GENDER MAINSTREAMING IN DER STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

Wir Jusos sind ein feministischer Richtungsverband und haben als Ziel die Gleichstellung der Geschlechter. Besonders in der Regionalentwicklung muss im Rahmen von Gender Mainstreaming Gleichstellung als Querschnittsaufgabe verstanden werden. Diese Aufgabe richtet sich dabei nicht an einzelne, sondern betrifft alle gleichermaßen – sowohl Politik als auch Verwaltung und die Gesellschaft. Vor allem ist eine Zusammenarbeit der Kommunen innerhalb von Ballungsgebieten unabdingbar, um jede*n am gesellschaftlichen Leben partizipieren lassen zu können.

Gender Mainstreaming dient der Förderung der Gleichstellung zwischen Frauen* und Männern*. Es bedeutet, in allen Planungs- und Entscheidungsprozessen von Anfang an Gleichstellungsaspekte unter der Prämisse, dass Frauen* und Männer* aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Geschlechterrollen (gender) in der Gesellschaft unterschiedliche Lebensbedingungen und Chancen vorfinden und von gesellschaftlichen Prozessen und deren Auswirkungen unterschiedlich betroffen sind, zu berücksichtigen und einzubeziehen.

Eine treibende Kraft für die Umsetzung von Gender Mainstreaming stellt die EU dar, welche 1997 im Amsterdamer Vertrag Gender Mainstreaming offiziell als verbindliche Richtlinie für alle Mitgliedsstaaten zum Ziel der EU-Politik gemacht hat: „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikel 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft (…) die Gleichstellung von Männern und Frauen (…) zu fördern.”

Weiter heißt es im Art. 3 des Amsterdamer Vertrags: „Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.“

In Deutschland wurde durch die Novellierung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien durch einen Kabinettsbeschluss im Jahr 2000 Gender Mainstreaming vorangetrieben, da alle Ressorts der Bundesregierung Gender Mainstreaming bei politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu berücksichtigen haben.

Auf dieser Grundlage ergeben sich für die Jusos folgende Forderungen:

Die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Teilhabemöglichkeiten, Sicherung des gleichen Zugangs zu öffentlichen (Dienst-)Leistungen und der Gleichstellung und gleichen Verteilung von Macht und Einfluss zwischen Frauen* und Männern*. Für uns sind die zentralen Handlungsfelder geschlechtergerechter Regionalentwicklung Mobilität, Angsträume, Siedlungsstruktur, öffentliche Verwaltung und die Finanzierung.

MOBILITÄT

Mobilität muss unter dem Aspekt Geschlechtergerechtigkeit weiterentwickelt werden. Die Teilhabe am öffentlichen Leben wird oftmals durch die Möglichkeiten der Mobilität bestimmt. Ob öffentlicher Personennahverkehr, PKW, Fahrrad oder Fußgänger*innen. Der öffentliche Personennahverkehr muss nicht nur gestärkt werden, sondern auch für eine geschlechtergerechte Perspektive offen stehen. Es muss überprüft werden, ob der ÖPNV gänzlich barrierefrei gestaltet ist. Bei Busfahrten in den Abend- und Nachstunden soll die Möglichkeit bestehen zwischen Haltestellen zu stoppen um einen kürzeren Rückweg zu ermöglichen. Die bisherigen freiwilligen Services einiger Verkehrsbetriebe soll durch eine verbindliche Lösung ersetzt werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit bedarfsgerecht Bürger*innenbusse einzusetzen. Der Bürger*innenbus ist zunächst ein ganz normaler Bus auf einer konzessionierten Linie. Dies bedeutet, dass es Fahrpläne, Haltestellen und Tarife gibt. Ein Verkehrsunternehmen kümmert sich um die verkehrsrechtliche und die technische Seite. Der Bürger*innenbus wird jedoch von ehrenamtlich Fahrerinnen und Fahrern betrieben, die sich z.B. in einem Bürger*innenbusverein zusammenschließen. Da dem konventionellen Linienverkehr keine Konkurrenz gemacht werden soll, beschränkt sich das Einsatzgebiet bisher auf Bereiche und Zeiten, in denen der reguläre Linienverkehr unterrepräsentiert ist. Grundsätzlich ist es unser Ziel, dass durch die öffentliche Hand ein umfassendes ÖPNV-Angebot bereitgestellt wird, aber ebenso soll das Engagement der Bürger*innen in den genannten Busvereinen unterstützt werden, zum Beispiel durch finanzielle Förderung seitens der Kommune oder des Bundeslandes, wofür es bereits einige Projekte gibt.

ANGSTRÄUME

Das Thema Angsträume ist ein wesentlicher Punkt des Gender Mainstreamings. Gerade nicht ausgeleuchtete Parkplätze, Seitenstraßen/-gassen oder Bahnhöfe sowie Bushaltestellen sind sowohl für Frauen* und Männer* nachts ein Bereich der zu Unwohlsein führt. Dunkle Plätze und Flächen müssen daher besser ausgeleuchtet werden. Außerdem soll an Bahnhöfen und anderen zentralen Punkten des öffentlichen Raumes mehr deeskalierendes Personal, zum Beispiel der lokalen Stadtwerke, für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung stehen.

