veröffentlicht werden, die als Argumentationsstütze dienen.

Unsere Social-Media-Kanäle wollen wir noch gezielter auf die Plattformen abstimmen und nutzen. Es muss dabei geprüft werden, welche konkreten Funktionen die einzelnen Plattformen für unsere Kommunikationsarbeit – sowohl für den internen als auch externen Gebrauch – übernehmen können. Es sollen dabei Konzepte erarbeitet bzw. Bestehende überarbeitet werden, die passend sind für den jeweiligen Kanal. Dabei sind wir offen für neue Formate und Plattformen und prüfen deren Praktikabilität für uns. Prämisse ist dabei, dass Qualität über Quantität geht und der Auftritt professionell wirkt. Ein einheitlicheres Auftreten bspw. auf Instagram ist unser Ziel sowie die Einbindung von Mitgliedern durch Mitmach-Formate oder beispielsweise Take-Over-Formate, um Unterbezirke & Kreisverbände zu beteiligen.

Wir sind ein diverser sowie offener Verband, dies wollen wir auch online zeigen. Unsere Verbandskultur, die sich nicht nur über starke inhaltliche Arbeit definiert, sondern auch über einen Verband, der Freundschaften möglich macht und Spaß an der politischen Arbeit bedeutet, soll nach außen sichtbar gemacht werden. Wir wollen dadurch aktive Mitglieder sichtbar machen, aber auch attraktiv für potenzielle Neumitglieder sein. Außerdem wollen wir niedrigschwellig Inhalte verständlich machen. Somit sollen auch Nicht-Mitglieder angesprochen werden und unsere Politik mit Hilfe von erklärenden Postings vermittelt werden.

In den vergangenen Jahren waren wir in den klassischen Medien regelmäßig vertreten und konnten unsere Anliegen in zahlreiche Verlags- & Rundfunkhäusern kundtun. Deshalb bleibt die gute alte Pressearbeit für unsere öffentliche Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Außerdem wollen wir auch weiterhin den Blog bespielen, um Meinungsbeiträgen eine Bühne zu bieten.

Wie wir leben wollen

Mit diesem Arbeitsprogramm geben wir uns die inhaltliche wie organisatorische Grundlage der NRW Jusos für die kommenden zwei Jahre. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind groß, aber noch größer ist unsere Bereitschaft, aus purer Liebe alles zu geben. Dafür braucht es den gesamten Verband, denn nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die besten Zeiten noch vor uns liegen. Dafür wollen wir in den beiden anstehenden Wahlkämpfen um nicht weniger als um die Frage diskutieren, wie wir eigentlich leben wollen, weil wir überzeugt sind, dass es uns nur dann gelingt, die CDU in die Opposition zu schicken, wenn wir mutige, progressive Alternativen bieten. Wer, wenn nicht wir sollte dafür sorgen und zwar im Bund genauso wie in NRW?!

Packen wir’s an, NRW Jusos. Glück auf!