SIEDLUNGSSTRUKTUR

Die Siedlungs- und Raumentwicklung sollte folgende Punkte beachten: Der Ausdünnung und der Zentralisierung der Infrastruktur und der Nachversorgung sollte entgegen gewirkt werden. Die räumliche Verteilung und die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen, Kindertagesstätten und der Nahversorgung spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch die Wohnbebauungsplanung sollte stets unter der Berücksichtigung der Barrierefreiheit geschehen. Bei allen baulichen Vorhaben und kommunalen Ausschreibungen soll der Aspekt des Gender Mainstreamings berücksichtigt werden. Die Belastung vieler innerstädtischer Bereiche aufgrund stark nachgefragter Parkplätze soll durch integrierte Parkraumkonzepte der Kommunen reduziert werden. Dabei ist auf eine ausgewogene Parkraumbewirtschaftung zu achten, die Bewohner*innen, Besucher*innen und Beschäftigte ansässiger Unternehmen oder Einzelhändler*innen angemessen berücksichtigt. Dabei sind verschiedene Konzepte denkbar, die in jedem Fall den Anwohner*innen und anliegenden Händler*innen zugutekommen sollen. Je nach Bedarf sollen kostenlose oder (gestaffelt) kostenpflichtige Anwohner*innenparkplätze geschaffen werden. Um integrierte Konzepte nachhaltig wirksam zu machen, sind ein attraktives ÖPNV-Angebot in den Wohnquartieren sowie eine angemessene Berücksichtigung von Stellplätzen für Carsharing-Angebote zu beachten, um das Ausmaß des innerstädtischen Autoverkehrs zu verringern.

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG

Der Gender Mainstreaming soll ebenfalls innerhalb der kommunalen Verwaltungen implementiert werden. Um dieses Ziel realisieren zu können, muss Gender Mainstreaming zur Regelpraxis werden. Das bedeutet, dass alle Akteur*innen in und um die Verwaltung in allen Sachgebieten, wie zum Beispiel Verkehr oder Arbeit, in allen Handlungsfeldern wie z.B. Öffentlichkeitsarbeit oder Personal den Gender Mainstreaming-Ansatz mit einzubeziehen. Dies beinhaltet, dass Gender Mainstreaming sowohl bei der Organisation der Verwaltung als auch bei der fachlichen Arbeit Berücksichtigung findet. Dazu gehört für uns auch, dass deutlich mehr Frauen* als bisher obere Verwaltungspositionen besetzen. Auf der politischen Ebene sind Zielsetzungen unter dem Gender Mainstreaming-Ansatz notwendig, einerseits inhaltlich aber auch im Bereich der Personalpolitik, wie zum Beispiel bei der strategischen Ausrichtung und personellen Besetzung von städtischen Tochterunternehmen.

FINANZIERUNG

Da im europäischen Vertrag die Förderung der Gleichstellung zwischen Frauen* und Männern* festgelegt ist und vorangetrieben werden soll, stehen für solche Projekte auch Fördermittel im Rahmen des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung. Innerhalb dessen lässt sich sowohl auf Länderebene als auch auf Bundesebene die Gender Mainstreaming-Strategie verankern. Um diesen Aspekt ganzheitlich aufgreifen zu können, müssen im Rahmen des ESF folgende Punkte beachtet werden: Sozioökonomische Analyse, Zielsetzung, Planung und Operationalisierung, Implementierung, Umsetzung, Begleitung und Evaluierung. Zu Beginn der Förderperiode 2007-2013 des ESF wurde zusätzlich in Deutschland eine begleitende Gender-Mainstreaming Beratungsstruktur auf Bundesebene für den ESF etabliert. Zur Unterstützung der ESF-Fondsverwaltung gehört das Gender Budgeting. Beim Gender Budgeting handelt es sich um einen gendergerechten Haushaltsplan, welcher zunächst aus der Definition von Gleichstellungszielen besteht. Ziel ist es den bestehenden Haushalt, z. B. einer Kommune, einer Behörde, einer Universität oder eines Landes, bestehend aus deren Einnahmen und Ausgaben im Hinblick auf diese Gleichstellungsziele anzugleichen. Dabei fordern wir die weitere Implementierung des Ansatzes auf allen politischen Ebenen bis hin zur Kommune. Die Gender Mainstreaming-Strategie muss gerade in der Kommunen stärker eingebracht und finanziell unterstützt werden, um somit das Konzept des Gender Budgeting zu fokussieren. Wir wollen keine Verfestigung von tradierten Rollenbildern und durch die Weiterentwicklung von Gender Mainstreaming der Stadt- und Regionalentwicklung für ein gleichberechtigteres und partizipiertes Miteinander der Gesellschaft beitragen.